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Lüneburg, Halbmond mit menschlichem Gesicht
Verfasst: Do 21.08.25 00:16
von Zwerg
Benötige - wenn möglich - einen netten Hinweis
Die Stadt Lüneburg prägte u.A. Taler und Dukaten, die auf einer Seite einen Halbmond mit einem menschlichem Gesicht zeigen.
Kennt jemand dazu die entsprechende Geschichte? Leider habe ich das Monumentalwerk von Mader in in meiner Bibliothek und weiß auch nicht, ob er dazu überhaupt etwas sagt.
Danke für jede Idee
Klaus
Re: Lüneburg, Halbmond mit menschlichem Gesicht
Verfasst: Do 21.08.25 06:52
von Mynter
Eine numismatische Quelle habe ich leider nicht, aber ich sehe diese Prägungen im Zusammenhang mit der in der Renaissance verbreiteten Auffassung , der Name Lüneburg ( Luniburc, Luneborch ) leite sich von " Luna " ab. Siehe auch hier :
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/digli ... 0190/image
In Wirklichkeit stammt der Name aus der Bezeichnung " Hliuni " , erwähnt zum ersten Mal 795. " Hliuni " bedeutet soviel wie " Zufluchtsstätte " und bezieht sich auf einen befestigten Hügel aus der Zeit der Völkerwanderung, einem der Siedlungskerne, die im Laufe der Zeit zu einer gemeinsamen Stadt zusammenwachsen.
Re: Lüneburg, Halbmond mit menschlichem Gesicht
Verfasst: Do 21.08.25 08:49
von Zwerg
Danke!
Die Namensgeschichte ist eindeutig!
Grüße
Klaus
Re: Lüneburg, Halbmond mit menschlichem Gesicht
Verfasst: Do 21.08.25 13:24
von Lucius Aelius
Was sich wohl mit Gewissheit sagen lässt, dass Luna nicht der Namensgeber des Stadtnamens ist, sondern, wie es Mynter schon erwähnt hat, das langobardische Wort für Zufluchtsort. Warum? Weil die Ersterwähnung in den fränkischen Reichsannalen von einem Ort an der Elbe sprechen und der Flussname ist in der lateinischen Form (ad fluvium Albim), der Ortsname aber nicht lateinisch, sondern langobardisch (ad locum, qui dicitur Hliuni) geschrieben.
Ob sich nun das Zitat aus dem Lukasevangelim 1, 78, welches auf der Münzrückseite steht, in Verbindung mit dem Mond (das aufgehende Licht aus der Höhe) bringen lässt kann sein, kann aber auch nicht sein.
Es gibt auch die Meinung, Caesar soll bei einem Feldzug in den Norden Germaniens auf dem Lüneburger Kalkberg der Mondgöttin Luna ein Heiligtum gestiftet haben und davon soll der lateinische Name Lunaburgum herrühren. Das ist aber nichts weiter als eine schöne Gute-Nacht-Geschichte. Ähnliches gibt es zuhauf, etwa der künstlich errichtete Schlangenberg im Salegaster Forst, der eben nicht von den Römern 9 v.Chr. als (einer) der am weitesten erreichte Punkt der Drususexpedition errichtet wurde, sondern ein slawischer Burgberg ist.
Re: Lüneburg, Halbmond mit menschlichem Gesicht
Verfasst: Do 21.08.25 14:58
von MartinH
Die Geschichte des Lunabrunnens in Lüneburg unterstützt m.E. die Vermutung von Mynter (
https://de.wikipedia.org/wiki/Lunabrunnen).
Re: Lüneburg, Halbmond mit menschlichem Gesicht
Verfasst: Do 21.08.25 17:32
von Chippi
Salegaster Forst ist bei mir um die Ecke. Da kannte ich bisher nur die Kirchenruine.
Gruß Chippi
Re: Lüneburg, Halbmond mit menschlichem Gesicht
Verfasst: Do 21.08.25 17:52
von Lucius Aelius
Chippi hat geschrieben: ↑Do 21.08.25 17:32
Salegaster Forst ist bei mir um die Ecke. Da kannte ich bisher nur die Kirchenruine.
Ja, von der Kirchenruine ca. 100 m gen Norden liegt der Schlangenberg.
Re: Lüneburg, Halbmond mit menschlichem Gesicht
Verfasst: Do 21.08.25 17:52
von edsc
Beeindruckend was ihr darüber schon alles wisst bzw. in Erfahrung gebracht habt! Da kann ich nicht mithalten aber ich habe den Mader und habe da mal kurz nachgeschaut. Leider beantwortet er auch nicht die Frage aber untermauert die bisher geäußerten Vermutungen:
"Wilhelm Reinecke (Geschichte der Stadt Lüneburg - Lüneburg 1933) und auch Elmar Peter (Lüneburg,
Geschichte einer 1000jährigen Stadt 956 bis 1956 - Lüneburg 1999) berichten mit Bezugnahme auf die
Arbeiten von Ludwig Bückmann, dass vor der Völkerwanderung die Langobarden in der Gegend der
heutigen Stadt Lüneburg siedelten. In deren Sprache war der dortige heute nur noch zum Teil vorhandene
Kalkberg ein Zufluchts- und Verteidigungsort mit der Bezeichnung Hliuni.
Lüneburg leitet sich also nicht von der Mondgöttin Luna oder dem Mond ah. Dieser Bezug wurde erst im
16. Jahrhundert von den Bürgern der Stadt hergestellt und fand in der Errichtung eines Luna-Brunnens
und in der Benutzung des Mondsymbols im städtischen Wappen seinen Niederschlag."
(Bd. I., S. 2)
Ich interpretiere das so, dass nicht der Mond namensgebend für Lüneburg diente, sondern umgekehrt: aufgrund des Stadtnamens wurde der Mond als Stadtsymbol gewählt. Und das Gesicht wurde einfach dazu erfunden, um den Mond als Personifikation der Stadt aussehen zu lassen.
Re: Lüneburg, Halbmond mit menschlichem Gesicht
Verfasst: Do 21.08.25 18:09
von Lucius Aelius
Der Mond wurde, ebenso wie die Sonne, bereits im Mittelalter mit Gesicht dargestellt (
https://share.google/images/XmMxdwoYHBYS6leP3 ), das hat mit der Stadt nichts zu tun.
Re: Lüneburg, Halbmond mit menschlichem Gesicht
Verfasst: Do 21.08.25 18:14
von Zwerg
Ich hab es gefunden
Grüße
Klaus
Hab ich vor 40 Jahren vorgelesen - und müßte auch heute noch gehen
Re: Lüneburg, Halbmond mit menschlichem Gesicht
Verfasst: Do 21.08.25 20:37
von Mynter
Und jeden Abend um 18 h spielt das Glockenspiel des Lüneburger Rathausturmes " Der Mond ist aufgegangen " nach der Melodie des Lüneburger Komponisten Johan Abraham Peter Schulz. Man kann sich auf eine der Bänke an der Querseite des Rathausmarktes so setzen, dass man wärend man der Melodie lauscht, sowohl auf den Luna- Brunnen, als auch in die auf den Rathausmarkt einmündende Strasse " An der Münze " blickt, in der heute vermutlich noch das Gebäude der alten Lüneburger Münze steht, in dem der Taler aus der Eingangsfrage geprägt wurde. Welches Gebäude in Frage kommt, ist, so das schon oben erwähnte Werk von Peter, jedoch umstritten.
Re: Lüneburg, Halbmond mit menschlichem Gesicht
Verfasst: Sa 23.08.25 00:44
von Zwerg
Erst einmal ganz herzlichen Dank an Mynter für den wirklich schönen Beitrag!!!!
Ich habe mich heute mit dem Sinnspruch herumgeschlagen
VISITAVIT NOS ORIENS EX ALTO
Das ist Evangelium nach Lukas 1,78
per viscera misericordiae Dei nostri in quibus visitavit nos oriens ex alto
"Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes wird uns besuchen das aufstrahlende Licht aus der Höhe". Dieser Vers ist Teil des Lobgesangs des Zacharias auf seinen neugeborenen Sohn Johannes den Täufer und beschreibt die Ankunft des Erlösers, der Licht in die Dunkelheit bringt und die Menschen auf den Weg des Friedens.
Auf Dukaten Lüneburgs erscheint auch Johannes der Täufer, Schutzpatron der Abtei Walsrode. Eine mögliche Verbindung. Auf vielen Talern steht aber nur dieser Text.
Ich habe bisher - nur im Netz! - keine Verbindung des Bibelzitats zu Lüneburg gefunden.
Hat jemand eine Idee?
Grüße
Klaus
Re: Lüneburg, Halbmond mit menschlichem Gesicht
Verfasst: Sa 23.08.25 10:49
von Mynter
Mein unmittelbarer Gedanke war, das dies im Zusammenhang mit der St. Johanniskirche stehen muß, der größten der heute noch drei Lüneburger Hauptkirchen und, wie ich eben in Peter " Lüneburg - Geschichte einer tausendjährigen Stadt " nachgeschlagen habe, auch der ältesten mit Ursprüngen im 9. Jahrhundert. Im 11. Jahrhundert erhob der Bischof von Verden St. Johannis zum Hauptsitz des " Archediakonats Modestorpe ", das für große Teile des heutigen nordöstlichen Niedersachsens zuständig war. Modestorpe war der Name einer der drei Siedlungen, die später zur Stadt Lüneburg zusammenwachsen.
In diesem Modestorpe wohnten wohl, so Peters, vorwiegend Händler und Kaufleute, zudem gab es ein Gericht,was die Bedeutung dieser Siedlung hervorhebt.
Ich sehe die Bedeutung von St. Johannis und Johannis dem Täufer auch im Zusammenhang mit dem Entstehen bürgerlichen Selbstbewußtseins. 1406 wurde das Johanneum als eine nur dem Rat der Stadt unterstehende Schule für die Lüneburger Bürger gegründet.
Bei der Wahl der Motive ist man vielleicht einem hierarchischen Denken gefolgt, wonach die gewichtigsten Motive für die höchsten Nominale gedacht waren ? Es gibt einen sehr seltenen Doppeltaler, der auf der einen Seite den Mond und auf der anderen Johannis den Täufer zeigt, ebenso, wie auf dem Dukaten.
Re: Lüneburg, Halbmond mit menschlichem Gesicht
Verfasst: Sa 23.08.25 11:53
von Chippi
Der Mond bringt auch Licht in die Dunkelheit.
Gruß Chippi
Re: Lüneburg, Halbmond mit menschlichem Gesicht
Verfasst: Sa 23.08.25 12:28
von Tiziana
Ausgezeichnete Informationen. Dieses Stück ist mir bei der letzten Frühlingsauktion von Sincona aufgefallen.