Löcher auf Provinzialmünzen

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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oliver67
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Re: Löcher auf Provinzialmünzen

Beitrag von oliver67 » Mo 02.07.12 14:41

um hier diesen thread nochmals heraufzuholen, weil mich dieses thema auch immer wieder beschäftigt...

könnte es sein, dass die Münzen mit diesen Löchern nachträglich "entwertet" wurden, da man die Löcher ja nur auf Kupfermünzen findet?
Silber und Gold konnte auch zb bei einer damnatiae memoriae eingeschmolzen werden, bei Kupfer hätte das kaum Sinn gemacht.

was meint ihr?
lg oliver

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quisquam
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Re: Löcher auf Provinzialmünzen

Beitrag von quisquam » Mo 02.07.12 15:32

Die Idee der Entwertung ist nett, aber dann hätten von praktisch allen Typen auch nicht entwertete Exemplare auf uns kommen müssen. So wie ich das überblicke sind gleiche Münzen aber entweder immer "gelocht" oder immer "ungelocht". Die Löcher sind offensichtlich auch vor dem Prägen aufgebracht worden, wie man bei manchen Münzen an konzentrischen Ringen um die Vertiefung sieht, die unter der Prägung noch erhalten blieben. Bei einer nachträglichen Punzierung wären auch sichtbare Stauchungen um die Vertiefung zu erwarten.

Übrigens hat man auch Bronzemünzen eingeschmolzen, so z.B. nach der über Caligula verhangenen Damnatio Memoriae.
curtislclay hat geschrieben:Nach Cassius Dio beschloss der Senat förmlich, dass die Bronzemünzen Caligulas einzuziehen und einzuschmelzen waren.

Dass dieser Beschluss auch ausgeführt wurde, beweisen

1. das Fehlen von Bronzemünzen Caligulas in Schatzfunden der Zeit,

2. die Tatsache, dass der Gegenstempel NCAPR zwar auf Messingmünzen von Tiberius und Claudius, niemals aber auf solchen Caligulas zu finden ist.
Grüße, Stefan

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Re: Löcher auf Provinzialmünzen

Beitrag von Iulia » Mo 02.07.12 15:48

Zu der Idee der Entwertung: Aes-Münzen müssen nicht entwertet werden, weil sie spätestens seit dem 3. Jh. v. Chr. Kreditgeld waren, also der Metallwert nicht dem Nennwert entsprach.

Noch mal zur Technik: Für die sogenannten "Zentrierlöchern" auf provinzialrömischen Bronzen Thrakiens und Moesiens UND ptolemäischen Bronzen wurde bereits eine überzeugende Erklärung vor ein paar Jahrzehnten publiziert, aber ich kann mich wie Curtis leider nicht mehr daran erinnern, wo. Dort wurde auch das Instrument rekonstruiert, mit dem die Schrötlingsoberfläche vor dem Prägen geglättet worden ist. Sah aus, wie ein runder Käseschaber. Die Spitze wurde ungefähr auf die Mitte der Schrötlinge gesetzt und das Metall rundherum mit einem Hobel abgedreht. Deshalb sieht man auf manchen der so behandelten Münzen auch nach dem Prägen noch, wie quisquam eben schrieb, schwache konzentrische Kreise, vor allem auf den ptolemäischen.
Warum wurde diese Technik in manchen Gegenden entwickelt? Man wollte offenbar die beim Gießen eventuell entstandenen Lunker = Gusslöcher auf den Flächen beseitigen. Ich glaube, dass die Gefahr von Gusslöchern vor allem bei mehr zinkhaltigen Metallzusammensetzungen entstand (das vermute ich bei den provinzialrömischen Bronzen Thrakiens und Moesiens) und bei den riesigen Bronzeschrötlingen der Ptolemäer.
Ich verstehe jetzt nicht, warum immer wieder neue, zum Teil aberwitzige neue Theorien aufgestellt werden, ohne dass die alte These jemals widerlegt worden ist.

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Peter43
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Re: Löcher auf Provinzialmünzen

Beitrag von Peter43 » Mo 02.07.12 18:19

quisquam hat geschrieben:So wie ich das überblicke sind gleiche Münzen aber entweder immer "gelocht" oder immer "ungelocht".
Das stimmt nicht, aber Du hast es ja auch eingeschränkt mit "So wie ich das überblicke". Hier z.B. ist ein Typ aus meiner Sammlung, von dem die eine Münze Vertiefungen auf beiden Seiten hat, die andere aber keine.

Zudem habe ich auf Münzen Vertiefungen, die beweisen, daß sich das postulierte Gerät auf der Münze nicht drehen kkonnte, weil die Vertiefungen drei- oder viereckig sind. Sollte es eine Vorrichtung zum Glätten gewesen sein, dann muß sich der Glättungshobel um eine zentrale Achse gedreht haben.

Mit freundlichem Gruß
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Re: Löcher auf Provinzialmünzen

Beitrag von quisquam » Mo 02.07.12 19:01

Danke für das Zeigen. Sind die entsprechenden Vertiefungen eventuell nur durch die Prägung mal mehr und mal weniger vollständig eingeebnet? Ich meine fast auf beiden Fotos entsprechende Vertiefungen auszumachen.

Ansonsten zeigt sich mal wieder: Keine Regel ohne Ausnahme.

Grüße, Stefan
Zuletzt geändert von quisquam am Mo 02.07.12 19:04, insgesamt 1-mal geändert.
Eigentlich sammle ich nicht Münzen, sondern das Wissen darüber.

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Re: Löcher auf Provinzialmünzen

Beitrag von antoninus1 » Mo 02.07.12 19:03

Kennt ihr diese Website?

http://www.classicalcoins.com/flans1.html

Viel zu lesen, aber sehr interessant mit prima Fotos.
Das Problem der Zentrierlöcher und der konzentrischen Schleifspuren scheint gelöst zu sein.
Gruß,
antoninus1

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Re: Löcher auf Provinzialmünzen

Beitrag von Peter43 » Mo 02.07.12 19:31

Es handelt sich nicht um Einzelfälle. Ich habe mehrere solche Paare. Hier ein weiteres Beispiel für eine Type mit und ohne Löcher. Deshalb vermute ich, daß es nicht stimmt, daß immer Löcher bei derselben Type zu finden sind, sondern daß sich der zuständige Kontrolleur die Schrötlinge angeschaut hat und dann die ausgesondert hat, die noch geglättet werden mußten.

Und die Seite von classicalcoins ist wirklich sehenswert, weil sie den Vorgang anschaulich macht.

Jochen
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Re: Löcher auf Provinzialmünzen

Beitrag von Peter43 » Mo 02.07.12 19:53

Hier 2 Beispiele für unrunde Vertiefungen, oben eine viereckige, unten eine dreieckige. Und schaut man sich die runden Vertiefungen einmal mit einem Vergrößerungsglas an, dann findet man auf dem Grund oft kreuzförmige und andere Strukturen, die ein Drehen verhindert haben.

Jochen
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Re: Löcher auf Provinzialmünzen

Beitrag von beachcomber » Mo 02.07.12 19:59

das passt doch zu der zeichnung auf dem link, wo die münze auf einem drehenden teller fixiert wurde.
grüsse
frank

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Re: Löcher auf Provinzialmünzen

Beitrag von Peter43 » Mo 02.07.12 20:08

Genau!

Jochen
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