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Groschen Brandenburg 16??
Verfasst: Mo 29.11.10 19:13
von cojobo
Hallo mal wieder,
ich brüte erfolglos über einem Stück, das den erfahrenen Mitgliedern vermutlich nur ein müdes Lächeln entlocken wird.
Ich tippe auf Brandenburg, bekomme aber in die Umschrift keinen Sinn hinein, u.a. weil an der Stelle, wo die zweite Hälfte der Jahresangabe stehen sollte, eine Prägeschwäche besteht.
Und auch die restlichen Buchstaben sagen mir sehr wenig. Wenn jemand so nett wäre, mir den kompletten Umschrifttext zu liefern, wäre ich mal wieder sehr dankbar.
Beste Grüße
cojobo
Re: Groschen Brandenburg 16??
Verfasst: Mo 29.11.10 20:40
von leodux
Hallo,
Brandenburg ist richtig.
IO.SI.D.G.MA.B. müsste Johann Sigismund von Gottes Gnaden Markgraf von Brandenburg heißen. Den Rest der Umschrift S.R.I. kann ich im Moment nicht auflösen, dürfte aber einen weiteren Titel des Herrschers nennen.
Seltsam ist, dass anscheinend auf beiden Seiten eine Jahreszahl steht. Ich weiß nicht, ob dir das schon aufgefallen ist, aber über dem Reichsapfel lese ich 1 - 4, das wäre das Jahr 1614, denn Johann Sigismund war von 1608 bis 1619 Kurfürst und Markgraf von Brandenburg.
Wenn ich das richtig sehe, dann steht über dem Wappen HL, das sind die Initialien des Münzmeisters Heinrich Laffert, der 1607-1615 in Driesen tätig war.
Viele Grüße
Peter
Re: Groschen Brandenburg 16??
Verfasst: Mo 29.11.10 20:58
von Marc
Da numismatisches Interesse da ist, gebe ich mal nicht nur eine Antwort sondern den Weg.
Zur Identifizierung ist der Anfang der Umschrift der erste Anhaltspunkt:
IO SI D G MA B ...
Iohann Sigismund dei gracia marcho Brandenburgensis
Auch wenn man nicht weiß welcher Markgraf gesucht ist, braucht man nur in Regentenlisten oder I-Net nach Herrschern des 17. Jahrhunderts suchen deren Namen mit Jo Si anfangen. So stößt man auf:
Johann Sigismund (* 8. November 1572 in Halle; † 23. Dezember 1619 (2. Jan. 1620 neuer Zeitrechnung) in Berlin) aus dem Geschlecht der Hohenzollern war von 1608 bis 1619 Kurfürst und Markgraf von Brandenburg und Herzog und Mitregent von Preußen.
Hat man keine Fachliteratur zu dem Gebiet, helfen manchmal I-Net Datenbanken über verkaufte Münzen:
http://www.coinarchives.com/w/
http://www.mcsearch.info/index.html
Dort findet man:
http://www.coinarchives.com/w/lotviewer ... dc3ccc2bae
Das Stück ist zwar eine andere Variante, hat aber das gleiche Münzzeichen, so weis man schon mal:
Johann Sigismund 1608-1619
Groschen aus Driesen
Das Jahr kann man natürlich nur mit der Fachliteratur eingrenzen, wenn es unleserlich geworden ist. Indem man schaut aus welchen Jahren der Groschen bisher bekannt ist.
Bei diesem Stück kommt eine Besonderheit zu tragen, bei der Massenproduktion kurz vor der Kipper und Wipperzeit wurden häufig Stempel verschieden gekoppelt. So kommt es vor das die Jahreszahl auf beiden Seiten steht, oder selten (und gesucht) auf Vorder- und Rückseite verschiedene Jahreszahlen stehen.
Auf der Rückseite steht über den Reichsapfel die Zahl 14. So kann man schon sagen:
Brandenburg-Preußen
Johann Sigismund 1608-1619
Groschen 1614
Münzstätte Driesen
Münzmeisterzeichen HL
Genaueres kann man nur mit Fachliteratur sagen, und ich bin immer noch nicht zuhause.
Frohen Advent, Marc
Edit: Leodux hatte zwar inzischen geantwortet, aber ich hoffe der Weg hilft trotzdem

Re: Groschen Brandenburg 16??
Verfasst: Mo 29.11.10 21:04
von leodux
Hi,
Marc hat eigentlich ganz gut beschrieben, wie ich selbst vorgegangen bin.

Brandenburg gehört ja nicht zu meinen Sammelgebieten und ohne Fachliteratur gelangt man dann auf den beschriebenen Umwegen zum Ziel oder zumindest in die Nähe des Ziels.
Viele Grüße
Peter
Re: Groschen Brandenburg 16??
Verfasst: Mo 29.11.10 21:54
von cojobo
Hallo Marc und leodux,
Ihr seid unbezahlbar!
Das wäre eine schöne Aufgabe für einen Numismatik-Kurs an der Uni.
Für meine Schüler ist das natürlich zu komplex. Aber ich bin froh, dass ich jetzt endlich das Karteikärtchen für die Münze korrekt beschriften kann.
Wer weiß, vielleicht gibt es ja in der Münzen-AG mal Münzen-Detektive, die auf sowas abfahren. Und sich in eine solche Such- und Find- Aktion einzulassen kann regelrecht süchtig machen.
Also ganz herzlichen Dank, Ihr habe mit ganz enorm geholfen.
Beste Grüße
cojobo
Re: Groschen Brandenburg 16??
Verfasst: Mo 29.11.10 23:54
von Numis-Student
cojobo hat geschrieben:
Das wäre eine schöne Aufgabe für einen Numismatik-Kurs an der Uni.
Hallo,
bei uns an der Uni gibt es Vorlesungen für die neuen Studenten, da gibt es dann pro Termin (3stündig) 4-5 solcher Münzen

Schöne Grüße,
MR
Re: Groschen Brandenburg 16??
Verfasst: Di 30.11.10 01:39
von leodux
Hallo cojobo,
mir ist vorhin eingefallen, dass ich doch Literatur über Brandenburger Münzen besitze, wenn auch nur auf CD und schon reichlich alt: Die digitale Kopie von Emil Bahrfeldt, Das Münzwesen der Mark Brandenburg von den ältesten Zeiten bis 1701. Ist zwar von 1889-1913 und deshalb nicht mehr auf dem aktuellen Stand der Forschung, aber über die Münzstätte Driesen steht dort doch einiges.
Demnach war Driesen eine sogenannte Heckenmünze, in der kurz vor der Zeit der Wipper und Kipper schon "schlechtes Geld" geprägt wurde. Die Beschwerden über die minderwertigen Groschen häuften sich so sehr, dass Johann Sigismund mehrfach bei Strafandrohung aufgefordert wurde, diese Münzstätte zu schließen. Dem kam er aber erst irgendwann nach 1615 nach. Geprägt wurden dort laut Bahrfeldt neben wenigen Talern nur Groschen.
Bahrfeld führt 16 verschiedene Groschen mit einigen Untervarianten auf, aber die Stempelkopplung wie bei deiner Münze habe ich in den Beschreibungen nicht gefunden.
Reichsapfel mit verkürzter Jahreszahl 1 - 4 und ohne innere Kreislinie wäre Bahrfeldt 596, allerdings mit leicht abweichender Umschrift IO.SIG... statt bei dir IO.SI....
Bahrfeldt kennt aber einen Groschen mit IO.SI... ohne Jahr, der ebenfalls 1614 geprägt worden sein soll.
Das Jahr über dem Wappen gibt es bei Bahrfeldt nur für den Jahrgang 1615. Mit dem oben verzierten Schild ist das Bahrfeldt 600b.
Schade, dass man bei deiner Münze das Jahr über dem Wappen nicht lesen kann. Es wäre nämlich interessant zu wissen, ob es das bei Bahrfeldt unbekannte Jahr 1614 doch gegeben hat oder ob es sich hier um eine sogenannte Zwittermünze mit zwei verschiedenen Jahren handelt. Aber trotzdem ist das, wie ich jedenfalls finde, eine sehr interessante Münze.
Viele Grüße
Peter
Re: Groschen Brandenburg 16??
Verfasst: Di 30.11.10 18:33
von cojobo
Ich finde es faszinierend, dass eine so schlichte Münze so viele interessante Fragen aufwerfen kann.
Ich bastele auch immer noch an der Umschrift herum. Auf der Reichsapfelseite ist sie ja eigentlich klar:
JOhann SIgismund MArchio Brandenburgensis, und da er ja Kurfürst war, könnte das SRI doch Sancti Romani Imperii heißen. Dann müsste aber auf der Wappenseite die Titulatur weitergehen, und da hapert es.
Ich meine zu lesen: A.E.E.I.P.IO oder IC oder IU.C oder O.MO.D. Irgendwie könnte da auf Preußen, Jülich, Cleve und Berg angespielt werden?
Wenn Ihr mir dafür vielleicht noch einen Erklärungshinweis geben könntet .....
Wie immer: Besten Dank!
cojobo
Re: Groschen Brandenburg 16??
Verfasst: Di 30.11.10 19:25
von Marc
Ich glaube auch auf der Wappenseite 16 14 zu erkennen (den unteren Teil der Zahl 14), allerdings bin ich bei den ersten beiden Buchstaben nicht sicher.
Die Umschrift lautet vermutlich:
IOhann SIgismund Dei Gracia MArcio Brandenburgicus Sacri Romani Imperii
(Archi) Camerarius Et princeps Elector I, Prussiae, IUliaci, Cliviae et MOntium Dux
Für das I fällt mir nichts ein.
Edit: hatte erst Umschrift falsch abgeschrieben, nun korrigiert

und ich hatte die Idee das sich der Stempelschneider einfach vertan hat und Imperii gedoppelt hat, also:
Sacri Romani Imperii (Archi) Camerarius Et princeps Elector Imperii
Ist aber nur eine Vermutung
Re: Groschen Brandenburg 16??
Verfasst: Di 30.11.10 20:23
von leodux
Hi,
das I vor dem P für Preußen heißt möglicherweise einfach "IN" und das lateinische in kann auch im Deutschen als in übersetzt werden (in praxi = in der Praxis), also in diesem Fall "in Preußen".
So lautet z.B. die Umschrift eines Goldguldens:
.IOH.SIGISM.D:G.MA.B.S.R.I.ARCHIC.E.E / IN PRVSSI IVLIAE CLIVIAE MONTIVM.D.
Es sei denn, das IN ist auch beim Goldgulden noch eine Abkürzung, für die mir allerdings nichts sinnvolles einfällt.
Viele Grüße
Peter