Winzlinge aus Milet

Griechische Münzen des Altertums

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ischbierra
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Re: geht es noch kleiner/filigraner ? Ja !

Beitrag von ischbierra » Sa 05.01.13 16:15

Vielen Dank Iulia und Altamura, da werde ich wohl umetikettieren und / oder ein Fragezeichen dranschreiben, denn unbekannte karische Münzstätte ist dann wahrscheinlich sicherer als Mylasa.
Gruß ischbierra

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divus
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Re: geht es noch kleiner/filigraner ? Ja !

Beitrag von divus » Sa 05.01.13 18:56

Schönen Abend Iulia!
Iulia hat geschrieben:Die milesische Löwenkopf/Stern Serie wurde in mehreren Nominalien bis runter zu den Tetartemorioi geprägt,...
Ist das so? Das wäre mir jedenfalls nicht bekannt...
Iulia hat geschrieben: Das ist aber keine originäre Annahme von B. Weisser, sondern steht so auch in jedem Sammlerkatalog (z.B. Seaby) :wink: .
Grüße von
Iulia
Korrigiert mich bitte, wenn ich mich irre, aber es gibt doch die beiden Gewichtsstandards nur bei der Goldprägung. Mir ist schon klar, dass die Perser wohl auch den Silbertyp eine gewisse Zeit lang weitergeprägt haben, eine nachvollziehbare Unterscheidung kann ich aber bisher nirgends nicht finden...
Eine frappante Ähnlichkeit der lydischen Löwenprotome zu den Milesiern kann ich beim besten Willen nicht feststellen. Insofern sehe ich keine Notwendigkeit bzw. Erfolgsaussicht für die Heranziehung der Lyder zur Datierung der milesischen Oboloi.

Zu der Löwenkopf/Vogel-Tetartemorioi: Mir ist methodisch nicht ganz klar, warum z.B. eine Ähnlichkeit der milesischen Obole zu den Kroisos-Münzen bzw. den frühen Stateren mit dem liegenden Löwen zu Datierungsfragen herangezogen wird, aber die nun ganz augenfällige Ähnlichkeit der Löwenkopf/Vogel-Münzen dabei kein Gewicht haben sollte.
Diese im milesischen Münzfuß geprägten Kleinmünzen werden im Übrigen ohne größeren Widerspruch (so scheint mir) um die Zeit plus-minus 420-390 v.Chr. datiert (Konuk).

Mir kommen immer zwei Gedanken, wenn ich an diese Kleinmünzen denke:
- Zum einen sind sie beinahe so häufig wie die Massenprägung der Löwenkopf/Stern-Emissionen.
- Zum anderen fehlt m.E. eine notwendige und zu erwartende Stückelung zu dieser Massenprägung.
(Zumindest kenne ich bisher keine (s.o.), sofern man die Serie mit den frontalen Löwinnen nicht als dazu gehörig betrachtet.)

Den Buchstaben auf den beiden von Altamura mit gewohnter Exzellenz gefundenen Beispielen kann man vielleicht karisch interpretieren, muss man aber nicht. Konuk ist allgemein ziemlich Karien-affin, wenn man das so sagen darf... ;)

Den Gedanken habe ich schon länger und er hat sich im Laufe dieser schönen Diskussion für mich weiter gefestigt: Ich glaube, man muss zumindest das Ende der milesischen Massenprägung viel tiefer ansetzen als das gemeinhin der Fall ist. Geht man von der verbreiteten Datierung vor 494 aus, dann haben wir eine Prägelücke von fast 100 Jahren in Milet.
Soweit ich bisher herausgefunden habe, scheint Milet sich von der Zerstörung nach der Schlacht von Lade recht schnell wieder erholt zu haben, und die Stadt wurde mit dem berühmten Stadtgrundriss wiederaufgebaut. Um die Mitte des 5. Jhdts. ist Milet im Attischen Seebund und zahlt wohl fünf Talente nach Delos (nicht wenig, fast so viel wie Ephesos mit 6-7 Talenten, nur Kyme hat in Kleinasien anscheinend mehr bezahlt), kann sich aber 420/410 (weiss ich nicht mehr genau) wieder befreien (kommt aber auch wieder unter persische Herrschaft). Die Erholung lief wirtschaftlich zumindest schnell ab, eine Generation. Ich frage mich - womit haben die Milesier zwischen 490-450 und (geht man von einer Prägepause unter dem Attischen Seebund aus) ab 420 v.Chr. bezahlt?

Grüße!

Altamura2
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Re: geht es noch kleiner/filigraner ? Ja !

Beitrag von Altamura2 » Sa 05.01.13 19:21

divus hat geschrieben:Schönen Abend Altamura, ...
Gleichfalls :D .

Ich versuch' jetzt mal, ohne Zitate von zitierten Zitaten auszukommen, sonst wird so ein Beitrag irgendwann nicht mehr lesbar :wink: . Mal schauen, ob das funktioniert.
... Nun ja, das würde freilich zahlreiche Fragen aufwerfen. Wechselfähigkeit zu konkret welchem Standard? Warum solche Massenprägungen in einem "fremden" Standard? Würde eine solche Wechselfähigkeit nicht auch einen Geldfluss in diese Richtung hin bedeuten, insofern gibt es Fundhäufungen der Löwenobole in anderen Regionen? Sind solche "Handelsmünzen" (so verstehe ich dies) nicht eher in hohen Nominalen zu erwarten? Gibt es überhaupt Beispiele für solche Prägungen in der betreffenden Zeit bei anderen Städten? ...
Klar wirft das Fragen auf, und Antworten hab' ich da auch keine :( . Das alleine spricht aber doch noch nicht dagegen. Die einfacheren Modelle sind zwar überschaubarer, aber nicht immer richtig :wink: (das war jetzt ein Allgemeinplatz, sorry :? ).
... Die sind sicher hekatomnidisch, was man besonders bei der Darstellung der Mundpartie des Löwenkopfes sieht. ...
Da kam mir das Ornament auf dem Revers deutlich plastischer vor, als auf den Diobolen von Hekatomnos, und damit näher an den milesischen Obolen.
Wenn man aber sieht, dass es dazu auch Bronzevarianten gibt ( http://www.acsearch.info/record.html?id=86782 , http://www.acsearch.info/record.html?id=222730 ), dann ist Hekatomnos plausibler, das stimmt.

Gruß

Altamura

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Re: geht es noch kleiner/filigraner ? Ja !

Beitrag von Altamura2 » Sa 05.01.13 19:49

Iulia hat geschrieben:... Die milesische Löwenkopf/Stern Serie wurde in mehreren Nominalien bis runter zu den Tetartemorioi geprägt, ...
Nachdem divus meinen Tetartemorions-Fund wohl zu Recht hekatomnisiert hat, würde ich jetzt auch keine weiteren Nominale mehr kennen 8O .
... Wahrscheinlich hat dieser Ort zuerst den Typ ohne Wertpunkte herausgegeben und dann aufgrund von irgendwelchen Akzeptanzproblemen im Umlauf die Stücke markiert, ja sogar bei gleichem Gewicht umgewertet. ...
Warum sollte die Akzeptanz steigen, wenn da plötzlich zwei Knubbel auf dem Revers erscheinen 8O ?
Und wie meinst Du das mit der Umwertung? Dass die Exemplare mit sechs Punkten dann bei gleichem Gewicht dreimal soviel wert waren wie die mit zweien? Da hätte ich Zweifel, dass der Markt sowas annimmt :? .
Oder dass alle dann dreimal soviel wert waren? Dann hätte man die Punkte nicht gebraucht, das hätte man doch einfach per Dekret festlegen können?
... Jedenfalls hat es Milet nicht nötig gehabt, seine Prägungen mit dem Anfangsbuchstaben der Stadt zu versehen. Als Erkennungsbilder reichten völlig der rückwärtssehende Löwenkopf und das astrale Symbol auf dem Revers aus, ...
Das sehe ich auch so, auf den anderen Münzen aus Milet steht ja auch nichts drauf (soweit ich mich da erinnere zumindest).
... Deshalb halte ich übrigens die Bezeichnung "Blumenmuster" für die Reversdarstellung für etwas unglücklich und unpräzise. F. Becker geht darauf leider nur in seiner Anmerkung 13 ein. ...
Das wird wohl ähnlich sein wie mit der Wachtel: Einer fängt aus welchen Gründen auch immer damit an und alle anderen übernehmen das dann aus Tradition :wink: .

Gruß

Altamura

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Re: geht es noch kleiner/filigraner ? Ja !

Beitrag von Altamura2 » Sa 05.01.13 20:25

Mir ist noch etwas eingefallen, das ich eigentlich hätte wissen müssen, da ich es bei meinen Wachtelmünzen dazugeschrieben hatte (na ja, besser spät als nie :? ):
Es gibt von den Löwenkopf-Vogel-Münzen nämlich auch Bronzeversionen.

Ein Bild im Netz finde ich gerade nicht, aber es gibt da einen Artikel von Richard Ashton, in dem die vorkommen :wink: : http://www.royalnumismaticsociety.org/N ... Ashton.pdf
Ein Bild befindet sich auf Tafel 2 Nummer 26, und wie man sieht, steht da eindeutig MILA drauf.
Ashton schreibt dazu (Seite 5): "Despite the aberrant form of the ethnic (perhaps the transliteration of the name from Karian to Greek in this early period had not yet been standardised), there seems little doubt that the attribution is sound, and it seems likely that this bronze issue succeeded a fairly common series of anepigraphic silver fractions with similar types, which can therefore now be attributed to Mylasa with reasonable confidence"

Gruß

Altamura

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Re: geht es noch kleiner/filigraner ? Ja !

Beitrag von Iulia » Sa 05.01.13 20:27

divus hat geschrieben:Schönen Abend Iulia!
Iulia hat geschrieben:Die milesische Löwenkopf/Stern Serie wurde in mehreren Nominalien bis runter zu den Tetartemorioi geprägt,...
Ist das so? Das wäre mir jedenfalls nicht bekannt...
- Zum anderen fehlt m.E. eine notwendige und zu erwartende Stückelung zu dieser Massenprägung.
(Zumindest kenne ich bisher keine (s.o.), sofern man die Serie mit den frontalen Löwinnen nicht als dazu gehörig betrachtet.)
Ich gebe zu, dass ich das von Pfeiler übernommen habe, die die Löwenprotome und den frontalen Löwinnenkopf/Stern zu einer Serie vereint und dass das nicht ganz sauber ist.
Gruß
Iulia

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Re: geht es noch kleiner/filigraner ? Ja !

Beitrag von Iulia » Sa 05.01.13 20:35

Altamura2 hat geschrieben:Mir ist noch etwas eingefallen, das ich eigentlich hätte wissen müssen, da ich es bei meinen Wachtelmünzen dazugeschrieben hatte (na ja, besser spät als nie :? ):
Es gibt von den Löwenkopf-Vogel-Münzen nämlich auch Bronzeversionen.
Ein Bild im Netz finde ich gerade nicht, aber es gibt da einen Artikel von Richard Ashton, in dem die vorkommen :wink: : http://www.royalnumismaticsociety.org/N ... Ashton.pdf
Ein Bild befindet sich auf Tafel 2 Nummer 26, und wie man sieht, steht da eindeutig MILA drauf.
Super Bestätigung für Konuks These. Danke!
Gruß
Iulia

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Re: geht es noch kleiner/filigraner ? Ja !

Beitrag von ischbierra » Sa 05.01.13 21:22

Da bleibt wohl nun doch kein Fragezeichen stehen - alles deutet auf Mylasa

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divus
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Re: geht es noch kleiner/filigraner ? Ja !

Beitrag von divus » So 06.01.13 13:51

Hallo Altarmura und Iulia, einen schönen Sonntag wünsche ich!
Altamura2 hat geschrieben:Mir ist noch etwas eingefallen, das ich eigentlich hätte wissen müssen, da ich es bei meinen Wachtelmünzen dazugeschrieben hatte (na ja, besser spät als nie :? ):
Es gibt von den Löwenkopf-Vogel-Münzen nämlich auch Bronzeversionen.

Ein Bild im Netz finde ich gerade nicht, aber es gibt da einen Artikel von Richard Ashton, in dem die vorkommen :wink: : http://www.royalnumismaticsociety.org/N ... Ashton.pdf
Ein Bild befindet sich auf Tafel 2 Nummer 26, und wie man sieht, steht da eindeutig MILA drauf.
Ashton schreibt dazu (Seite 5): "Despite the aberrant form of the ethnic (perhaps the transliteration of the name from Karian to Greek in this early period had not yet been standardised), there seems little doubt that the attribution is sound, and it seems likely that this bronze issue succeeded a fairly common series of anepigraphic silver fractions with similar types, which can therefore now be attributed to Mylasa with reasonable confidence"

Gruß

Altamura
8O wow...! Ok - 1:0 für Mylasa. :D

Den Artikel habe ich erst kürzlich wegen einer anderen Fragestellung konsultiert, diese Münze ist mir gar nicht aufgefallen. Nun gut, das ist in der Tat ein starkes Indiz. Ein sehr starkes Indiz! :!:

Aber ein richtiger Beweis ist es noch nicht ganz: :wink:
Zum einen steht da eben nun mal MILA und nicht MYLA, was Ashton versucht zu erklären ("perhaps the transliteration of the name from Karian to Greek in this early period had not yet been standardised"), aber so richtig stark ist sein Argument ja nicht.
Zum anderen: Warum sollte Mylasa - nachdem es mehrere Jahre/Jahrzehnte die sehr erfolgreiche (weil sehr umfangreiche) Löwen/Vogel-Emission (zumeist) anonym ausgegeben hatte, und von der allgemein bekannt gewesen sein müsste, dass Mylasa der Münzherr ist - nun auf einmal in einer winzigen (weil extrem seltenen) Bronze-Emission sich genötigt sehen, die Stücke mit einer "Herkunftsangabe" zu versehen? Vielleicht um die eigene, neue Bronze-Emission von der alten, milesischen Silber-Emission zu unterscheiden?

Gut, ein klitzekleines Fragezeichen bleibt mir, aber ich will dann auch nicht so weit gehen, jetzt mit aller Gewalt an Milet festzuhalten. Gehen wir einmal davon aus, dass Mylasa die Löwen/Vogel-Stücke geprägt hat.

Wie ist dann eure Meinung zu der flagranten Motivgleichheit der Vorderseite?

Milet und Mylasa sind Luftlinie weniger als 100 km voneinander entfernt, auch unter Berücksichtigung der antiken Verhältnisse also Nachbarn. Beziehungen zwischen beiden Städten sind belegbar (es gäbe diesbezügliche Inschriften, so habe ich mal aufgeschnappt). Eine Übernahme des Münzbildes der erfolgreichen und sicher weithin akzeptieren Löwen/Stern-Münzen ist nicht wirklich überraschend (die motivische Anlehnung an erfolgreiche Münzsorten ist ja ein oft zu beobachtendes Phänomen). Auch etwas später übernehmen die karischen Satrapen wohl aus ähnlichen Gründen die milesische Ikonographie.

Aber wenn man das Ende der milesischen Prägung mit 494 ansetzt, die karischen Vögel aber mit 420-390 datiert werden - ist diese späte Renaissance des milesischen Löwen nicht sehr eigenartig? Würde man nicht eher die Motive einer Münzsorte übernehmen, die aktuell bekannt und im Umlauf ist, als von einem Münztypus, der anno dazumal vor zwei Generationen mal erfolgreich war?
Zudem: Der Stil und die künsterlische Auffassung des Löwenköpfchens ist in nichts von der milesischen Version zu unterscheiden. Ich denke, dass hier eine viel nähere zeitliche Verwandtschaft vorliegen muss. (Und um meine Spekulationen sogar noch zuzuspitzen - vielleicht waren es sogar die selben Künstler, die die Stempel geschnitten haben mögen?)

Noch eine Kleinigkeit, eher ein Bauchgefühl als ein Argument: Ich habe in den letzten beiden Jahren sehr viele milesische Obole in der Hand gehabt. Und zu 90% waren diese Münzen von absolut hervorragender Metallqualität. Ich habe auch zahlreiche archaische Münzen anderer Städte gesehen, und diese haben zu einem hohen Prozentsatz viel schlechtere Oberflächen gezeigt, dieses typische granulierte und kristallisierte Silber, ich denke ihr wisst, was ich meine. Das kenne ich von den milesischen Oboloi eigentlich fast gar nicht, umgekehrt kenne ich nur wenige Münzen dieser Epoche vor 500, die so gute Metalleigenschaften haben wie die Milesier. (Man Vergleiche nur die als zeitgleich angesehenen frontalen Löwinnen zu den Stern-Obolen.) Wenn diese Beobachtung zutrifft, so mag dies freilich verschiedenste Gründe haben, aber mir erscheinen die Löwen/Stern-Obole einfach nicht archaisch. Was spricht gegen eine (Fortführung der) Prägung im 5. Jahrhundert?

Grüße!

PS: @Altamura - einfache Thesen sind nicht immer richtig, aber oft plausibler, und daher wahrscheinlicher. Zumindest haben wir das so gelernt... ;)

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Re: geht es noch kleiner/filigraner ? Ja !

Beitrag von divus » So 06.01.13 13:58

Nachtrag: Interessant ist auch, dass der Löwe bei Vogel-Münzen - ebenso wie bei Milet - mal nach rechts, mal nach links gewandt ist. Auch schwierig zu erklären, warum diese Eigentümlichkeit fast 80 Jahre später in Mylasa ebenfalls nachgeahmt werden sollte.

Hier regnet's, also dann geht's jetzt mal wieder ins Museum... :D Grüße!

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Re: geht es noch kleiner/filigraner ? Ja !

Beitrag von Iulia » So 06.01.13 15:54

Wenn ich das mal so zusammenfassen darf:
Als Philologin sehe ich eine leichte Lautverschiebung bei Vokalen, also MIΛA statt MYΛA nicht als ein Gegenargument für die Identität des Stadtnamens an. Solche Verschiebungen sind nicht ungewöhnlich. Entscheidend ist, dass die Konsonanten gleich sind.
Diese Bronzeprägung liefert angenehmerweise gleich zwei wichtige Erkenntnisse:
1. Die Prägestätte für den Vogeltyp ist 100% sicher Mylasa (zu der Zeit Hauptstadt der Hakatomniden!).
2. Da die silberne Ausführung des Vogeltyps und die bronzene eng miteinander verwandt sind und wahrscheinlich zeitgleich geprägt wurden und die Einführung der Bronzeprägung in Kleinasien ungefähr um 400 v. Chr. in Kleinasien zu datieren ist, können die Tetartemorioi des Vogeltyps nun ebenfalls auf diesen Zeitraum gelegt werden (420-390 v. Chr.).
Dies könnte auch Auswirkungen auf die Datierung des milesischen Löwenprotome/Stern Typs haben, der nach Meinung von divus sowohl stilistisch als auch metallurgisch in engem Zusammenhang mit dem Vogeltyp gesehen werden sollte.
Warum eigentlich nicht? Ich weiß bloß nicht, ob es da Hortfunddatierungen gibt, die der späten Datierung eindeutig entgegen stehen könnten. Ansonsten zieht natürlich eine Neudatierung andere nach sich. Und der Trend geht momentan zum Downdating :wink: .
Gruß
Iulia

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Re: geht es noch kleiner/filigraner ? Ja !

Beitrag von ischbierra » So 06.01.13 17:28

Warum sollen die Silberstücke erst mit den Bronzestücken geprägt worden sein. Wäre es nicht möglich, daß die um 400 eingeführte Bronzeprägung sich an die schon vorhandenen Silbertypen angelehnt hat, diese also doch äter sind?
Gruß ischbierra

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Re: geht es noch kleiner/filigraner ? Ja !

Beitrag von divus » So 06.01.13 18:59

Iulia hat geschrieben:Ich weiß bloß nicht, ob es da Hortfunddatierungen gibt, die der späten Datierung eindeutig entgegen stehen könnten. Ansonsten zieht natürlich eine Neudatierung andere nach sich. Und der Trend geht momentan zum Downdating :wink: .
Gruß
Iulia
Hallo Iulia,

nun ja, nach der erneuten flüchtigen Lektüre des Textes von Becker scheint die Fundsituation (Beachte: Forschungsstand 1988) meine These zumindest nicht unbedingt zu unterstützen. :?

Er selbst grenzt bestimmte Obole aus seiner Serienabfolge aus und legt diese ins 5. Jhdt. aufgrund "äußerer Mekmale (flaches «Incusum», anderes Rosettenschema, schlechte Qualität)" (S. 27). Diese Obole mit seinem Rückseitenmuster (d) kommen nach Becker - wenn ich ihn richtig verstanden habe - in folgenden Funden vor: "IGCH 1199: Welz 1-4, Pfeiler Münzkunde 1/IGCH 1792:588-0,76g/Traité Taf. 149,4.5 (0,94 resp. 1,10g). " (S. 20, Anm. 46). Dazu habe ich aber leider keine Abbildungen zur Nachprüfung verfügbar.
Die Auswahl der von ihm S. 25ff besprochenen Funde ist selektiv: "Die Obole sind in den Hortfunden häufig vertreten. Davon sollen diejenigen Horte, deren Vergrabungsdatum in den Zeitraum der Obolenprägung fällt, im folgenden besprochen werden (Liste aller Horte, in denen Obole lagen, s. unten Anhang 1)" (S. 25). Die Liste im Anhang bezieht sich aber nur auf die Obole, die seiner Ansicht nach vor 494 geprägt wurden.
Er erwähnt aber auch gemischte Funde, die belegen, dass um 400 sowohl Obole der "früheren" und der nach Becker späten Serien gemeinsam umliefen (S. 26), schreibt dazu aber sogleich: "Wegen dieser gemischten Funde zu fordern, dass eine kontinuierliche Prägung, auch über die Zerstörungsphase hinweg, stattfand, dazu besteht keine Veranlassung,..." (ebd.)

Aber genau das sehe ich ja etwas anders... :)

Becker postuliert eine Prägepause zwischen 494 und dem Wiederaufblühen der Stadt (um 479?), nach der die Qualität der Obole sichtlich abgenommen habe ("Der Unterschied zwischen den beiden Prägephasen ist mithin so gross, dass ein grösserer Zwischenraum keinen Anstoss erregt", S. 27). Angenommen der Qualitätsverlust der Obole ist tatsächlich überprüfbar, und angenommen diese Verschlechterung geschieht ohne belegbare "Übergangsphasen" in der Entwicklung der Obole (also nach einer klaren Unterbrechung der Prägetätigkeit), dann kann diese Prägepause auch in einer anderen Phase der Stadgeschichte stattgefunden haben, vielleicht unter der Herrschaft Athens zwischen ca. 450-ca.420.

In diesem Zusammenhang auch noch wichtig, einen milesischen Münztypus, der von mir komplett übersehen wurde: http://www.acsearch.info/record.html?id=514717

Diese Emission, die zugegeben ein etwas ungelenkes Stern-Incusum zeigt, könnte gut zu den "degenerierten" Obolen (nach Becker) passen. Becker unterstützt die Datierung ins 5. Jhdt. und beschreibt den Löwen als "geduckt" (S. 20), was etwas defensiv ausgelegt ist. Ich sehe eher einen Löwen, der zum Sprung ansetzt, also eher agressiv dargestellt ist. Ein Ausdruck des Kampfes gegen Athen?
Dann wären wir im letzten Viertel des 5. Jhdts., und man könnte die "normalen" Obole der Massenprägung schön bis in die Mitte des 5. Jhdts. laufen lassen. Vielleicht sind es sogar genau jene sehr häufigen Obole mit dem M-förmigen Keil, die in dem Fund, den Becker bearbeitet und vor 500/494 datiert, nicht enthalten sind und die er als "frühe Serie" bezeichnet (S. 14ff), genau die Obole, welche nach 494 geprägt wurden?

Grüße!

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Re: geht es noch kleiner/filigraner ? Ja !

Beitrag von divus » So 06.01.13 19:26

Schönen Abend Ischbierra!
ischbierra hat geschrieben:Warum sollen die Silberstücke erst mit den Bronzestücken geprägt worden sein. Wäre es nicht möglich, daß die um 400 eingeführte Bronzeprägung sich an die schon vorhandenen Silbertypen angelehnt hat, diese also doch äter sind?
Gruß ischbierra
So sieht es Ashton auch, wenn er schreibt: "it seems likely that this bronze issue succeeded a fairly common series of anepigraphic silver fractions with similar types", also dass die Bronzeprägung sich an die Silberprägung anschließt.
Zu Hinterfragen wäre allerdings durchaus das Datum 420 v.Chr. als der Beginn der Vögelchen-Prägungen. Ich denke, dies geht auf Konuk zurück, weiss aber nicht, ob er das irgendwo ausführlicher begründet hat. Spontan sehe ich eigentlich keine Gründe (aber auch keine Notwendigkeit), die Emission auch einige wenige Jahrzehnte früher beginnen zu lassen. Hier müssten wieder Fundauswertungen herangezogen werden.

Grüße!

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Re: geht es noch kleiner/filigraner ? Ja !

Beitrag von divus » So 06.01.13 19:44

divus hat geschrieben:... dass eine kontinuierliche Prägung, auch über die Zerstörungsphase hinweg, stattfand, dazu besteht keine Veranlassung,..." (ebd.)

Aber genau das sehe ich ja etwas anders... :)

Becker postuliert eine Prägepause zwischen 494 und dem Wiederaufblühen der Stadt (um 479?),...
...
...genau die Obole, welche nach 494 geprägt wurden?
PS: Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich denke durchaus, dass es nach 494 erstmal eine Unterbrechung gab, ich glaube nur, sie war nicht so lange und die Zerstörung nicht so nachhaltig, wie man gemeinhin annimmt (siehe die wirtschaftliche Potenz, die sich in den Tributen für den Seebund niederschlägt). Um 479 sind Aktivitäten belegt, die eine gewisse Vorlaufzeit benötigen. Die Stadt wird wohl schon rund 10 Jahre nach der Zerstörung wieder im Aufbau begriffen gewesen sein. Spätestens ab 479 (so auch Becker, S. 19) dürfte wieder geprägt worden sein. Rund 30 Jahre später ist Milet wieder zu ansehnlicher Kraft aufgestiegen, wenngleich wohl nicht mehr die Bedeutung vor der Zerstörung erlangt wurde. Athen hat das wiedererstarkte und nach Unabhängigkeit strebende Milet dann in einem massierten Feldzug erst wieder brutal niederringen müssen, um die Kontrolle zu behalten (und diese Katastrophe dürfte nur wenig heftiger gewesen sein als die von 494).

Grüße und einen schönen Sonntagabend!

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