Verwirrende Vogelschwänze an geflügelten Pferden
Verfasst: Fr 04.07.25 11:18
Jüngst hab' ich mir eine Kleinbronze aus Iolla in Mysien zugelegt:
. (https://www.biddr.com/auctions/pandoran ... &l=6709878)
Av: Kopf des Zeus mit Lorbeerkranz nach rechts
Rv: Protome eines geflügelten Pferds mit Vogelschwanz (?) nach rechts, darunter Getreideähre, Legende ΙΟΛΛΕ[ΩΝ]
AE, 11 mm, 1,68 g, ca. 350-300 v. Chr., Referenzen sind MG S. 247, 92; von Fritze 599
Die Beschreibungen des Revers als "Pegasosprotome mit Vogelschwanz", die man bei derartigen Darstellungen immer wieder findet, hatte ich bislang nie hinterfragt
, bis ich jetzt auf einen Artikel von Oguz Tekin gestoßen bin, "Winged Horse with Bird's Tail: Identification of a Creature on the Coins of Mysia and Troas", in M. C. Caltabiano (Hrsg.), "XV International Numismatic Congress. Taormina 2015", Rom Messina 2017, S. 425-428: https://www.academia.edu/67634770/_Wing ... _and_Troas_
Tekin untersucht darin etwas genauer, was es mit diesem seltsamen Wesen auf Münzen vorwiegend aus Mysien (Lampsakos, Kyzikos, Skepsis, Adramytteion, Iolla) auf sich hat.
Ursprünglich, und zuerst wohl in Lampsakos, wurde wohl der zweite, meist linke Flügel einer Pegasosprotome nach unten gezogen, um ihn sichtbar zu machen und auch eine gewisse Dynamik auszudrücken. Das sieht man vor allem auf Elektron- und Goldmünzen und schaut dann so aus:
. (https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b8504711r , https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b85047444)
Danach scheint sich das Motiv irgendwie verselbständigt zu haben, was sich die Stempelschneider da jeweils gedacht haben, kann man aus den Münzbildern gar nicht mehr ableiten
.
Hier sieht es so aus, als ob man in den gerade abgeschnittenen Pferderumpf hinten halt noch ein paar Federn reingesteckt hätte:
. (https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b10311963c , https://www.britishmuseum.org/collectio ... -0425-1789)
Bei diesen Münzen jedoch sieht man die Schnittfläche hinten am Rumpf fast dreidimensional dargestellt. Die Federn befinden sich ganz klar dahinter:
. (https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b8504743q , https://ikmk.smb.museum/object?lang=de& ... 88&view=rs)
Und hier ist das Bemühen erkennbar, einen organischen Übergang zwischen den Federn und dem Teil mit Fell zu schaffen, ganz anders als bei den Münzen zuvor:
. (https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b8504806s)
Ein einheitliches Bild, was das denn sein soll, gewinnt man also nicht. Zumal es meines Wissens von Lampsakos auch keine Münzen gibt (in keinem Metall), auf denen ein ganzes geflügeltes Pferd, ohne Federn hinten dran, zu sehen wäre, also ein "eindeutig echter" Pegasos.
Von Kyzikos und Skepsis gibt es vereinzelte Edelmetallmünzen mit ganzem Pegasos, vermutlich war ein solcher also gemeint. Aber ganz sicher kann man sich nicht sein, was die Stempelschneider mit diesen Vogelschwanzpferden wirklich gemeint haben
.
Man kann jetzt auch einen Blick in die griechische Kulturgeschichte werfen, ob die denn ein Vogelschwanzpferd aufzuweisen hat.
Tekin weist dabei auf das antike Hippalektryon hin (https://de.wikipedia.org/wiki/Hippalektryon), ein Mischwesen aus Pferd und Hahn, von dem ich zuvor noch nie etwas gehört hatte
. Dieses hat interessanterweise aber keinen mythologischen Hintergrund und hat auch nichts mit Pegasos zu tun.
. (https://www.britishmuseum.org/collectio ... =110971001)
Das Hippalektryon besitzt immer einen Vogelschwanz (eben einen vom Hahn), wird geflügelt dargestellt, besitzt als Hinterläufe aber zwei Hühnerbeine, was es klar vom Pegasos unterscheidet
.
Selbstverständlich findet man auch im Roscher etwas dazu: https://archive.org/details/ausfuhrlich ... 0/mode/2up
etwas aktueller ist LIMC V-1: https://archive.org/details/limc_202105 ... 1/mode/2up
Viele Abbildungen dazu findet man in LIMC V-2: https://archive.org/details/limc_202105 ... 3/mode/2up
Was auf diesen Münzen jeweils letztlich gemeint war, kann Tekin aber auch nicht erklären
(und ich schon gleich gar nicht
). Am sichersten bezeichnet man das Wesen also einfach als geflügeltes Pferd und lässt den Vogelschwanz am besten weg
.
Gruß
Altamura
. (https://www.biddr.com/auctions/pandoran ... &l=6709878)
Av: Kopf des Zeus mit Lorbeerkranz nach rechts
Rv: Protome eines geflügelten Pferds mit Vogelschwanz (?) nach rechts, darunter Getreideähre, Legende ΙΟΛΛΕ[ΩΝ]
AE, 11 mm, 1,68 g, ca. 350-300 v. Chr., Referenzen sind MG S. 247, 92; von Fritze 599
Die Beschreibungen des Revers als "Pegasosprotome mit Vogelschwanz", die man bei derartigen Darstellungen immer wieder findet, hatte ich bislang nie hinterfragt

Tekin untersucht darin etwas genauer, was es mit diesem seltsamen Wesen auf Münzen vorwiegend aus Mysien (Lampsakos, Kyzikos, Skepsis, Adramytteion, Iolla) auf sich hat.
Ursprünglich, und zuerst wohl in Lampsakos, wurde wohl der zweite, meist linke Flügel einer Pegasosprotome nach unten gezogen, um ihn sichtbar zu machen und auch eine gewisse Dynamik auszudrücken. Das sieht man vor allem auf Elektron- und Goldmünzen und schaut dann so aus:
. (https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b8504711r , https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b85047444)
Danach scheint sich das Motiv irgendwie verselbständigt zu haben, was sich die Stempelschneider da jeweils gedacht haben, kann man aus den Münzbildern gar nicht mehr ableiten

Hier sieht es so aus, als ob man in den gerade abgeschnittenen Pferderumpf hinten halt noch ein paar Federn reingesteckt hätte:
. (https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b10311963c , https://www.britishmuseum.org/collectio ... -0425-1789)
Bei diesen Münzen jedoch sieht man die Schnittfläche hinten am Rumpf fast dreidimensional dargestellt. Die Federn befinden sich ganz klar dahinter:
. (https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b8504743q , https://ikmk.smb.museum/object?lang=de& ... 88&view=rs)
Und hier ist das Bemühen erkennbar, einen organischen Übergang zwischen den Federn und dem Teil mit Fell zu schaffen, ganz anders als bei den Münzen zuvor:
. (https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b8504806s)
Ein einheitliches Bild, was das denn sein soll, gewinnt man also nicht. Zumal es meines Wissens von Lampsakos auch keine Münzen gibt (in keinem Metall), auf denen ein ganzes geflügeltes Pferd, ohne Federn hinten dran, zu sehen wäre, also ein "eindeutig echter" Pegasos.
Von Kyzikos und Skepsis gibt es vereinzelte Edelmetallmünzen mit ganzem Pegasos, vermutlich war ein solcher also gemeint. Aber ganz sicher kann man sich nicht sein, was die Stempelschneider mit diesen Vogelschwanzpferden wirklich gemeint haben

Man kann jetzt auch einen Blick in die griechische Kulturgeschichte werfen, ob die denn ein Vogelschwanzpferd aufzuweisen hat.
Tekin weist dabei auf das antike Hippalektryon hin (https://de.wikipedia.org/wiki/Hippalektryon), ein Mischwesen aus Pferd und Hahn, von dem ich zuvor noch nie etwas gehört hatte

. (https://www.britishmuseum.org/collectio ... =110971001)
Das Hippalektryon besitzt immer einen Vogelschwanz (eben einen vom Hahn), wird geflügelt dargestellt, besitzt als Hinterläufe aber zwei Hühnerbeine, was es klar vom Pegasos unterscheidet

Selbstverständlich findet man auch im Roscher etwas dazu: https://archive.org/details/ausfuhrlich ... 0/mode/2up
etwas aktueller ist LIMC V-1: https://archive.org/details/limc_202105 ... 1/mode/2up
Viele Abbildungen dazu findet man in LIMC V-2: https://archive.org/details/limc_202105 ... 3/mode/2up
Was auf diesen Münzen jeweils letztlich gemeint war, kann Tekin aber auch nicht erklären



Gruß
Altamura