--- "Der Schaukasten" ---

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

Moderator: Homer J. Simpson

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klausklage
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Beitrag von klausklage » Sa 23.02.08 19:52

Einige wollen heute in Caracalla gerade wegen der Einführung des Bürgerrechts für alle einen weitsichtigen, aufgeklärten Geist sehen, der seiner Zeit weit voraus war. Dabei war unmittelbarer Anlass wohl nur die Idee, alle neuen Reichsbürger auch gleich wie die übrigen Römer zur Steuerkasse zu bitten. In der Antike jedenfalls scheint diese Neuerung keinem Autoren wichtig genug gewesen zu sein, um darüber mehr als ein paar Sätze zu verlieren; dafür spricht auch, dass zu diesem Anlass - meines Wissens - gerade keine Münzen geprägt wurden.

Gruß,
Olaf
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alexander20
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Beitrag von alexander20 » Sa 23.02.08 20:07

Hallo pscipio,

sicherlich ist die constitutio antoniniana das Ergebnis bzw. der Abschluss einer langen Entwicklung. Aber das ändert nichts daran, dass die Verankerung des Bürgerrechtes für einen breiten Teil der römischen Bevölkerung im römischen Rechtswesen eben unter Kaiser Caracalla und nicht unter irgendeinem anderen Kaiser erfolgt ist. Mithin ist dieser sicherlich positive Verdienst um das römische Reich auch Kaiser Caracalla zuzurechnen. Dass m.E. die constitutio antoniniana für die Entwicklung des Reiches durchaus positiv zu werten ist, habe ich noch während meines Jurastudiums im Bereich Römische Rechtsgeschichte so gelernt. Aber das ist mehr als zwei Jahrzehnte her und Du als junger Historiker bist da sicherlich auf dem laufenden.

alexander20

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Beitrag von alexander20 » Sa 23.02.08 20:15

Hallo klausklage ,

es wurden niemals Münzen anläßlich lediglich von Gesetzesänderungen geprägt. Und um nichts anderes handelt es sich bei der Einführung der constitutio antoniniana. Es wurden ja auch beispielsweise keine Münzen geprägt anläßlich des diokletianischen Höchspreisediktes, ebenfalls einer Gesetzeseinführung von bedeutendem Rang.

alexander20

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Beitrag von Pscipio » Sa 23.02.08 20:27

In der Theorie war es ein Fortschritt, ein Schritt hin zur rechtlichen Gleichstellung der Mehrheit der Einwohner des Reiches, da stimme ich dir zu. Es darf allerdings bezweifelt werden, ob sich die rechtliche Gleichstellung in der Praxis auch wirklich auswirkte, denn die Unterteilung der Gesellschaft in honestiores (den Angehörigen der gehobenen Stände) und humiliores (die "kleinen Leute") mit jeweils unterschiedlichen Rechten hebelte die Constitutio Antoniniana als rechtliche Gleichstellung sogleich wieder aus. Da liegt, wie Klaus bereits erwähnte, die Vermutung nahe, dass es Caracalla vor allem um Steuergelder ging (nach Cassius Dio). Fraglich bleibt auch, ob die Verleihung des Bürgerrechtes an alle Reichsbewohner dem Reichsgedanken zuträglich war: war das römische Bürgertum vorher noch begehrenswertes Privileg und die römischen Bürger ein stabilisierendes Gerüst innerhalb des Reiches, so verkam das Bürgertum jetzt zur Normalität und verlor dadurch viel von seiner identitätsstiftenden Eigenschaft.

Gruss, Pscipio
Nata vimpi curmi da.

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Homer J. Simpson
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Beitrag von Homer J. Simpson » Sa 23.02.08 21:02

Eine interessante Frage bleibt natürlich folgendes (ich meine das als echte Frage, allgemeingültig wird man sie nicht beantworten können):
Was ist als besser zu bewerten - wenn ein Land von einem brutalen Gewaltherrscher wie Caracalla regiert wird, aber "der Laden läuft", oder wenn das Land in Chaos versinkt, weil keiner mächtig und skrupellos (bzw. skrupellos und gleichzeitig fähig) genug ist, um es unter Kontrolle zu halten? Die Frage stellt sich in der römischen Geschichte des 3. Jahrhunderts ebenso wie heute (Saddam Hussein läßt grüßen!).

Viele Grüße,

Homer
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Beitrag von alexander20 » Sa 23.02.08 21:10

Hallo pscipio,

gerade diese Verleihung des Bürgerrechts war dem Reichsgedanken nicht nur zuträglich, es förderte diesen vielmehr. Ich möchte an dieserStelle einmal Bretone, Die Geschichte des römischen Rechtes, zitieren, der sagt, "das Edikt (die constitutio antoniniana), das vielleicht finanzpolitische Ursachen hatte, steht in Übereinstimmung mit der Idee eines übernationalen universalen Imperiums, das die Vorstellung von der Vorherrschaft Roms als Stadtstaat auslöschte".

zu klausklage: Die constitutio antoniniana ist so bedeutend, dass sie ausdrücklich u.a. von Cassius Dio und Ulpian erwähnt wird.

alexander20

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Beitrag von klausklage » Sa 23.02.08 21:23

Hallo Alexander20,
naja, ein paar fallen mir da schon ein: die Justitia-Prägungen Hadrians zum edictum perpetuum, die Justitia-Prägungen Nervas zur Aufhebung der Majestätsbeleidigungsprozesse oder auch die vehiculatione italia remissa-Sesterzen Nervas. Aber Du hast natürlich recht, oft gab es sowas nicht, wie ja insgesamt die Gesetzgebung noch nicht hoch entwickelt war.
Sorry, wenn ich den Schaukasten hiermit belaste - die Post hat die letzten zwei Einschreiben verschlampt, daher kann ich gerade leider keine neuen Münzen vorstellen.
Gruß,
Olaf
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Beitrag von Pscipio » Sa 23.02.08 21:42

@alexander: Da bin ich anderer Meinung, und die Tatsache der ständigen Krisen nach der Severerzeit spricht auch nicht wirklich für ein gefördertes Einheitsdenken (wenngleich die Krisen natürlich verschiedenste Ursachen hatten). Jedenfalls sollte man die constitutio antoniniana nicht allzu sehr durch eine moderne Rechtsbrille betrachten, denn wie ich oben erwähnte, wirkte sie in der Praxis nicht so stark, wie man manchmal angenommen hat.

Gruss, Pscipio
Nata vimpi curmi da.

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Beitrag von alexander20 » Sa 23.02.08 21:55

Hallo pscipio,

da werden wir heute wahrscheinlich keinen Konsens mehr erzielen.

Vielleicht bist Du ja auch am 03.März 08 auf der Münzbörse in Karlsruhe. Wir könnten unsere Diskussion über die constitutio antoniniana dort ggf. fortsetzen und natürlich auch über Münzen.

Ich wünsche Dir noch einen schönen Abend

alexander20

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Beitrag von Peter43 » So 24.02.08 01:13

Man sollte auch bedenken, daß durch Caracallas 'Gleichstellungsgesetz' eine riesige Zahl von Nichtrömern jetzt auch juristisch ins Reich geholt worden ist, was den Untergang des Römischen Reiches eingeleitet zumindestens aber beschleunigt hat.

Mit freundlichem Gruß
Omnes vulnerant, ultima necat.

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Beitrag von beachcomber » So 24.02.08 09:25

ine riesige Zahl von Nichtrömern jetzt auch juristisch ins Reich geholt worden ist, was den Untergang des Römischen Reiches eingeleitet zumindestens aber beschleunigt hat.
das musst du mir näher erläutern. wieso sollen nichtrömer den untergang des römischen reichs beschleunigt haben?
sozusagen 'multikulti'- das ende der zivilisation ? :wink:
grüsse
frank

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Beitrag von alexander20 » So 24.02.08 10:06

Hallo Peter43,

durch die Constitutio Antoniniana wurde der Untergang des Römischen Reiches weder eingeleitet noch gar beschleunigt. Vielmehr trug sie im Gegenteil dazu bei, dass das (West)Römische Reich nicht schon früher als Ende des 5. Jahrhunderts unterging. Ich will dies auch gerne erläutern: Durch die Constitutio Antoniniana war es nun erstmals allen Einwohnern (mit Ausnahme der Sklaven) des Römischen Reiches durch die Erlangung der Bürgerrechte möglich am politischen Leben des Reiches teilzuhaben, dies gilt insbesondere für die Einwohner der dem Römischen Reich durch Eroberung einverleibten Provinzen. Die Bewohner dieser Reichsteile waren nun - de jure und de facto- durch die Erlangung der Bürgerrechte nicht mehr Bürger "zweiter Klasse", sondern konnten sich nun als reichrömische Bürger mit dem Reich identifizieren. Hätte es die constitutio antoniniana also nicht gegeben, das Reich wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits zu einem früheren Zeitpunkt zusammengebrochen.

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Beitrag von alexander20 » So 24.02.08 10:17

Sehr geehrte Sammlerkollegen,

im Nachgang zu meinem Posting zu Plautilla, möchte ich noch ein paar Plautilla - Denare vorstellen. Obwohl für Plautilla nur in den Jahren 202-205 Münzen emittiert wurden, so gibt es doch zahlreiche Porträtdarstellungen von ihr.Interessant ist der obere Denar, der sog. "Hochzeitsdenar", eine Münzemission, die nur im Jahre 202 anläßlich der Hochzeit Caracallas mit Plautilla ausgegeben wurde.

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Beitrag von drakenumi1 » Mo 25.02.08 13:05

Wenn Du von "Porträtdarstellungen" sprichst, meinst Du unter Bezugnahme auf Deine schönen Sammlungsbeispiele sicherlich die unterschiedlichen Frisuren. Ich setze die Reihe mal mit 2 weiteren Frisuren fort.
Übrigens: welcher Rv-Typ ist eigentlich der sog. "Hochzeitsdenar"? Wenn es der Typ CONCORDIAE AETERNAE (unteres Bild oben und Rv- Bild) mit dem händereichenden Kaiserpaar sein sollte, haben wir dann zu dem hohen Anlaß 2 unterschiedliche Frisuren. Aber was solls, meine Frau braucht ja auch nur etwa zwei Stunden für einen Frisurenwechsel.
Beste Grüße von

drakenumi1
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Man kann, was man will, und wenn man sagt, man kann nicht, dann will man auch nicht.
(Baltzer von Platen/a. Rügen)

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Beitrag von richard55-47 » Mi 27.02.08 21:05

Ich habe den auf Seite 152 vorgestellten Nero DECURSIO heute erhalten. Bei der Bestimmung habe ich mich etwas schwer getan, weil die Av.-Legende teilweise nicht lesbar ist. Ich musste "interpolieren". Das Ergebnis:

NERO CLAUD CAESAR AUG GER PM TR P IMP PP (Legende 31B)
DECURSIO SC 2 Reiter (Typ 11)
RIC 396 Lugdunum

23,31 gr., Dm: 33,86

Mit dem Ding gehe ich heute ins Bett.
do ut des.

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