überstandene Hungersnot in Mylasa

Griechische Münzen des Altertums

Moderator: Numis-Student

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Altamura2
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überstandene Hungersnot in Mylasa

Beitrag von Altamura2 » So 30.06.13 11:14

Hallo zusammen,

neulich hab' ich von divus einige sehr schöne und interessante Kleinsilbermünzen erstanden :D , unter denen sich auch eine der Skorpionsmünzen aus Mylasa befindet (wir hatten es ja schonmal von denen, geht hier los: http://www.numismatikforum.de/viewtopic ... 74#p388474 ).

Beim Einsortieren und Recherchieren dazu ist mir dann aufgefallen, dass es da wohl zwei verschiedene Emissionen gab, die sich stilistisch unterscheiden.
Da ich selbst noch keine Fotos gemacht habe :? , verwende ich mal Beispiele von CNG (die bekommen das auch irgendwie viel schöner hin als ich :wink: ).

Die aus meiner Sicht frühere Variante zeigt Löwe und Skorpion in eher etwas ungelenkem Stil, vor allem machen beide einen irgendwie leicht ausgehungerten Eindruck :| :
Löwe_Skorpion_dünn.jpg
Der Schwanz des Skorpions kann hier, wenn er nach oben läuft, sowohl nach rechts als auch nach links abgebogen sein, es git beide Varianten.

Die andere Ausgabe, vermutlich die spätere, zeigt die beiden in entwickelterem Stil und deutlich besserem Ernährungszustand :D :
Löwe_Skorpion_dick.jpg
Hier scheint es nur die Variante mit Skorpionsschwanz nach rechts zugeben.

Im Gewicht der Münzen scheint sich die größere Biomasse nicht niedergeschlagen zu haben, auf den ersten Blick wiegen die alle etwa zwischen 0,5 und 0,58 Gramm.

Für die zeitliche Reihenfolge spricht auch, dass die Elektronvarianten dieser Münzen (da ist auf dem Avers nur ein Löwenkopf abgebildet) alle zu den Hungerleidern zu gehören scheinen.

Nirgendwo in meinen üblichen Quellen hab' ich einen Hinweis auf diesen augenfälligen Unterschied oder gar verschiedene Datierungen dazu gefunden 8O (vielleicht übersehen?).
Wisst Ihr da irgend etwas darüber?

Gruß

Altamura

antikpeter
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Re: überstandene Hungersnot in Mylasa

Beitrag von antikpeter » So 30.06.13 12:36

schöner Vergleich ,Altamura, die eine Sorte sieht wirklich verhungert aus .
Die Skorpione sind eine Wissenschaft für sich , es gibt sie in einer Vielfalt , wie eben auch die Münzen, die diese Viecher darstellen.
Es gibt dünne und dicke , kurze und lange usw .Ein schöner Beweis für die gute Naturbeobachtung in damaliger Zeit.
Die EL-Münzen sind nicht aus Mylasa , auch wenn das immer wieder einmal so dargestellt wird.
Fast alle Mylasa -Skorpion Münzen sind Unikate - es gibt ja noch -wie auch in der Natur- Darstellungen mit kurzem, geraden Schwanz
und viele verschiedene Körperformen.
Dennoch wäre mein Ansatz - verhungerte eher ab 500 v. Chr. stilistisch gesehen , die anderen ab 450.
Aber es gibt durch die Zeiten Überschneidungen.
Ein Vergleichselement ist auch der seitliche Löwenkopf auf anderen Nominalen, manchmal kommt er zusammen mit Skorpion vor,
Ein Fachmann könnte eventuell den Streit zwischen Milet und Mylasa klären , die Skorpione in der verschiedenen Art sind sehr
ortsbezogen. Leider arbeiten die verschiedenen Wissenschaften nicht so zusammen, wie man sich das wünschen würde.
Mein Wissen über Skorpione reicht leider dazu nicht aus. mbSammlergruss p

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Re: überstandene Hungersnot in Mylasa

Beitrag von Iulia » So 30.06.13 14:17

Hallo antikpeter,
Wir hatten uns eigentlich schon mal für Mylasa entschieden, jedenfalls fand diese literarische Bestätigung allgemeine Zustimmung:

Beitrag von Iulia im Thread: Winzlinge aus Milet » Sa 26.01.13 19:42
Nachtrag zur Skorpionprägung:
Mir ist noch ein weiteres Argument eingefallen,warum für den Skorpiontyp Mylasa als Prägestätte wahrscheinlicher ist als Milet. Darauf hat mich eine Anmerkung von Ashton in dem Bronzeaufsatz gebracht. Er verweist auf eine Bemerkung von Strabo VI,26, die ich noch mal im Original nachgesehen habe und die so hübsch ist, dass ich sie hier in der dt. Übersetzung wiedergeben möchte:
" Alabanda liegt ebenfalls zwischen zwei so dicht nebeneinander befindlichen Anhöhen, daß es das Ansehen eines beladenen Packesels hat. Deswegen nannte es auch Apollonius, der Weichling, sowohl hierauf, als auf die Menge von Skorpionen anspielend , einen mit Skorpionen beladenen Packesel. Nicht nur diese Stadt aber, sondern auch Mylasa und der ganze dazwischen liegende Gebirgsstrich ist voll von diesen Tieren."
Das Gebirge zwischen Alabanda und Mylasa heißt das Latmos Gebirge. Milet war jedoch damals eine Hafenstadt und ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Skorpione in der feuchten Meeresgegend so gerne und zahlreich aufgehalten haben wie im wahrscheinlich trockenen Gebirge um Mylasa.

Beste Grüße von Iulia

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Re: überstandene Hungersnot in Mylasa

Beitrag von ischbierra » So 30.06.13 15:21

Hallo Iulia,
das klingt doch recht überzeugend, sowohl die Beschreibung Strabos, als auch Deine Schlußfolgerung. Allerdings verwundert mich die Stellenangabe VI,26. Es ist das 14.Buch, 2.Kapitel, Nr.26.
Du hättest übrigens noch einen Satz mehr zitieren können: Sie wird von üppigen, der Völlerei ergebenen Menschen bewohnt - soviel zum Thema Hungersnot.
Gruß ischbierra

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Re: überstandene Hungersnot in Mylasa

Beitrag von Iulia » So 30.06.13 15:57

Hallo ischbierra,
Hat mir jetzt aber keine Ruhe gelassen, dass ich falsch zitieren soll und Ashtons Artikel im NC 166, 2006 hervorgekramt. Und tatsächlich: Auf S. 5, Anm. 21 gibt er ein völlig falsches Zitat von Strabo an:
Zum Nachprüfen:
http://www.royalnumismaticsociety.org/N ... Ashton.pdf
Da haben wir ihn erwischt: Schlamperei! :wink:
Ich habe Euch damals das Zitat im Wortlaut aus meiner Strabo-Übersetzung abgeschrieben, aber den Fehler Ashtons nicht korrigiert.
Dafür muss ich mich entschuldigen und auch dafür, dass ich nicht noch mehr geschrieben habe. :roll:

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Re: überstandene Hungersnot in Mylasa

Beitrag von ischbierra » So 30.06.13 16:07

Da hat der Assistent von Ashton wohl geschlafen

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Re: überstandene Hungersnot in Mylasa

Beitrag von Iulia » So 30.06.13 16:29

Ashton hat keinen Assistenten und macht alles ehrenamtlich selbst.

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Re: überstandene Hungersnot in Mylasa

Beitrag von Altamura2 » So 30.06.13 21:54

Eigentlich wollte ich ja nichts über die Zitierfähigkeiten des Herrn Ashton oder seiner nicht vorhandenen Assistenten erfahren, sondern etwas über diese zwei Skorpionsmünzenemissionen 8O .
Aber so kann's gehen :wink: .

Gruß

Altamura

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Re: überstandene Hungersnot in Mylasa

Beitrag von antikpeter » So 30.06.13 22:40

Hallo Julia , vielen Dank für den Hinweis , fand ich ganz toll die Diskussion.Ich will das auch nicht wieder aufgreiffen. War prima! :)
Ich halte auch alle Münzen mit Skorpionen mit gepunkteten Schwanz
und mit kauernden , lauerden Löwen für Mylasa-Prägungen . :P
Ich meine aber, das Skorpion nicht gleich Skorpion ist. 8)
Die El-Skorpione ob Kayan oder Weidauer z.B. sind von anderer Rasse. 8O
Auch fehlt beim El-Löwen die kauernde,lauerde Haltung- u.a. sind keine Beine da.
Auch die Gewichtskasse spricht für Milet oder Lydien.
Es gab auch Skorpione dort und nicht alle Skorpione lieben es wüsst oder bergig.
Da ich demnächst wieder auf Sozialtrip gehe, werde ich meine alten Tierbücher rauskramern und durchlesen.
Vielleicht finde ich den Skorpion mit grossem Pieker :idea:
mit freunlichem Sammlergruss p

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Re: überstandene Hungersnot in Mylasa

Beitrag von Iulia » So 30.06.13 23:08

@ Altamura
Ja, Du hast Recht, Deine ursprüngliche Frage haben wir jetzt fast vergessen: Der Stil der abgemagerten Tiere sieht tatsächlich älter und archaischer aus. Aber sehr viel mehr als 50 Jahre älter als die anderen kann ich mir nicht vorstellen. Ist dieser Stil auch in der Slg. Klein abgebildet? Die habe ich leider nicht zu Hause.
Gruß
Iulia

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Re: überstandene Hungersnot in Mylasa

Beitrag von areich » So 30.06.13 23:21

Klein 429 ist die einzige, und zwar mit dem mageren Skorpion.

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Re: überstandene Hungersnot in Mylasa

Beitrag von antikpeter » Mo 01.07.13 09:48

Das ist ja fein , liebe Julia , dann stimmen wir ja überein. Ich hatte ja 500/ 450 vorgeschlagen. :D
Jedoch ist für mich die Frage offen , ob tatsächlich 500 in Mylasa begonnen wurde , oder ob das ein fiktives , angenommenes rundes Datum ist. :mrgreen:
Abgesehen von den mögliche EL-Münzen.
Keine Frage besteht hinsichtlich der Skorpione. Ich hab mein Buch über Spinnentiere gefunden . Es bestätigt meine Erinnerung,
dass Skorpionarten sehr ortsbezogen, regional begrenzt vorkommen und das sie fast überall vorkommen in irgend einer Art: im Trockenen , im Feuchten, als Kulturfolger in Häusern usw.
Leider habe ich keine Übersicht zu den EU-scorpius gefunden , die gibt es tatsächlich !
Da die Türkei ja auch in die EU will, wird sie bestimmt eine EU-ART haben. :oops:
Bei dem neuestem EU Mitglied ist es auch der Fall. mbSammlergruss p

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Re: überstandene Hungersnot in Mylasa

Beitrag von Altamura2 » Mo 01.07.13 22:04

Mir scheint jetzt fast, dass in den wenigen "amtlichen" Referenzen, die ich gefunden hatte, fast ausschließlich die Magervariante vorkommt.
Das sind neben dem Klein
- F. Imhoof-Blumer. Monnaies Grecques. Paris. 1883, Seite 469 Nummer 62, Tafel J Nummer 18 (http://de.scribd.com/doc/137291959/Monn ... lumer-Publ)
- SNG Kayhan 934-38 (gibt es nur auf Papier)
- R. Ashton, The Beginning of Bronze Coinage in Karia and Lykia, NC 2006, Tafel 3 Nummer 28 (Link siehe oben im Beitrag von Iulia)
- O. Mørkholm, Une trouvaille de monnaies grecques archaïques, SNR 50 (1971), 79-91, Tafel 25 Nummern 13 und 14 (http://retro.seals.ch/digbib/view?lp=25 ... &Submit=ok)

Könnte es sein, dass die Wohlgenährten erst in jüngerer Zeit aufgetaucht sind? 8O

Gruß

Altamura

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Re: überstandene Hungersnot in Mylasa

Beitrag von divus » Mi 03.07.13 11:29

Hallo zusammen!

Diese Variante mit dem dicken Löwen und dem ebenfalls gutgenährten Skorpion ist mir auch schon aufgefallen, wir hatten letztes Jahr zwei Exemplare davon:
http://www.acsearch.info/record.html?id=622166
http://www.acsearch.info/record.html?id=580859

Die numismatische Variante liegt aber eher in der Ausrichtung des Schwanzes im Revers, denke ich.

Ob der Löwe und der Skorpion nun fülliger sind oder nicht, halte ich eher für den individuellen Stil eines Stempelschneiders, also ohne weitere Aussage oder Bedeutung. Möglicherweise könnten alle Exemplare der Variante von einer Hand sein?

Nicht auszuschließen, dass die pummelige Variante etwas jünger ist. Eindeutig finde ich dies aber nicht. Ich empfinde den Stil der Hungerhaken eher degenerierter als archaischer.
Insofern könne es auch gut umgekehrt sein, dass die detaillierteren Stempel früher sind, und dann (wie oft bei unveränderten Münzbildern zu beobachten) im Laufe der Zeit stilistisch abfallen und qualitativ nachlassen. Eine zeitliche Parallelität zu den Elektronmünzen mit Skorpion widerspricht dem m.E. nicht.

Grüße!

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Re: überstandene Hungersnot in Mylasa

Beitrag von antikpeter » Do 04.07.13 14:24

Liebe Griechenfreunde , sicherlich kann man durch Vergleiche feststellen , ob eine
vorhergehende Hungersnot oder einen nachfolgende Magersucht vorliegt, z.B. panti..
Skorbutige und Wonneproppen –wer kann toppen ? :D
4 fach panti Gx4det.jpg
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4 fach panti Gx4det.jpg
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Wissen verpflichtet - Einer sich danach hier richtet !
Ich bin bis Mitte August wieder im Einsatz , schöne Sommerzeit
Dateianhänge
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