Das Parazonium

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

Moderator: Homer J. Simpson

Lemur
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Beitrag von Lemur » Do 06.12.07 23:36

Als diese FEL TEMPs geschlagen wurden war die Zeit der Gladii in etwa soweit in der Vegangenheit wie ein Vorderlader im Jahre 2007.
Gerade eben die Tatsache daß die Klingenwaffe auf der Linken des Kämpfers dargestellt ist sehe ich als Hinweis darauf an daß es sich um eine Spatha handelt.Eine lange Waffe muß man über den"langen Weg"mit der rechten Hand von der linken Körperseite her ziehen.200Jahre zuvor war der Gladius als Klingenwaffe deutlich kürzer und konnte mit der Rechten von rechts gezogen werden.(Etwas Druck auf den Knauf und die Waffe in der Scheide am Balteus -dieser wiederum mit dem Cingulum fixiert-hängend kippt leicht ab.So kann man die oft nur um 50cm Gladiusklinge problemlos fast waagrecht ziehen)
Ich hatte hier zu einem ähnlich gelagerten Fall schon mal erwähnt daß ich die Darstellungen auf den fallen Horseman nicht notwendigerweise für ein genaues Abbild spätrömischer Militärtechnologie halte.Ich besitze z.B. unter anderem ein Stück auf welchem der dargestellte Speer eine Flügellanze zu sein scheint.
Flügellanzen tauchen auf den Schlachtfeldern aber erst in merowingischer Zeit auf.
Mit freundlichen Grüßen
Lemur
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Peter43
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Beitrag von Peter43 » Fr 07.12.07 00:19

Hallo Lemur!

Vielen Dank für Deine sachverständigen Erläuterungen! Es scheint, daß wir zu diesem Thema noch massiven Nachholbedarf haben! Ich hoffe, daß wir dabei auf Dich zählen können!

Aber wie erklärst Du Dir das Auftauchen dieser Flügellanze (ein Bild wäre natürlich toll!) auf einer Münze aus einer Zeit vor ihrer Erfindung?

Mit freundlichem Gruß
Omnes vulnerant, ultima necat.

alexander20
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Beitrag von alexander20 » Fr 07.12.07 05:02

Sehr geehrte Sammlerkollegen,

ich möchte noch einmal kurz auf die Ausführungen von chinamul eingehen, "der Tragegurt, an dem das Parazonium befestigt sei, werde als cingulum bezeichnet". Dieser Aussage vermag ich nicht zuzustimmen.

Begründung:

Von einem Soldaten getragen, bezeichnet ein cingulum einen aus Metall gefertigten oder von Metall mit Leder überzogenen Gürtel, den man um die Lenden trug, um das untere Ende des Harnisches festzuhalten.

Über diesem Gürtel wurde nun der Säbel - oder Waffengurt getragen und diesen bezeichnet man als c i n c t o r i u m.

Im Plural werden diese beiden Gürtel als cingula bezeichnet.

Quelle und weitere Erläuterungen : Rich, Wörtebuch der Römischen Altertümer, Leipzig 1862

Alexander20

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chinamul
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Beitrag von chinamul » Fr 07.12.07 11:50

@alexander20
Du hast natürlich recht. Meiner eigenen Erinnerung nicht trauend, hatte ich sicherheitshalber noch einmal in meinem Heinichen nachgeschaut und dort u. a. die Übersetzung "Degengurt" gefunden. Damit hatte ich mich auf das schönste bestätigt gefühlt. Inzwischen habe ich mich aber auf Deinen Einwand hin an anderer Stelle schlau gemacht und mußte feststellen, daß ich einem Irrtum aufgesessen war. Ich möchte mich hiermit bei meinen Mitrömern dafür entschuldigen und werde künftig den Gurt immer korrekt als cinctorium bezeichnen.

@Speerspitze
Schön und gut! Ihr glaubt also eine plausible Erklärung für den zweigespitzten Speer zu haben. Leider aber kann mich Eure Argumentation in gar keiner Weise überzeugen. Ein metallener Schutz des Speerendes wäre doch nur dann sinnvoll, wenn er dieses in einer Spitze glatt auslaufen ließe. Nur dann könnte man den Speer auch in den Boden stecken und ohne Probleme wieder herausziehen. Hier aber sieht man deutlich Widerhaken, die den von Euch unterstellten Funktionen wenig dienlich gewesen wären. Zudem wäre eine praktisch nützliche Spitze am Speerende absolut unspektakulär und hätte damit als Selbstverständlichkeit wohl nicht zu einer besonderen bildlichen Darstellung geführt. Es ist konstitutiv für die Typen "Soldat mit - wie auch immer - in der Hand gehaltenem Parazonium" und "Soldat, der die Hand auf einen am Boden stehenden Schild gelegt hat", daß eine deutlich dargestellte Speerspitze nach unten zeigt. Beide Bilder besagen, daß Mars - um diesen dürfte es sich dabei nämlich handeln - hier nicht kampfbereit, also friedfertig erscheinen soll. Eine doppelte Speerspitze würde der Aussage dieses feststehenden ikonographischen Topos jedoch die Eindeutigkeit nehmen.
Ich bleibe demzufolge bei meiner Feststellung, daß es sich hier um eine Unachtsamkeit des Stempelschneiders handelt und bin sehr gespannt, ob Ihr zur Untermauerung Eurer Thesen weitere Beispiele dieses Rv-Typs mit zwei Speerspitzen beibringen könnt.
Neben dem unten gezeigten Stück könnte ich noch etliche weitere entsprechende Beispiele aus meiner Sammlung vorstellen - natürlich sämtlich mit nur einer Speerspitze, die auch jedesmal nach unten zeigt.

Gruß

chinamul
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drakenumi1
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Beitrag von drakenumi1 » Fr 07.12.07 16:15

Zur Ergänzung der Ansichten verschiedener Formen von parazonien hier noch ein Hadrian- Denar (RIC 332), bei der wohl unklar bleibt, ob Virtus oder Roma dargestellt ist. Das parazonium erscheint hier in wiederum etwas anderer Form, schlank, mit halbrundem Kopfstück und einem durchhängenden Gurt, wenn es nicht der etwas verunglückte Unterarm der Gottheit sein sollte.
Bei all den unterschiedlichen Formen des paraz. reift bei mir die Erkenntnis, daß als diese nicht reale Abbilder dieser Waffe, ob mit oder ohne Futteral/Behältnis, sondern lediglich symbolische Nachbildungen dargestellt wurden, bei großer und unterschiedlicher Fantasie des Stempelschneiders. Würdet Ihr dem folgen? fragt

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El Che
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Beitrag von El Che » Fr 07.12.07 16:40

Zu der Cingulum/Cinctorium-Problematik drei anschauliche Links aus einer Online-Version des von Alexander angeführten Werkes, die nebenbei auch den oben wohl etwas unklaren - aber allem Anschein nach wichtigen - Begriff des balteus klären:

http://www.mediterranees.net/civilisati ... gulum.html

http://www.mediterranees.net/civilisati ... orium.html

http://www.mediterranees.net/civilisati ... onium.html

Demnach scheint nämlich gerade das besondere - also das Unterscheidungsmerkmal - in der Kombination parazonium + cinctorium (= Führungsoffiziere) versus balteus+gladius (= einfacher Soldat) zu bestehen.

Liebe Grüße,
Uli
Zuletzt geändert von El Che am Fr 07.12.07 19:57, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitrag von El Che » Fr 07.12.07 19:44

So, das kommt davon, wenn man keine Lust hat, mit der Arbeit anzufangen und ein bisschen recherchiert... hier ein paar noch nicht ganz so gut geordnete Gedanken.

Ich habe mal die einzige Stelle herausgesucht, in der uns das Parazonium als Textquelle belegt ist:

Parazonium
Militiae decus hoc gratique erit omen honoris,
Arma tribunicium cingere digna latus
Martial, Apophoreta, Epigrammaton liber XIV, 32

In dem Dictionnaire des Antiquités grecques et romaines von Daremberg und Saglio (1877) findet sich eine Erläuterung und ein Rekonstruktionversuch auf der Basis eines Fundes in der Bretagne (laut FN hat das BM angeblich auch ein Parazonium):

http://dagr.univ-tlse2.fr/sdx/dagr/imag ... e_0001.jpg

Schließlich treibt mich etwas anderes um: Nachdem ich mir die Bilder in diesem Thread und auch einige auf Coinarchives angeschaut habe, erinnern mich die Münzbilder ganz ganz stark an Darstellungen von Personen mit dem Marschallstab (den nach Napoléon ja jeder französische Soldat im Tornister hatte) aus der frühen Neuzeit, bis hin in unsere Zeit. Bei der Recherche dazu bin ich auf die folgende Rezension (leider nur sehr sehr knapp, Thema "Vom Schwert des Connétable zum Marschallstab") gestoßen:

http://crcv.revues.org/document310.html

Zu Schwert des Connetable, vgl. z. B.

http://fr.wikipedia.org/wiki/Conn%C3%A9table

Ob es da wohl eine Kontinuität in der Symbolik - quasi vom Parazonium zum Marschallstab - gibt?

Liebe Grüße,
Uli

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Beitrag von Homer J. Simpson » So 09.12.07 14:41

Ja ja, der Napoleon - der sagte den berühmten Satz "Jeder von euch hat den Marschallstab im Tornister." Der zweite Halbsatz wurde dann aus dem offiziellen Protokoll gestrichen: "Und wer es wagt, ihn da rauszuholen, wird standrechtlich erschossen!" Ich habe es nie kapiert, warum die Franzosen ihren Napoleon, der ihnen zehn Jahre, nachdem sie den König geköpft hatten, einen Kaiser beschert hat, der dann Frankreich zehn Jahre von der Weltherrschaft träumen ließ, bis der Traum in Millionen Litern Blut baden ging, noch heute als Nationalhelden verehren.

Homer

PS: Die Kontinuität würde ich eher vom Zepter zum Marschallstab sehen, oder?
Wo is'n des Hirn? --- Do, wo's hiig'hört! --- Des glaab' i ned!

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Beitrag von Peter43 » So 09.12.07 15:35

Der Zusammenhang zwischen Parazonium und Marschallstab scheint mir auch zu weit hergeholt zu sein. Marschallstab und Szepter, das ist einleuchtend!

@drakenumi:
Da würde ich Dir auch folgen!

Mit freundlichem Gruß
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El Che
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Beitrag von El Che » So 16.12.07 12:43

Hallihallo,

ich bin heute Nacht aus Paris wiedergekommen; auch dieses Mal habe ich die Chance genutzt, mir einige meiner Lieblingsecken im Louvre anzuschauen. Dazu gehört die etruskische Abteilung und die Sammlung der römischen Kaiserstatuen. Dabei konnte ich - gewissermaßen als Nachtrag zu diesem Thread - einige interessante Bildchen machen; ob es sich jeweils um das hier heiß diskutierte Parazonium handelt, ging nicht aus den Tafeln hervor. Sicher ist nur, dass es sich um einen Marc Aurel und einen Gordian III handelt, wobei der Kopf des Marc Aurel wohl auf einen flavischen Torso gesetzt wurde (dies - so die Tafel - erkenne man an den Details auf dem Panzer).

Liebe Grüße,
Uli
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Louvre 2007.12.13 - Gordian III (3).JPG
Louvre 2007.12.13 - Gordian III (2).JPG
Louvre 2007.12.13 - Gordian III (1).JPG
Louvre 2007.12.13 - Marc Aurel.JPG

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Beitrag von Lemur » Di 25.12.07 11:04

Hallöchen,
@ EL CHE:Ich kann nicht erkennen was die Darstellung in deinem ersten Link vom 7.12. von einem(sogar recht zierlichen) Pugio unterscheiden soll.
Ich bleibe mal dabei,daß das Parazonium-zumindest in der römischen Kaiserzeit-als reale Waffe nicht existent ist und lediglich einen ikonographischen Topos darstellt.
Weihnachtliche(das ist doch auch die Zeit der Saturnalien?) Grüße
Lemur
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Beitrag von Lemur » Mi 26.12.07 22:27

Hier also die Bilder der scheinbaren Flügellanze auf einer Fel Temp sowie Bilder einer Rekonstruktion.
Das verführt natürlich zu der Annahme daß diese Stangenwaffen(die Flügelchen dienen zum "Aufdrücken"des gegnerischen Schildwalls)schon in der Spätantike Verwendung fanden.Es fehlt allerdings sowohl in den Bodenfunden(ansonsten reichlich vorhanden)ein als Flügellanze oder zumindest Flügellanzenvorläufer anzusprechendes Exemplar,als auch jedweder Hinweis auf solche Stangenwaffen in der Literatur.
Grüße Lemur
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flugellanze.jpg
Münze.jpg
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Beitrag von Lemur » Mi 26.12.07 22:42

Hm -die Bilder sind wohl in den Orkus entschwebt...
also:
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flugellanze.jpg
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Beitrag von Peter43 » Mi 26.12.07 23:16

Hallo Lemur!

Das mit dem 'Aufdrücken des gegnerischen Schildwalls' verstehe ich nicht. Dazu scheinen sie mir doch etwas zu klein zu sein.Ich hatte sie immer interpretiert als Schutz vor einem zu tiefen Eindringen in den Körper des Gegners, damit man die Lanze noch leicht wieder herausziehen konnte, und sie nicht für den weiteren Kampf verloren war!

Mit freundlichem Gruß
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Beitrag von Lemur » Do 27.12.07 01:21

Mit Hilfe dieser Flügel ist es möglich einem gegnerischen Schildrand einen kurzen kräftigen Stoß zu versetzen.Da die spätantiken/frühmittelalterlichen Schilde in ihrer Mehrheit an einer zentralen Schildfessel(auf der Rückseite hinter dem Schildbuckel)geführt werden wird nun der Schild für einen kurzen Augenblick(man beachte das Hebelgesetz)auf der gegenüber des angebrachten Stoßes liegenden Seite nach vorne kippen.
Dadurch ist der geschlossene Schildwall eben an dieser Stelle für einen Moment göffnet.Dies kann von dem Kämpfer zur Linken des Stoßenden für eine Aktion zum Körper des Gegners genutzt werden.
In der Praxis haben sich hier kurze Stöße in schneller Folge bewährt.
Allerdings will ich auch nicht eine situationsabhängige Nützlichkeit der Flügelchen hinsichtlich der Eindringtiefe in den Gegner und die daraus resultierende schnellere Wiederherstellung der Kampffähigkeit des Lanzenträgers generell in Abrede stellen.
Es grüßt
Lemur
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