Die Währungspolitik Traians - interessanter Artikel

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

Moderator: Homer J. Simpson

octavian
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Beitrag von octavian » Fr 08.02.08 09:56

Ich denke, den 100%igen Beweis zu liefern ist nicht möglich. Im Grunde genommen sind beide Theorien möglich. Doch tendiere ich mehr dazu, den Grund der trajanischen Restitutionsmünzen in der Tatsache zu sehen, daß sich Trajan bewußt mit dieser Serie an seinen Taten und seiner Herschaftsdarstellung messen lassen wollte. Dafür bedurfte es keiner Einschmelzaktion. Warum sollte er dafür extra Münzen einschmelzen lassen? Die Erwähnung in Cassios Dio läßt auch nicht zwingend den Schluß zu, die Einschmelzaktion sei wegen der rest. Münzen gewesen.

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Chandragupta
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Beitrag von Chandragupta » Fr 08.02.08 11:39

octavian hat geschrieben:Die Erwähnung in Cassios Dio läßt auch nicht zwingend den Schluß zu, die Einschmelzaktion sei wegen der rest. Münzen gewesen.
Richtig! Hier ging's nämlich nur um Kriegsfinanzierung.

Kennt Ihr den Feingehalt damals "abgegriffener" Denare (vor Nero) und von denen zur Zeit Traians?

Grob gerechnet: Aus 8 "abgegriffenen" alten konnten mindestens 10 "neue" gemacht werden. Die Finanzierung des Ostfeldzugs war gesichert!

Die Restitutionsmünzen waren reine politische Propaganda - Anknüpfung an eine Epoche, die auch damals schon in der Erinnerung der Menschen "Die Gute Alte Zeit[tm]" war, voller Sittenstrenge, wo man noch in primitiven Hütten hauste und Mehlbrei aus irdenen Töpfen aß, d.h. keine "dekadenten Völlereien" und sonstigen "Sittenverfall" pflegte, sondern "die Götter noch ehrte"... lest dazu mal Juvenals Satiren. Wirklich sehr lesenswert!

So gesehen waren diese Restitutions-Gepräge einfach nur Buhlen des Kaisers um die Gunst der reaktionär-konservativen römischen Senatsaristokratie, um ihr die gestiegenen Steuerlasten "schmackhaft" zu machen. Und zwar genauso wie das hier auch schon angeklungen war: Mit dem "althergebrachten" Bild der Restitutions-Münzen (die wohl wirklich nur für besondere - sprich senatorische - Empfängerkreise gedacht waren, deshalb ihre heutige exzessive Seltenheit!) soll auch deren "alter Wert" symbolisiert werden; neben der eben schon erwähnten Betonung der positiven Bezugnahme auf und propagandistischen Anknüpfung des Kaisers an deren "Gute Alte[tm]" Prägezeit.

Irgendwo las ich jetzt mal in so einer Münzzeitschrift für Moderne-Sammler, daß irgendsoeiner der "Üblichen Verdächtigen[tm]" bei den Firmen für Sammler-(genauer: "Anleger"-)Abzocke jetzt Deutsche Reichsmünzen als Nachprägung herausbachte - und zwar nur in 585er statt wie original in 986er (oder wie der Feingehalt damals war...) Gold. Ein Schelm, wer hier ... :evil:
Numismatische Grüße,

Euer Chandra

octavian
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Beitrag von octavian » Fr 08.02.08 14:39

Würde man der Theorie folgen, die Einschmelzaktion war explizit wegen der Restitutionsmünzen, dann ist zu fragen, warum hat man extra Münzen dafür eingeschmolzen? Warum aber wurde lediglich eine Auswahl jener eingezogenen Münzen der Vergangenheit in die Serie der Nummi Restuti aufgenommen? Warum wurde das Aussehen zahlreicher Prototypen bei deren Nachprägung verändert? Warum wurden sogar Motive ganz neu geschaffen, ohne dass es für sie je ein Vorbild gab? Es kann viele Gründe geben. Durch die Einschmelzaktion wären die Origiale verloren gegangen, es waren immerhin Zeugnisse der römischen Erfolgsgeschichte, die ansonsten unwiderbringlich verloren gewesen wären. Wolters (1999), 278) vermutet sogar, die Serie könnte eine herscherliche Geste an antiquarisch interessierte Kreise gewesen sein, sozsagem die antiken römischen Numismatiker, und Trajan wollte sie prägefrisch ersetzen? Dieser Gedankte gefällt mir als Sammler natürlich, denn warum sollte es damals nicht schon Leute wie wir gegeben haben, die seltene oder Münzen mit besonderem historischen Hintergrund sammelten? Natürlich nicht ohne seine Urhebeschaft in der Titulatur hervorzuheben. Oder vielleicht nur eine Erinnerung an große Männer und ihre Taten? Dies könnten alles Gründe für die Prägung sein. Reine Profitgier würde ich nicht vermuten, dazu war die Serie doch viel zu klein. Hauptgrund für die Restitutionsmünzen war sicherlich der, dass Trajan seine Herschertugenden und politischen Programme und Erfolge mit denen der glorreichen Republik messen wollte.

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Chandragupta
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Beitrag von Chandragupta » Fr 08.02.08 15:03

Es gibt dafür zwar keine "echten" - also literarischen oder archäologisch völlig zweifelsfreien - Belege dafür, daß zumindest in der Römerzeit schon Münzen als Zeitdokumente gezielt gesammelt wurden; aber da kannste trotzdem drauf wetten, daß das so war.

Das liegt einfach so in der menschlichen Natur.

Auch unmittelbar(!) nach Erfindung der Briefmarken wurden die schon gesammelt. :)

Diese veränderten Neuprägungen richteten sich also in der Tat an "Kenner", die deren Motive zu würdigen wußten. So wie heutige "offizielle" Nachprägungen alter Motive auch.

Die Einschmelzaktion als solche hatte damit inhaltlich in der Tat nichts direkt zu tun; da ging's in der Tat vordergründig eher um das enthaltene Mehr an Silber zur Kriegsfinanzierung und als Nebeneffekt auch darum, WIRKLICH "abgelatschte" (wie wir Sachsen jetzt sagen würden ;) ) Münzen aus dem Verkehr zu ziehen, da diese "kaum noch prüfbaren Silberblechscheiben" nämlich sonst das Aufkommen schlecht gemachter Fälschungen erleichtert hätten. Auch Sueton erzählt uns ja, daß "nicht absolut scharf geprägte" Münzen von Neros Steuereinnehmern nicht akzeptiert wurden, was manchen Leuten beim Steuerzahlen Schwierigkeiten bereitet hätte.

Die Herausgabe der Restitutionsmünzen war zwar zeitlich etwa parallel, hatte aber inhaltlich nichts damit zu tun. Und wenn: Nur als Teilaspekt der Traianischen Kriegspropaganda, wie ich oben schrieb. Zwei Fliegen mit einer Klappe...

Leute, Ihr müßt mehr wirtschaftsgeschichtlich denken! :)

Und es war wirklich so, daß auch wenige Prozent Unterschied beim Feingehalt damals schon von Kennern (und die saßen im Schatzamt bzw. der Münzstätte!) recht sicher erkannt und auch ausgenutzt wurden: http://de.wikipedia.org/wiki/Greshamsches_Gesetz
Numismatische Grüße,

Euer Chandra

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Beitrag von curtislclay » Fr 08.02.08 16:33

Wollen die zwei Zweifler auch behaupten, dass die Restitutionsmünzen von Traian Decius nichts mit seiner Überprägungsaktion von alten Denaren zu tun hatten, und dass Claudius' Restituierung von Caligulas Agrippina-Sesterz, Germanicus-As, und Divus Augustus-Dupondius sicherlich von der Einschmelzung deren Vorlagen als Münzen des verfemten Caligula getrennt werden sollte?

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Chandragupta
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Beitrag von Chandragupta » Fr 08.02.08 16:50

Der eine Zweifler bezweifelt vor allem, daß die Überprägungen auf alte Denare ein Spezifikum von Traianus Decius gewesen seien! :?

Ich kenne nämlich sowas auch von Philippus I (Antoniniane aus sehr gutem Silber im Denargewicht und auf deshalb ganz dünnen Schrötlingen mit Überprägungsspuren). Und wo sind dessen Consecratio-Prägungen für diverse Vorgänger? :wink:

Gerade bei den "Divi"-Münzen des TD bin ich bisher immer davon ausgegangen, daß die allein Ausdruck von dessen Herrschafts- und nicht von dessen Geldpolitik sind (letztere belegen eher die erstmals wieder geprägten Semisses, sowie die neu "erfundenen" Doppelsesterzien).

Außerdem sind diese Consecrations-Münzen nun was völlig anderes als Restitutionsprägungen im eigentlichen Sinne (wie die unter Traian es sind). Für diverse Kaiser gab's ja gar keine alten Vorbilder für diesen Typ: Commodus, Severus Alexander, ...

Diese hochinteressante Serie von Traianus Decius ist gerade dadurch als reine Herrschaftspropaganda zu werten!

Und wieso sind die nur in Mailand und nicht in Rom geprägt worden? Da passen doch "Restitutionsprägungen" "eigentlich" viel eher hin!
Numismatische Grüße,

Euer Chandra

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Beitrag von curtislclay » Fr 08.02.08 17:12

Chandragupta hat geschrieben:
Ich kenne nämlich sowas auch von Philippus I.
Wo denn? Ich habe mich eingehend mit der Münzprägung von Philippus I. befasst und kenne von seiner Regierung keine überprägten Antoninane.

Im Dorchester-Fund:

6990 Antoniniani von Philipp I. und seiner Familie, aber keine Überprägung festgestellt.

2230 Antoniniani von Decius und Familie, 1407 von Gallus und Familie. Darunter 24 überprägte Stücke von Decius, Etruscilla, Herennius, Hostilian, Gallus und Volusian, wo der Untertyp noch feststellbar war. "In addition to these, however, there were some twenty-five other coins which were certainly overstruck, but the undertypes could not be recovered. In very many other cases, over a hundred in all, overstriking could be suspected, but not proved." (Mattingly, Num. Chron. 1939, S. 41)

Die Überprägungen sind also doch ein Spezifikum von Decius (späte Regierszeit) und Gallus (Anfang seiner Regierung).

RICs Zuweisung der Divi-Prägungen nach Mailand ist ein Irrtum, sie wurden in Rom geprägt.

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Chandragupta
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Beitrag von Chandragupta » Fr 08.02.08 17:48

Der "interessanteste/zeifelsfreiste" überprägte Philippus I ist nicht meiner, sondern er gehört einem guten Sammlerfreund aus Berlin.

Der ist definitiv überprägt, also Spuren des Untergepräges sind noch deutlich(!) sichtbar (früher Stil; Rv.: LAETITIA). Erst als ich dieses Stück sah, wurde mir überhaupt klar, daß mein bisher von mir "nur" als "aus besonders gutem Silber" betrachteter Philippus I (Datierung "P M TR P IIII") auch so ein überprägter Denar ist.

Aber ein Bild bringt hier nichts, da das Stück auch bei genauestem Hinsehen keinerlei Überprägungsspuren aufweist und das gute Ag deshalb auch daher kommen könnte, daß zufällig mal ein fast reiner Silberklumpen aus der Legierung für den Schrötling geschöpft worden ist. ;) (Das Stück ist mit einem ganz neuen, hoch polierten Stempel hergestellt. Gaaaaaanz früher, zu DDR-Zeiten - ich habe das Stück seit 1979! - hielt ich diese Münze deshalb für eine moderne Fälschung aus gutem Silber. Daß das Stück wirklich echt ist, bekam ich erst Mitte der 80er Jahre mit...)

Den Kontakt zu dem Sammler kann ich Dir herstellen. Schreib mir eine PN.
Numismatische Grüße,

Euer Chandra

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Beitrag von curtislclay » Fr 08.02.08 18:15

Eine oder zwei Ausnahmen, falls sie bestätigt werden können und nicht z.B. nur antike Fälschungen sind, werden aber nichts an der Feststellung ändern können, dass die Überprägungen doch ein Spezifikum von Decius (späte Regierszeit) und Gallus (Anfang seiner Regierung) sind, wie die Dorchester-Zahlen eindeutig beweisen!

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Beitrag von El Che » Fr 08.02.08 18:42

Leute, Ihr müßt mehr wirtschaftsgeschichtlich denken!

Und es war wirklich so, daß auch wenige Prozent Unterschied beim Feingehalt damals schon von Kennern (und die saßen im Schatzamt bzw. der Münzstätte!) recht sicher erkannt und auch ausgenutzt wurden: http://de.wikipedia.org/wiki/Greshamsches_Gesetz
Grundsätzliche Anmerkung: Ich warne davor, wirtschaftliche Erkenntnisse/Theorien/Modelle unserer Zeit unreflektiert auf die Antike anzuwenden. In der Zeit des "homo oeconomicus" neigen wir dazu, solche gerne für Naturgesetze zu halten - wo sie doch nichts anderes als Ausdruck einer zeitgebundenen Mentalität sind.

Liebe Grüße,
Uli

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Beitrag von Chandragupta » Sa 09.02.08 08:03

Warum? Das Greshamsche Gesetz ist ein wirtschaftliches GRUNDGESETZ, das in der Antike selbstverständlich auch schon galt!
Numismatische Grüße,

Euer Chandra

octavian
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Beitrag von octavian » Sa 09.02.08 11:19

Hallo,
die Restitutionsmünzen sind, wie ich meine, völlig losgelöst von anderen Herrschern zu sehen. Die Consecrationsmünzen und Überprägungen kann man mit den Restitutionsmünzen nicht vergleichen. Und eine Überprägung hat vielleicht tatsächlich auch mit der Knappheit des Metalls zu tun? Ich denke, diese Überprägungen können nur "in der Not" entstanden sein. Um nochmals auf die Restitutionsmünzen des Trajan zurück zu kommen. Der Grund der Ausgabe ist sicher nicht allein darin zu suchen, dass man die guten alten Zeiten in Erinnerung zu rufen versuchte, sondern sicher auch darin begründet, dass sich Trajan bewußt damit messen lassen wollte, ja damit ausdrücken wollte, dass er sogar noch, sagen wir mal, eins oben drauf setzte mit seinen Programmen und Taten. Bestes Beispiel ist ja auch z.B. das Trajansforum und die Trajansäule. Es war etwas völlig neues in Rom, noch nie dagewesenes in dieser Art. Auch darin hat Trajan ein eindeutiges Zeichen setzen wollen. Somit sind die Restitutionsmünzen nicht durch Zufall entstanden, und schon gar nicht aus Profitgier. Ich denke, der höhere Silberanteil war nicht der Hauptgrund diese einzuschmelzen, insofern schließe ich mich Elche an unsere Maßstäbe von heute auf damals 1:1 anzuwenden.

Die Einschmelzaktion würde ich damit begründen, dass in der Tat abgegriffenes Geld aus dem Verkehr gezogen werden sollte, und womöglich auch Staatsausgaben oder Kriege mitfinanziert wurden.

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Beitrag von El Che » Sa 09.02.08 13:59

Warum? Das Greshamsche Gesetz ist ein wirtschaftliches GRUNDGESETZ, das in der Antike selbstverständlich auch schon galt!
Sagt wer? Wir müssen hier keine fachmethodische Diskussion führen, aber Historiker besinnen sich nicht umsonst in den letzten Jahren des Begriffs der Mentalität.

Liebe Grüße,
Uli

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Beitrag von curtislclay » So 10.02.08 21:28

octavian hat geschrieben: die Restitutionsmünzen sind, wie ich meine, völlig losgelöst von anderen Herrschern zu sehen.
Ich dagegen meine, dass die Restitutionsmünzen Traians nur über diejenigen anderer Kaiser zu verstehen sind.

Ablehnung dieser grundsätzlichen Prämisse schliesst, meine ich, rationale Beweisführung und Feststellung des wahren Sachverhalts aus!

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Beitrag von Chandragupta » Mo 11.02.08 09:41

El Che hat geschrieben:
Warum? Das Greshamsche Gesetz ist ein wirtschaftliches GRUNDGESETZ, das in der Antike selbstverständlich auch schon galt!
Sagt wer? Wir müssen hier keine fachmethodische Diskussion führen, aber Historiker besinnen sich nicht umsonst in den letzten Jahren des Begriffs der Mentalität.

Liebe Grüße,
Uli
Sorry, falls ich mir jetzt hier Feinde mache, aber das ist doch ausgemachter Blödsinn!

Man mag von Marx' GesellschaftsUTOPIEN (Stichwort: "klassenlose Gesellschaft" als Ziel aller menschlichen Geschichte) halten, was man will (für mich sind die Schwachsinn zur Potenz; doch wer da fest dran glaubt: "Des Menschen Wille ist sein Himmelreich..."), aber die von Marx und insbesondere Engels angewendete Methode des Dialektischen und insbesondere Historischen Materialismus ist perfekt in der Lage, hervorragende Erklärungen für abgelaufene (wirtschafts)geschichtliche Prozesse zu liefern: http://de.wikipedia.org/wiki/Historischer_Materialismus

Deshalb gehen gerade die besten(!) Numismatiker/Geldgeschichtler von diesen Prämissen aus (manche schreiben's nur nicht ganz explizit in ihre Schriften, um bei so Leuten wie Dir nicht "anzuecken" - z.B. Christopher Howgego in "Geld in der Antiken Welt"; während Rekha Jain in seinen geldgeschichtlichen Studien zu Indien ganz klar diese Methodik für seine Forschungen benennt).

Das was hier bezüglich der schleichenden Verringerung des Feingehaltes der Aurei und Denare gesagt wurde, ist natürlich bezogen auf den "Binnenwert" des Geldes unmittelbar zur Zeit von dessen Emission völlig korrekt: Da hat die "einfache Bevölkerung" das natürlich nicht sofort gemerkt, daß da im Laufe der Zeit Bruchteil für Bruchteil eines Gramms immer weniger Edelmetall enthalten war: Ein Denar war eben ein Denar war ein Denar! Sonst hätte ja das Geld seine Hauptfunktion im Alltag verloren (einfaches Abzählen statt kompliziertes Wiegen als Vorteil der geprägten Münze mit staatlich garantiertem Wert). Nur wenn es derart "schleichend" abläuft, kann das ja überhaupt funktionieren... es darf eben nicht "jedermann sofort" auffallen, daß der "innere Wert" des Geldes immer weniger wird.

Aber im Außenhandel stellte sich das ganz anders dar. Dort wurde das Geld ja irgendwann mal umgeschmolzen (zumindest wurde bei großen Zahlungen zuerst mal vom Empfänger per Kupellation exemplarisch der Feingehalt der Münzen getestet), und da flog das auf, daß eben immer weniger "drin" war in den Römermünzen. Zunächst(!) beeinflußte das jedoch nur die Preise für Importgüter - deren Erhöhung schlug dann aber mittelfristig auch auf das Binnen-Preisniveau durch. Die Folge: Inflation. Deren Höhepunkt: Soldatenkaiserzeit im 3. Jh. Doch begonnen hat die schon unter Nero, wenn auch zunächst "schleichend". Das haben ja sogar schon antike Schriftsteller bemerkt: In Petronius cap. 44 (der schrieb unter Nero!) wird kolportiert, daß "früher" (vor ca. 15 Jahren, am Beginn der Regierungszeit des Claudius) man "für ein As soviel Brot kaufen konnte, daß davon zwei Leute satt wurden; jetzt habe ich schon Ochsenaugen gesehen, die größer sind [als ein Brot für 1 As]". Okay, Petronius ist Satiriker, der übertreibt etwas, aber die Tendenz kommt durchaus hin, trotz Überspitzung.

Und auch hier galt das dialektische Gesetz des Umschlagens von Quantität in eine neue Qualität.

Selbst wenn der Feingehalt des römischen Aureus noch nicht wirklich sooooo stark gesunken war, so war die Einführung des Antoninians unter Caracalla und damit letztlich die dadurch demonstrierte Aufgabe der Silberdeckung der römischen Währung der Auslöser für die größte Münzreform der Alten Welt (die nur leider den meisten der "Nur-Römer-Sammler" kaum was sagen wird, auch wenn sie später extreme "Nebenwirkungen" für das Römerreich haben sollte): Die Einführung eigener Goldmünzen nach "altem, römischen Standard" (ca. 8 g Feingold) unter dem Kushankönig Vima Kadphises zur sicheren (d.h. "wirklich werthaltigen") Abwicklung des Fernhandels mit Indien und China entlang der Seidenstraße (diese Währungsreform erfolgte um das Jahr 215...217 u.Z. herum - zuvor liefen im Gebiet der Kushana nur römische Goldmünzen um, sowie im 1. und 2. Jh. zu kleinen, anonymen, AE-22mm verfallene ehemalige Tetradrachmen, die fast anderthalb Jahrhundete lang in riesigen Stückzahlen ausgemünzt wurden...).

Denn diese Maßnahme der Römer, sich von der gewohnten und für die Außenhandelsparität der römischen Reichsmünzen extrem wichtigen Bimetallität ihrer Währung zu lösen, untergrub das Vertrauen der Fernhandelspartner auch in das römische Gold, wie man's ja schon wenige Jahrzehnte später an der Entwicklung des Aureus deutlich sieht: Auch gemünztes Gold wurde dann nur noch gewogen, nicht mehr abgezählt.

Vima Kadphises hat offenbar einen superguten "Finanzminister" gehabt, der diese Entwicklung schon lange vorher "gerochen" hat und mit dem Mittel eigener Währungspolitik gegensteuerte. 8)

So, genug Lektion über die Weltwährungsgeschichte in der Antike! Wollte nur ein paar Hinweise auf die größeren gesellschaftlichen Zusammenhänge geben und ein bißchen über den "römischen Tellerrand" hinausgucken... :!:

Aber einen habe ich noch :wink: : 1 US-$ "enthält" heute größenordnungsmäßig ca. 33 mg Feingold. Vor wenigen Monaten waren's noch fast 50 mg, also ca. die Hälfte mehr. Dennoch ist das immer noch "einundderselbe" US-$. Zumindest binnenwährungsmäßig. Doch spätestens, wenn man sich dann einen goldenen Trauring für die zweite Ehe kauft, merkt man, daß dessen Werthaltigkeit doch nicht mehr wie früher ist... So ähnlich ging das auch den Römern im 3. Jh.

Denkt da mal drüber nach!
Numismatische Grüße,

Euer Chandra

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