Kometen aus Pontos oder besternte Palmwedel aus Kappadokien?

Griechische Münzen des Altertums

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Re: Kometen aus Pontos oder besternte Palmwedel aus Kappadok

Beitrag von Numis-Student » Mo 25.11.13 11:28

Noch ein Nachtrag zum Händler: Er handelt in erster Linie mit Dingen des 19. und 20. Jahrhunderts, die er wohl über Wohnungsauflösungen und Entrümpelungen bezieht. Daher gehe ich nicht davon aus, dass er die Wühlkiste mit angekauften Münzen verschiedener Quellen nachfüllt (es gab auch in den letzten Monaten keine "neuen" Münzen darin). Dies spricht in meinen Augen auch dafür, dass es bei den Münzen einen regionalen Zusammenhang gibt.

MR
Immerhin ist es vorstellbar, dass wir vielleicht genug Verstand besitzen, um,
wenn nicht ganz vom Kriegführen abzulassen, uns wenigstens so vernünftig zu benehmen wie unsere Vorfahren im achtzehnten Jahrhundert. (A.H. 1949)

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Re: Kometen aus Pontos oder besternte Palmwedel aus Kappadok

Beitrag von Iulia » Mo 25.11.13 14:54

Hallo Numis-Student,

Danke für die wichtige Info, sogar unter Einsatz Deiner knappen finanziellen Mittel!!
Das bedeutet, dass die "Kometenmünzen" mit Sicherheit in Kappadokien gefunden wurden, noch genauer wahrscheinlich in der Gegend um Kayseri ( in der Antike: Mazaka/Eusebeia/Caesarea).
Schade, dass keine Pferdekopfmünzen dabei waren!
Noch eine kleine Information meinerseits: Der Pferdekopftyp war übrigens 2011 weder Catharine Lorber noch Oliver Hoover bekannt. Ich habe das erste Exemplar 2007 auf einem deutschen Flohmarkt (mit Herkunft München) gesehen.
Weitere Katalogrecherchen werden also vermutlich zu nichts führen.

Gruß
Iulia

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Re: Kometen aus Pontos oder besternte Palmwedel aus Kappadok

Beitrag von Numis-Student » Mo 25.11.13 15:18

Hallo,
das war jetzt kein große Belastung, ich hatte sogar die erste der drei gezeigten Münzen schon vor Beginn dieses Beitrags kaufen wollen, hatte sie aber zurückgelegt, weil der Händler keinen Rabatt geben wollte (ein bisschen Handeln gehört zum Flohmarkt einfach dazu :D). Aber jetzt, wo auch im ersten Beitrag Handelspreise verlinkt sind, habe ich dann doch schnell zugeschlagen ;) Vor allem erschien mir jetzt aber das Lot deshalb wichtig, weil es plausible Zuweisungshinweise auf Kappadokien enthält.

MR
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Altamura2
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Re: Kometen aus Pontos oder besternte Palmwedel aus Kappadok

Beitrag von Altamura2 » Mi 27.11.13 19:43

Numis-Student hat geschrieben:... Am vergangenen Samstag habe ich aus dieser Kiste "extra für diesen Beitrag" folgende Münzen gekauft. ...
Das ist ja besonders löblich, dass Du weder Kosten noch Mühen scheust, unser Thema hier weiter zu unterfüttern :D .
Numis-Student hat geschrieben:... In dieser Kiste liegen neben einigen Spätrömern in erster Linie Münzen aus Caesarea in Kappadokien ...
Ich hatte mir vor Jahren mal auf eBay von einem Italiener ein Lot von etwa 40 Münzen gekauft, das wohl ähnlich zustande gekommen war. Es bestand aus Münzen aus Sizilien, das ging von Griechen über Römer, Byzantiner, Araber bis hin zu Normannen. Also von fast jedem, der im Laufe der Jahrhunderte da mal vorbei gekommen ist, war was dabei.
Iulia hat geschrieben:... Das bedeutet, dass die "Kometenmünzen" mit Sicherheit in Kappadokien gefunden wurden, noch genauer wahrscheinlich in der Gegend um Kayseri ( in der Antike: Mazaka/Eusebeia/Caesarea). ...
:D


Gruß

Altamura

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Re: Kometen aus Pontos oder besternte Palmwedel aus Kappadok

Beitrag von Iulia » Mo 17.02.14 21:45

Zusätzliche Information:

Derselbe Händler, der auf ebay die Kometen- und die Pferdekopfmünzen verkauft, bietet seit kurzem auch diesen Münztyp mit einer besternten Dioskurenkappe und einem Stern auf dem Revers an, den ich zuvor noch nie gesehen habe. Er ist ungefähr 12-13 mm groß und wiegt leicht über 2 g. Da er gleichzeitig große Mengen von Bronzen aus Dioskurias/Kolchis mit den beiden Dioskurenkappen verkauft und diese eine ähnliche Sandverkrustung aufweisen, könnten die kleinen Stücke eventuell ebenfalls aus Dioskurias stammen.
Gemeinsam mit den Kometen- und Pferdekopfmünzen ist die Größe und das fehlende Ethnikon.

Kennt jemand ein Katalogzitat für diesen Münztyp oder weitere Angebote im Netz?

Gruß
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Re: Kometen aus Pontos oder besternte Palmwedel aus Kappadok

Beitrag von Altamura2 » Sa 22.02.14 09:05

Iulia hat geschrieben:... Derselbe Händler, der auf ebay die Kometen- und die Pferdekopfmünzen verkauft, bietet seit kurzem auch diesen Münztyp mit einer besternten Dioskurenkappe und einem Stern auf dem Revers an, den ich zuvor noch nie gesehen habe. ...
Aah, Du hast Dir also einen davon gegönnt :D . Die sind mir auch aufgefallen, hab' ich zuvor ebenfalls noch nie gesehen.
... Kennt jemand ein Katalogzitat für diesen Münztyp oder weitere Angebote im Netz? ...
Nein, weder noch :| . Auch SNG Black Sea und zeno.ru (http://www.zeno.ru/showgallery.php?cat=2674) geben da was her :? .
... könnten die kleinen Stücke eventuell ebenfalls aus Dioskurias stammen. ...
Damit wären wir bei georgischer Numismatik (Kolchis ist im Wesentlichen ja das heutige Westgeorgien), und die ist, was die Antike betrifft, nicht so üppig :? .
Einen Überblick dazu gibt es hier: http://www.persee.fr/web/revues/home/pr ... _19_1_2084
und eine recht ordentliche Internetseite dazu hier: http://geonumismatics.tsu.ge/en/ .
(Dann gibt es auch einiges auf Georgisch 8O , z.B. hier: https://www.academia.edu/4076418/Coins_ ... om_Svaneti . Sieht zwar nett aus, ich kann nur leider nicht viel damit anfangen :wink: .)

Unter Dioskurias wird immer nur der bekannte Typ aufgeführt, mit oben besternten Pilei auf dem Avers und einem Thyrsos mit Ethnikon drumrum auf dem Revers: http://www.acsearch.info/record.html?id=164128
Diesen Typ gibt es obigem Artikel von Tsetskhladze zufolge übrigens in drei Nominalen.

Dann findet man noch eigenartige Münzen aus Vani, die auf dem Revers zwar einen ähnlichen Stern zeigen, auf dem Avers jedoch eine Art Isiskrone:
http://geonumismatics.tsu.ge/en/catalog ... s/?type=23

Die bei der vorgestellten Münze vorgenommene Komprimierung der Dioskurenkappe, dass man nämlich den Stern auf und nicht über der Kappe darstellt, hab' ich sonst nirgendwo gefunden.
Mir scheint auch dieser "Kompaktpilos" etwas gedrungener zu sein, als die Piloi auf den Münzen aus Dioskurias. Erstere sind fast in ein gleichseitiges Dreieck eingepasst, letztere sind viel länglicher.

Interessant finde ich auch, dass auf dem Kompaktpilos der Stern auf der Mütze durchgehend (wobei wir aber ja bislang nur wenige Exemplare vorliegen haben :? ) sechsstrahlig ist, der Stern auf dem Revers achtstrahlig. Schon auf den Münzen aus Dioskurias findet man aber beides, sowohl sechs- als auch achtstrahlige Sterne über der Mütze. Der achtstrahlige Stern lässt wiederum an Münzen aus Pontos denken (siehe beispielsweise diesen Artikel von Golenko: http://elib.uni-stuttgart.de/opus/vollt ... /Ue546.pdf ), wo er häufig vorkommt und auch mit Mithradates VI in Verbindung gebracht wird (hatten wir weiter oben ja schon). Vielleicht ist das eine bewusste Abgrenzung gewesen.

Eine Trouvaille am Rande ist diese Münze aus Tyndaris, Sizilien, die aber vermutlich nicht viel mit der hier diskutierten zutun hat: http://www.acsearch.info/record.html?id=9130

Was der Kompaktpilos aber mit den Kometen- und die Pferdekopfmünzen zu tun hat, liegt jetzt in meinen Augen nicht gerade auf der Hand :? . Man findet schon auch Münzen, auf denen die Dioskuren auf Pferden reitend und Mützen tragend einen Palmzweig in der Hand halten (http://www.acsearch.info/record.html?id=638664, http://www.acsearch.info/record.html?id=700294), aber mit Süditalien und Baktrien umfass das fast die gesamte antike griechische Welt, das hilft also nicht wirklich weiter :| .

Wir hätten also ein weiteres numismatisches Geheimnis 8O (und ich werd' das Gefühl nicht los, dass die sich stetig vermehren :wink: ).

Gruß

Altamura

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Re: Kometen aus Pontos oder besternte Palmwedel aus Kappadok

Beitrag von shanxi » Sa 22.02.14 17:27

Ein nettes Zitat aus dem von dir geposteten Golenko Paper:

"Schweigend übergehen wir die unserer Gruppe ähnlichen, aber nicht analogen Gruppe sehr seltener Münzen mit Darstellung eines Pferdekopfes und Kometen"

:) :)

Iulia
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Re: Kometen aus Pontos oder besternte Palmwedel aus Kappadok

Beitrag von Iulia » Sa 22.02.14 23:03

shanxi hat geschrieben: "Schweigend übergehen wir die unserer Gruppe ähnlichen, aber nicht analogen Gruppe sehr seltener Münzen mit Darstellung eines Pferdekopfes und Kometen"
:) :)
An der Stelle habe ich auch gedacht, das darf nicht wahr sein!

Hallo Altamura!

Vielen Dank erst einmal für Deine wie üblich vorzügliche Literaturrecherche im Netz! Auch wenn Du den Münztyp nicht direkt gefunden hast, ist Deine Ausbeute dennoch sehr hilfreich. Am besten finde ich diesen Link zu dem Fund kleiner Sternmünzen aus Vani mitsamt den Erklärungen dazu:
http://geonumismatics.tsu.ge/en/catalog ... s/?type=23

Der Autor legt die Münzen auf die Regierungszeit von Mithradates Philopator Philadelphos, eines Sohnes von Mithradates VI., der nur für ein Jahr, 85 - 84 v. Chr König von Kolchis gewesen sein soll. Abgesehen von der Frage, ob die Datierung stimmt, sehe ich große Parallelen zu der von mir vorgestellten Prägung mit einer Dioskurenkappe:

Größe und Gewicht (des Chalkos),
eine göttliche Kopfbedeckung auf dem Avers,
achtstrahliger Stern auf dem Revers,
Keine Legende oder Monogramm.

Die bisher unbekannten kleinen Bronzen mit der Isiskrone hat man in großer Zahl unter dem Fußboden eines Tempels gefunden. Da stellt sich natürlich die Frage, ob nicht auch die Prägung mit der einzelnen Dioskurenkappe im Auftrag eines Tempels, hier konkret eines Dioskurentempels, geprägt worden sein könnte.
Die vom Händler angebotenen größeren Bronzen aus Dioskurias (bisher mehr als 70 Stück), die man in die Regierungszeit des Mithradates VI. datiert, und die vier kleinen stammen, wie schon oben gesagt, mit großer Wahrscheinlichkeit aus demselben Fund, weil sie dieselben Sandauflagen aufweisen (s. Fotos unten). Dieser Fund muss nicht zwangsläufig in der Nähe des Prägeortes in Kolchis zutage gekommen sein und er scheint auch nicht derselbe sein, in dem sich die Kometen-und Palmzweigmünzen befunden haben.
Auch letztere, Altamura, müssen übrigens nicht in Kappadokien geprägt worden sein, auch wenn sie dort gefunden wurden!
Alle dieser winzigen Prägungen scheinen sich aber dadurch auszuzeichnen, dass man sie in die Zeit der mithridatischen Kriege legen kann.
Altamura2 hat geschrieben: Wir hätten also ein weiteres numismatisches Geheimnis 8O (und ich werd' das Gefühl nicht los, dass die sich stetig vermehren :wink: ).
Nicht stetig. Manchmal werden ja auch Geheimnisse aufgedeckt wie in dem Fall des armenischen Münztyps, auf den Du oben schon mal hingewiesen hast :wink: :
https://www.academia.edu/6153772/Die_er ... aus_Pontus

Gruß
Iulia
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Re: Kometen aus Pontos oder besternte Palmwedel aus Kappadok

Beitrag von Altamura2 » So 23.02.14 22:29

shanxi hat geschrieben:... "Schweigend übergehen wir die unserer Gruppe ähnlichen, aber nicht analogen Gruppe sehr seltener Münzen mit Darstellung eines Pferdekopfes und Kometen" :) :) ...
Tja, wenn man nichts zu sagen weiß, dann ist "Reden ist Silber, Schweigen ist Gold" vielleicht die bessere Alternative :wink: .
Iulia hat geschrieben:... Am besten finde ich diesen Link zu dem Fund kleiner Sternmünzen aus Vani mitsamt den Erklärungen dazu: ...
Zu den Ausgrabungen in Vani (dem antiken Surion, wie ich jetzt gelernt habe) hab' ich noch einen Artikel gefunden (http://grbs.library.duke.edu/article/viewFile/3871/5645), der allerdings nicht auf diese Münzen eingeht :? . Ansonsten ist er aber sehr interessant, zumal dort auch etwas genauer die These erläutert wird, dass Vani im zweiten und ersten Jahrhundert eine Art Tempelstadt war ("temple-city" nennt Lordkipanidze das). Von einem Dioskurentempel ist nicht die Rede, aber der muss ja nicht direkt in Vani gestanden haben.
Die Literatur, die es sonst noch dazu gibt, ist meist auf Georgisch, da war ich nicht sonderlich erfolgreich :? .
... Die vom Händler angebotenen größeren Bronzen aus Dioskurias (bisher mehr als 70 Stück), die man in die Regierungszeit des Mithradates VI. datiert, und die vier kleinen stammen, wie schon oben gesagt, mit großer Wahrscheinlichkeit aus demselben Fund, weil sie dieselben Sandauflagen aufweisen (s. Fotos unten). ...
Die sehen recht gleichartig beschaffen aus, das stimmt schon. Ich hatte da auch noch pontische Stadtprägungen mit ähnlichen Auflagen gesehen, aber die würden ja auch dazu passen.
... Dieser Fund muss nicht zwangsläufig in der Nähe des Prägeortes in Kolchis zutage gekommen sein ...
Das ist im Prinzip natürlich richtig. Wenn aber ein Münztyp, von dem man insgesamt nur sechs Exemplare kennt (wenn ich mich nicht verzählt hab' :wink: ), ausschließlich fern der Heimat gefunden wird, dann wäre das in meinen Augen die unwahrscheinlichere Variante :? . Auch von der Größe her sind das ja nicht gerade Fernhandelsmünzen, da bleib' ich (mal wieder :wink: ) skeptisch.
... Auch letztere, Altamura, müssen übrigens nicht in Kappadokien geprägt worden sein, auch wenn sie dort gefunden wurden! ...
Da gilt in meinen Augen dann das Gleiche.
... Manchmal werden ja auch Geheimnisse aufgedeckt wie in dem Fall des armenischen Münztyps, auf den Du oben schon mal hingewiesen hast :wink: ...
Das hab' ich heute jetzt leider noch nicht gelesen, aber da bin ich besonders gespannt :D . Denn das ist ja schon ein ganz merkwürdiges Kaliber.

Gruß

Altamura

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Re: Kometen aus Pontos oder besternte Palmwedel aus Kappadok

Beitrag von Altamura2 » So 09.03.14 09:12

Inzwischen hab' ich mir noch etwas Literatur besorgt, hat aber nur sehr bedingt geholfen :? .

Der im Link oben (http://geonumismatics.tsu.ge/en/catalog ... s/?type=23) zitierte Artikel von G. Dundua, „Were the coins struck in Vani?“, Matsne, Series of History, Archaeology, Ethnology and Art History, Nr. 2 1974 ist auf Georgisch (steht ja auch schon im Link) und verfügt über eine zweiseitige Zusammenfassung auf Russisch. Da ich nun kein OCR-Programm gefunden habe, das georgische Schrift beherrschen würde :| (und Freeware wäre, zahlen wollte ich nicht) hab' ich nur die Zusammenfassung durch den Google-Übersetzer gedreht. Da kam aber im Wesentlichen nicht mehr heraus, als das, was im Link oben bereits steht. Dies wäre im Kern die These, dass diese Münzen unter Mithradates, dem Sohn von Mithradates VI, geprägt wurden, während seiner kurzen Herrschaft über Kolchis etwa zwischen 83 und 80 v. Chr.

Dann gibt es noch einen Artikel von Dundua und Lordkipanidze, „Hellenistic coins from the site of Vani, in Colchis (Western Georgia)“, NC 7/19 (1979) 1-5. Darin werden alle Münzen beschrieben, die bis zur Veröffentlichung in Vani ausgegraben wurden. Auch hier keine wesentlichen Erkenntnisse zu den Münzen mit Isiskopfschmuck und Stern, die über die Inhalte des Links oben hinausgehen würden :? .

Am Ende dieses Artikels steht aber ein kurzer Hinweis der Herausgeber auf einen Artikel zu den Vani-Münzen, der kurz zuvor erschienen war: E. Pochitonov, „Poklad antických mincí ve Vani (Gruzínska SSR)“, Numismatické Listy 23 (1978), p. 97-105. Dieses Papier ist auf Tschechisch mit einer eineinhalbseitigen Zusammenfassung auf Deutsch.
Pochitonov hat darin zwei neue Thesen auf Lager:
  • Die Vani-Münzen wurden von Marcus Antonius und Kleopatra (daher die Isiskrone) als Souvenirs (oder etwas vornehmer ausgedrückt „Donativa“) für ihre Gäste anläßlich der feierlichen Ausrufung ihres sechsjährigen Sohnes Alexander-Helios (daher der Sonnenstern) in Alexandria i. J. 34 zum König eines Reiches ausgegeben, das auch Kolchis umfasste (bzw. umfassen sollte, das wäre damals nämlich noch zu besorgen gewesen). Unter den Gästen hätten sich auch viele aus Georgien befunden, und da hat dann wohl einer ein Säckchen gesammelt und in Vani im Tempel deponiert.
    Diese These halte ich eigentlich für etwas an den Haaren herbeigezogen :| .
  • Der zweite Erklärungsversuch von Pochitonov geht in die Richtung, dass die Vani-Münzen unter Polemon I geprägt wurden, einem König von Pontos, der 37 v. Chr. von Marcus Aurelius auf den Thron gehieft wurde. Polemon wurde mal von Marcus Antonius aus parthischer Gefangeschaft freigekauft, aus Dankbarkeit habe ersterer dann auf den Avers der Vani-Münzen die Isiskrone gesetzt (als Huldigung an Kleopatra) und auf den Revers den achtstrahligen Stern, da er diesen als Zeichen von Pontos sowieso auf seinen Münzen hatte (z.B. hier: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b8 ... aie.langFR).
    Auch dieser Erklärungsversuch läuft in meinen Augen um zu viele Ecken, als dass er mich überzeugen würde :| .
Insgesamt legt sich Pochitonov aber nicht fest, welche der gehandelten Theorien denn nun wohl die richtige sei, diese Klärung überlässt er weise künftigen Entwicklungen :D .

Lustig fand ich jetzt aber folgendes: Pochitonov zeigt zur Unterstützung seiner Polemon-These eine unserer Sternmünzen.
Sterne mit Ast.JPG
Sie stammt aus der Sammlung von H. W. Stancombe, zeige auf beiden Seiten einen Stern, auf einer Seite ergänzt durch einen Ast (Pochitonov setzt da anstandshalber wenigstens ein Fragezeichen dahinter :wink: ). Da die Münze verkrustet und nicht besonders gut erhalten ist (sieht zumindest auf dem Foto so aus), haben Pochitonov und auch Stancombe wohl nicht erkannt, dass der Ast ein Pferdekopf ist und es sich um den schon von Imhoof-Blumer beschriebenen Münztyp handelt.
Die Zuschreibung zu Pontos und Polemon I stützt Pochitonov mit der Aussage, dass die Münze in Istanbul gekauft wurde, und das sei ja nicht weit weg von Pontos 8O . Wenn wir dieser Logik folgen wollen, sollten wir vielleicht prüfen, ob es nicht irgendwann mal ein hellenistisches Königreich im Bayerischen gegeben hat :wink: .


Was bleibt, sind also nach wie vor die Parallelen zwischen den Vani-Münzen und dem Kompaktpilos (vorne ein Göttersymbol, hinten der Stern, keine Beschriftung), viel mehr haben wir aber nicht :? .
Man kann nichtmal sicher sagen, ob es denn in Dioskurias einen Dioskurentempel gegeben hat, da die Reste dieser Stadt heute größtenteils unter dem Schwarzen Meer liegen und man da noch keine umfangreicheren unterwasserarchäologischen Untersuchungen gemacht hat (siehe z.B. hier: http://www.persee.fr/web/revues/home/pr ... _98_2_4842 , wobei das aber auch nicht mehr ganz taufrisch ist).

Gruß

Altamura

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Re: Kometen aus Pontos oder besternte Palmwedel aus Kappadok

Beitrag von Iulia » So 09.03.14 17:19

Danke, Altamura, für die zusätzlichen Informationen!
Hier kommt das Wenige, das ich noch finden konnte.
Nebenbei bemerkt bin ich mir sicher, dass es damals in Dioskurias einen Dioskurentempel gab bei der Gründungslegende. Man hat ihn bloß noch nicht gefunden:
http://ia700501.us.archive.org/23/items ... 1_1123.png

In diesem RE Artikel wird auch auf den Bericht von Appian hingewiesen, dass Mithradates VI. sich 66 v. Chr. im 3. Krieg gegen die Römer in Dioskurias aufgehalten haben soll. Ich halte es für wahrscheinlicher, den Anlass für die Prägung mit der Dioskurenkappe/Stern in diese Zeit zu legen und die sehr ähnliche Prägung mit Isiskrone/Stern aus Vani ebenso, statt in die Zeit des 1. Mithridatischen Krieges, konkret 85 - 84 v. Chr. Die anderen beiden von Dir erwähnten Theorien von E. Pochitonov dazu sind ein derartiger Wildwuchs der Phantasie, dass ich mich frage, wie so etwas noch als Wissenschaft durchgehen konnte :wink: .
Appians Bericht über den Aufenthalt des Mithridates in Kolchis finde ich wesentlich spannender. Ich lese sowieso lieber Originalquellen statt Sekundärliteratur, die häufig nur das Gehirn verklebt. Man muss die Quellen ja nicht in der Originalsprache lesen:
http://www.livius.org/ap-ark/appian/app ... tml#%A7101

Hier ist übrigens ein weiteres Exemplar des Dioskurenkappen/Sterntyps in der Pecunem 15 Auktion, Nr. 157, aufgetaucht:
https://www.pecunem.com/greek-coins/auction-15/48/144

Gruß
Iulia

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Re: Kometen aus Pontos oder besternte Palmwedel aus Kappadok

Beitrag von Altamura2 » Sa 22.03.14 08:45

Iulia hat geschrieben:... Manchmal werden ja auch Geheimnisse aufgedeckt wie in dem Fall des armenischen Münztyps, auf den Du oben schon mal hingewiesen hast :wink: :
https://www.academia.edu/6153772/Die_er ... aus_Pontus ...
Jetzt hab' ich mir diesen sehr schön geschriebenen Artikel endlich mal durchgelesen. Da wird wirklich das Dunkel um diesen merkwürdigen Münztyp größtenteils ausgeleuchtet :D , wobei ein paar mindere Geheimnisse aber wohl noch verbleiben.

Interessant ist auch das im Nachspann erwähnte, parallel entstandene "Konkurrenzpapier", das ebenfalls im Netz zur Verfügung steht (https://www.academia.edu/5546306/Artaxi ... tic_Enigma) und in einigen Details zu etwas anderen Schlüssen kommt.

Hat insgesamt viel Spaß beim Lesen gemacht :D .

Gruß

Altamura

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Re: Kometen aus Pontos oder besternte Palmwedel aus Kappadok

Beitrag von Iulia » Sa 22.03.14 13:02

Danke, freut mich wirklich sehr :D !

Die anderen Ergebnisse, auf die Kovacs kommt, überzeugen mich nicht. Er sieht das Delta im Feld als Wertzeichen und nicht als Datierung an, was ein Kardinalfehler ist, denn die genaue Datierung auf 18 n. Chr. ist der Schlüssel zur Erklärung der ganzen Prägung. Die Idee mit dem Wertzeichen widerlegt er an anderer Stelle selbst: Auf S. 20, Anm. 5 (Plate 4, Abb. A) präsentiert er als Beispiel für eine Prägung mit Tiara ein „Tetrachalkon“ von Königin Erato mit der Reversaufschrift E Γ, von ihm richtig interpretiert als Datierung auf das Jahr 3, ( E =ETOVC).
Witzigerweise widerlegt er auch mit demselben Beispiel seine Annahme, dass die Tiara solo eine Aversdarstellung auf armenischen Münzen sein könnte. Ich vermute, da übernimmt er einfach nur gedankenlos die ursprüngliche Bezeichnung von Saryan und Nercessian.
Kovacs späte Datierung der Kopien des Münztyps auf erst 51-78 n. Chr. kommt aufgrund seiner nicht erkannten Datierung des Vorbildes etwas ins Wanken. Man soll auf den Kopien des Münztyps mit korrupter Legende bewusst nur VOOΛ gegen APTAΞIOV ausgetauscht haben, aber nicht die römischen Kaisernamen getilgt oder korrigiert haben? Das kann ich nicht recht glauben. Auch nicht, dass zwischen der Prägung von Urtyp und Kopien mindestens 33 Jahre gelegen haben sollen.

Gruß
Iulia

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Re: Kometen aus Pontos oder besternte Palmwedel aus Kappadok

Beitrag von divus » Di 15.04.14 11:54

Hallo Freunde!

Nach längerer Zeit habe ich nun endlich wieder einmal Gelegenheit, mich hier blicken zu lassen... :)

Diese Dioskurenkappen-Münzen sind mir ebenfalls aufgefallen, ich habe kurz vor dem Auftauchen auf ebay eine Handvoll sehen können und sie waren mir auch bis dato unbekannt. Eine sehr spannende Münze - ich würde jedoch wie Altamura skeptisch bleiben, diesen vermutlich neuen Typ mit den Dioskurias-Münzen zu verbinden.

Die Dioskurias-Münzen und die Dioskurenkappen-Münzen haben beide thematisch verwandte Motive. Ansonsten sind die Dioskuriasbronzen aber doch sehr und grundsätzlich verschieden. Dioskurenmotive sind recht weitverbreitetet, von daher ist Dioskurias kaum wahrscheinlicher als jeder andere Ort, würde ich meinen. Zudem gibt es von den Dioskuriasbronzen motivgleiche Teilstücke (Halbstücke?, HGC 206), die einen weiteren, völlig andersgestaltigen Typ in etwa selbiger Gewichtsklasse m.E. unwahrscheinlich macht.

Das Auftreten dieser Münzen bzw. das Spektrum der Angebote bei dem besagten ebay-Händler ist ganz zufällig und es läßt sich nur wenig verläßliches daraus schließen. Soweit ich weiss, stammen die Dioskurenkappen aus der Gegend um Pontos und sie kamen mit anderen pontischen Stadtprägungen (darunter auch Dioskuriasbrozen, aber auch Münzen anderer Orte wie z.B. Amisos). Eine größere Gruppe Dioskuriasbronzen, die ich gesehen habe, enthielt ausschließlich die bekannten Dioskuriasmünzen und wenige der typengleichen Teilstücke, keine einzige Dioskurenkappe war enthalten.

Zu den Incerti Ponticae gehört der Dioskurenkappentyp aber anscheinend auch nicht zwingend (was ich zuerst angenommen hatte). Die Rückseite mit dem anepigraphischen Stern ist zwar auffallend kongruent, die Thematik fügt sich jedoch nicht recht in das Schema der Serie ein, die eher königliche oder satrapische Macht darzustellen scheint.

Die Münze ist ein weiteres spannendes "Pontisches Rätsel", dessen Lösung aber aus meiner Sicht eine breitere Basis oder stärkere Argumente verlangt. ;)

Viele Grüße!

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Re: Kometen aus Pontos oder besternte Palmwedel aus Kappadok

Beitrag von divus » Di 15.04.14 11:56

@Iulia: Auch von mir Gratulation zu dem ebenso gut geschriebenen wie überzeugenden Artikel zu dem armenischen Rätsel! :)

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