ab wann gilt ein Porträt als Beleidigung ?

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

Moderator: Homer J. Simpson

alexander20
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Beitrag von alexander20 » Sa 01.03.08 14:55

Sehr geehrte Sammlerkollegen,

um den faszinierenden Naturalismus - wie chandragupta richtig anmerkt - der Münzen des 2. Drittel des 3. Jahrhundert darzustellen, hier zwei Denare des Maximinus Thrax.

Der linke Denar zeigt Maximinus Thrax noch recht gesund aussehend. Es sind allenfalls minimale Zeichen seiner Akromegalie erkennbar (leicht spitzes Kinn). Der rechte Denar dagegen zeigt Maximinus Thrax dann schon mit den ausgeprägten Symptomen der Akromegalie. Die Krankheit muss sehr schnell vorangeschritten sein, schließlich regierte Maximinus Thrax gerade mal drei Jahre.

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Pscipio
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Beitrag von Pscipio » Sa 01.03.08 15:16

Ich denke eher, das linke Porträt entstand bevor man in Rom genau wusste, wie denn der neue Kaiser jetzt aussah. Die runde Kopfform erinnert doch sehr an Severus Alexander, dem man einfach einige "barbarische" Gesichtszüge verpasst hat.

Gruss, Pscipio
Nata vimpi curmi da.

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Beitrag von alexander20 » Sa 01.03.08 15:34

Hallo Pscipio,

interessante Theorie. Ich meine, dass es sich allerdings weniger um "barbarische" Gesichtszüge, sondern tatsächlich um die ersten klaren Anzeichen der Akromegalie handelt . Peter43 hat die sehr ausdrücklich geschildert. Diese zeigt sich durch "das stärkere Wachstum der Akren, der Körper-'Spitzen', wie Kinn, Nase, Finger und Hände und ähnliches". Genau diese ersten Krankheitsanzeichen kann man auf dem linken Denar erkennen an Nase und Kinn.

Auf weitere Meinungen hierzu bin ich sehr gespannt. Wir haben doch einige Mediziner unter uns Sammlerkollegen. Was meint Ihr denn dazu?

alexander20

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Beitrag von Pscipio » Sa 01.03.08 15:45

alexander20 hat geschrieben:Genau diese ersten Krankheitsanzeichen kann man auf dem linken Denar erkennen an Nase und Kinn.
Falls Thrax an der Krankheit litt, so ist sie gewiss nicht erst bei seinem Regierungsantritt aufgetreten und hat sich dann innerhalb dreier Jahre so extrem manifestiert. Nein, alle frühen Porträts von Maximinus sind ganz anders als die späten, eben weil man in Rom keine genaue Vorstellung vom Aussehen des neuen Kaisers hatte, der sich ja im Norden an der Grenze befand. Erst als man erste Büsten von ihm erhielt, hat man das Porträt angepasst.

Gruss, Pscipio
Nata vimpi curmi da.

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Beitrag von helcaraxe » Sa 01.03.08 15:46

Ob Maximinus Thrax wirklich an Akromegalie gelitten hat, lässt sich wohl schlußendlich nicht mehr beweisen. Es ist aber wahrscheinlich.

Das Voranschreiten dieser Erkrankung ist allerdings in der Regel langsamer, als es die Veränderungen auf den Antoninanen suggerieren.

Da Maximinus Thrax niemals in Rom war, und wir auch von anderen Kaisern wissen, dass die ersten Emissionen von Denaren oder beispielsweise Tetradrachmen aus Alexandria wenig Übereinstimmung mit dem tatsächlichen Portrait zeigen, erscheint es plausibel, dass die frühen Emissionen nur nach mündlichen Beschreibungen angefertigt wurden, und erst nach der Herstellung und Ankuft etwa von Portraitbüsten in der Prägestätte die Köpfe realistischer wurden.
Viele Grüße
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Beitrag von alexander20 » Sa 01.03.08 16:10

Hallo Pscipio,
hallo helcaraxe,

Ihr habt mich fast überzeugt.
Offensichtlich besteht Einigkeit, dass Maximinus Thrax an Akromegalie litt. Der rechte Denar legt dies mehr als nahe. Dann stellt sich mir nur noch die Frage, ob Akromegalie innerhalb von nur drei Jahren derartige Veränderungen hervorrufen kann. Wenn nein, dann bin ich vollständig überzeugt. Da wäre ein Mediziner gefragt.

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Beitrag von helcaraxe » Sa 01.03.08 17:30

@alexander: Schau mal in mein Profil. ;-)

Es wäre zumindest sehr ungewöhnlich, wenn sich eine Akromegalie so schnell ausbildet. Es gibt allerdings nichts, was es in der Medizin nicht gibt...

In alten Lehrbüchern steht übrigens immer, dass die Patienten zuerst bemerkt haben, dass ihnen ihr Hut nicht mehr passte, aber leider ist die Sitte des Tragens einer Kopfbedeckung ja fast ausgestorben... ;-)
Zuletzt geändert von helcaraxe am Sa 01.03.08 17:32, insgesamt 1-mal geändert.
Viele Grüße
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Beitrag von hjk » Sa 01.03.08 17:31

Da wäre ein Mediziner gefragt.
. . . oder einfach mal Wikipedia: z.B. "Den Betroffenen fällt die langsame Umgestaltung ihrer Physiognomie selten selbst auf." In drei Jahren tut sich da nix, was auf Münzen so darstellbar wäre, wie wir das auf den Maximinussen sehen können. Pscipio liegt deshalb mit seiner Interpretation sicher richtig. Mal davon abgesehen: habe ich in Erinnerung, dass helcaraxe ein bisschen was mit Medizin zu tun hat?

:wink:

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Beitrag von hjk » Sa 01.03.08 17:39

@helcaraxe

ja - und was steht da in Deinem Profil? Ich schreib' doch nicht umsonst "habe ich in Erinnerung" . . .

8)

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Beitrag von Homer J. Simpson » Sa 01.03.08 17:40

Da haben wir ja ein paar im Forum.

Aber selber habe ich auch noch keine Akromegalie-Patienten behandelt; die Krankheit ist selten. Im Laufe einiger Jahre kann die Krankheit die Gesichtszüge schon deutlich verändern; das Problem ist nur, daß es nur recht wenige Münzen sind, die Max Thrax ohne akromegale Gesichtszüge zeigen. So schnell wird es wohl auch nicht gegangen sein. Vielleicht mußten die Stempelschneider anfangs auf Porträts (Bilder oder Büsten) des Maximinus als Legionsführer zurückgreifen, die evtl. in der Familie in Rom vorhanden waren und nicht mehr auf dem neuesten Stand waren. Als dann in der Provinz neue Bilder für die Münze in Rom angefertigt wurden (angeblich ist Maximinus ja in seiner gesamten Regentschaft nicht nach Rom gekommen), mußte wohl sehr nachkorrigiert werden.

Eine reine Akromegalie hatte er evtl. gar nicht, sondern eher einen hypophysären Riesenwuchs, d.h. der Wachstumshormonüberschuß scheint - was noch viel seltener ist - schon vor dem Abschluß des Länggenwachstums eingesetzt zu haben, also vor dem Schluß der Epiphysenfugen der langen Röhrenknochen, schließlich wird ihm ja eine gigantische Körpergröße bescheinigt; auch wenn da Übertreibungen möglich sind (angeblich 2,60 m!), eine imposante Statur scheint er gehabt zu haben. Solange die Knochen insgesamt wachsen können, sind auch die Proportionen relativ normal; erst wenn die Knochen in die Länge nicht mehr wachsen können, entsteht der akromegale Habitus.
Zu dem Thema könnt Ihr auch mal nachlesen unter "Robert Wadlow" (Google oder Wikipedia), da seht Ihr, daß vielleicht nicht einmal die 2,60 m aus der Luft gegriffen sein müssen - Robert Wadlow maß 2,72 m.
Allerdings erhöht ein hochgradiger Überschuß am Wachstumshormon den Blutzuckerspiegel, so daß diese Leute Komplikationen und Spätfolgen wie bei Diabetes bekommen - Robert Wadlow starb mit 22 an einer Fußinfektion. Vielleicht wäre also auch Max Thrax nicht sehr alt geworden, und vielleicht hat er auch deswegen seine Zähne verloren, was man ja auch auf den Bildern zu sehen meint? Das wird aber wohl Spekulation bleiben.

Viele Grüße,

Homer
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Beitrag von helcaraxe » Sa 01.03.08 17:42

@Homer: Da zeigt sich der Internist! :-)
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Beitrag von Homer J. Simpson » Sa 01.03.08 18:02

Na, für irgendwas muß das ja gut sein :wink:. Ich habe übrigens neulich im Krankenpflegeunterricht beim Thema Endokrinologie als Beispiel für Akromegalie zwei Denare von Max Thrax an die Wand geworfen, d.h. natürlich deren Bilder.

Übrigens, einen gewichtigen Einwand gibt es natürlich gegen die 2,60 Meter: Ein Krieger dieser Größe wäre natürlich ein spektakuläres Ziel gewesen und hätte wohl Pfeile und Lanzen geradezu magisch angezogen, hätte es also möglicherweise gar nicht erst so weit gebracht.

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Beitrag von chinamul » Sa 01.03.08 18:58

Das Kinn des Max Thrax ist bereits des öfteren Thema gewesen. Der folgende Link zeigt die Entwicklung des Porträts anhand mehrerer Sesterzen.

http://www.numismatikforum.de/ftopic239 ... ht=armreif

Gruß

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Beitrag von alexander20 » Sa 01.03.08 20:33

Sehr geehrte Sammlerkollegen,

ja, jetzt habt Ihr mich überzeugt. Vielen Dank in diesem Zusammenhang an Deine faszinierenden Ausführungen, Homer j. Simpson.

Ich wünsche Euch allen noch einen schönen Abend.

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Beitrag von Homer J. Simpson » Sa 01.03.08 21:29

PS:

Größere Zuckerprobleme wie Robert Wadlow scheint Maximinus Thrax (dessen caligae und Beinschienen sicher auch nicht immer bequem saßen) wohl nicht gehabt zu haben; nach den spärlichen Überliefeungen wurde er wohl mindestens Mitte fünfzig. Habe gerade noch mal in Wikipedia nachgelesen.

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