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Hilfe bei Bestimmung von Trachys

Verfasst: Mi 27.08.25 23:26
von ABBAndy
Hallo zusammen!

Ich hab mich in den letzten Jahren sehr viel mit römischer und früher byzantinischer Währung beschäftigt und mich da so langsam durch die Zeiten gefräßt, dass ich nun langsam in der Zeit nach der Währungsreform Alexios' I. 1092 angekommen bin - und nun ratlos da rumstehe, da ich merke, dass das in dieser Zeit doch schon sehr anders ist, als z. B. noch das Münzwesen eines Justinian.

Ich hab auf jeden Fall meine ersten Trachys aus einem Münzlot gefischt, aber ich habe keine Ahnung, wie ich die korrekt identifizieren kann, zumal die Nachprägungen und Prägungen aus den lateinischen Kreuzfahrerreichen etc. das ganze Feld für mich auf den ersten Blick sehr komplex erscheinen lassen.

Daher bitte ich um Hilfe bei der Bestimmung meiner ersten drei Trachys. Danke schon mal!

Nr. 1
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So wie ich das sehe auf dem Avers eine sitzende Maria mit Jesuskind. Das überstrichene MP ist noch recht gut erkennbar, zumindest im Original. Auf dem Revers offenbar ein stehender Kaiser mit Kreuzglobus und Labarum. Ich meine links noch "NVHΛ" lesen zu können, obwohl es eher wie "NVPΛ" aussieht.

Gewicht 2,54 g, Durchmesser 25,4-28,1 mm

Meines Erachtens Manuel I., Sear 1964 (?)

Nr. 2
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Ich vermuter hier einen Jesus mit Nimbus auf dem Avers und zwei stehende Figurn auf dem Revers, möglicherweise der Kaiser, der von einem Heiligen oder einer anderen religiösen Figur bekrönt wird (?)

Gewicht: 1,99 g, Durchmesser: 20-23,9 mm.

Ich finde den Winkel, in dem die beiden Figuren auf dem Revers zueinander stehen, auffallend. Online habe ich ein Vergleichsstück gefunden, das als Sear 2268 identifiziert wird, also Michael VIII. (?)

Nr. 3
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Was ich auf dem Avers sehe, ist ein Jesus mit Smiley-Gesicht, etwa so :? . Auf dem Revers wohl ein Kaiser mit loros.

Gewicht 1 g, Durchmesser 16,9-21,2 mm

Da es sehr klein und leicht ist, vielleicht eine Immitation (?)

Re: Hilfe bei Bestimmung von Trachys

Verfasst: Sa 30.08.25 12:11
von Theoupolites
Die erste Münze ist sicher Manuel I. Da ich nicht erkennen kann, ob der Kaiser nun einen Kreuzglobus mit Patriarchenkreuz oder einfachem Kreuz trägt, könnte es aber auch Sear 1965 sein.
Michael VIII. dürfte auch stimmen. Ich sehe allerdings keinen männlichen Heiligen, sondern Maria, die hier den Kaiser segnet, also vielleicht Sear 2265?
Zu der kleinen Münze fällt mir nichts ein.
Generell finde ich Billon-Trachea wegen ihrer meist schlechten Erhaltung oder ihrer von vornherein miesen Prägung leider ein ziemlich undankbares Gebiet zur Bestimmung ...

Re: Hilfe bei Bestimmung von Trachys

Verfasst: So 31.08.25 15:24
von Numis-Student
ABBAndy hat geschrieben:
Mi 27.08.25 23:26
, aber ich habe keine Ahnung, wie ich die korrekt identifizieren kann, zumal die Nachprägungen und Prägungen aus den lateinischen Kreuzfahrerreichen etc. das ganze Feld für mich auf den ersten Blick sehr komplex erscheinen lassen.

Daher bitte ich um Hilfe bei der Bestimmung
Hallo,
wie Du merkst, ist dieses Gebiet selbst für die Spezialisten wie Theupolites schwierig :wink:
Da kommt halt alles zusammen: schlechte Prägequalität, schlechte Erhaltungen, schlampig gearbeitete Stempel, viele sehr ähnliche Typen, die sich nur in Details unterscheiden...

Schöne Grüße
MR

Re: Hilfe bei Bestimmung von Trachys

Verfasst: Di 02.09.25 00:33
von ABBAndy
Hallo zusammen,

und vielen lieben Dank schon mal für eure beiden Antworten. Ein bisschen bin ja froh, dass das Thema wirklich so komlex ist, wie es sich für mich bisher angefühlt hat - dann liegt es immerhin nicht an meiner Auffassungsgabe, wenn ich Probleme bei der Bestimmung meiner ersten Trachys, oder korrekter Trachea, habe.

Immerhin bin ich schon einmal froh, die Nr. 1 offenbar dem richtigen Kaiser zugeordnet zu haben. Was die beiden in seltsamem Winkel zueinanderstehenden Figuren auf dem Revers von Nr. 2 angeht, habe ich inzwischen gelesen, dass Trachea offenbar meist mit zwei Schlägen geprägt wurden, wobei es vorkommen konnte, dass der Stempel zwischen den Schlägen verrutscht ist, sodass ich jetzt davon ausgehe, dass es sich eher um einen Prägefehler handelt und die beiden Figuren eigentlich parallel zueinander stehen sollten. Bei der Nr. 3 bin ich auch weiterhin ratlos...

Gibt es denn Literatur, die man bei dem Thema, also Trachea, grundlegend oder einführend lesen kann oder sollte? Ich greife bisher meist auf Sear mit seinem Katalog byzantinischer Münzen zurück, aber vielleicht gibt es Arbeiten oder Kataloge, spezifischer für Trachea, die empfehlenswert sind?

Danke nochmal!

Re: Hilfe bei Bestimmung von Trachys

Verfasst: Di 02.09.25 15:00
von Theoupolites
An der Theorie mit den zwei Schlägen dürfte was dran sein; Münzen, auf denen die Personen nicht parallel stehen, gibt es unter den Spätbyzantinern jedenfalls öfter mal.
Mit der spezifischen Literatur zur spätbyzantinischen Numismatik wird es schwierig. Was ich dazu an Büchern kenne, ist leider a) in Englisch, b) schon etliche Jahrzehnte alt und c) nur noch antiquarisch erhältlich:
- Michael F. Hendy, Coinage and Money in the Byzantine Empire 1081-1261, Washington 1969
- Simon Bendall & P.J.Donald, The Billon-Trachea of Michael VIII Palaeologos 1258-1282, London 1974
- Simon Bendall & P.J. Donald, The later Palaeologan coinage 1282-1453 (LPC), London 1979.
Hineinschauen kann man natürlich auch in die umfassende Dumbarton Oaks Collection (DOC), da wären für Trachea die Bände 4.1 bis 5.2 interessant.
In Buchform gilt auch hier das oben gesagte; man kann sich die Bände allerdings kostenlos herunterladen, z.B. über dieses Forum unter viewtopic.php?f=85&t=65440#p561175.

Für neueres müsste man schon einzelne Artikel in numismatischen Fachzeitschriften suchen, die dazu meist noch in zumindest mir unzugänglichen Sprachen wie Französisch, Bulgarisch etc. verfasst sind ...

Re: Hilfe bei Bestimmung von Trachys

Verfasst: Di 02.09.25 16:37
von Chippi
Früher war hier Petzi aktiv, er hat 2005 und 2007 ein Buch über Billon-Skyphaten der Komnenen und Angeloi veröffentlicht:
https://www.numismatik-cafe.at/viewtopi ... w=previous.

Gruß Chippi

Re: Hilfe bei Bestimmung von Trachys

Verfasst: Di 02.09.25 23:33
von ABBAndy
Danke für die Literaturempfehlungen. Ich sehe: es ist und bleibt nicht einfach. Die online verfügbaren Bücher hab ich mir gleich mal runtergeladen. Für die aktuelleren Bücher "Die Billon-Skyphaten der Komnenen und Angeloi und ihre zeitgenössischen Imitationen" finde ich bei einer Google-Suche nur einen Treffer - und das ist die verlinkte Literaturliste. Ich fürchte also, das wird kaum mehr zu bekommen sein...

Dank euerer Hilfe und dem, was ich zwischenzeitlich gelesen habe, kann ich immerhin ein Update zur Bestimmung der obigen drei Trachea geben.

Zu Nr. 1: Ich hab sie mir mit unterschiedlichem Lichteinfall nochmal genau angesehen und dabei nur einen Querbalken auf dem Kreuz erkannt, sodass ich mich hier auf Sear 1965 festlegen möchte. Ich gehe davon aus, dass es sich um ein Original aus der Zeit Manuels I. handelt, nicht um eine spätere Imitation.

Zu Nr. 2: Nachdem ich nun davon ausgehe, dass Trachea mit zwei Schlägen geprägt wurden (Literaturreferenz: https://opac.regesta-imperii.de/id/232240, Download-Link dieses Papers: https://numismatics.org.uk/wp-content/u ... 666638.pdf) und das Prägebild bei meiner Nr. 2 durch Bewegung, wohl eher nicht der Stempel sondern durch Verrutschen des Rohlings zwischen den Schlägen, entsprechend ineinandergeschoben ist, und somit verzerrt wiedergeben wird, habe ich erst einmal versucht, das Prägebild grob zu rekonstruieren, indem ich die beiden Stempelabdrücke auf den Photos ausgeschnitten und neu zueinander ausgerichtet habe. Damit ergibt sich folgendes Bild, wobei jeweils eine Lücke ensteht, ein Bereich der Stempel, der nicht abgebildet wurde:

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Auf dem Avers ergibt sich nun ein klareres Bild einer Jesus-Darstellung mit Nimbus. Rechts davon ist sehr eindeutig ein Stern zu sehen, darüber sogar noch das X von XP, was bestätigt, dass es sich tatsächlich um einen Jesus handelt. Der Revers zeigt nun eindeutiger einen bärtigen Kaiser, der von Maria bekrönt wird - danke für den Hinweis, dass es sich wahrscheinlich um eine Maria handelt.

Damit würde ich von meiner ersten Vermutung, dass es sich um einen Michael VIII. handelt, weggehen und in dieser Münze ebenfalls einen Manuel I. sehen. Entweder handelt es sich um Sear 1966 oder um eine latinische Imitation, also Sear 2026, oder um eine bulgarische Imitation jeweils dieses Typs. Ich habe hier im Forum sogar einen Thread gefunden, der Sear 2026 diskutiert: viewtopic.php?t=36920. Wenn ich das richtig sehe, schließt das eine latinische Imitation aus. Aber wie um alles in der Welt lassen sich die bulgarischen Imitationen von den Originalen unterscheiden? Falls hier jemand was weiß: ich bin weiterhin über jeden Hinweis dankbar!

Zu Nr. 3 hab ich bisher nichts neues in Erfahrung bringen können.

Danke nochmal. Macht gerade Spaß, sich diesem Thema anzunähern.

Re: Hilfe bei Bestimmung von Trachys

Verfasst: Do 04.09.25 21:40
von Numis-Student
ABBAndy hat geschrieben:
Di 02.09.25 23:33
Danke für die Literaturempfehlungen. Ich sehe: es ist und bleibt nicht einfach. Die online verfügbaren Bücher hab ich mir gleich mal runtergeladen. Für die aktuelleren Bücher "Die Billon-Skyphaten der Komnenen und Angeloi und ihre zeitgenössischen Imitationen" finde ich bei einer Google-Suche nur einen Treffer - und das ist die verlinkte Literaturliste. Ich fürchte also, das wird kaum mehr zu bekommen sein...


Zu Nr. 1: Ich hab sie mir mit unterschiedlichem Lichteinfall nochmal genau angesehen und dabei nur einen Querbalken auf dem Kreuz erkannt, sodass ich mich hier auf Sear 1965 festlegen möchte. Ich gehe davon aus, dass es sich um ein Original aus der Zeit Manuels I. handelt, nicht um eine spätere Imitation.

Zu Nr. 2: Nachdem ich nun davon ausgehe, dass Trachea mit zwei Schlägen geprägt wurden (Literaturreferenz: https://opac.regesta-imperii.de/id/232240, Download-Link dieses Papers: https://numismatics.org.uk/wp-content/u ... 666638.pdf) und das Prägebild bei meiner Nr. 2 durch Bewegung, wohl eher nicht der Stempel sondern durch Verrutschen des Rohlings zwischen den Schlägen, entsprechend ineinandergeschoben ist, und somit verzerrt wiedergeben wird, habe ich erst einmal versucht, das Prägebild grob zu rekonstruieren, indem ich die beiden Stempelabdrücke auf den Photos ausgeschnitten und neu zueinander ausgerichtet habe. Damit ergibt sich folgendes Bild, wobei jeweils eine Lücke entsteht, ein Bereich der Stempel, der nicht abgebildet wurde:

Auf dem Avers ergibt sich nun ein klareres Bild einer Jesus-Darstellung mit Nimbus. Rechts davon ist sehr eindeutig ein Stern zu sehen, darüber sogar noch das X von XP, was bestätigt, dass es sich tatsächlich um einen Jesus handelt. Der Revers zeigt nun eindeutiger einen bärtigen Kaiser, der von Maria bekrönt wird - danke für den Hinweis, dass es sich wahrscheinlich um eine Maria handelt.

Macht gerade Spaß, sich diesem Thema anzunähern.
Tröste Dich damit: ein Buch, dass nur ganz vereinzelt in Literaturlisten erwähnt wird, aber nirgendwo zum Kauf angeboten wird oder regelmäßig zitiert wird, mag vielleicht an der ein oder anderen Stelle hilfreich sein, hat sich aber als Standardliteratur nicht durchgesetzt.

Merkt man, dass es Dir Spass macht: die Mühen mit verschiedenem Licht, Prägebildrekonstruktionen etc. macht sich sonst kaum einer freiwillig ;-)
Aber ich finde es echt klasse, dass Du Dich von so komplizierter Materie nicht abschrecken lässt und Dich so tief ins Detailwissen einarbeitest.

Schöne Grüße
MR

Re: Hilfe bei Bestimmung von Trachys

Verfasst: Sa 06.09.25 08:47
von ABBAndy
Danke, Numis-Student. Ich hab an sowas auch echt immer Freude.

Ich kann auch jetzt ein zweites Update geben, die Münzen Nr. 2 und 3 betreffend.

Zur Nr. 2: Ich gehe inzwischen ziemlich sicher davon aus, dass es sich um eine sogenannte bulgarischen Imitationen handelt. Das Original aus der Zeit Manuels I., Sear 1966, scheidet aus, weil die Stempelkopplung: zwei Sterne auf dem Avers (von denen ja noch der rechte auf der Münze erkennbar ist) und zwei Punkte auf dem Mittelteil, zwischen Kragen und Gürtel, des Loros des Kaisers, nicht belegt ist (die Punktierung auf dem Kragen, die hier auch diagnostisch wäre, ist leider nicht mehr erkennbar). Eine abweichende Anzahl Punkte auf der Kleideung des Kaisers ist jedoch typisch für die sogenannten bulgarischen Imitationen (Hendy, Typ A). Für eine Imitation spricht auch die relativ geringe Größe und das geringe Gewicht. Eine latinische Imitation kann hingegen ausgeschlossen werden, da der Kaiser auf diesem Typ, Sear 2026, keinen Loros sondern eine Chlamys trägt, wie in dem oben verlinkten Thread bereits herausgearbeitet wurde. Dementsprechend lege ich mich auch hier Fest: Bulgarische Imitation, Hendy Typ A, ab ca. 1195 geprägt. Ich schreibe die ganze Zeit "sogenannte" weil die Zuordnung zu Bulgarien zwar allgemeiner Konses aber nicht unumstritten ist, jedenfalls soweit ich mich informieren konnte.

Zu Nr. 3: Ich tendiere hier inzwischen dazu, schon alleine aufgrund der geringen Größe, des geringen Gewichts und des stark vereinfachten Stils, eine späte Ausgabe zu sehen. Aktuell tendiere ich dazu, eine latinische Münze darin zu sehen, eventuell Sear 2023. Immerhin gibt es auffallend ähnliche Stücke dieses Typs, wie z. B. dieses hier: https://www.arsclassicacoins.com/biddr/ ... 2&c=116643 oder auch dieses hier: https://agoraauctions.com/doc/listing/viewdetail/57335.

Zusammenfassend komme ich also zu folgendem Ergebnis:
Nr. 1: Byzanz, Sear 1965, Manuel I.
Nr. 2: Bulgarische Imitation, Hendy, Typ A.
Nr. 3: Latin, Sear 2023 (?).

Falls jemand in meiner Bestimmung Fehler entdeckt oder mehr weiß, bitte gerne ergänzen oder anmerken. Ich lese mich immernoch erst in das Thema ein, habe aber doch schon einges gelernt, jedenfalls im direkten Vergleich zu dem, was ich wusste, als ich diesen Thread erstellt habe. Danke nochmal für alle Hinweise bis hierer!