Fundmünze - Wer weiß mehr?

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

Moderator: Homer J. Simpson

Lojoer
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Beitrag von Lojoer » Di 08.08.06 21:04

Hi zusammen,
die Suchtiefen die Kollman für Detektoren angibt entsprechen tatsächlich den Gegebenheiten. Ansonsten kann ich den Pauschalisierungen der Ausführungen nicht zustimmen. Generell wird auf gestörten Flächen der durchmischte Boden bis zu der ungestörten Schicht ausgehoben, aber das dieser generell nicht abgesucht wird stimmt so nicht. Ich bin seit einigen Jahren Sondengänger und werde von Archäologen immer wieder gebeten die Grabungsflächen und den Aushub abzusuchen. Wir müssen somit nicht nach England gehen um zu zeigen, dass eine Zusammenarbeit möglich ist. Wichtig ist natürlich, dass man auch selbst etwas dafür tut, entsprechende Kontakte aufzubauen. Die Zusammenarbeit mit dem Denkmalamt und anderen Archäologen lässt bei mir nichts zu wünschen übrig
Gruß Jörg

kollman
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Beitrag von kollman » Mi 09.08.06 07:53

hallo lojoer!

auch wir arbeiten mit den archaeologen zusammen, legen unsere funde vor und suchen auch oft im auftrag der archaeologen bei ausgrabungen. dabei haben wir beobachtet, dass durch die archaeologenschaft eine tiefe kluft geht: die juengeren sind dem einsatz von metalldetektoren ggue sehr aufgeschlossen, sehen den detektor durchaus sogar als ein gutes, sinnvoll einsetzbares instrument fuer ihre arbeit, und haben auch nichts dagegen, wenn wir fuer unsre eigene sammlung die erde durchsuchen, die von grabungen abtransportiert wurde bzw nach ende der ausgrabungen, wenn das ganze schon baustelle ist (die funde werden natuerlich vorgelegt). die aelteren aber wuerden uns am liebsten den detektor konfiszieren, fuer die sind wir ausnahmslos diebe und raeuber, die stehen auf dem standpunkt, wenn schon sie die funde nicht haben koennen, dann solls auch niemand anderer haben. leider sind in der branche die fuehrungspositionen alle mit den alten archaeologen bestzt, sodass selten ein juengerer wagt, in eine vernuenftige zusammenarbeit einzusteigen, bzw bezueglich der situationen, in denen jegliches material fuer die wissenschaft ohnehin verloren ist, die detektorsucher gewaehren zu lassen. eine episode aus meinem sammlerleben: ein aelterer archaeologe hatte eine ausgrabung, und wir fragten, ob wir über die erdhaufen schauen duerfen - er kriege natuerlich alles, was wir finden. entruestet lehnte er ab, von wegen, da sei eh nix mehr drinnen, alles, was man mit dem detektor findet, findet man auch bei einer archaeologischen ausgrabung. O-ton: "der detektor dient einzig und allein der vorzeitigen befriedigung der neugier" und der wohlmeinende rat "tuns briefmarken sammeln!".
naja, haben wir halt die roemerleins nach ende der ausgrabung aus den "fundentleerten" haufen geklaubt...

was allerdings auch bei den juengeren fehlt, ist die faehigkeit, kompetent mit detektoren umgehen zu koennen (lernt man auf der uni nicht, weil unterrichten tun die aelteren - siehe oben). angebote unsererseits, unsere erfahrung mit detektoren weiterzugeben (immerhin vater und sohn zusammen über 40 jahre=tausende stunden erfahrung mit verschiedensten detektoren) an durchaus kompetente stellen wurden bisher immer abgelehnt...(zb an hr prof. urban udn prof krinzinger, uni wien, den umgang mit detektoren den studenten im rahmen einer excursion oder dgl. naeher zu bringen, oder auch direkt bei ausgrabungen, wo wir gelegentlich sehen, wie unprofessionell manche archaeologen mit den geraeten umgehen)

fest steht auf jeden fall, dass den archaeologen durch eine ablehnende haltung udn die bestehende gesetzeslage bezuegl der funde sehr viel an information und funden entgeht und dass eine weitere verschaerfung der gesetze die lage fuer die archaeologen nur verschlechtert.

octavian
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Beitrag von octavian » So 13.08.06 16:48

Hallo,
zum Thema Ausgrabungen/Metalldektetoren möchte ich folgendes sagen:
Im Juli war ich für 1 Woche ehrenamtlicher Helfer bei den Ausgrabungen auf dem Oberesch/Kalkriese. Hier konnte ich hautnah miterleben, was es heisst, nach wissenschaftlichen Methoden im Boden zu spüren. Mag sein, dass es nachlässige Archäologen gibt (s. Köln vor 2 Jahren, als 2 unversehrte römische Gräber des 2. Jhdts ausgeplündert wurden, und nur deshalb, weil es die Archäologen nicht für notwendig hielten, entsprechende Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen; oder Hedemünden, der dortige Archäologe fing erst dann an zu suchen, als die Raubgräber/Sondengänger schon jahrelang vorher alles ausgeplündert hatten, und das, obwohl es schon Jahre vorher aus der Sondengängerszene Hinweise auf römische Fundmünzen von dort gab!! Und die Archäologen wußten von diesen Funden/Meldungen!! Verstehe wer will). In Kalkriese jedenfalls konnte ich miterleben, wie sorgfältig dort vorgegangen wird. Der komplette Aushub wird mit einem großen Sieb durchsucht, nix damit, dass dieser irgendwo undurchsucht auf der Halde landet. Vor jeder erneuten Schichtabtragung ging ein Archäologe mit der Sonde alles ab. Das gleiche, als ein neuer Schnitt ausgehoben werden sollte, wurde, bevor der Bagger die oberste Humusschicht entfernt, mit der Sonde alles abgesucht. Sicher, bei einer Notgrabung ist immer der Zeitdruck sehr groß, die Situation ist eine andere.
Zum Thema Sondengänger:
Ich hatte mich ausführlich mit den dortigen Archäologen unterhalten. Sie fänden es sogar wünschenswert, wenn sie mit dem einen oder anderen zusammen arbeiten könnten. Es gibt dort Hinweise auf nächtliche illegale Aktivitäten, man vermutet eine Gruppe Sondengänger, welche sehr professionell vorgehen. Das Gebiet dort ist riesengroß. Sie wissen, dass es dort immer wieder illegale Sondengänger gibt. Sie selbst sagten, dies ist ein großes Problem. Denn natürlich sind für die wissenschaftliche Auswertung bis dato unbekannte Fundplätze höchstinteressant, wo dies doch die noch weißen Flecken auf der Karte ergänzen kann. In der Woche, als ich dort arbeitete, hatte sich ein Sondergänger sozusagen geoutet und ein Archäologe hatte sich mit ihm getroffen. Das Ziel des Archäologen war es, den Sondengänger zur Zusammenarbeit zu bewegen und ihn von seinem schädlichen Tun zu überzeugen. Jede dort gefundene Münze kann u. U. sehr wichtig für die Auswertung vieler Fragen sein. Leider war der Sondengänger wohl weniger angetan, künftig zu unterstützen. Der Archäologe bedauerte dies sehr. Was ich sagen möchte ist, dass es auch eine Vielzahl guter Beispiele gibt, dass Archäologen durchaus an einer Zusammenarbeit interessiert sind. Und dass die illegale Sondengängerei einfach sehr viel kaputt machen kann. Deswegen der Apell an alle "nicht offiziellen" Sondengänger: Tut euch mit dem Landesamt zusammen. Ihr glaubt gar nicht, wieviel man damit kaputt machen kann.

kollman
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Beitrag von kollman » Mo 14.08.06 16:50

Ich habe auch schon bei ausgrabungen mitgeholfen, sowohl mit als auch ohne detektor - das ist hoch spannend!

Wenn ausgrabungen bestohlen werden, ist das imo nicht nachlaessigkeit der archaeologen, sondern einfach ein verbrechen seitens der taeter!

" oder Hedemünden, der dortige Archäologe fing erst dann an zu suchen, als die Raubgräber/Sondengänger schon jahrelang vorher alles ausgeplündert hatten, und das, obwohl es schon Jahre vorher aus der Sondengängerszene Hinweise auf römische Fundmünzen von dort gab!!"

als sondengaenger kannst du eine fundstelle nicht auspluendern! du kannst bestenfalls die obersten 25cm, die ohnehin zumeist schon jahrhundertelang durch den pflug gestoert wurden, relativ fundleer machen. das, worin wirklich noch eine archaeologische aussage liegt, die ungestoerten schichten, erreichst du auf landwirtschaftlichen flaechen mitd em detektor so gut wie nie!

Und die Archäologen wußten von diesen Funden/Meldungen!! Verstehe wer will).

es ist alles eine geldfrage.

"In Kalkriese jedenfalls konnte ich miterleben, wie sorgfältig dort vorgegangen wird."

In wie fern die wirklich so praezise und effizient gearbeitet haben, kann ich nicht sagen. nur so viel: wir (vater und sohn) suchen seit 1984 und haben seither noch nie hinter einem archaeologen nachgesucht OHNE etwas zu finden... auch haben wir noch nie einen archaeologen erlebt, der einen detektor so zu handhaben wusste, dass wir sagen wuerden, er arbeitet sauber damit, er kennt und reizt die leistungsfaehigkeit des geraetes aus. (leider hat sich auch noch kein archaeologe einen vernuenftigen umgang zeigen lassen, trotz vielfacher angebote)

"Das gleiche, als ein neuer Schnitt ausgehoben werden sollte, wurde, bevor der Bagger die oberste Humusschicht entfernt, mit der Sonde alles abgesucht."

und wie dick waren die abgehobenen schichten nach jedem mal absuchen? waren sie dicker als 5cm, ist das ein kunstfaehler im detektoreinsatz!

"Zum Thema Sondengänger:
Es gibt dort Hinweise auf nächtliche illegale Aktivitäten, man vermutet eine Gruppe Sondengänger, welche sehr professionell vorgehen."

von soclhen naechtlichen aktivitaeten kann man immer ausgehen, wenn sondengehen in die illegalitaet gedraengt wird. das professionelle vorgehen allerdings ist ein mythos, ein stereotyp, wohl um die sache krimineller erscheinen zu lassen: in der nacht gehen die leute auch nur mit detektor udn kleinem grabwerkzeug, genau so wie am tag auch.

"Denn natürlich sind für die wissenschaftliche Auswertung bis dato unbekannte Fundplätze höchstinteressant, wo dies doch die noch weißen Flecken auf der Karte ergänzen kann."

und genau da kommt ein sondengaenger in die zwickmuehle: verraet er den archaeologen einen neuen fundplatz nicht, sind die einzige konkurrenz andre sondengaenger - weshalb es auch bei erlaubter suche ratsam ist, diese in die nachtstunden zu verlegen, damit man seine plaetze nicht verraet. aber er ist dabei nicht illegal. verraet er den archaeologen einen fundplatz, wird dieser publiziert unter denkmalschutz gestellt, das heisst, man sucht dort illegal und sicher nicht mehr allein. (auf solchen feldern gehts dann in der nacht oft zu wie am rummelplatz)
dass ein sondengaenger von diesem outcome einer zusammenarbeit nicht angetan ist, kannst du dir denken. eine wirkliche zusammenarbeit besteht aus geben und nehmen. nach heutigen gesetze aber besteht dieses geben und nehmen darin, dass der sondengaenger gibt und der archaeloge nimmt.

Und dass die illegale Sondengängerei einfach sehr viel kaputt machen kann.

die sondengaengerei auf landwirtschaftlichen flaechen und baustellen macht GAR NICHTS kaputt: auf baustellen ist die sache fuer die archaeologen laengst gelaufen, da rettet man nur noch vor dem bagger, was sonst fuer immer und ewig zur gaenze verloren waere (das geben viele archaeologen, vor allem juengere, hinter vorgehaltener hand unumwunden zu). udn auf landwirtschaftlichen flaechen ist die sache schon so oft durcheinandergewirbelt, dass bestenfalls noch ein stratigraphischer befund moeglich ist - wobei die funde durch maschinen und agrochemie jaehrlich rapide schlechter werden und man heute eine ungestoerte kulturschicht unter einem acker viel leichter und genauer zb mit einem bodenradar finden kann, als mit oberflaechlichen streufunden.
bleibt ein argument der archaeologen und denkmalschuetzer, naemlich, dass man den illegalen markt "austrocknen" und somit zerstören will (die laecherlichkeit dieses arguments sieht ein blinder mit dem stock: eine verknappung fuehrt zu steigenden preisen und diese erhoehen den anreiz, den markt zu beliefern...)

"Deswegen der Apell an alle "nicht offiziellen" Sondengänger: Tut euch mit dem Landesamt zusammen. "

die freude an der zusammenarbeit waer auch bei den sondengaengern da - fast alle, die ich kenne, haben naemlich eine wirkliche leidenschaft fuer geschichte udn archaeologie udn eine riesen freude am wissenserwerb. nur sollte halt das ganze weniger ein geben und nehmen in dem sinne sein, wie ich es oben beschrieben habe (zb koennte man durch eine gesetzesaenderung bezueglich der eigentumsfrage an funden sehr viele funde einer wissenschaftlichen bearbeitung zufuehren, die jetzt nicht gemeldet werden, weil sie dann entweder konfisziert oder die eigentumsrechte so eingeschraenkt werden, dass nichts mehr davon übrig bleibt. - die archaeologie wuerde dadurch gewinnen (viele erkenntnisse), und die sucher wuerden dadurch gewinnen (ein ruhiges gewissen, viele erkenntnisse)

taurisker
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Beitrag von taurisker » Mi 16.08.06 11:11

kollman hat geschrieben:so, wie die offiziellen stellen zumindest bei uns in österreich graben, zerstört die suche mit dem detektor auf feldern mit sicherheit keine befunde: suchtiefe mit dem detektor auf objekte in sesterzgröße maximal 20-25cm, meist jedoch 15-20cm, auf denare 5-15cm (alles andre ist werbung der detektorhersteller!).
Ich kann kollmann nur zustimmen - außerdem ich lese immer wieder aus Fundberichten heraus, dass die abgebildeten Stücke "nicht mehr auffindbar" sind, oder nicht katalogisiert in einem Zentrallager dahinmodern ... die staatliche Archäologie beansprucht für sich den Ruf, die "Zeitzeugen" bzw. Artefakte und Münzen zu bewahren, in Wahrheit jedoch wird äußerst schlampig gearbeitet, zumindest hier in Österreich, und der Anteil der Funde, welche "verschwinden" ist beträchtlich ... die Arbeit und die Qualität an Ausgrabungen schätze ich so ein, wie kollmann berichtet hat.

Zum Thema Sondengehen: niemand wird Meter tief in den Boden buddeln und realistisch als Fundtiefe für den begeisterten Detektorgänger sind bloß die Schichten bis max. 50cm ... damit wird auch kein Fundkontext gestört, da es sich hierbei meist um Streufunde handelt, oder um Sachen die von der intensiven landwirtschaftl. Nutzung an oberflächlichere Schichten gebracht werden ... sicher, es gibt auch professionelle Raubgräber, aber diese Leute zählen IMHO zu den Ausnahmen, die breite Masse an Sondlern sind einfach historisch Begeisterte, Liebhaber antiker Stücke und in meinen Augen ist das völlig ok, wenn das eine oder andere Stück liebevoll restauriert wird und als Schatz behütet bei einem Sammler landet, als dass es in irgendwelchen Archiven deponiert wird, wo es dann in Dunkelhaft dahinmodert oder einfach dann mal "verloren geht" ... das beste Beispiel dafür sind die Beifunde rings um wichtige Funde, verwaltet von der öffentlich staatlichen Archäologie: laut Grabungsbefund eines Archäologen und Historikers, der zum Großraum Südösterreich die Funde dokumentiert hat, ist in den Bemerkungen zu den meisten in seinem Werk abgebildeten Münzen und Gegenstände zu lesen: "nicht mehr auffindbar"!!!

LG
taurisker

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Beitrag von chinamul » Mi 16.08.06 12:55

Das scheint mir ein ganz finsteres Kapitel zu sein, wie wenig die meisten Museen aus ihren reichen Beständen heraus in die Öffentlichkeit hineinwirken. Die sollten sich mal ein Beispiel an unserem Forum nehmen. Da frage ich mich doch auch, ob sich bei uns überhaupt schon mal ein Museumsmensch zu Wort gemeldet hat! Wenn es Beiträge aus professioneller, kompetenter Feder (bzw. Tastatur) gibt, dann stammen sie von Händlern wie mumde und Zwerg oder früher einmal Berenike und heute vor allem curtislclay, beide ebenfalls keine Museumsleute.
Meiner Meinung nach kommen die Museen ihrem Auftrag, die Öffentlichkeit zu bilden, zumindest auf dem Gebiet der Numismatik nur unzureichend nach. Selbst die Ausstellungen der Münzen wirken auf mich bis auf wenige Ausnahmen recht lieblos und wenig informativ. Außerdem gibt es viel zu selten Neues zu sehen.
Oft wird auf die Personalknappheit - nicht jeder Kustos einer Münzsammlung ist Numismatiker, sondern muß die Numismatik notgedrungen eher nebenbei mit betreuen - bei den Museen verwiesen, die eine intensivere Öffentlichkeitsarbeit unmöglich mache, als ob es nicht mit Sicherheit in jeder größeren Stadt die Möglichkeit zur intensiven Zusammenarbeit mit den Münzvereinen gäbe. Deren Mitglieder sind ja nicht alle mehr berufstätig und einige wären sicher bereit und auch sachkundig genug, unentgeltlich bei der Betreuung und Aufbereitung der Sammlungen für eine Präsentation in thematisch ständig wechselnden Ausstellungen kompetent zu assistieren.

Gruß

chinamul
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Beitrag von Chippi » Mi 16.08.06 18:30

Ein Museumsmensch bin ich nicht, war aber mal Praktikant in einem Kreismuseum. Die hatten (haben!) dort ein gewaltiges Problem: Platzmangel! Die haben so viel Material, dass sie es in einer Halle (unsaniert) unterbringen mussten, einige Fundstücke verrotten direkt hinter dem Museum unter freier Luft. Das Gebäude war wirklich bis zum Dachboden (da war ich auch) mit Material gefüllt. Die Bibliothek mit alten Bücher fristet ihr Dasein im Keller, welcher immer etwas zu feucht ist (Luftfeuchtigkeitsmesser steht mit drin). Ich konnte mir Bücher ansehen, welche wohl kaum ein anderer Mensch in seinem Leben wieder sehen wird!
Die Münzen konnte ich mir auch mal flüchtig anschauen, vom Taler bis zum verbeulten Victoria-Penny ist alles dabei - von wertvoll bis Altmetall. Die ganzen Münzen sind irgendwo inventarisiert und dann in Tüten im Stahlschrank gewandert. Sehen wird die wohl kein Besucher.

Gruß Chippi
Wurzel hat geschrieben:@ Chippi: Wirklich gute Arbeit! Hiermit wirst du zum Byzantiner ehrenhalber ernannt! ;-)
Münz-Goofy hat geschrieben: Hallo Chippi, wenn du... kannst, wirst Du zusätzlich zum "Ottomanen ehrenhalber" ernannt.

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Beitrag von chinamul » Mi 16.08.06 18:50

Das deckt sich weitgehend mit meinen Beobachtungen. Manchmal kommen einem da doch Zweifel, ob wir wirklich eine Kulturnation sind!

Gruß

chinamul
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Beitrag von Chippi » Mi 16.08.06 19:10

Hallo chinamul, ich glaub bei dir, sowie ein paar anderen, auch bei mir im Zimmer lebt die Kulturnation noch. Bei mir im Zimmer steht sogar eine funktionstüchtige Singer-Nähmaschine (ca. 1921). Nach meiner Mutter wäre das Ding schon längst auf´m Sperrmüll gelandet, aber so steht sie funktions- und anschauungsbereit in meinem Zimmer. Meine Münzen kann sich auch jeder anschauen, der Lust drauf hat.

Gruß Chippi
Wurzel hat geschrieben:@ Chippi: Wirklich gute Arbeit! Hiermit wirst du zum Byzantiner ehrenhalber ernannt! ;-)
Münz-Goofy hat geschrieben: Hallo Chippi, wenn du... kannst, wirst Du zusätzlich zum "Ottomanen ehrenhalber" ernannt.

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Beitrag von Pscipio » Mi 16.08.06 19:12

Wie überall ist das wohl hauptsächlich eine Frage des fehlenden Geldes, es nützt da wenig, ständig auf die Archäologen einzudrischen. Unter der Sondengängern gibt es im Übrigen gewiss mehr schwarze Schafe als unter den Archäologen, auch wenn ich nicht daran zweifle, dass es auch eine Menge ehrlicher und gewissenhafter Sucher gibt.

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Beitrag von Peter43 » Mi 16.08.06 20:14

Ich muß leider Chinamul recht geben! Deutschland ist dabei, sich aus dem Kreis der Kulturnationen zu verabschieden. Ich kann und will hier nicht alle Symptome aufzählen, die zu diesem Schluß führen. Ich erwähne nur den fehlenden Geschichtsunterricht in den Gymnasien (ich habe erst vor kurzem erfahren, daß z.B. das Nibelungenlied nicht mehr zum Pflichtprogamm im Germanistikstudium gehört!), und das immer bedrohlicher werdende Fehlen von Studierenden der Naturwissenschaften und der Mathematik, was unseren Wohlstand (und damit auch die Demokratie!) bedroht.

Ich will nur ein Beispiel erwähnen, von dem ich weiß, und das Ähnlichkeit mit den Anschuldigungen gegen die Archäologen hat: Ich bin als Mitglied der Senckenberggesellschaft auch noch Malakologe, oder besser Conchyologe mit dem Schwerpunkt Europäische Gewässer. Vielleicht kennen einige das Forschungsschiff 'Meteor' der DFG. Ende der 80er Jahre fand eine Expedition in die Arktis statt. Dabei wurde eine große Menge von unbekannten Muscheln und Schnecken vom Meeresboden aufgesammelt. Nachdem das Schiff wieder zurückkam, haben sich einige Prfessoren und Doktoranden über die Aufsammlungen hergemacht, alles herausgenommen, was in ihr augenblickliches Forschungsvorhaben paßte, und den größten Teil als Rest liegen lassen. Diese Aufsammlungen liegen seitdem in der Uni Kiel verwahrt und gammeln in Formalin vor sich hin. Das Formalin zerstört langsam aber sicher die Kalkstrukturen der Schalenoberflächen, und das seit fast 20 Jahren. Diese Expeditionen kosten viele Millionen und werden vom Steuerzahler bezahlt. Und glaubt ja nicht , daß das ein Einzelfall ist!

Eins meiner Sammelgebiete ist Helgoland. Dort ist die Biologische Anstalt Helgoland (BAH) beheimatet, eine der international bedeutendsten Meeresforschungsinstitute. Aber geht dort einmal zu einem Meereszoologen und fragt ihn nach einer aufgesammelten MeeressSchnecke! Null Ahnung! Es ist eine Schande!

MfG
Omnes vulnerant, ultima necat.

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Beitrag von Pscipio » Mi 16.08.06 20:34

Ich denke, die Kulturnationdiskussion gehört nicht ins Römerforum. Ich möchte daher bitten, zum eigentlichen Thema zurück zu kehren, oder aber die Diskussion im Off-Topic-Bereich weiter zu führen. Auf Wunsch kann ich die letzten Postings abkoppeln und als eigener Thread in den Off-Topic-Bereich verschieben.

Gruss, Pscipio
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Beitrag von Zwerg » Mi 16.08.06 21:07

Wertungsfrei erzähle ich die Geschichte der "Sammlung Heynen", eine wunderbare Querschnittssammlung von Griechen und Römern. (Eine sehr gute Publikation von P.R. Franke und I. Paar, vor allem durch die kleinen Geschichten bei den Münzbeschreibungen).

Eigentlich war vorgesehen, diese Münzsammlung der Uni Düsseldorf zu stiften, aber die Witwe des Düsseldorfer Kaufmanns stiftete diese Sammlung dann (dem Vernehmen nach aufgrund diverser Kaffeenachmittage mit einer Museumsdirektorin) dem Museum der Burg Linn in Krefeld. Dort wurde diese Sammlung dann einige Zeit ausgestellt, der Text zu den römischen Münzen wurde in der Institusbibliothek der Althistoriker der Uni Düsseldorf geschrieben - in Krefeld gab es keine Literatur.

Das war Mitte der 70er. Irgendwann wurde die Ausstellung abgebaut, die Münzen verschwanden in unzugänglichen Archiven. Anfang 2000 erkundigte sich ein Mitglied der Krefelder Münzfreunde nach der Sammlung. Man fand sie, irgendwo in einer Ecke, in Tütchen und Kästchen, in einem wirren "Haufen".

Die Krefelder Münzfreunde haben sich dann dieser Sammlung wieder angenommen, sie aufbereitet, katalogisiert und gute Ausstellungen gemacht - in Privatinitiative

Wir hätten diese Sammlung natürlich lieber an der Uni gesehen als Anschauungsmaterial. Aber so wie sich die Lehrsituation jetzt darstellt, würde sie dort auch verkümmern.

Grüße
Zwerg
ΒIOΣ ΑΝЄΟΡΤAΣΤΟΣ ΜΑΚΡΗ ΟΔΟΣ ΑΠΑNΔΟKEYTOΣ
Ein Leben ohne Feste ist ein langer Weg ohne Gasthäuser (Demokrit)

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museumssammlungen

Beitrag von kollman » Sa 19.08.06 16:50

museumssammlungen sind wieder ein eigenes kapitel:

bei museumsbestaenden handelt es sich fast nie um sammlungen, sondern um chaotische anhäufungen, an denen man mit zaehnen udn klauen festhaelt, obwohl kaum einer weiss, wozu.

eine wirkliche sammlung zeichnet sich naemlich durch durch folgende chaarkteristika aus:
1. man ist sich über das sammelgebiet im klaren (zB: die münzen von kaiser x der muenzstaette y) udn baut die entsprechende sammlung systematisch auf und aus
2. diese tut man durch neuerwerb, und durch abstossen von dafuer nicht benoetigtem (zb: man kauft ein (guenstiges) konvolut von 50 muenzen, weil man 3 davon in der sammlung braucht, und stoesst den rest wieder ab - wodurch man meist zumindest die kosten des neuerwerbs herinnen hat)
3. man katalogisiert und archiviert werterhaltend...

ad 1.: unsere museen sidn sich ueber ihren genauen sammlungsgegenstand offensichtlich eben nicht im klaren: sie horten alles, was sie irgend wann mal (durch fund, schenkung, erbschaft...) in die finger gekriegt haben, egal, ob es zum sammlungsthema passt oder nicht, egal, ob etwas sammelwuerdig ist oder nicht - kein wunder, dass sie aus allen naehten platzen, weil ramsch udn off-topic-zeug dem guten zeug den platz wegnimmt und man so viel kapital in unnuetzem gebunden hat, dass man auch das gute nicht entsprechend verwahren und bearbeiten kann...

ad2: jede noch so umfangreiche erbschaft zb wird als ganzes gehortet, anstatt sich die wichtigen stuecke herauszunehmen, den rest gewinnbringend (zum wohle der sammlung) abzustossen und durch den erloes weitere wichtige stuecke zu erwerben. mit dieser methode haben leute wie ludwig und leopold mit sicher weniger budget als unsere museen in nur einem einzigen lebensalter sammlungen von weltweit einzigartiger bedeutung zusammengetragen, die wissenschaftlich und archivalisch bestens betreut sind - unsre museen hingegen sind rumpelkammern, in denen relevantes wertvolles unter irrelevantem und geruempel verkommt...

ad3.: taete man das, was ich unter 1. udn 2. gesagt habe, haette man auch die mittel fuer sinnvolle neuerwerbungen, deren wissenschaftliche bearbeitung und entsprechende lagerung und praesentation der bestaende.

aber so lange in unsren museen eine beamtete hamstermentalitaet aus der zeit der kuriositaetenkabinette herrscht, wird sich nix aendern.

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Beitrag von Pscipio » Sa 19.08.06 17:19

@kollman: ein Museum lässt sich nicht nach Sammlermentalität führen, da die Zielstellungen ganz anderer Art sind. Deiner Meinung nach sind Museen anscheinend nur dazu da, imposante Sammlungen aufzubauen, die man sich dann anschauen kann. Dass Museen und Münzkabinette aber in erster Linie wissenschaftlichen Zwecken dienen und daher Ästhetik und Erhaltung der Münzen eben nicht oberste Priorität geniessen, scheint dir entgangen zu sein.
kollman hat geschrieben:sie horten alles, was sie irgend wann mal (durch fund, schenkung, erbschaft...) in die finger gekriegt haben, egal, ob es zum sammlungsthema passt oder nicht, egal, ob etwas sammelwuerdig ist oder nicht - kein wunder, dass sie aus allen naehten platzen, weil ramsch udn off-topic-zeug dem guten zeug den platz wegnimmt
"Ramsch", "nicht sammelwürdig", "dem guten Zeug den Platz wegnehmen" - eine Fundmünze ist auch dann ein antikges Zeugnis von historischem Wert, wenn sie nicht vorzüglich erhalten ist! Hier geht es nicht um eine Privatsammlung, in die nur Prachtstücke aufgenommen werden dürfen, sondern um Erhaltung und Auswertung von Fundmünzen und Belegstücken etc. So lange Legenden und Bilddetails erkennbar sind, ist eine Münze in gutem "schön" rein wissenschaftlich gesehen genau so viel wert wie eine "vorzügliche" Münze.

Kritik darf, ja muss erlaubt sein, aber ich möchte dich doch bitten, sachlich und objektiv zu bleiben.

Pscipio
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