Fundmünze - Wer weiß mehr?

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

Moderator: Homer J. Simpson

Benutzeravatar
chinamul
Beiträge: 6055
Registriert: Di 30.03.04 17:05
Wohnort: irgendwo in S-H
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 78 Mal

Beitrag von chinamul » Sa 19.08.06 19:11

Wie so oft im Leben liegt die Wahrheit zwischen kollman und Pscipio in der Mitte. Selbstverständlich ist ein Museum zunächst einmal Bewahrer eines möglichst umfangreichen Münzbestandes, bei dem es nicht in erster Linie auf schöne Erhaltungen ankommt. Er muß vielmehr der Wissenschaft Material zur Verfügung stellen für die Beantwortung von Fragen, die sich manchmal erst lange Zeit nach Anschaffung der Münzen stellen. Insofern hat Pscipio recht.
Damit nun aber die Wissenschaft tatsächlich Zugriff auf dieses Material hat, muß es zumindest geordnet sein. Das kann, wenn Platzmangel herrscht, selbstverständlich auch mal in Tütchen geschehen, aber man muß dann wissen, was man hat und wo es sich im Augenblick befindet. Im Zeitalter der Datenverarbeitung wäre es auf Dauer einfach nicht hinnehmbar, wenn ein Museum keinen aktuellen Überblick über seine Münzbestände hätte. In dem Falle läge dann tatsächlich totes Kapital nutzlos herum, und es würden so teilweise öffentliche Mittel verschleudert werden.
Zudem könnten sich im Museum beschäftigte Langfinger unbemerkt aus den anonymen Münzhaufen bedienen, wie es vor vielen Jahren in der Kieler Kunsthalle geschehen ist. Dieser Diebstahl wurde übrigens - bezeichnenderweise - keineswegs vom Museum selbst entdeckt und aufgeklärt, sondern allein durch die Aufmerksamkeit sachkundiger Münzhändler, die sich sehr wunderten, als plötzlich eine ganze Anzahl seltenster Gepräge aus Schleswig-Holstein und Dänemark auf dem Markt auftauchten.
Im übrigen bleibe ich bei meiner Feststellung, daß ein Museum als öffentlicher Ort dem interessierten Publikum aus seinen Beständen thematisch begrenzte, aber immer wieder wechselnde Ausstellungen anzubieten hat.

Gruß

chinamul
Nil tam difficile est, quin quaerendo investigari possit

kollman
Beiträge: 287
Registriert: So 28.08.05 12:25
Wohnort: oberösterreich
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 1 Mal

Beitrag von kollman » Sa 19.08.06 19:19

sammelwuerdig ist, was den zielen der sammlung entspricht - und diese ziele sind eben zuerst zu definieren, und dann die sammlung entsprechend aufzubauen. was aber sicher nicht ziel einer sammlung sein kann, ist, alles zu horten, was einem glueck und zufall jemals in die hand gespielt haben!
wenn du sagst, ich haette nur von aesthetischen gesichtspunkten gesprochen, interpretierst du find ich was hinein in meinen text, was da nicht drinnensteht.

zum thema "sammelwuerdig" im verhaeltnis zum ziel einer sammlung ein bsp:
das kaerntner landesmuseum hat im 19. jahrhundert von einem villacher kaufmann eine aegyptensammlung, ua mit einigem mumien und mumienteilen und zumindest einem sarkophag, geerbt. diese stuecke sind *im hinblick auf die sammlungsziele des kaerntner landesmuseums* nicht sammelwuerdig (haben mit der aufgabe des museums, naemlich der dokumentation der (natur)geschichte *des landes und der region*, NULL zu tun), wurden auch seither noch nie der oeffentlichkeit praesentiert und sind so verpackt, dass sie auch der wissenschaft nicht zugaenglich sind.
man schwankt zwischen stllschweigend vergammeln lassen und um teures geld erhalten (geld, das man nicht hat und das, auch wenn man es auftriebe, an andren ecken fehlen wuerde).
gleichzeitig beklagen sich die kustoden, dass ohnehin kein geld fuer neuerwerbungen, wissenschaftliches arbeiten und erhaltungsmassnahmen vorhanden und im depot kein platz ist fuer irgendwas, weshalb landesgeschichtlich bedeutende dinge unzureichend gelagert (tlw im freien oder zu feucht) werden und auch vergammeln, oder, wenn sie im handel auftauchen, gar nicht erst erworben werden koennen.

wuerde man diese ägyptischen stuecke verkaufen (erloes sicher ein hoeherer einstelliger euromillionenbetrag, lt einem museumsmitarbeiter), koennte man das geld fuer den eigentlichen zweck der sammlung verwenden.

und fuer andere haeuser mit anderen sammlungsschwerpunkten waeren diese stuecke eine bereicherung.

...und solcher sammlungsballast findet sich zuhauf in jedem museum, das mir bekannt ist!

oder, ein bsp aus ephesos, davon weiss ich aus erster hand: die bloedheit und marktscheu gepaart mit geldmangel der - in diesem fall tuerkischen - museen geht so weit, dass jaehrlich in ephesos einige tonnen tonscherben aus der ausgrabung mittel planierraupe zerstoert werden, weil sie wissenschaftlich nix (mehr) hergeben, man sie aber aus platzmangel nicht einlagern kann - wuerde man diese scherben zum stkpreis von sagen wir 50cent an touristen verkaufen, koennte man geld lukrieren, um erhaltenswerte altertuemer zu schuetzen.

PS.: lt gesetz DUERFEN oesterreichische museen gar nix verkaufen! vererb ihnen deine alte durchgesessene sitzgarnitur, und sie MUSS quasi ins depot wandern, sobald das museum das erbe annimmt - alles andre waere ein gesetzesbruch!

Benutzeravatar
helcaraxe
Beiträge: 3331
Registriert: So 16.07.06 10:33
Wohnort: Nürnberg und Heidelberg
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 1 Mal
Kontaktdaten:

Beitrag von helcaraxe » So 20.08.06 13:36

Ich muss kollman ein klein wenig recht geben (auch wenn es mir gegen den Strich geht ;-) ):

Das Badische Landesmuseum in Karlsruhe ist so ein Fall: Ein sehr guter Freund von mir, der Numismatiker ersten Ranges ist (er hatte eine ausgezeichnete Römersammlung und wissenschaftliche Veröffentlichungen zu dem Thema) bot dem Museum nach einem Besuch an, die völlig chaotische römische Münzsammlung zu katalogisieren und zu publizieren - kostenlos.

Das Museum lehnte ab, mit der Begründung, privaten Sammlern könne der Zugriff auf die Sammlung nicht gestattet werden, sie hatten schlicht und einfach Angst, es könne etwas wegkommen - ihr könnt euch denken, wie sehr mein Freund, der immerhin promovierter Historiker ist, beleidigt war.
Er hat das Angebot nicht wiederholt.
Viele Grüße
helcaraxe
________________

[i]Höflichkeit ist wie ein Luftkissen: Es mag zwar nichts drin sein, aber sie mildert die Stöße des Lebens.[/i] -- Arthur Schopenhauer

Fridericus
Beiträge: 559
Registriert: Di 01.02.05 21:19
Wohnort: Bremen
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 0

Beitrag von Fridericus » So 20.08.06 13:58

Ich habe vor Jahren mal im Magazin eines kleinen regionalen Museums einen mittelalterlichen Münzfund mit 5.000 (!!!) Pfennigen und Tournosen, den irgendein Irrer nach der Bestimmung wieder zusammengeschüttet hatte ("sieht so doch authentischer aus"), für umsonst sortiert. Der Direktor war etwas weniger hochnäsig und hat sich über das Angebot riesig gefreut. Nie mehr habe ich so viel gelernt: Über mittelalterliche Münzen (haben mich bis dahin ehrlich gesagt eher peripher tangiert) und über die Sammel- und Hortwut deutscher Museen, die alles, aber auch alles in xfacher Ausfertigung an sich raffen und mangels Zeit und Arbeitskräften dann in überfüllten Magazinen verrotten lassen. Mir kann niemand erzählen, daß man jeden blöden Pott mindestens in drei Exemplaren besitzen muß. Es ist mir ein Rätsel, warum die Museen nicht die "unbedeutende Massenware", die wissenschaftlich gesehen ohne jeden Wert ist, verkaufen und für den Erlös ihre wirklichen Lücken füllen. Aber es scheint einfacher zu sein, über mangelnde Geldzuwendungen zu klagen, als mit den bösen, bösen Sammlern zusammen zu arbeiten. Ich weiß eines ganz gewiss: Sollte ich mal irgendetwas Interessantes finden, werde ich es garantiert nicht einem Museum vermachen, denn dann kann ich es auch gleich wieder einbuddeln:

kollman
Beiträge: 287
Registriert: So 28.08.05 12:25
Wohnort: oberösterreich
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 1 Mal

Beitrag von kollman » So 20.08.06 14:42

darsteller:
- ein florierender mittelbetrieb in einem kleinen ort mit bevorstehendem firmenjubilaeum
- das durch wk2-bombenschaeden nach ueber 50 jahren noch immer arg ramponierte bild eines regional bedeutenden malers, der in diesem ort geboren worden war.
- ein museum, eigentuemer dieses bildes

die firma bot dem museum an, das bild im rahmen eines kultursponsorings erstklassig restaurieren zu lassen, unter der bedingung, es werblich nutzen und im jubilaeumsjahr im kundebereich der (tag und nacht bewachten, klimatisierten...) firma praesentieren zu duerfen.

das museum lehnte ab, und so gammelt das bild noch heute im museums-kellerdepot, weil praesentabel ist es in dem zustand nicht (ganz abgesehen davon, dass man den platz eh nicht haette, um es zu haengen).

gewinner: niemand.
verlierer: die firma, das museum, wir alle.

Benutzeravatar
Peter43
Beiträge: 13032
Registriert: Mi 11.08.04 02:01
Wohnort: Arae Flaviae, Agri Decumates
Hat sich bedankt: 205 Mal
Danksagung erhalten: 1920 Mal
Kontaktdaten:

Beitrag von Peter43 » So 20.08.06 16:17

Hallo Kollman!

Das, was Du hier berichtet hast, kenne ich auch. Der Grund ist, daß die öffentliche Hand sich nicht von Sponsoren abhängig machen will! Ein anderes Beispiel: Bei einem Schulfest hatte die lokale Brauerei den Schülern eine Art von Baseballkappen spendiert mit dem Logo der Brauerei. Alle haben sich gefreut, aber das Logo mußte auf Anordnung der Lehrer von den Kappen gerissen werden! Nie wieder hat die Brauerei der Schule Kappen spendiert!

MfG
Omnes vulnerant, ultima necat.

kollman
Beiträge: 287
Registriert: So 28.08.05 12:25
Wohnort: oberösterreich
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 1 Mal

Beitrag von kollman » So 20.08.06 18:17

diese art von stolz kann sich nur leisten, wer niemandem verantwortlich oder verpflichtet ist - die museen sind aber der oeffentlichkeit verantwortlich (zumindest aber ihren zugewisenen aufgaben verpflichtet: kulturgut zu erhalten, der wissenschaft zu dienen,...), und unter abwaegung aller konsequenzen hatte die entscheidung mit sicherheit anders fallen muessen.

beggars can´t be choosers, heissts im englischen.

Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag
  • Fundmünze vom Acker
    von Pecoinius » » in Altdeutschland
    8 Antworten
    465 Zugriffe
    Letzter Beitrag von Numis-Student

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: richard55-47, Yandex [Bot] und 7 Gäste