Kleines Münz-Rätsel.... ;-)

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

Moderator: Homer J. Simpson

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divus
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Beitrag von divus » Do 07.12.06 14:45

Ich habe mir den Artikel gerade angesehen.

Interessante Theorie, allerdings muss ich sagen, dass ich starke Bauchschmerzen bekomme bei dem Begriff "unautorisiert".
Wir sprechen hier schließlich von stadtrömischer Münzprägung der Hohen Kaiserzeit, und der Römerstaat war doch wahrscheinlich zu keiner Zeit besser organisiert. Ich finde das recht problematisch.

Diese These stützt sich ja allein auf die zunächst einmal völlig richtige Beobachtung, dass die Legende L2 (im Artikel) mit IMP NERVA CAES TRAIAN so ganz aus der Reihe fällt.

Die auffällige Kongruenz dieser Legendenordnung zu der des Nerva führt dann zu der Behauptung, diese Münzen mit L2 müssten die ersten Emissionen des Traian sein sein.
Und weil L2 den PP-Titel führt, müsse es sich hier um numismatisch evidenten "vorauseilenden Gehorsam" handeln.

Ich kann mich dem nicht einfach so anschließen. Für mich ist ebenso gut oder sogar besser denkbar, dass die Legende L2 einen Übergang zur Legende L4 darstellt, und dass L3 die früheste Traian-Legende ist.

Zunächst sind - nach meinem Gefühl, ist schwer oder gar nicht zu belegen - die ausführlicheren Schreibweisen von PONT MAX und TR POT (hier L3) eher ein Indiz für die frühesten Emissionen, die dann im Laufe der Zeit und wachsenden Titeln und Iterationen abgekürzt werden (müssen).

Nach der Annahme des PP-Titels durch Traian wurde eine Neuordnung der Münzlegenden notwendig. PONT MAX wurde nun mit PM abgekürzt und TR POT mit TRP, um Platz für den PP-Titel zu gewinnen. Beide Legenden L2 und L4 entsprechen sich hierbei völlig.

Warum sollte nicht ein unabsichtliches/unbedachtes Vertauschen der Legendenbestandteile CAES und NERVA geschehen sein, das alsbald korrigiert wurde, was auch wieder die Seltenheit des Vorkommens von L2 erklären würde?

(Zu bedenken ist auch, dass die Anordnung bei L2 mit IMP NERVA CAES TRAIAN AVG eigentlich keinen Sinn ergibt: Imperator Nerva Caesar Traianus Augustus? Hier müsste man "NERVA" ja als Titel verstehen und nicht als Verwandschaftsangabe.)

Meiner Meinung nach ist - nach dem oben angegebenen Artikel - folgende Abfolge der Legende ebenso gut denkbar:

L1 (Nerva)
L3 (Traian, früheste Emissionen)
L2 (Traian, erste PP Emissionen)
L4 (Traian, PP Emissionen mit korrigierter Position von CAES und NERVA)

Insofern wäre L2 schlicht eine seltene Variante von L4 - und es läge eben keine "unautorisierte" Münzemission vor.

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Beitrag von curtislclay » Do 07.12.06 17:19

Stracks Anordnung der Legenden, von Habermann befolgt, ist meiner Meinung nach sicher die richtige.

Erste Legende: IMP NERVA CAES TRAIAN AVG GERM P M. Gleicht der Legende von Nerva mit Hinzufügung von TRAIAN. Rs.-Legende TR P COS II P P, das P P offensichtlich vom Senat beschlossen aber von Traian selbst noch nicht angenommen. Typen: PROVID, Traian und Senator, offensichtlich ein Typ der Regierungsübernahme, der NUR HIER begegnet. Dazu die drei normalen Typen, Concordia sitzend, Pax sitzend, Securitas-Annona sitzend.

Zweite Legende, von Habermann ausgelassen: wie Legende 1, aber IMP CAES NERVA anstatt IMP NERVA CAES. Dieselben Pax- und Securitas-Annona-Typen, mit derselben Rs.-Legende; der Concordia-Typ wahrscheinlich auch geprägt, aber noch nicht bezeugt.

Dritte Legende: IMP CAES NERVA TRAIAN AVG GERM. Erste Phase: Traian hat den Titel P P zurückgewiesen, und P M wird auf die Rs. verlegt: PONT MAX TR POT COS II. Typen: Concordia sitzend, Pax sitzend, Securitas-Annona sitzend, genau wie in 1 und (wahrscheinlich) 2. Bald treten aber Neuerungen ein: Pax sitzend wird von Pax stehend abgelöst, Vesta sitzend und Victoria sitzend kommen hinzu.

Zweite Phase: Trajan akzeptiert P P, die Rs.-Legende wird zu P M TR P COS II P P neu abgekürzt. Dieselben 5 Typen werden weitergeprägt: Concordia sitzend, Pax stehend, Annona-Securitas sitzend, Vesta sitzend und Victoria sitzend. Auch im J. 100 n. Chr., mit Legende P M TR P COS III P P, werden diese 5 Typen fortgesetzt.

Die erste Legendenform mit dem verliehenen, aber noch nicht akzeptierten P P ist keinesfalls "unautorisiert", sie ist offiziell, nur entspricht sie aus Unkenntnis nicht dem Willen des Kaisers. In der gleichen Weise erscheint P P in Hadrians erster Legende auf den Münzen, um dann bald zu verschwinden, weil der Kaiser diesen Titel abgelehnt hat und erst 10 Jahre später, im J. 128, annahm.

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Beitrag von divus » Sa 09.12.06 00:52

Der PROVID-Typus ist in der Tat ein wirklich sehr starkes numismatisches Argument. Auch ich halte dies für einen Typus, der klar den Machtwechsel darstellt und ganz am Anfang der Regierung zu erwarten ist, wenn nicht sogar als die erste Emission des neuen Imperators.

Auf dieser Basis ist die Abfolge der Legenden nach Strack auch für mich plausibler.
Ohne dieses Argument hingegen hielte ich die Abfolge von Strack immer noch für konstruiert und nicht ganz glatt.

Ich finde eben nicht, dass L2 der Legende des Nerva "gleicht". Sie unterscheidet sich in drei Punkten zu denen des Nerva (TRAIAN, GERM und COS II), während sie sich zur Legende L4 lediglich in der Position des NERVA und CAES unterscheidet.

Laut RIC (414, 415) gibt es diese IMP NERVA CAES TRAIAN AVG-Legende auch bei Bronzemünzen mit COS III PP.
Wie ist nun dies zu erklären?
Wäre dies nicht ein Indiz für eine Verlegung der fraglichen Legende L2 eher an das Ende der ersten Regierungsphase (also der ersten beiden Jahre 98/99 AD), anstatt ganz an den Anfang?

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Beitrag von curtislclay » Sa 09.12.06 02:00

1. Die letzte Vs.-Legende des Nerva: IMP NERVA CAES AVG GERM P M TR P II.

Die erste des Traian: IMP NERVA CAES TRAIAN AVG GERM P M.

Also die gleiche mit Hinzufügung von TRAIAN, wie ich gesagt habe!

2. RIC 414-5 = Cohen 625 und 630, angeglich Vs. IMP NERVA CAES usw. auf Bronzen mit COS III, sind KEIN Indiz für eine Spätdatierung der Legende, sondern bloss ein Fehler Cohens!

Für beide Stücke zitert Cohen Elberling, das sind die Nr. 33-34 auf S. 132 in Elberlings Beschreibung der wichtigsten Exemplare in seiner Sammlung, Luxembourg 1864. Die Vs.-Legende ist dort in beiden Fällen "wie 30", ein Druckfehler für "wie 31", wo wir finden: IMP CAES NERVA TRAJAN AVG GERM P M, also die spätere nicht die frühere Form! Elberling beschreibt überhaupt keine Bronzemünze Traians mit der frühen Legende IMP NERVA CAES usw.

Der normalerweise verlässliche Cohen hat sich also in der Abschreibung geirrt; und Mattingly und Sydenham hätten bestimmt Cohens Quelle nachprüfen sollen, bevor sie solche merkwürdigen Stücke in ihren Katalog übernahmen!

An Stracks Anordnung der Legenden kann man, denke ich, wirklich nicht rütteln!

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Beitrag von divus » So 10.12.06 03:01

@curtisclay
Wow, da kann ich freilich überhaupt nicht mithalten an Wissen und Literaturüberblick. Auf der Basis des PROVID-Typus und mit der offenbaren nicht-Existenz der fraglichen RIC Typen kann ich das Modell der Legendenabfolge nach Strack nun nachvollziehen. Deine Darlegung hat mich überzeugt und hat meine Skepsis beruhigt. Die Darstellung von Habermann dagegen war ungenügend und für mich eben nicht zwingend schlüssig.
Ich stelle eben gerne Fragen, besonders dann, wenn ich etwas nicht genau verstehe. Und ich frage dann immer so lange, bis ich es verstehe.
Das Strack'sche Modell verstehe ich jetzt - Danke!

Nur eines noch: Hältst Du die Position von TRAIAN in dieser frühesten Legende für einen Fehler? Oder für einen Ausdruck von konzeptioneller Unsicherheit, wie man die Legende des völlig neuen "Adoptivkaisers" aufbauen sollte? Oder siehst Du da gar kein Problem?

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Beitrag von curtislclay » Mo 11.12.06 04:34

Ein Versuch, der nicht lange befriedigt hat. Warum die Legende am Anfang so formuliert wurde, weiss ich natürlich nicht!

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