Große Kupfermünzen - rein österreichisch?

Deutschland vor 1871
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Valentius
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Große Kupfermünzen - rein österreichisch?

Beitrag von Valentius » Mo 21.06.04 00:52

Guten Tag!


Sind die großen Kupfermünzen der 1. H. d. 19. Jhdt (3, 6, 15, 30 Kreuzer) eigentlich eine speziell österreichische Erscheinung?

Beim Betrachten der Münzen in diversen Fundforen fiel mir auf, dass im restlichen deutschsprachigen Gebiet meist schon bei sehr kleinen Nominalen auf Silber oder Billon zurückgegriffen wurde.

Trügt dieser Eindruck? Und wenn nicht, weshalb war dies so?

Vielen Dank!
Valentius
Per Aspera ad Astra et Ultra.

klaupo
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Beitrag von klaupo » Mo 21.06.04 12:15

Hallo,

nein, ganz allein stehen die Österreicher in Europa zu dieser Zeit nicht da! Die Briten hatten große Kupfer-Pennies bis hin zum Cartwheel, die russichen Kupferkopeken aus dieser Zeit brachten auch einiges an Gewicht auf die Waage, und auch Schweden prägten schwere Kupferstücke, um nur einige Staaten zu nennen. Soweit ich weiß, stehen diese Kupferstücke mit ihrer Größe in Relation zum Metallwert vom Silber. In Russland gab es z.B. zeitgleich für das gleiche Nominal neben den Kupferstücken winzige Silbermünzen, und es könnte sein, daß auch die britischen Maundy Pennies in diese Richtung weisen. Aber wie sich das genau verhält, können dir sicher andere Experten besser erläutern.

Gruß klaupo

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mumde
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Beitrag von mumde » Mo 21.06.04 22:15

In Schweden wurden im 17. und 18. Jh. große Kupferplatten mit einem Wert von mehreren Talern und einem Gewicht von mehreren Kilogramm herausgegeben. Rußland machte auch Versuche mit Kupferplatten und mit einem runden Kupferrubel, dessen Prägung an technischen Schwierigkeiten scheiterte. Davon mal abgesehen: In richtiger Münzform wurden in Schweden große 1-Öre-Stücke geprägt und in Rußland im 18. Jh. große 5-Kopeken-Stücke, für Sibirien auch 10-Kopeken-Stücke, und im 19. Jh. in Rußland etwas kleinere, aber vergleichsweise immer noch recht große Stücke bis zu 10 Kopeken.
Schweden und Rußland waren die Länder, die am meisten Kupfer förderten. Sie hatten die Bergwerke, sie mußten das Metall irgendwie absetzen. Großbritannien produzierte auch Kupfer, vor allem in Wales. Aber die Cartwheel-Münzen von 1797 blieben eine Episode; der nächste Typ, der herauskam, war schon wieder wesentlich kleiner.
1 Öre, 5 Kopeken, 2 Pence - das ist alles Kleingeld, niedrigstes Nominal, das nun mal zu seinem vollen Metallwert in Kupfer geprägt wurde und nicht wie sonst üblich als Scheidemünze mit gesetzlich vorgeschriebenem Wert. Die österreichischen Kupfermünzen von 1807 unterscheiden sich davon. Auf den 15- und 30-Kreuzern 1807 steht etwas abgekürzt zu lesen: WIENER STADT-BANCO-ZETTEL-THEILUNGSMÜNZE.
Österreich hatte 1762 während des Siebenjährigen Krieges sein erstes Papiergeld ausgegeben, und mit dem gab es keinerlei Probleme. Wer Papiergeld hatte, konnte es jederzeit in staatlichen Wechselkassen gegen Münzgeld umtauschen, und umgekehrt. Papiergeld ließ sich leicht transportieren und handhaben, und deshalb war es beliebt. Das änderte sich, als die großen Kosten der Napoleonischen Kriege mit der Ausgabe riesiger Mengen von ungedecktem Papiergeld finanziert wurden. Man konnte das Papier nicht mehr so einfach gegen Silbergeld wechseln. Wer eine Zahlung zu bekommen hatte, wollte lieber Silbermünzen als Papier, und nahm Papier nur, wenn er noch etwas extra dazubekam. Der Kurs des Papiergeldes trennte sich also vom Kurs des Silbergeldes, das Silbergeld wurde gehortet, und jeder versuchte, nur noch in Papiergeld zu zahlen, das immer weiter gedruckt wurde und immer weniger wert wurde. Um 1800 standen Silbergulden und Papiergulden noch ungefähr gleich, im Dezember 1810 galt 1 Silbergulden knapp 10 Papiergulden. Das ist keine solche Inflation, wie wir sie aus der Zeit um 1923 kennen, aber es war ärgerlich genug für jemanden, der z. B. jährliche Zinsen oder Renten zu bekommen hatte und nun nur noch 1/10 dessen bekam, was ihm eigentlich zustand.
Die großen Kupfermünzen waren 1807 geprägt worden, als Silbergulden zu Papiergulden etwa 1 zu 2 stand, das Silber deshalb schon gehortet wurde und praktisch nicht mehr im Umlauf war, man aber Kleingeld brauchte, um die 5- und 10-Gulden-Scheine wechseln zu können. Ihre Aufschrift WIENER STADT-BANCO-ZETTEL-THEILUNGSMÜNZE weist darauf hin, daß sie nicht im System des Silbergeldes, sondern als Kleingeld der Papierwährung ausgegeben wurden.
Gruß mumde

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Lutz12
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Beitrag von Lutz12 » Mo 21.06.04 23:30

Übrigens sind auch viele aktuelle Währungen in der Stückelung an die Historie angelehnt. Genauso wie im 19. Jh. z.B. die deutsche Reichswährung in Kupfer (1+2 Pf) Kupfer-Nickel (5+10 Pf, später auch 20 Pf) Silber (Anfangs auch die unpraktischen weil kleinen 20 Pf, später nur 50 Pf bzw. 1/2 Mark, 1 M, 2, 3 + 5 M) und schließlich Gold (5,10 + 20 M). In jedem Metall steigt der Durchmesser mit dem Nominlawert, um beim nächsten Metall mit kleinem Durchmesser neu zu "starten". So kommt es wie auch bei den Euromünzen dazu, dass z.B. das 5 Cent-Stück in Cu-plattiertem Eisen größer als das 10-Cent-Stück in Messing-Legierung ist, wie auch 50 Cent größer als 1 Euro sind. Während früher die Metalle Kupfer (teilweise, siehe obige Beiträge), Silber und Gold vielfach als Kurantmünzen ausgeprägt waren, trennte (schied) sich der Metallwert vom aufgeprägten Wert später (Scheidemünzen). Geblieben sind die gewohnten Größenverhältnisse der Münzen. Nicht jeder der 50 Jahre die DM in den Händen hielt hat das bewußt beobachtet, aber auch hier wurde alte Tradition gelebt.
Gruß Lutz12

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Valentius
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Beitrag von Valentius » Mi 08.09.04 00:22

Vielen Dank für die informativen Antworten!

Grüße
Valentius
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