ab wann gilt ein Porträt als Beleidigung ?

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

Moderator: Homer J. Simpson

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Homer J. Simpson
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Beitrag von Homer J. Simpson » Di 12.02.08 22:17

Peter43 hat geschrieben:Den letzten Satz möchte ich unterstreichen! Das Problem der heutigen Kunst ist ja, daß praktisch alles erlaubt ist und es keine richtige Grenze zum Pfusch mehr gibt. Das hat heute viel Ähnlicheit mit des Kaisers neue Kleider, wo niemand sich traut zuzugeben, daß er in Wirklichkeit nackt ist!

Ich bin grundsätzlich gegen eine Relativierung der Ästhestik. Und ich halte die Musik, sagen wir mal von Mozart, immer noch für - wie auch immer - 'höher' stehend als die Geräusche aus einem Didgeridoo, tut mir leid!

Und deshalb glaube ich, daß es auch in der Kunst Qualitätsmerkmale gibt (über die man natürlich streiten kann!), nach denen man Kunst beurteilen kann.

Und: Wenn die Sonne der Kunst tief steht, werfen auch Zwerge lange Schatten (Karl Kraus)!

Mit freundlichem Gruß

Übrigens wird meine Auffassung neuerdings auch durch Untersuchungen der funktionellen Computertomographie bestätigt, die sagt, daß es weltweit und kulturunabhängig, eine übereinstimmende Meinung über Schönheit und Häßlichkeit gibt. Interessant!
Tja, wie sagte Max Liebermann:

"Kunst kommt von Können, käme sie von Wollen, so würde sie Wulst heißen."

Gut gebrüllt Löwe!

Homer
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beachcomber
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Beitrag von beachcomber » Mi 13.02.08 00:06

stimmt, aber herr beuys z.b. hat's auch gekonnt :)
aber nicht alles was gekonnt ist, muss man auch mögen!
grüsse
frank

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Homer J. Simpson
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Beitrag von Homer J. Simpson » Mi 13.02.08 01:38

Picasso mag ich nicht, aber ich sehe ein, daß er's gekonnt hat.
Bei Beuys hör' ich die Botschaft wohl, allein mir fehlt der Glaube.
Da lobe ich mir Kimon oder Euainetos, da sieht man, daß die's gekonnt haben.

Viele Grüße,

Homer
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Beitrag von Gast » Mi 13.02.08 08:11

Zu den drei Keltenmünzen, die uns areich geteigt hat, möchte ich noch einige
Ergänzungen anbringen.
Sie stammen alle aus der letztenPhase der keltischen Münzprägung.
Dabei ist gut erkennbar, dass es im keltischen Kunstgeschmack eine Wandlung von der gegenständlichen, realistischen Wiedergabe bis zur abstrakten, gegenstandslosen Kunst gab.
Man beachte einige Darstellungen auf keltischen Münzen vom 3.Jh.v.Chr. bis zur Mitte des 2.Jh.v.Chr., welche in ihrer Qualität des Stempelschnitts durchaus mit griechischen Prägungen vergleichbar sind.
Im Gegensatz zur römischen und griechischen Kunst ist die Abstrahierung,
bzw. die Übertreibung einzelner Bildelemente nicht auf künstlerisches Unvermögen zurückzuführen, sondern durchaus gewollt und dem Stil der jeweiligen Epoche entsprechend.
Ein weiterer nicht zu vergessender Aspekt ist die Behandlung der Prägestempel.
Wie bei den Römern damit umgegangen wurde wißt ihr sicher ohnehin-
sie wurden nach deren Abbnutzung vernichtet.
Für die Kelten waren Prägestempel Werkzeuge. Waren sie abgenützt, wurden sie meist durch den örtlichen Dorfschmied, oft in Unkenntnis des Urbildes, immer wieder wie andere seiner Wekzeuge nachgeschärft.
Das führte zu immer neuen Bildschöpfungen, welche wie bei der Münze auf dem mittleren Bild auf uns einen fast surrealen Eindruck machen.
Der Erststempel dieser Prägung war eine frühe Nachprägung des Thasostyps und nicht viel schlechter als das Original.
Erst durch mehrfachen Neuschnitt und Umschnitt des Stempels entstand diese Darstellung.
areich, es ist archäologisch nachgewiesen, dass die Kelten bewußtseinsverändernde Substanzen verwendet haben.

Viele Grüße
Harald

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Beitrag von Chandragupta » Mi 13.02.08 17:17

Was Du hier zu den Kelten so wundervoll beschreibst, gibt's auch bei den Indern - z.B. bei den Blaßgold-Dinaren der Kidariten, die dann auch völlig surreal aussehen; so wie die hier eben:
http://www.coinarchives.com/a/lotviewer ... 64&Lot=313
(Es ist gar nicht so einfach, da ein Bild in CoinArchives zu finden, wo die nicht kopfstehend abgebildet sind... 8O )

Im Erzeugerland übrigens sehr, sehr heimisch in der Pflanzenwelt: Mohn und Hanf; dazu gibt's da auch "bestimmte" Pilze in Massen... ;) ;)

Zum Vergleich: das ist der Urtyp dazu, allerdings auch schon dezent "barbarisiert":
http://www.coinarchives.com/a/lotviewer ... 6&Lot=7290

Und noch ein wenig mehr in die Vergangenheit hin zum Ur-Ur-Vorbild...
http://www.coinarchives.com/a/lotviewer ... 27&Lot=711
(wow, ich fall vom Stuhl: 950,- $ - da bin ich ja reich ;) ... sowas habe ich vor fünf Jahren noch für 150,- €/Stck. angeboten bekommen und dann gleich drei stilistisch dezent verschiedene genommen, für zusammen 400,- € ...)

Und nun das Ur-Ur-Vorbild selber - gleich die Kushana-Rarität schlechthin (der "Spitzenpreis" gilt nur wegen der Buddha-Darstellung; das Vorbild bezogen auf das Stück ganz oben betrifft bei dieser Münze natürlich nur die Vs, stehender König am Altar opfernd):
http://www.coinarchives.com/a/lotviewer ... 99&Lot=676
Numismatische Grüße,

Euer Chandra

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Beitrag von Arminius » Mi 13.02.08 17:52

Faustina II - Beleidigung oder nur unvorteilhaft?
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Ich lasse mich durch Ansichts- und Glaubensfragen nicht in einen Empörungsmodus bringen.

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Beitrag von areich » Mi 13.02.08 18:59

Harald, danke für die sehr interessanten Ausführungen.
Das erklärt so einiges.

Andreas

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Beitrag von beachcomber » Mi 13.02.08 19:14

Faustina II - Beleidigung oder nur unvorteilhaft?
eher eine beleidigung - so debil hat sie wohl wirklich nicht ausgesehen! :)
grüsse
frank

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Beitrag von Chippi » Mi 13.02.08 19:16

Hallo Frank,

hier hätte ich fast auf "Ehrlichkeit" getippt! :wink:

Gruß Chippi
Wurzel hat geschrieben:@ Chippi: Wirklich gute Arbeit! Hiermit wirst du zum Byzantiner ehrenhalber ernannt! ;-)
Münz-Goofy hat geschrieben: Hallo Chippi, wenn du... kannst, wirst Du zusätzlich zum "Ottomanen ehrenhalber" ernannt.

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Beitrag von Gast » Mi 13.02.08 19:17

Chandra, herzlichen Dank für Deine Beispiele zu den Indern. Da gibt es ja wirklich jede Menge Parallelen zu den Kelten. Man könnte da direkt auf den Geschmack kommen!
Grüße
Harald

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Beitrag von Gast » Do 14.02.08 09:41

Dieses Portrait des Trebonianus Gallus halte ich ebenfalls für nicht besonders gut gelungen.

Grüße
Harald
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Homer J. Simpson
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Beitrag von Homer J. Simpson » Do 14.02.08 18:13

Harald, Du bist ein Spielverderber!
Bestimmt hat sich der antike Münzfälscher befriedigt zurückgelehnt und gedacht: Na bitte! Vom Original nicht zu unterscheiden! So wie es alte Schachteln gibt, die vor dem Spiegel stehen und sich sagen: Na bitte! Man könnte mich doch auch noch für 29 halten! Wobei das höchstens Stevie Wonder mit Ohropax und auf den Rücken gebundenen Händen könnte...

Homer
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Beitrag von Gast » Do 14.02.08 18:36

Hallo Homer!
Da bin ich wieder mal voll Deiner Meinung.
Wie Du sicher schon bemerkt hast, haben es mir diese antiken Nachahmungen besonders angetan.

Viele Grüße
Harald

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Beitrag von Homer J. Simpson » Do 14.02.08 23:37

Da stimmen wir überein; bei den "Barbaren", gefütterten Münzen und ähnlichem gibt es tolle, teils wirklich eigenständige Kreationen. Mein absolutes Lieblingsstück ist dieses hier; im US-Forum habe ich es schon vorgestellt, ich weiß nicht, ob hier auch schon. Der Stempelschneiderhatte mit dem Porträt so seine Probleme, hat aber die Umschrift hübsch gestaltet und kaum Fehler gemacht. Und dann hat er auf der Rückseite gezeigt, wie das Volk die Venus-Rückseiten der Denare von Julia Domna interpretierte: "Iulia Venus" = Julia als Venus!

Viele Grüße,

Homer
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Beitrag von beachcomber » Do 14.02.08 23:53

hallo homer,
das stück ist wirklich ein hammer, herzlichen glückwunsch!
vielleicht wollte der beleidigende stempelschneider ja mit der titulatur der rückseite seinen faux pas wieder gutmachen :)
grüsse
frank

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