Halber Reichsort?

Deutschland vor 1871
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wpmergel
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Halber Reichsort?

Beitrag von wpmergel » Mo 23.04.07 09:40

Hallo,

ich habe heute mal wieder eine Frage für die Spezialisten von Nominalen und deren Gewichte. Es geht um zwei Münzen, die als Groschen-Klippe bezeichnet werden. Die erste liegt mir als Gipsabdruck des Originals in Leipzig vor und wiegt 3,76 g
[ externes Bild ]
Die zweite liegt im Münzkabinett des Bode-Museums und wiegt 3,42 g - hier das Foto vom vorliegenden Galvano
[ externes Bild ]
In beiden Fällen werden sie wie gesagt als Groschen-Klippe bezeichnet. Thematisch ist das auch eindeutig richtig aber sind sie vom Gewicht nicht eher ein 1/2 Reichsort (1/8 Reichstaler)? Als was sollte man sie korrekterweise bezeichnen?

Ich bin auf Eure Meinungen sehr gespannt.
Herzliche Grüße aus Waldeck
Wolfgang M.

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Marc
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Beitrag von Marc » Di 24.04.07 03:23

Die meisten Groschen-Klippen wurden nachträglich mit alten Stempeln für Sammler geprägt. Ob das bei deinem Stück der Fall ist, kann vermutlich nur ein Waldeckexperte sagen. Denn dafür braucht man Wissen ob gewisse Münzmeister Sammleranfertigungen gemacht haben und wann die Stücke das erste mal auftauchen. Wenn es so ist, dann spielt das Gewicht eine untergeordnete Rolle. Außerdem währe ein Halber Reichsort immer noch ein Groschen, nur eben kein 3 Kreuzer-Stück oder Reichsgroschen.

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wpmergel
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Beitrag von wpmergel » Di 24.04.07 17:43

Hallo Marc,
diese beiden Stücke liegen - wie ich schon schrieb - in Berlin und Leipzig und es sind gewiss keine nachträglichen Abschläge alter Stempel. Es gibt sogar Unterlagen, aus denen hervorgeht, das solche Klippen damals für den Geldumlauf in Planung waren.
Da das Gewicht und NUR das Gewicht für den Wert ausschlaggebend war, bin ich mir halt nicht sicher. Ich glaube nicht, daß es möglich gewesen sein soll, soviel Silber in ein 3 Kreuzer Stück zu packen.
So etwas - wenn auch in abgeschwächter Form - wie die Goldmark hat's damals nicht gegeben - oder? :roll: :lol: :roll:
Herzliche Grüße aus Waldeck
Wolfgang M.

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Marc
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Beitrag von Marc » Di 24.04.07 20:59

Interessant ist das ich mich grad mit den Dickabschlägen von Prager Groschen zur Jagellonenzeit befasse. Dort sind die Unterlagen erhalten geblieben. So zum Beispiel bestellt ein Bürger zwei Dickabschläge des grad umlaufenden Groschens auf einem Schrötling eines bestimmten Gewichtes bei der Münzstätte. Nun gibt es drei kontroverse Meinungen dazu in der Literatur.
1. Seit 1310 werden Dickabschläge als eine Art Medaillen hergestellt, und sind kein Geld.
2. Die Dickabschläge wurden erst ab der Jagellonenzeit (ab 1471) hergestellt, die Abschläge älterer Münzen sind erst ab 1471 auf Sammeranfrage entstanden und haben keine Geldfunktion gehabt.
3. Unabhängig was nun vor 1471 der Fall war, ab der Jagellonenzeit haben die Dickabschläge Geldfunktion und sind Vorläufer des Guldengroschen und seiner Teilstücke.

Ich hatte in den letzten Wochen wenig Zeit weiter zu forschen, aber ich kann der Dissertation welche die 3. These vertritt nicht folgen. Meiner Meinung nach könnte man sie maximal als Gedenkmünzen welche nicht für den Umlauf bestimmt waren bezeichnen. Die Frage ist halt, zu welche Anlässen werden diese Abschläge auf viel schweren Schrötlingen bestellt. Und da finde ich es schon auffällig, das der Münzmeister (in Personalunion mit dem königlichen Finanzmeister) vor einer schweren Landtagsverhandlungen Dickmünzen für die Delegierten bestellt.
Das ist zwar jetzt alles weit vor der Zeit deines Stückes, aber deshalb habe ich mich intensiv mit den Sonder und Gedenkmünzen ab ca. 1300 befasst. So das Klippen, welche erst später als Dickmünzen in Mode kommen, irgendwie noch ins Thema passen ;)

Ich bräuchte für eine fruchtbare Diskussion aber noch weitere Informationen.


Bekanntermaßen geht der Übergang zu den Kippergroschen fließend. Während einige Münzstände schon 1616 anfangen den Silbergehalt dieser Reichsgroschen zu 3 Kreuzern massiv zu senken, behalten andere Münzstände bis Anfang 1618 bei diesen Groschentyp einen immer noch recht hohen Silberanteil aufrecht. Eine nicht zu unterschätzende Zahl von Münzherren beginnt erst 1616-19 mit der Prägung dieser Groschen, meist untergewichtig, um an der Inflation zu verdienen.

Wie es sich bei Waldeck verhält, kann ich so schnell nicht feststellen. Auf jeden Fall haben die Waldecker dieses Nominal schon gegen Ende des 16. Jahrhunderts geprägt und fallen somit nicht in die 3. Gruppe. Hast du Münzmeisteraufzeichnungen oder Proben über den Silbergehalt der Waldecker 1/24 Taler dieser Zeit ?

Woher weist du das sicher keine Abschläge sind ?

Da 1617 die Kipper- und Wipperzeit (1618-23) ansteht, welche die Verhältnisse völlig verdreht, ist es wichtig zu wissen, von wann die Dokumente sind die du über die Klippen hast, und was sie ungefähr aussagen.

Bei Klippen welche für den Umlauf bestimmt waren, wurde in den meisten Fällen mit einem weiteren Gegenstempel der Wert hinzugefügt, welcher auch das Beschneiden verhinderte (und das ist ja sehr wichtig in einer Kipperzeit). Nur das sind erst mal Allgemeinplätze, es gibt immer Ausnahmen welche die Regel bestätigen.

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Beitrag von wpmergel » Mi 25.04.07 10:03

Hallo Marc,

ja, es war eine "wilde" Zeit und das Elend, daß damals für die Bevölkerung daraus entstand, kann man nur erahnen. Inflation ist halt die unsozialste Form der Geldpolitik.

Meine Überlegungen zu den Klippen stützen sich bisher auf äußerst dürftige Quellen. Vor wenigen Tagen hat Prof. Niklot Klüßendorf einen Vortrag über die "Kipper- und Wipperzeit" in den Räumen des Geldmuseums der Dt. Bundesbank gehalten. Ich hoffe, den Vortrag in gedruckter Form zu erhalten, weil ich nicht anwesend sein konnte. Die Hauptquelle für solche Fragen ist aber natürlich das StAM. Ich lasse dort seit einiger Zeit sämtliche Akten in numismatisch/geschichtlichem Bezug auf Waldeck kopieren. Bisher habe ich ca 7 CDs erhalten, randvoll mit Daten, Urkunden und Münzakten sowie den Arbeiten von Langenbeck und Varnhagen. Es gibt dazu kein Findbuch o. ä., sodaß eine gezielte Suche unmöglich ist. Das ändert sich erst, wenn ich zu den Beständen komme, die Prof. Klüßendorf in seinen Repetitorien erfaßt hat.

Halbe Reichsorte waren damals ja durchaus gängige Nominale und aus einem eher zufällig gefundenen Schreiben geht hervor, daß Münzmeister Georg Küpper plante, Groschenklippen in Wildungen prägen zu lassen. Das war aber acht Jahre nach meinen fraglichen Stücken, über die ich (noch) nicht viel weiß. Ich gehe bisher davon aus, daß sowohl Berlin als auch Leipzig nicht von Ag gesprochen hätten, wenn der Feingehalt der Stücke damals stark herabgesetzt worden wäre. Es liegen aber bisher keine Untersuchungen des Silbergehalts - angefangen von den 3 Kreuzern bis den Reichstalern - vor. Es existieren aber Valvation-Akten (schwer zu entziffern), die ich noch auswerten möchte. Weitere Versuche, etwas über den Silbergehalt und vor allem die Auflage in Erfahrung zu bringen läufen auch noch.

Ich werde zu gegebener Zeit davon berichten.
Herzliche Grüße aus Waldeck
Wolfgang M.

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Beitrag von Marc » Mi 25.04.07 14:56

Also wir müssen auf jeden Fall zwischen Reichsgroschen und Klippe unterscheiden. Ich bin der festen Überzeugung das die Klippe auf gutem Silber geprägt ist, was für den Originalgroschen nicht gelten muss.

8 Jahre später war die Kipper- und Wipperzeit ja schon wieder vorbei. Diese Inflationszeit dauerte ja nur bis 1623, dann einigten sich beide Seiten wieder gutes Geld einzuführen. Denn die Söldnerheere beider Seiten weigerten sich für die schlechten Münzen in die Schlacht zu ziehen 8)

Gibt der Münzmeister an warum er Groschenklippen prägen will. Das wäre sehr aufschlussreich.

In Richard Gaettens : Geschichte der Inflationen, ist ein Kapitel zur Kipper und Wipperzeit (S. 74-99)

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Beitrag von Dietemann » Mi 25.04.07 15:53

wpmergel hat geschrieben:Die Hauptquelle für solche Fragen ist aber natürlich das StAM. Ich lasse dort seit einiger Zeit sämtliche Akten in numismatisch/geschichtlichem Bezug auf Waldeck kopieren. Bisher habe ich ca 7 CDs erhalten, randvoll mit Daten, Urkunden und Münzakten sowie den Arbeiten von Langenbeck und Varnhagen.
Wie funktioniert das und was kostet es?

Mich interessieren die Schultheißenrechnungen von Eschwege, da müssten noch Informationen zur mittelalterlichen Münzstätte versteckt sein. Kann man denn die Akten überhaupt lesen?

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Beitrag von wpmergel » Mi 25.04.07 20:07

@Marc,
diese Unterscheidung sehe ich auch so, denn ich bin sicher, daß beide Klippen auf werthaltigen Silber geprägt wurden, was für die Groschen zu Beginn und während der Kipperzeit bekanntlich nicht immer zutrifft. Leider gibt Küpper keine Begründung für sein Ansinnen. Es ist - mangels Edelmetall - auch nicht zur Ausprägung gekommen.

@Dietemann,

ich weiß nicht, ob es ein reguläres Dienstleistungsangebot des Staatsarchivs in Marburg ist oder ob ich durch gute Kontakte in den Genuß komme. Ich bezahle aber für jede Kopie die im Copyshop üblichen Preise. Das ist m. E. angesichts der schwierigen Umstände (Akten heben, Spezial-Scanner, CD brennen, etc.) recht günstig. Vor allem weiß ich nicht, wie lange diese Praxis noch gilt. Bis dahin nehme ich, was ich kriegen kann.

Das Lesen ist anstrengend aber gut möglich - man sollte Sütherlin beherrschen. das StAM bietet übrigens auch Lesehilfen /-training an. Besonders für die zeitgemäß unterschiedlichen Ausdruckweisen, sind die angebotenen Deutungshilfen sehr hilfreich.

Viel Spaß beim Aktenstudium.
Herzliche Grüße aus Waldeck
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Beitrag von mumde » Do 26.04.07 23:18

Hallo Wolfgang! Wenn ich so etwas beschreiben müßte, würde ich es als Klippe vom Groschenstempel beschreiben, das Gewicht dazu nennen, und wenn es ein Gewicht ist, das man eindeutig einem zu dieser Zeit gängigen Nominal zuordnen kann, dann wäre es eben z. B. eine Klippe vom Groschenstempel im Gewicht eines 1/8 Talers oder was auch immer. Aber das erste, was ich nennen würde, wäre das, was ich sehe, und das ist hier der Stempel des Groschens.
Gruß mumde

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Beitrag von wpmergel » Fr 27.04.07 10:12

So wird's gemacht.
Vielen Dank an Marc und mumde.
Herzliche Grüße aus Waldeck
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