Dieser Gallienus

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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drakenumi1
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Beitrag von drakenumi1 » Mo 09.04.07 13:37

Hallo, Stefan
unmöglich, auf Deine Fragen halbwegs erschöpfend Auskunft geben zu können. Sie umreißen einen Themenkreis, über die Bücher geschrieben werden könnten und wohl auch sind. Jedenfalls hat beim Einsatz der Metalle über die in Frage kommende Zeit hinweg wohl große Freiheit bestanden und man handelte operativ nach den Möglichkeiten, was gerade verfügbar war und was sich technlogisch eignete. Über allem stand dann natürlich das Gebot der Einsparung seltener Metalle und ein akzeptables Aussehen (silberähnlich), letztere Einschränkung wurde allerdings dann im Verlaufe des fortschreitenden 3. Jahrhunderts mehr und mehr fallen gelassen.
Ich fand bisher immer, daß Th. Mommsen in seinem Werk "Geschichte des römischen Münzwesens" recht interessante Veröffentlichungen zum Gesamtkomplex der Entwicklung gerade der Ablösung des Silbers und zu Materialzusammensetzungen der ausklingenden Denarzeit und der Entwicklung des Antoninians gemacht hat. Mögen seine Analysen wegen der Unzulänglichkeit der Analysetechnik auch noch nicht so genau gewesen sein, für grundsätzliche Betrachtungen sind sie aber allemal gut und ausreichend. Da finden sich auch die Betrachtungen zum Komplex Zinn/Zink/Silber/Kupfer. Wenn Du den Mommsen noch nicht besitzt, Du kannst ihn über google aufrufen und herunterladen. Der fragliche Komplex findet sich so auf den Seiten 792 bis 838.

Freundliche Grüße von

Eckhard
Zuletzt geändert von drakenumi1 am Mi 11.04.07 08:42, insgesamt 1-mal geändert.
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quisquam
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Beitrag von quisquam » Mo 09.04.07 15:19

Du hast natürlich recht Eckhard, meine "Fragen" sind mehr spekulativ als dass man allgemeingültige Antworten geben kann. Dies scheint ein wenig erforschtes Gebiet zu sein, möglicherweise weil es ein interdisziplinäres Vorgehen erfordert (Numismatik/Metallurgie). Aber ein Gebiet ohne offene Fragen wäre auch langweilig...

Ich kenne den Mommsen und werde dort nochmal nachlesen. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe gibt er interessante Details zur Legierungszusammensetzung von republikanischen Bronzemünzen, was ich bislang sonst niergendwo gesehen habe (was nichts heißen muss). Allerdings ist dieses Werk in weiten Teilen überholt und mit Vorsicht zu genießen.

Grüße, Stefan
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drakenumi1
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Beitrag von drakenumi1 » Mo 09.04.07 17:29

Hallo, Stefan, alles richtig, was Du sagst,
ich meine auch nur die groben Züge. Aber gerade die Thematik der Abspeckung der Antoniniane ist auch für verschiedene Kaiser (z.B. Claudius II und vorher und nachher) dort behandelt worden. Und dies wohl auch gebunden an ganz spezielle Funde bzw. Horts. Die genauen prozentualen Zusammensetzungen der Legierungen kann man sich sowieso nicht dauerhaft merken, aber seine Gedankengänge und Ableitungen können mich immer noch überzeugen und begeistern (wenn es vielleicht auch heute neueres Material gibt)
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Beitrag von spätrömer » Di 10.04.07 18:26

Hallo,

vielleicht kann ich als Chemiker und Sammler noch ein paar kleine Aspekte beisteuern:

1) Eine unidentifizierbare "Fundmünze" mit gruseliger Kruste habe ich mal, um sie nicht gleich wegwerfen zu müssen, entpatiniert. Heraus kam ein noch ganz gut strukturierter Claudius II. Gothicus, Rv. VICTORIA AVG - mit eindeutiger Messingfarbe! Das etwa knappe Dutzend "Bronze"-Münzen, die ich bisher wegen der miserablen "Patina" gezielt entpatiniert habe, hatte immer die typische Kupferfarbe (logischerweise mit Ausnahme eines Trajan-Sesterz, eines Vespasian-Dupondius und eines Viminacium-Dupondius von Gordianus III, die richtigerweise mit Messingfarbe zum Vorschein kamen).

2) Es gibt in der Fachliteratur einige, leider auch für mich nicht leicht zugängliche Artikel, die die Analyse römischer Münzen beschreiben. Ein paar Kurz-Infos:

a) Asse des Tiberius aus 15 - 23 n. Chr.: Fast reines Kupfer (99,5 %), keine Bronze

b) Quadrantes von Augustus: Fast reines Kupfer (ca. 99,7 %)

c) Münzen von Augustus und Tiberius aus Antiochia: Bronze (Cu-Sn)!

d) Provinz-"Bronzen" häufig tatsächlich Bronze mit zusätzlichem Anteil Blei.

e) Untersuchungen von versilberten spätrömischen Münzen ergaben, daß offensichtlich mit Silbersalz(-Lösung)en versilbert wurde. Es wurde nicht mit Amalgamen (Quecksilberlegierungen) gearbeitet. Das "Ausschwimmen" von Silberanteilen an die Oberfläche, was manchmal in der numismatischen Literatur zur Herstellung des "Silbersuds" diskutiert wird, ist ebenfalls wohl nicht nachvollziehbar.

Leider sind damit meine Informationen auch schon wieder erschöpft. Wie ein Teilnehmer richtig bemerkte: Man kann ganze Bücher darüber schreiben. Die modernen Analysenmethoden, die hinter den obigen Informationen stecken, sind eher für den Spezialisten interessant. Bei Interesse schreibe ich gerne einen 10-Zeiler ins Forum, aber das ist eigentlich nur etwas für Naturwissenschaftler.

Viele Grüße von spätrömer
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Beitrag von quisquam » Di 10.04.07 21:13

Hallo spätrömer, danke für deine Informationen!

Ich habe mir den Mommsen inzwischen nochmal angesehen. Dort ist zu lesen, dass sich den Sesterzen "große Quantitäten Zinn und Blei dem Kupfer beigemengt finden". Zitiert wird dort eine Analyse von Sabatier, darunter ein Sesterz der Iulia Mamaea mit 15,28 und ein Dupondius? des Sev. Alexander mit 20,98 % Zinn! Bei anderen untersuchten Bronzen (Sev. Alex., Gordian III, Pilippus II.) liegt der Zinngehalt bei "nur" 5-7,5 %, der Bleianteil dafür aber bei etwa 13%!

Womit sich mir jetzt die Frage stellt, ob sich auch mit Blei die Farbe der Legierung Richtung gelb verschieben lässt. Tatsächlich habe ich beim nochmaligen schnellen Durchschauen von Moesta/Franke, Antike Metallurgie und Münzprägung dort gelesen, dass es theoretisch möglich ist Zinn durch Blei/Antimon zu ersetzen, ohne dass dies bei den damaligen Probierverfahren aufgefallen wäre. Außerdem ist dort zu erfahren, dass eine Kupfer-Zinn Legierung mit mehr als 5 % Zinnateil praktisch nicht mehr heiß prägbar ist und über 12% Zinnanteil auch nicht mehr kalt, womit sich die Frage stellt, wie die Römer es geschafft haben die von Mommsen zitierten Bronzen zu prägen. Wenn ich demnächst mehr Zeit habe werde ich mir dieses Buch noch einmal genauer vornehmen.

In der Versilberung findet sich tatsächlich Quecksilber, allerdings nur in recht geringen Mengen. Dazu sehr interessant: http://www.geo.vu.nl/archaeometry/abstr ... eneral.pdf (Punkt 209). Ich hatte seinerzeit eine ausführlichere Version dieser Arbeit im Netz gefunden, die aber nun wohl leider nicht mehr zugänglich ist. Eine der interessantesten Ergebnisse war, dass ein Silberanteil in der Legierung zu deutlich besseren Resultaten bei einer Versilberung mit Amalgam führt, ein geringer Silberzusatz im Münzmetall also technische Gründe haben kann.

Grüße, Stefan
Zuletzt geändert von quisquam am Mi 11.04.07 07:08, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von spätrömer » Di 10.04.07 23:05

Hallo quisquam,
vielen Dank für den interessanten link!

Im Abschnitt 209 werden frühere Arbeiten von Anheuser zitiert, die aus 1996 stammen.

Das mir vorliegende abstract einer Arbeit von Anheuser stammt aus 2002, Zeitschrift: Historical Metallurgy (2002), Vol. 36, Heft 1, S. 17 - 23. Dort wurden Münzen des späten dritten Jahrhunderts aus dem Hortfund von Rogiet (mir nicht näher bekannt) analysiert. Ergebnis: keine eutektischen Gemische an den Grenzflächen, kein Quecksilber (untersucht mit Röntgenbeugung und unter dem Elektronenmikroskop). Es gab auch keine Verbindung der Silber-Oberfläche zu den kleinen Anteilen Silber im Kupferkern. Eindringen der Versilberung in feinste Risse des Cu-Kerns. Von daher die Schlußfolgerung: Versilberung mittels Silbersalz-haltiger "Paste".

Leider kann ich nicht erkennen, inwieweit diese Arbeit ältere Ergebnisse ungültig macht (würde mich im Prinzip wundern), oder ob es bei unterschiedlichen Prägestätten unterschiedliche Versilberungstechniken gab. Auf jeden Fall ist die in der 1996er Arbeit benutzte ICP-Massenspektroskopie in der Lage, ppb (parts per billion = Milliarde!!!) an Quecksilber aufzufinden. Auch ppm (parts per million)-Mengen sind immer noch sehr wenig und wären, wenn Hg in diesen Mengen gefunden worden wäre, kein Hinweis auf die Verwendung von Amalgam bei der Versilberung. Hg ist in ppm-Mengen durchaus in natürlichen Metallvorkommen denkbar.

Zugegeben: Ohne daß mir Originalarbeiten vorliegen, diskutiere ich hier ein bißchen warme Luft.

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Beitrag von spätrömer » Di 10.04.07 23:17

Entschuldigung,

die ICP-MS wurde wohl von Vlachou benutzt - das habe ich in meinem obigen Text versehentlich Anheusers älteren Arbeiten zugeordnet. Aber das ändert nichts daran, daß wir wissen müßten, wieviel Hg tatsächlich gefunden wurde. Die qualitative Aussage "per ICP-MS Quecksilber gefunden" beweist definitiv gar nichts.

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Beitrag von quisquam » Mi 11.04.07 07:47

Nach Vlachou/McDonnell/Janaway (2002) ist XRF entgegen der allgemeinen Ansicht nicht geeignet dieses Quecksilber aufzuspüren. Die per EPMA und LA-ICP-MS gefundenen Mengen liegen bei 0,112-0,803% Hg, wobei sich das Quecksilber nur in der Oberfläche in Verbindung mit der Silberschicht findet.

Im Gegensatz zu einer Vergoldung mit Amalgam ist eine Versilberung recht problematisch, was von früheren Autoren als Indiz gegen dieses Verfahren gewertet wurde. Die Versuchsreihen von Vlachou/McDonnell/Janaway haben aber gezeigt, dass die besten Ergebnisse genau mit Legierungen der vier Metalle Cu, Sn, Pb und Ag, wie sie in spätrömischer Zeit verwandt wurden, zu erzielen sind, so dass ein "Feuerversilbern" per Amalgam als weitere Erklärungsmöglichkeit angesehen werden muss.

Gegen die Möglichkeit der Versilberung durch Eintauchen in eine heiße Silberchlorid-Lösung (L.H. Cope) spricht nach Vlachou/McDonnell/Janaway, dass dieses Verfahren kaum geeignet für die Massenprodukion ist und zudem nirgendwo in antiken Quellen erwähnt wird. Gegen die Verwendung einer Paste (K. Anheuser) spricht, dass die früheste literarische Erwähnung dieses Verfahrens aus dem 18. Jhdt. n. Chr. stammt.

Grüße, Stefan
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Beitrag von spätrömer » Mi 11.04.07 12:49

Hallo quisquam,

danke, das war sehr informativ! Die Mengen Hg sprechen tatsächlich eher für eine Amalgam-Versilberung. Die Bemerkung über XRF irritiert mich, ich kenne keine Gründe aus meiner eigenen Erfahrung, die Vlachous Behauptung stützen (das kann allerdings an mir liegen). Negative Ergebnisse mit Silberchlorid überraschen mich nicht; es gibt aber - glaube ich - Vermutungen bezüglich Silbercyanid. Chemisch scheint mir das stichhaltiger, ob in der Antike diese Möglichkeit bekannt war, weiß ich aber nicht.

Nochmals herzlichen Dank für die interessanten und informativen Angaben!

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Beitrag von 4037lech » Fr 13.04.07 15:52

Hab hier eine Dissertation mit dem Titel:

Chemisch-Analytische Charakterisierung
römischer Silbermünzen

Bei Bedarf kann ich Sie auf meine Homepage stellen zum download

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Beitrag von quisquam » Fr 13.04.07 20:05

Nicht nötig, die Dissertation von Gunther Kraft ist auch hier herunterzuladen:
http://elib.tu-darmstadt.de/diss/000609/

Siehe auch: http://www.numismatikforum.de/viewtopic.php?t=15736

Grüße, Stefan
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