Taler, Ort und Albus

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Christian40489
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Taler, Ort und Albus

Beitrag von Christian40489 » Mi 08.01.14 22:47

Hallo zusammen,
wer von Euch kann helfen, diese verwirrende Berechnung in einem Protokollbuch aus Sprockhövel des 17. Jh. zu erklären? Hier zunächst die Quellenwiedergabe:

Ulenbroch ein ort wieschen bouen des
Pastoris wieschen an der Werbecken vor 6 dhlr
urkund ---- 6 ½ alb

wegen des [Wedemhoffes] und landes
X ort 6 1/2 alb zusammen 5 ort vs.

Das Zeichen vor dem ort in der letzten Zeile ist mir unklar. Ich stelle es deshalb als Scan mit ein. Wenn die Abkürzung vs als vide supra = siehe oben zu verstehen ist, müsste sich die Abgabe wegen des Wedemhoffes auf Ulenbroch beziehen, die Lösung einer Gleichung mit einer Unbekannten möglich sein.

Bei diesen Paritäten

1 rtl = 4 ort
1 rtl = 78 alb
5 ort = 97 ½ alb

müsste sich folgende Rechnung ergeben:

6 ½ alb + x ort + 6 ½ alb = 5 ort
6 ½ alb + x alb + 6 ½ alb= 97 ½ alb
x alb = 97 -6 ½- 6 ½ alb
x alb = 84 alb

84 alb = 4,307 ort

Oder andersherum und dezimal bei der Parität 6 ½ alb = 0,33 ort

0,33 ort + x ort + 0,33 ort = 5 ort
x ort = 5 – 0,33- 0,33
x ort = 4,33 ort

Bei Bedeutung vide supra wäre das fragliche Zeichen / die fragliche Zahl als 4 1/3 ort zu lesen. Ob das sein kann?

Ich hoffe, meine Frage ist verständlich und würde mich über deren Aufklärung sehr freuen.
Vielen Dank schon jetzt für Eure Hilfe
Viele Grüße

Christian
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Ulenbroch.jpg
Zuletzt geändert von Christian40489 am Fr 10.01.14 15:00, insgesamt 2-mal geändert.

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Gerhard Schön
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Beitrag von Gerhard Schön » Do 09.01.14 09:17

Hallo Christian,

das fragliche Zeichen bedeutet anderthalb.

Gruß,
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Re: Taler, Ort und Stüber

Beitrag von Christian40489 » Do 09.01.14 11:40

Hallo Gerhard,
danke für Deine Antwort. 1 1/2 oder eventuell 2 1/2 hatte ich auch vermutet. Beides passt aber rechnerisch nicht, Oder ist meine Umrechnung auf ort falsch? Denkbar ist natürlich auch, dass die Abkürzung vs doch nicht vide supra bedeutet und deshalb der Gleichungsansatz 6 ½ alb + x ort + 6 ½ alb = 5 ort schon falsch ist. Was meinst Du dazu?
Gruß
Christian

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Gerhard Schön
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Beitrag von Gerhard Schön » Do 09.01.14 19:21

Hallo Christian,

bei dem kleinen Textausschnitt bleibt natürlich vieles unklar und man kann nur raten. In dem fraglichen Zeichen muss der Schrägbalken durch das j nicht unbedingt eine Halbierung darstellen, das ij kann auch 2 bedeuten. Ein Ort (Viertel) bezieht sich normalerweise auf den Gulden und entspricht damit 6½ Albus. Somit wären der eine Ort für Ulenbroch, die Beurkundung des Wiesenkaufes mit 6½ Albus, und schließlich 2 Ort plus 6½ Albus insgesamt 5 Ort.

Gruß,
gs
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Re: Taler, Ort und Stüber

Beitrag von Christian40489 » Do 09.01.14 23:32

Lieber Gerhard,
eine Zahlenangabe kommt an keiner anderen Stelle des Protokollbuchs (65 beschriebene Seiten) vor.
Du nennst als Gegenwert von 1/4 ort 6 1/2 Albus. Nach meinem Wissensstand kamen auf den Taler 78 Albus.
Zudem nimmst Du an, dass in der ersten Textzeile "Ulenbroch ein ort wieschen bouen des Pastoris wieschen" ort auch eine Geldangabe ist. Dies ist mit großer Wahrscheinlichkeit auszuschließen, weil alle Grundstücksbeschreibungen so lauten; hier hat das Wort ort die Bedeutung von Platz.

Egal ob das Zeichen für 1 1/2 oder 2 1/2 steht, das Ergebnis 5 ort lässt sich für mich rechnerisch nicht darstellen, wenn 78 Albus auf den Taler kommen und 1 ort ein ¼ Taler ist.
Deshalb kommt der Abkürzung vs große Bedeutung zu. Wenn sie statt vide supra (siehe oben) vide sequente (siehe nachstehend, folgend) bedeutet, käme damit der nächste Ulenbroch betreffende Eintrag in Frage, darin wird ein Betrag von 45 Albus genannt. Daraus ergäbe sich:

6 ½ albus +2 ½ ort + 45 albus = 5 ort 6,5 + 48,75 + 45 = 100,25 albus (entsprechend 1 Taler, 22,5 albus) oder gerundet 1 ¼ Taler = 5 ort

Wie beurteilst Du die Richtigkeit der beiden Bedingungen?
1. das Zeichen /die Zahl vor ort bedeutet 2 ½
2. vs bedeutet vide sequens, also die 45 Albus des nächsten Eintrags zu Ulenbroch?

Freue mich auf Deine Antwort und danke Dir fürs bisherige Mitknobeln.

Gruß

Christian

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Re: Taler, Ort und Stüber

Beitrag von Gerhard Schön » Fr 10.01.14 08:06

Hallo Christian,

das Zeichen kann 1½ bedeuten oder auch 2, jedenfalls nicht 2½. Alles weitere wird sich nur demjenigen erschließen, dem größere zusammenhängende Textpassagen vorliegen.

Gruß,
gs
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Re: Taler, Ort und Stüber

Beitrag von KarlAntonMartini » Fr 10.01.14 09:01

Vielleicht solltest du die Prämisse 4 Ort= 1 Taler nochmal prüfen. Es könnte sein, daß der Ort hier nur ein Viertelstüber ist. Grüße, KarlAntonMartini
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Re: Taler, Ort und Stüber

Beitrag von Andechser » Fr 10.01.14 09:07

Das kommt ganz auf die Region an. Im heutigen Belgien war ein Ort sicherlich kein 1/4 Taler, aber in Polen trifft dieses Verhältnis 1 Ort = 1/4 Taler zu. Aber dann bräuchte man eben einen größeren Kontext, wie Herr Schön schon angemerkt hat.

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Re: Taler, Ort und Stüber

Beitrag von Numis-Student » Fr 10.01.14 10:13

Also die Entfernung von Sprockhövel und Polen deutet eher darauf hin, dass hier durchaus eher der Viertelstüber gemeint ist...

MR
Immerhin ist es vorstellbar, dass wir vielleicht genug Verstand besitzen, um,
wenn nicht ganz vom Kriegführen abzulassen, uns wenigstens so vernünftig zu benehmen wie unsere Vorfahren im achtzehnten Jahrhundert. (A.H. 1949)

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Re: Taler, Ort und Stüber

Beitrag von KarlAntonMartini » Fr 10.01.14 10:33

Sprockhövel scheint damals Bestandteil der Grafschaft Mark gewesen zu sein, die im 17. Jahrhundert in Personalunion mit Brandenburg stand. Grüße, KarlAntonMartini
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Re: Taler, Ort und Albus

Beitrag von Christian40489 » Fr 10.01.14 15:11

Richtig, nach dem Aussterben des Grafengeschlechts von der Mark im Mannesstamm gelangte die Mark bei der Teilung der seit 1521 bestehenden Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg zunächst provisorisch 1609, 1614 durch Vertrag von Xanten und dann endgültig 1666/1672 durch die Verträge von Kleve und Cölln an den Kurfürsten und Markgrafen von Brandenburg. In der Mark war der Reichstaler in Umlauf, im Protokollbuch werden immer wieder Beträge in Reichtalern und in " r ort" (=Reichsort = 1/4 Reichtstaler) genannt. Urkundengebühren werden in Albus genannt. Das fragliche Zeichen, die römische 1 1/2/, 2 oder 2 1/2 (kann sie wirklich ausgeschlossen werden?) ist das einzige Vorkommen im gesamten Protokollbuch. Vergleichsstellen helfen deshalb überhaupt nicht weiter.

Die Voraussetzung der Parität 1 Taler = 78 Albus beruht auf folgender Quelle:
Nach dem Münzedikt zur Umrechnung fremder Währungen des Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm vom 1. September 1620 wurden für die Herzogtümer Jülich-Berg die folgenden Werte festgelegt: 1 Reichstaler = 78 Albus; 1 Albus = 12 Heller. Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Albus_(M%C3%BCnze) Ansonsten finde ich nur für Hessen eine weitere Parität: 1 Taler = 45 Albus. Diese kommt geografisch nicht in Frage, zudem lässt sich die Berechnung aus dem Protokollbuch auch mit diesem Ansatz nicht darstellen.

Zur Überlegung Stüver: im Protokollbuch werden die Gewinn- und Urkundengelder in Reichstaler, Ort und Albus festgesetzt. Lediglich bei den Strafen (Brüchten) werden Beträge in Goldgulden und Stüver genannt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Strafcodex aus vor-brandenburgisch-preußischer Zeit stammt und deshalb die Strafen nach der vormaligen klevisch-märkischen Währung festgesetzt werden.

Zusammenfassend: ich denke, dass es sich bei den Ulenbroch betreffenden Geldbeträgen um Taler, Ort (1/4 Reichstaler) und Albus handelt. Wichtig wäre für mich eine verbürgte Information, wieviel Albus um 1634-1664 auf den Taler gingen. Hierzu finde ich bislang in keiner anderen Quelle außer dem zitierten Wikipedia-Eintrag eine Angabe. Die Antwort dieser Frage hat deshalb Vorrang vor der endgültigen Lesung der römischen Zahl. Mit der Parität ließe sich die Addition in der Quelle rechnerisch prüfen.

Danke für die bisherigen Bemühungen, vielleicht kann jemand von Euch den entscheidenden Hinweis noch geben!

Beste Grüße

Christian

gtr
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Re: Taler, Ort und Albus

Beitrag von gtr » Di 14.01.14 23:45

Hallo Christian,

Von Friedrich von Schrötter gibt es einen Aufsatz zum Thema:

Das Münz-und Geldwesen in der Grafschaft Mark und in dem Herzogtum Cleve
in der zweiten Hälfte des 17.Jahrhunderts.

Aus Reprintverlag Leipzig 1991, Aufsätze zur Deutschen Münz-und Geldgeschichte
des 16. bis 19.Jahrhundert.
Zumindest findest du die ausführliche Darstellung der umlaufenden Münzen ab 1640

gruß gtr

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