Pseudo-autonome Provinzprägungen

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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Pseudo-autonome Provinzprägungen

Beitrag von Pscipio » Do 20.07.06 21:25

Pseudo-autonome Provinzprägungen

Meiner Meinung nach einen der interessantesten Bereiche der römischen Provinzprägung stellen die pseudo-autonomen Münzen dar. Diese Stücke, die anstelle des Kaiserporträts auf der Vorderseite oftmals den Stadtgründer, die Stadtgöttin oder andere berühmte Götter oder Halbgötter zeigen, sind für den Laien kaum von altgriechischen Münzen zu unterscheiden, stellen aber einen eigenen Komplex römischer Provinzialprägungen bzw., wie man im angelsächsischen Bereich oftmals (treffender) sagt, "Greek Imperials" dar. Ich starte jetzt einfach mal einen Schauthread zu diesem Thema und hoffe, dass der eine oder andere sich dafür interessiert und/oder Münzen aus seiner eigenen Sammlung einstellt. Vielleicht kriegt sogar der eine oder andere Lust, dieses wenig beachtete Teilgebiet der antiken Numismatik zu sammeln!

Maionia AE19, Kaiserzeit.
Av: bärtiger Kopf des Herakles nach rechts.
Rev: MAIO-NΩN, Omphale nach rechts schreitend, hält Löwenfell, und Keule über Schulter.
Ø 18-19 mm, 3.62 g
SNG Cop. 27 222&223, SNG Aul. 3011 (danke an Dapsul)

Zum mythologischen Hintergrund dieser Prägung, siehe: http://www.numismatikforum.de/ftopic11926-75.html

Gruss, Pscipio
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Beitrag von Peter43 » Do 20.07.06 22:59

Hallo Lars!

Du hast recht, auf diese Prägungen hinzuweisen! Aber auch ich habe diese Münzen erst spät entdeckt! Auf Deutsch heißen sie auch quasi-autonome Prägungen.

Hier ist meine schönste. Sie wurde geprägt in der lydischen Stadt Saittai.
AE 21, 5.82g
geprägt frühes 3.Jh. n.Chr.
Av.: AZIO - T - THNOC
Büste des Men Aziottenos, n.r., mit Phrygischer Mütze, die mit
Sternen geschmückt ist, Mondsichel hinter den Schultern
Rv.: CAITTHNWN
Jugendlicher Flußgott Hermos lehnt n.l., hält Schilf in der re Hand und
Füllhorn im li Arm; sein li Ellbogen ruht auf einem umgekehrten
Gefäß, aus dem Wasser n.l. fließt
im Abschnitt ERMOC
BMC 23; SNG von Aulock 3089; Imhoof-Blumer p.127, 1
Selten, gutes SS

Die Sterne, die man hier klar auf der Mütze sehen kann, sind weder im BMC noch im SNG von Aulock beschrieben. Men Aziottenos war eine lokale Epiklese des Mondgottes Men.

MfG
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Zuletzt geändert von Peter43 am Do 04.01.07 19:29, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von Pscipio » Fr 21.07.06 15:58

Wenn ich eine Münze aus deiner Sammlung auswählen könnte, dann wäre es diese - ein Prachtstück!

Hier eine weitere aus meiner Sammlung, die ich anderweitig bereits einmal gezeigt habe:

AE25, Kotiaion, Phrygia, geprägt durch den Archon Diogenes Dionysiou zur Zeit des Gallienus.
Av: ΔHMOC - KOTIAEΩN, Kopf des jugendlichen Demos mit Tainia nach rechts.
Rev: EΠI ΔIOΓENOYC ΔIONYCIO / Y im rechten Feld, AP / X darüber, KOTIAEΩN im Abschnitt; Zeus nach links sitzend, hält Szepter links und Adler rechts.
Ø 24 mm, 8.01 g.
BMC 162, 23, SNG von Aulock 3776, SNG München 317

Gruss, Pscipio
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Gründer Byzas auf Münzen von Byzantium

Beitrag von curtislclay » Fr 21.07.06 17:14

Die bärtige, behelmte Büste des mythischen Gründers Byzas war bisher nur auf pseudo-autonomen Prägungen von Byzantium bekannt.

Schönert-Geiss, Münzprägung von Byzantium, Teil II, S. 20: "Exakt zu datierien ist die Byzas-Serie, die 66 Exemplare mit 23 Vs- und 37 Rs-Stempeln umfasst, da ihre Rss. gleiche Beamte registrieren wie die Provinzialprägung." Daten der fünf bekannten Ausgaben:
128-135 n. Chr.
164-169 n. Chr.
Ca. 175 n. Chr.
Ca. 176 n. Chr.
202-205 n. Chr.

Auf einer Münze von Severus Alexander, 25 mm., 7.98 g., die ich von einem VCoins-Händler gekauft habe, erscheint dagegen das Porträt von Byzas zum ersten Mal auf der Rs.

Der Vs-Stempel der Münze war bereits bekannt, gekoppelt mit vier Rs-Typen unter dem Beamten Fronto, mit Legende EPI FPONTWNOC BVZANTIWN, Schönert-Geiss V 218, Kat.-Nr. 1761-1767, Taf. 103.
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Marius
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Beitrag von Marius » Fr 21.07.06 18:25

Hallo Pscipio,

jetzt werde ich Dein interessantes Thema „Pseudo-autonome Provinzialprägungen“ einmal um eine kleine Münze erweitern, die ich gerne zeige, da es sich um eines meiner Lieblingsstücke handelt (vor einiger Zeit ein „EBAY-Schnäppchen“ für 10 EURO):

Pseudo-autonome Provinzialprägung, Moesia Inferior, MARKIANOPOLIS, 3. Jhdt. n. Chr.
AE18, 4,5g.
Av.: Verschleierte Tychebüste r. mit Mauerkrone
Rv.:Kybele sitzt l. mit Patera; griechische Umschriften
Moushmov 359 AMNG 537

Gruß
Marius
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Beitrag von payler » Sa 22.07.06 10:24

Hallo Curtis!

Ein Super Stück, Gratulation dazu!

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Beitrag von Dapsul » So 23.07.06 10:26

Da ich u.a. Lydien sammle, habe ich einige schöne oder interessante quasi-autonome Prägungen, da sie ebendort besonders verbreitet gewesen zu sein scheinen, wie man auch an den anderen Beiträgen hier sehen kann.
Folgendes Stück ist eher interessant als schön: Hyrkanis, AE 20, 2. Jh. n.Chr., av. Stadtgöttin mit Mauerkrone, Legende VPKANWN; rv. Tyche stehend, Legende MAKEDON; SNG Kop. 208.
Hyrkanis (heute Halitpasaköy) war eine im 2. Jh. v.Chr. gegründete makedonische Militärkolonie. In der Kaiserzeit wurde von den Bürgern stets Wert auf die makedonische Abstammung gelegt, wie man an der Münze sieht, aber auch an der Darstellung der Hyrkanis auf der Puteoli-Basis, der Kopie eines Dankesmonuments 12 kleinasiatischer Städte an Tiberius für seine Erdbebenhilfe. Dort trägt die Personifikation der Stadt eine makedonische Kausia.

Frank
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Beitrag von Pscipio » Do 27.07.06 20:34

Tabai, Karien, AE23, Zeit des Valerianus und Gallienus.
Obv: IEPOC ΔHMOC, belorbeerte und drapierte Büste des jugendlichen Demos nach rechts, Monogramm davor.
Rev: TAB-HNΩN, Tyche nach links stehend, hält Cornucopiae und Ruder auf Globus.
Ø 23 mm, 5.75 g.
BMC Caria 50, SNG Cop. 547, SNG Aulock 2711

Auch einer meiner Lieblinge, ich mag den eigenwilligen Stil!

Pscipio
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Beitrag von Homer J. Simpson » Do 27.07.06 23:15

Hier ist ein nettes Stück, bei dessen Bestimmung und Deutung mir die Freunde im US-Forum geholfen haben:

Vs. THEA ROME ALABANDE-ON
Roma mit Speer in der Li. und ??? in der Re. (durch Gegenstempel verdeckt) auf Harnisch sitzend, hinter ihr Schild
Der Gegenstempel zeigt einen Kopf re., davor möglicherweise ein Gamma für Geta

Rs. ATE/LEI/OS im Lorbeerkranz

SNG Fitzwilliam 4665 (danke an Curtis und esnible!), nur lose auf 150 bis 276 datiert

Ateleios heißt "von Tributzahlungen (an Rom) befreit". Bei so einem freudigen Anlaß kann man schon mal Roma hochleben lassen!

Homer[/code]
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Beitrag von Peter43 » Fr 28.07.06 10:58

Ach, warum gibt es soetwas nicht bei uns!
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Beitrag von Dapsul » Di 01.08.06 22:20

Noch einmal Lydien: Thyateira, BMC 11; SNG Kop 28,574; AE 13; Av. Kopf des Herakles, Rv. Schrift in Kranz: THYATEIRENWN.
Absolut undatierbar; sehr klein - ich mag den Stil des Herakles-Kopfes. Der Kranz um die Schrift deutet vielleicht auf Spiele - man weiß, daß die thyateirenischen Tyrimneia überregional besucht waren.
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Beitrag von Pscipio » Do 03.08.06 17:55

Heute endlich eingetroffen: Alexandria Troas AE21. Auf dieses Stück hatte ich schon lange ein Auge geworfen, konnte es mir aber bisher nicht leisten.

AE21, Alexandria Troas.
Av: CO - L TROA, drapierte Büste der Tyche mit Mauerkrone nach rechts, dahinter Vexillum.
Rev: COL AV / TRO, Pferd nach rechts grasend.
Ø 21 mm, 5.45 g
Bellinger A486, Type 39

Das erste Bild stammt vom Händler, das zweite, welches die Münze farbecht zeigt, ist von mir.

Gruss, Pscipio
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Beitrag von Peter43 » Do 03.08.06 17:58

Herzlichen Glückwunsch, Lars! Besonders hübsch finde ich die Mauerkrone!

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Beitrag von Pscipio » Do 10.08.06 12:00

Um den Thread nicht einschlafen zu lassen:

Perinthos AE26.
Obv: bärtiger Herakleskopf nach links.
Rev: ΠEPIN-ΘIΩN, Zeus nach links thronend, hält Szepter und Patera, Adler zu seinen Füssen.
Ø 26 mm, 10.41 g.
Schönert, Perinth 116

Gruss, Pscipio
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Beitrag von andi89 » Do 10.08.06 13:31

Hallo!

Gehe ich richtig in der Annahme, dass solche Prägungen meist aufgrund stilistischer Merkmale datiert werden? Oder gibt es noch andere Hinweise auf den Prägezeitraum?
@Pscipio: Kann man das AE26 aus Perinthos irgendwie datieren?

Schon mal Danke an alle, für die Verständnishilfen.

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