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Caracalla Sesterz mit bearbeiteter Rückseite

Verfasst: Fr 09.06.06 11:29
von Pscipio
Heute habe ich diesen Caracalla-Sesterzen erhalten, den ich kürzlich für 54 Euro bei eBay erworben habe:

Caracalla Sesterz, 211-217 n. Chr., Rom.
Av: M AVREL ANONTINVS PIVS (AVG BRIT?), belorbeerte, gepanzerte und drapierte Büste nach rechts, von hinten gesehen.
Rev: abgeschliffene Rückseite mit zwei eingeritzten Kreisen um Zentrierungsloch.
Ø 30-32 mm, 18.72 g

Nun natürlich die Frage: weshalb wurde die Münze so bearbeitet? Ein Schmuckstück? Ein Spielstein? Oder etwas ganz anderes? Für Ideen, Vorschläge und Kommentare bin ich dankbar!

Gruss, Pscipio

Verfasst: Fr 09.06.06 12:42
von beachcomber
sieht mir sehr nach einem spielstein aus!

Verfasst: Fr 09.06.06 13:51
von antoninus1
Wurden die eigentlich zu spätere Zeit bearbeitet?
Ein Sesterz hatte doch einen gewissen Wert (dürfte für Lebensmittel für eine Familie für twei, drei Tage gereicht haben).
Den zerstört man doch nicht so leichtfertig?
Oder verlor er seinen Wert nicht?

Verfasst: Fr 09.06.06 13:59
von Pollio
Hallo,

wenn Archäologen etwas finden, dessen Zweck nicht unmittelbar erkennbar ist, nehmen sie normalerweise immer an, daß es etwas mit Religion zu tun hatte. Damit kann man ja alles so schön erklären... :wink:

Gruß Pollio

Verfasst: Fr 09.06.06 14:33
von Peter43
Oder es ist der Beweis. daß die Römer auch schon ein heliozentrisches Weltsystem besaßen! :wink:

Verfasst: Sa 10.06.06 17:08
von chinamul
Ein recht ähnliches Schicksal hatte der folgende As des Domitianus. Bei ihm wurde vom Avers her der Rand auf sechs Seiten breitgehämmert, was offenbar bereits in der Antike geschah. Es ist schon ein Jammer, denn es handelt sich um ein recht seltenes Stück. Eine damnatio memoriae möchte ich hier ausschließen, da das Kaiserporträt nicht beschädigt wurde.
Gerade bei eBay für 12 Euro brutto (Kaufpreis incl. Porto) ersteigert.

DOMITIANUS 81 – 96
AE As Rom 88 zu den Feierlichkeiten anläßlich des achthundertjährigen Bestehens der Stadt Rom
Av.: IMP CAES DOMIT AVG GERM P M TR P VIII CENS PER P P - Belorbeerter Kopf rechts
Rv.: COS XIIII LVD SAEC FEC S C (im Abschnitt) - Domitianus vor einem Tempel nach links stehend und aus Patera auf Altar opfernd; ihm gegenüber nach rechts hintereinanderstehend ein Flöten- und ein Leierspieler
RIC 385a (12,01 g)

Gruß

chinamul

Verfasst: Sa 10.06.06 18:40
von spider
Hat noch keiner von euch mal eine Münze auf eine Eisenbahnschiene gelegt?
Tja Eisenbahnen gab es noch nicht also wurde sich anderweitig die Zeit vertrieben.
Ich denke man muß da keinen besonderen Hintergrund sehen warum die Münzen verschönert oder verschandelt wurden.

Verfasst: So 11.06.06 00:15
von Pscipio
Ich glaube nicht, dass der Caracalla Sesterz ohne jeglichen Hintergrund so behandelt wurde, hinter dem Abschleifen der Rückseite und dem peniblen Einritzen der beiden Kreise steckte sicherlich eine Absicht.

Gruss, Pscipio

Verfasst: So 11.06.06 10:15
von Paul05
Hallo Pcipio,
ich denke auch eher an einen Spielstein,genauer gesagt an einen Spielstein für Backgammon.
Aus dem ägyptischen Spiel Senet entwickelten später die Römer das Spiel Duodecim Scripta, welches als erster naher Verwandter zum Backgammon angesehen werden kann. Man spielte mit drei Würfeln, und es gab drei verschiedene Bezeichnungen: Alea (Würfe), Tabulae (Brett, Tisch) und Ludus duodecim scriptorum (das 12-Linien-Spiel). Bei Pompeji wurde eine zweiteilige, riesige Wandmalerei entdeckt: im ersten Bild sieht man zwei diskutierende Römer beim Spielen, im zweiten Bild den Besitzer der Herberge, der die beiden gerade gewaltsam aus seinem Haus befördert.

Die römische Version, Tabula, wurde in ganz Europa eingeführt. Zuerst war es ein beliebter Zeitvertreib der Adeligen, doch allmählich setzte es sich auch in der breiten Bevölkerung durch. Die Kirche versuchte jahrzehntelang vergeblich, das Glücksspiel zu verhindern.


Wurfzabelspieler (13. Jahrhundert)Trotz der Beliebtheit des 12-Linien-Spieles im großen römischen Reich dauerte es bis zu den Kreuzzügen, bis das Spiel auch im restlichen Europa richtig bekannt wurde. Im Mittelalter wurde es unter anderem als „Nard“ (Persisch), „Plakoto“, „Tric Trac“, „Puff“, „Tables“ etc. bezeichnet; man spielte nun mit zwei Würfeln. Im Mittelalter wurde eine Version namens Wurfzabel gespielt, die als direkter Vorgänger des heutigen Backgammons gilt.

Doch nirgendwo in der westlichen Welt wurde schon so früh und so intensiv Backgammon gespielt wie in England. Laut mündlichen Überlieferungen hatte König Löwenherz mit der Spielleidenschaft seiner Soldaten seine liebe Not. Es gab einen Erlass, dass niemand, der von geringerem Stand als ein Ritter war, um Geld würfeln durfte.
:idea: Gruß Paul05

Verfasst: So 11.06.06 10:21
von Paul05
Eh ich es vergesse...ich nehme auch an dass die vielen Würfel die man bei Ausgrabungen fand,welche aus Tierknochen ja bekanntlich gefertigt worden sind, dafür verwendet worden sind...

Verfasst: So 11.06.06 10:27
von Paul05
Noch ein kleiner Tip...habe mal einen alten Spielstein für Dame oder Mühle rausgekramt...sieht verdammt ähnlich aus.Es ist ja bekannt,dass die Form der Spielsteine sich seit Jahrhunderten nicht verändert haben.Oder sogar Jahrtausenden ? 8O

Verfasst: So 11.06.06 12:46
von Peter43
Hallo Paul05!

Nur eine Anmerkung zu Richard Löwenherz. Der wurde zwar in Oxford geboren, betrat danach aber niemals mehr englischen Boden! Da seiner Mutter Aquitanien gehörte, wuchs er in Frankreich auf und war so mehr ein französischer König als ein englischer. Begraben liegt er in Le Mans.

http://www.sherwood-forest.de/RichardI.htm#Krieger

MfG

Verfasst: So 11.06.06 18:34
von Paul05
Hallo Peter43,
danke für deine Anmerkung,es ist schon erstaunlich wie lange die "Inselaffen" sich in Frankreich halten konnten. Erst 1453 unter einem geeinten Frankreich gelang es ihnen die Engländer zu vertreiben. Genau in jenem Jahr wurde die letzte "Römische Bastion" Konstantinopel von den Türken erobert. Ist schon komisch manchmal...

Verfasst: Mo 12.06.06 18:10
von numisnumis
Gerne nehme ich den Hinweis von "chinamul" auf und dokumentiere die etwas kuriose Bearbeitungstechnik mit einem Beispiel aus der eigenen Sammlung.

Mich würde natürlich interessieren, um welche Münze es sich "ursprünglich" handelte.

30 mm / 7,0 g

Gruss
numisnumis

Verfasst: Mo 12.06.06 19:29
von chinamul
Hallo numisnumis!

Das ist nun allerdings hochinteressant! Da ist also meine Münze kein Einzelfall. Auch Dein Stück scheint mir aus dem 1. Jahrhundert zu stammen, ist aber - schon wegen des Gewichts - wohl keine Reichsmünze. Die Legenden sind offenbar lateinisch und dürften deshalb aller Wahrscheinlichkeit nach aus einer Provinzmünzstätte stammen, die lateinische Legenden verwendete. Für das Porträt kommen wohl in erster Linie Germanicus und Caligula in Frage, aber auch Augustus und Tiberius sind nicht völlig auszuschließen.
Vielleicht erfahren wir ja von unseren Provinzspezis bald Genaueres!

Gruß

chinamul