Balbinus bei CNG

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

Moderator: Homer J. Simpson

andi89
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Beitrag von andi89 » Di 15.05.07 16:53

Hallo!
peter43 hat geschrieben:Ein großes Problem zumindestens mit dem deutschen Dudenwörterbuch ist aber, daß es nicht mehr den korrekten Sprachgebrauch lehrt[...]sondern nur noch listet, was heute gebräuchlich ist.
Das wirft nun aber zumindest bei mir die Frage auf, wer denn zu entscheiden hat was "korrekter Sprachgebrauch" ist, und auf welcher Grundlage diese Entscheidung zu treffen ist. Meiner Ansicht nach entwickelt sich Sprache ohnehin weitgehend selbstständig. Irgendwann ist eben der Zeitpunkt erreicht, an dem der Großteil der Deutschsprachigen mit "realisieren" auch "erkennen, begreifen" meint und das Wort somit eine Bedeutung mehr hat.

andi89
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chinamul
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Beitrag von chinamul » Di 15.05.07 17:45

Ja, andi89, das ist die ewige Dialektik von einem deskriptiven (beschreibenden) Wörterbuch und einem normativen bzw. präskriptiven (vorschreibenden): Soll man die Sprache nehmen als das, was sie nun einmal ist, nämlich ein außerordentlich flexibler Organismus, den man beobachtet und dessen Neologismen (Neuwörter) man dem Unkundigen erklärt? Oder gilt es, einen gewissen Standard zu schaffen, an dem sich gebildete - oder zumindest bewußt formulierende - Sprecher und Schreiber orientieren können?
Das Problem liegt darin, daß sich heute viele Menschen über die Medien sprachlich äußern, die das in früheren Zeiten nicht getan hätten, und damit die Sprache in ihrem Sinne beeinflussen. Leider sind das aber nicht in allen Fällen Leute, die ihre Muttersprache als einen zu pflegenden Gegenstand betrachten, und es täte mir wirklich in der Seele weh, wenn die mir sprachlich den Takt vorgeben sollten. Da reicht mir schon die letzte Rechtschreibreform, in meinen Augen eine absolut überflüssige Konzession an diejenigen, die ohnehin schreiben, wie sie wollen.
Es muß ja nicht unbedingt wie in Frankreich gehandhabt werden, wo die Académie française in ziemlich rigider Form über die Sprache wacht, aber ein bißchen Druck in die richtige Richtung würde dem (und den!) Deutschen schon gut tun.

Gruß

chinamul
Nil tam difficile est, quin quaerendo investigari possit

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Homer J. Simpson
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Beitrag von Homer J. Simpson » Di 15.05.07 17:53

"Von den vielen Reformen, die Deutschland braucht, war die Rechtschreibreform die letzte."

Diesen Satz, den ich genau so unterschreiben würde, sagte vor einigen Jahren ein bekannter Mensch im Fernsehen; ich habe ihn extra mitgeschrieben, weil diese Aussage von diesem Menschen in seiner Funktion nicht zu erwarten gewesen wäre.

Wer hat diesen Satz gesagt? (Auflösung folgt)

Homer
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Peter43
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Beitrag von Peter43 » Di 15.05.07 20:41

Den Satz kenne ich auch, weiß aber nicht, von wem er stammt. Ich möchte nur noch einen Punkt erwähnen, der wichtig genug ist, um ihn nicht zu übergehen. Diese ganze Problematik hat einen ausgesprochen politischen Aspekt! So ist natürlich das Eindringen des Englischen in die deutsche Sprache nicht nur der Ausdruck einer ökonomischen, sondern eben auch einer kulturellen Hegemonie. Und das gilt nicht nur für Wissenschaften wie Informatik, Wirtschaftswissenschaften und Naturwissenschaften, sondern auch für andere kulturelle Bereiche wie Literatur, Kunst, Film u.a. Und damit besteht die Gefahr der kulturellen Unterwerfung unter die Herschaft des ökonomisch stärkeren. Und das muß nicht sein! Es ist bekannt, daß in den nächsten 100 Jahren 2/3 aller gesprochenen Sprachen der Welt aussterben werden. Das Deutsche wird wohl nicht darunter sein. Aber mit jeder Sprache, die von der Erde verschwindet, verschwindet auch ihre Kultur und ihre Art, die Welt zu sehen. Dies allein ist ein starkes Argument gegen die Forderung nach einer einzigen gemeinsamen Sprache. Die Sprache ist ja nicht nur ein Verständigungsinstrument, wie einige glauben, die sich mit Sprache nie richtig beschäftigt haben, sondern sie beeinflußt auch unser Denken. Sprechen und Denken sind sehr eng miteinander verwandt. Das haben Diktatoren schon früh erkannt. Ich erinnere nur an 'Neusprech' in 1984! Wer bestimmen kann, wie Menschen sprechen, ist der Herr über ihr Denken! Und deshalb ist das moderne laissez faire -laissez allez keine lobenswerte demokratische Haltung, sondern der Versuch, die Gehirne zu vernebeln, um sie dann umso besser manipulieren zu können. Wenn Werbesendungen im Fernsehen jetzt Informationssendungen heißen, versteht man vielleicht, was ich meine!

Mit freundlichem Gruß
Omnes vulnerant, ultima necat.

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Beitrag von 4037lech » Di 15.05.07 22:17

@ Homer

Gottschalk ?

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Homer J. Simpson
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Beitrag von Homer J. Simpson » Di 15.05.07 22:33

Exakt richtig!

Respekt!

Homer
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Beitrag von helcaraxe » Mi 16.05.07 00:17

Eines der Probleme, die ich sehe, ist auch, dass sich das Haupttransportmedium für Sprache verschoben hat. Vor hundert oder auch vor fünfzig Jahren war es noch das geschriebene Wort in Zeitungen und Büchern, das den Austausch und die Verbreitung über den persönlichen Kontakt hinaus leistete.

Heute dagegen ist es das gesprochene Wort vor allem durch das Fernsehen, dem allein durch die Natur der Sache eine wesentlich geringere Sorgfalt im Umgang innewohnt.

Da sehe ich übrigens das Internet und die neue Möglichkeit, die wir hier in diesem Forum haben, gewissermaßen schriftlich, aber in der Diskussionsform ähnlich wie im persönlichen Gespräch zu kommunizieren, als große Bereicherung an.

Was mir noch einfiel, aber ich bin kein Germanist: Lange Zeit war in Europa bekanntermaßen das Lateinische die Sprache der Wissenschaft, der Kultur und auch der Gebildeten bis weit in die Neuzeit hinein. Wieviele Latinismen mögen den Einzug in die deutsche Sprache geschafft haben (analog zu den Anglizismen), die wir heute als integralen (!) Bestandteil unserer Sprache schätzen. Vielleicht wird es in einigen Jahrhunderten auch mit den Anglizismen so sein.
Ein Martin Luther würde auch die Sprache Goethes nicht mehr gemocht haben, weil sie für seinen Geschmack viel zu "modern" gewesen sein dürfte.

Im Übrigen (und das sage ich jetzt mal, obwohl ich dafür möglicherweise wieder Schelte bekomme), sind mir Einflüsse des Englischen als einer kulturell verwandten Sprache wesentlich lieber als etwa Einflüsse des Türkischen und anderer Sprachen, die sich vor allem im Gesprochenen äußern, und einen Dialekt bzw. Akzent zeitigen, bei dem es sich mir jedesmal den Magen umdreht. Übrigens das erste Mal in Deutschland, dass ein nennenswerter Dialekt nicht eine geographische Herkunft anzeigt, sondern die Herkunft aus einer (niedrigen) sozialen Schicht. Eine bedenkliche Entwicklung.

Entschuldigt bitte meine etwas zusammenhanglosen Gedanken.

Eine gute Nacht wünscht Euch
helcaraxe
Viele Grüße
helcaraxe
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El Che
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Beitrag von El Che » Mi 16.05.07 19:55

Übrigens das erste Mal in Deutschland, dass ein nennenswerter Dialekt nicht eine geographische Herkunft anzeigt, sondern die Herkunft aus einer (niedrigen) sozialen Schicht. Eine bedenkliche Entwicklung.
Man spricht in einem solchen Fall von einem Soziolekt, in Abgrenzung eben zum regional verankerten Dialekt. Ob da irgendetwas bedenklich ist, weiss ich nicht...
Ich halte es mit Coserius Sprachphilosphie: Sprache ist nicht vordeterminiert, unterliegt also nicht (wie biologische Organismen) dem deterministischen Einfluss von Naturgesetzen - eine Position die in der Sprachwissenschaft im 19. Jhdt. stark vertreten wurde - sondern der Freiheit der Sprecher, Neuerungen zu übernehmen oder auch nicht. Philosophisch betrachtet: Sprache ist nicht ergon, sondern energeia.
Sprachwandel ist somit ein urdemokratisches Phänomen und deshalb scheitern auch Normierungsversuche langfristig, auch und gerade die der Académie. Gint es heute nicht schon fast 2 französische Sprachen, von denen die eine bald eine nur noch halblebendig sein könnte, so wie das Latein nach der Entstehung der romanischen Sprachen?
Aber ich schweife mal wieder ab, ... kurz und gut: Ich sehe das Problem weniger in der neuen Rechtschreibung (egal welcher), sondern vor allem in der Tatsache, dass es aus Konsensgründen in vielen Bereichen gerade eben keine RECHTschreibung mehr gibt, sondern nur noch Varianten... = Beliebigkeit.

Liebe Grüße,
Uli

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Peter43
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Beitrag von Peter43 » Mi 16.05.07 21:13

Ist ein Text nicht etwas, mit dem man jemand anderem etwas mitteilen will (wenn es nicht gerade Tagebücher sind)? Dann sollte man auch so schreiben, daß der Leser den Text versteht. Die sog. Rechtschreibreform hat diesen Aspekt des Schreibens sträflich mißachtet. Das Ziel dieser Reform war nur, dem Schreiber das Schreiben zu erleichtern, sodaß man an der Anzahl seiner Fehler nicht seine Dummheit erkennen kann. Dahinter stand die Philosophie von linken Soziologen, daß die Rechtschreibung ein Instrument der herrschenden Klasse ist, um die unteren Klassen auszugrenzen. Wenn jetzt jeder beliebig schreiben kann, wie er will, dann scheint das zwar urdemokratisch zu sein. Tatsächlich aber beruht die Demokratie nicht auf Beliebigkeit; dann wäre sie dem Untergang geweiht! Zur Demokratie gehört auch soetwas wie ein allgemeiner Konsens!

Der Leser muß erkennen, was der Schreiber wirklich sagen will. Kann er das nicht, kommt es zu Mißverständnissen, die je nach der Bedeutung des Textes schlimme Konsequenzen haben können. Ein bekanntes Beispiel: 'Das hat er wohl gemerkt' (getrennt geschrieben) und 'Das hat er wohlgemerkt' (zusammengeschriebn) sind eben zwei verschiedene Dinge, die fast das Gegenteil voneinander bedeuten. Aber wer das nicht erkennt, dem ist nicht zu helfen!

Noch ein Wort zu dem überstrapazierten Vergleich von 'radfahren' und 'Auto fahren'. Man sollte 'Auto fahren' besser mit 'Fahrrad fahren' vergleichen. Dann kommt man eher hinter den Sinn dieses Unterschiedes. Denn 'radfahren' steht in einer Reihe mit 'eislaufen' oder 'spazierengehen'. Wenn man diese Unterschiede schriftlich verwischt, geht damit auch ein Teil der feinen unterschiede verloren, für die die deutsche Sprache einmal berühmt war.

Mit freundlichem Guß
Omnes vulnerant, ultima necat.

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Homer J. Simpson
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Beitrag von Homer J. Simpson » Mi 16.05.07 21:25

Und ein viel versprechender Politiker ist noch lange kein vielversprechender...

Homer
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Chippi
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Beitrag von Chippi » Mi 16.05.07 21:28

Der ist gut!

Aber die feinfühlige, differenzierende Sprache gehörte wohl schon immer den gebildeten Klassen, denn meine Oma kommt "von´s Dorf" und spricht noch den alten dörflichen Dialekt, der ziemlich grob ist. Bsp. der Name "Jana" wird dort mit "Janan" ausgedrückt, "Langer" mit "Lanker",...

Gruß Chippi
Wurzel hat geschrieben:@ Chippi: Wirklich gute Arbeit! Hiermit wirst du zum Byzantiner ehrenhalber ernannt! ;-)
Münz-Goofy hat geschrieben: Hallo Chippi, wenn du... kannst, wirst Du zusätzlich zum "Ottomanen ehrenhalber" ernannt.

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Homer J. Simpson
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Beitrag von Homer J. Simpson » Mi 16.05.07 22:01

Gerade die Dialekte sind sicher eines der interessantesten Forschungsgebiete für Sprachkundler, da sich hier regional noch viel ältere Lautbildungen, Wörter und Sprachregeln erhalten haben, so daß die Dialekte in ihrem Geltungsbereich viel komplizierter (Grammatik wird immer einfacher!), differenzierter und ausdrucksstärker sind als die Standardsprache. In den alpenländischen Dialekten kann man Schnee sicher viel genauer mit einem oder wenigen Worten beschreiben als auf Plattdeutsch, oder denken wir nur an die Seemannssprache (Soziolekt?) mit ihren tausend Fachausdrücken ("Kappt die Wanten! Gorcht den Fock! Alle Mann kielholen!"). Im Bayrischen gibt es noch Reste alter Dualformen, die es auch im Lateinischen und Griechischen neben Singular und Plural gab, wie uns unser Griechischlehrer erklärt hat. Oder nehmen wir einen Dialekt, der bei uns in der Nähe gesprochen wird, das Oberpfälzische. Da gibt es kaum lange Einzelvokale, die werden zu Diphthongen auseinandergezogen - wie im Mittelhochdeutschen. Die Friesen behaupten gar, daß ihre Sprache der letzte noch gesprochene Zweig des Altgermanischen wäre, was ich nicht überprüfen kann.
Wenn Deine Oma vom Dorf kommt, wird sie sicher ihren Nachbarn alles Wichtige über Felder und Vieh in sehr präzisen, knappen und für uns großenteils unverständlichen Worten mitteilen können, während wir auf Hochdeutsch, selbst wenn wir von der Materie eine Ahnung hätten, halbe Opern quatschen müßten. So, jetzt hab' ich selber lange genug gequatscht.

Viele Grüße,

Homer
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Beitrag von Zwerg » Mi 16.05.07 22:19

apropos Dialekte:
wer weiß, was ein "Tüdderpohl" ist ( nicht Internet getestet); dem spendiere ich eine Münze meier Wahl!.

Auch wenn ich "Hochdeutsch" rede, erkennt jeder meiner Generation, woher ich komme.

Aber die Sprache meiner Söhne ist austauschbar - es gibt keinen Hauch eines Dialekts - schade

Grüße
Zwerg
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Beitrag von Pscipio » Mi 16.05.07 22:59

Zwerg hat geschrieben:Aber die Sprache meiner Söhne ist austauschbar - es gibt keinen Hauch eines Dialekts - schade
Da haben wir es in der Schweiz schöner: es gibt viele verschiedene, stark verankerte Hauptdialekte (meiner ist Berndeutsch), und diese teilen sich dann wieder in unzählige regionale und lokale Untergruppen auf. In meinem Berndeutsch ("Bärndütsch") finden sich zum Beispiel viele französische Wörter, da mein Heimatort gleich an der Sprachgrenze liegt und ich zudem auf einem zweisprachigen Gymnasium war. So sage ich für Bettdecke nicht "Dechi" sondern "Duvet", für Mutter nicht "Mueter" sondern "Mère", etc. Meine Freundin, die nur 15 km von mir entfernt aufgewachsen ist, spricht zwar auch Berndeutsch, verwendet aber teilweise schon Ausdrücke, die ich vorher überhaupt nicht kannte.

In der deutschsprachigen Schweiz lernt man als Kind zuerst nur den Mutterdialekt: das Hochdeutsche kommt erst in der Schule dazu (und dann hauptsächlich als Schrift- bzw. Unterrichtssprache - was die Beliebtheit nicht gerade steigert). Der grammatikalische Aufbau der Schweizer Dialekte ist zudem oft anders als jener des Hochdeutschen. So gibt es im Schweizerdeutschen zum Beispiel kein Präteritum: "ich trank ein Glas Wasser" lässt sich nur mit "i ha äs Glas Wasser trunke" übersetzen. Damit gibt es logischerweise auch kein Plusquamperfekt - das Perfekt ist die einzige Vergangenheitsform.

Pscipio
Nata vimpi curmi da.

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Beitrag von Peter43 » Mi 16.05.07 23:04

Pohl, gesprochen mit offenem O, ist der Pfahl. Vertüddern gibt es z.B. in Ostfriesland und bedeutet 'befestigen, anbinden'
Tüdderpohl ist also ein Pfahl, an den man z.B. Schafe oder Ziegen anbinden kann (Internet getestet!)

Da ich mich sehr für Sprache interessiere, habe ich vor Jahren einmal einem Freund geholfen, ein Wörterbuch seiner Familie, die aus dem Münsterland stammt, zusammenzustellen. Es nennt sich 'Spreckelmeyers Wortschatz', hat über tausend Einträge (sog. Lemmata), ist aber bis heute unveröffentlicht, da es auch viele rein familiäre Ausdrücke enthält, wie es sie ja in vielen Familien gibt.
Daraus stammt der Begriff 'Tüdderlütt'. Klingt ein bißchen ähnlich, bedeutet aber etwas völlig anderes. Was?

Mit freundlichem Gruß
Omnes vulnerant, ultima necat.

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