Erhaltungsgrad?

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

Moderator: Homer J. Simpson

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Peter43
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Beitrag von Peter43 » So 24.02.08 23:12

Hallo Nephrurus!

Ich glaube nicht, daß Bezeichnungen wie 'fast sehr schön' oder 'gutes SS' Schönredereien sind. Sie sind vielmehr der Ausdruck dafür, daß die Einteilung in die Gruppen S, SS, VZ zu wenig abgestuft und den tatsächlichen Gegebenheiten nicht angepaßt genug ist. Deshalb ist es doch verständlich, daß man Zwischenstufen benutzt. Das macht doch auch jeder Lehrer in der Schule!

Mit freundlichem Gruß
Omnes vulnerant, ultima necat.

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helcaraxe
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Beitrag von helcaraxe » Mo 25.02.08 09:01

Ich denke, hier werden wir nicht zu einer Einigung kommen. Der Streit um die Erhaltungsgrade ist so alte wie das Sammeln selbst.
Allen Behauptungen zum Trotz wird es niemals eine hundertprozentige Objektivität geben, weil zu viele persönliche Bewertungen in so eine Einschätzung hineinspielen.

Daher werde ich mich in Zukunft aus Diskussionen die Erhaltung betreffend heraushalten.
Viele Grüße
helcaraxe
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[i]Höflichkeit ist wie ein Luftkissen: Es mag zwar nichts drin sein, aber sie mildert die Stöße des Lebens.[/i] -- Arthur Schopenhauer

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Chandragupta
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Beitrag von Chandragupta » Mo 25.02.08 09:48

Helcaraxe hat recht - hier zu diskutieren bringt nicht wirklich was.

Die vom seriösen Münzhandel benutzte Klassifizierung ist auch die, die ich persönlich verwende, und da geht in den Erhaltungsgrad antiker Münzen folgendes ein (fallende Priorität):

- Prägequalität
-- Schärfe (also frischer oder "abgelatschter" Stempel)
-- zentriert/dezentriert
-- Doppel-/Mehrfachschlag
-- ...

- Korrosion/Patina

- Schrötlingsform (Vollrandigkeit/Größe, Risse, Ausbrüche, etc.)

- Umlaufabnutzung

- Stil

- Erhaltung/Vollständigkeit der Versilberung bei "weißgesiedeten" Antoninianen

- etc. pp. ...

Alles zusammen ergibt dann u.U. auch für eine objektiv(!) prägefrische(!) Münze nur ein "ge", wenn die - wie viele Hochinflations-Antoniniane - nur ganz, ganz flüchtig mit ganz flauen Stempeln auf viel zu kleinem Schrötling geprägt ist, ansonsten aber keine "Umlaufspuren" i.e.S. zeigt.

Der hier im Thread oben gezeigte Septimius Severus ist für mich allenfalls ein "nge" (noch gut erhalten), sowas würde ich mir höchstens als Belegstück in die Sammlung legen. Wäre mir viel zu korrodiert! Dafür bezeichne ich Stücke die scharf geprägt sind, mit feiner, voller, die Details des Reliefs sogar betonender, Patina, vollrandig, von gutem Stil, aber mit ein paar Umlauf-Abnutzungen der obersten Reliefpartien, durchaus sogar mal als "fvz". Z.B. das hier aus CoinArchives gezeigte Stück ist m.E. eindeutig ein "ss+" und eine Augenweide für jede Severer- oder "Mythologiethemen"-Sammlung.
Zuletzt geändert von Chandragupta am Mo 25.02.08 10:23, insgesamt 1-mal geändert.
Numismatische Grüße,

Euer Chandra

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areich
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Beitrag von areich » Mo 25.02.08 10:18

Aber es ist doch widersinnig eine schlecht geprägte aber super erhaltene
Münze als 'ge' (gering erhalten) einzuschätzen.
Zumindest kann man das dann nicht 'Erhaltung' bezeichnen.
Natürlich ist eine Einteilung, die diese Faktoren berücksichtigt, sinnvoller
aber es ist eben kein Erhaltungsgrad.

Andreas

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Chandragupta
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Beitrag von Chandragupta » Mo 25.02.08 10:39

Andreas,

die "Erhaltungsgrade" in der Sammlerwelt dienen der WERTermittlung (aus Sicht der Sammler) und kommen nunmal von den modernen Münzen her, die alle maschinell, also völlig gleich geprägt sind, die demnach alle in IDENTISCHER Qualität die Münzstätte verlassen haben. Da ist das passend, das primär auf Umlaufspuren ("Abnutzungsgrad") zu beziehen.

Bei antiken bis frühneuzeitlichen Münzen (also vor der Einführung der Prägemaschinen) ist das nicht opportun, da schon eine "prägefrische" Münze jener Zeit aus Sammlersicht einen wertmindernden Zustand haben kann. Ich brachte ja als "Musterbeispiel" den total flau geprägten Massen-AE-Antoninian (guck' Dir mal "typische Quintillusse" an...).

Dazu kommt bei Alten Münzen auch noch die Lagerung (Korrosion, Patina, Grünpest, ...).
Numismatische Grüße,

Euer Chandra

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Xanthos
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Beitrag von Xanthos » Mo 25.02.08 10:45

Ich stimme Andreas vollkommen zu. Der Erhaltungsgrad einer antiken Münze sollte sich wirklich nur auf die Erhaltung bzw. Abnutzung beziehen und nicht auf sonstige Mängel. Andere Wertmindernde Umstände sollten separat erwähnt werden.

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chinamul
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Beitrag von chinamul » Mo 25.02.08 10:46

Das Hauptproblem bei der Beschreibung des Bildes, das eine Münze bietet, ist doch, daß es sich bei den Begriffen "schön" und "sehr schön" um ausschließlich ästhetische Kategorien handelt, die sich einer Präzisierung per definitionem von vornherein entziehen. Man muß sich doch nur einmal vergegenwärtigen, wieviele schönste Babys der Welt in jeder Sekunde geboren werden und in wieviele allerschönste Frauen sich in jedem Augenblick Millionen von Männern verlieben, um ermessen zu können, wie subjektiv diese Bewertung ist. Da können die Jury-Mitglieder einer Miss-Wahl noch so viel mit dem Maßband herumhantieren: Sie werden zu keinem objektiven Urteil kommen, weil es das bezüglich der Schönheit einfach nicht geben kann. Es gilt für die Münzen das, was auch überall sonst gilt und was mit der folgenden Redensart treffend formuliert wird: "Schönheit liegt im Auge des Betrachters."
Für die Beschreibung von Münzen gilt daher ausnahmsweise mal der Spruch, den weniger sprachmächtige Zeitgenossen ständig als Rechtfertigung im Munde führen: "Ein Bild sagt mehr als tausend Worte."

Gruß

chinamul
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Chandragupta
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Beitrag von Chandragupta » Mo 25.02.08 11:04

@Xanthos & chinamul:

Ich bin sicher kein Freund von Herrn Kankelfitz (der ist mir als Autor fachlich zu unseriös), aber in seinem Katalog hat er einen sehr, sehr treffenden Satz zu genau diesem Thema gesagt, sinngemäß (ich habe das Buch gerade nicht greifbar): Die Erhaltungsgradangabe sollte den Wert aus Sammlersicht klassifizieren helfen. Weitere verbale Erläuterungen der Händlerwelt wie "schönes Porträt", "wundervoller Stil" etc. beflügeln zwar die Phantasie des Sammlers, sind aber letztlich nichtssagend.

Natürlich ist bei antiken Münzen eine Einschätzung ALLEIN anhand eines gut gemachten Bildes möglich. Deshalb sind ja bei seriösen Auktionen auch immer fast alle Münzen abgebildet (bei nichtabgebildeten Stücken weiß der Sammler dann eh: "Ist bestimmt Schrott, auch wenn da 'ss' als Erhaltungsangabe dran steht").

Dennoch habe ich meinem privaten Sammlungskatalog Erhaltungsgrade (getrennt nach Av/Rv) drin. Und zwar ohne allzuviel "erläuternde Zusätze", außer vielleicht: "korr.", "Schrtlf.", "DS" (Doppelschlag), bzw. Angabe der Patinafarbe ("brgn Pat" - "braungrüne Patina"), "fleck. Silbersud" - und in Ausnahmefällen auch mal "Rv aus sehr fl. St." oder sowas (z.B. als Erläuterung, warum diese Münzre als "vz/ge" bezeichnet wird).

"Stil" und "Schönheit" liegt natürlich immer im Auge eines Betrachters! Das ist banal, das muß man mir als Sammler von für Römer-Fans oftmals einfach nur "krude" oder "barbarisch" wirkenden asiatischen Münzen (Kushana, Inder, Hunnen, etc.) nun nicht mehr erzählen. Folglich enthält mein Katalog auch keine solchen Angaben.

Im übrigen haben sich Systematiken wie beim Papiergeld (mit röm. Zahlen, "I" bis "IV", zur Vermeidung von solchen wertenden Begriffen wie "schön") leider(!) bei den Münzen nicht durchgesetzt. Die wären auf jeden Fall deutlich besser/objektiver, stimmt!! :idea:
Numismatische Grüße,

Euer Chandra

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Beitrag von n.......s » Mo 25.02.08 11:48

Xanthos hat geschrieben:Ich stimme Andreas vollkommen zu. Der Erhaltungsgrad einer antiken Münze sollte sich wirklich nur auf die Erhaltung bzw. Abnutzung beziehen und nicht auf sonstige Mängel. Andere Wertmindernde Umstände sollten separat erwähnt werden.
...etwas anderes wird doch gar nicht verlangt ! Dazu gehören aber eben nicht nur der Grad der Abnutzung sondern auch Veränderungen - z.B. durch Korrosion .
Weiter oben wurde ja darauf hingewiesen , dass die Münze gar nicht so sehr abgenutzt - sondern viel mehr korrodiert sein ... Durch den Erhaltungsgrad bestimmen wir aber den Wert durch den Erhaltungszustand - die Entstehungsgeschichte ist da unerheblich. Es zählt der aktuelle Zustand - und wenn dieser besagt , dass Legenden vollkommen "verschwunden" sind - also nicht vorhanden , dann interessiert mich nicht , warum das so entstanden ist - sondern ich beziehe mich auf diesen Fakt und eben dieser lässt eine bestimmte Klassifizierung zu oder eben nicht.

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Beitrag von chinamul » Mo 25.02.08 12:17

Für meine private Buchhaltung verwende ich natürlich ebenfalls die Bezeichnungen "schön" (= gefällt mir) und "sehr schön" (= gefällt mir sehr), weil sie nur für mich selbst bestimmt sind. Wenn ich dann mit meinem "Handheld" auf Messen unterwegs war, konnte ich zumindest ansatzweise beurteilen, ob ein günstig angebotenes anderes Exemplar des gleichen Stücks mich vielleicht noch mehr ansprechen würde, und allein darum geht es mir. Wenn ich hingegen Münzen veräußere, mache ich grundsätzlich keine Aussagen über die Erhaltung, sondern liefere entweder ein Bild oder mache eine Ansichtssendung.

@Chandra
Hiermit bitte ich um Entschuldigung dafür, banale Feststellungen getroffen zu haben, aber es war nicht ausschließlich Deine werte Person, an die sich meine Ausführungen gerichtet haben..

Gruß

chinamul
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Beitrag von Xanthos » Mo 25.02.08 13:27

@nephrurus
Angenommen wir haben eine Münze deren Legende teilweise korrodiert, das Porträt jedoch vorzüglich erhalten ist und wir müssen diesen Zustand ohne Bilder wiedergeben. Genau dann ist eben die Notation "VZ, jedoch Teile der Legende korrodiert" vorzuziehen.

@Chandragupta
Die Erhaltungsgradangabe sollte den Wert aus Sammlersicht klassifizieren helfen. Weitere verbale Erläuterungen der Händlerwelt wie "schönes Porträt", "wundervoller Stil" etc. beflügeln zwar die Phantasie des Sammlers, sind aber letztlich nichtssagend.
Das sehe ich sowohl als Sammler, wie auch als Händler aber vollkommen anders. Wenn die Erhaltungsgradangabe tatsächlich den Wert klassifizieren sollte, wäre eben diese auch vom Stil, der Patina, etc. abhängig, was dann weiss Gott nichts mehr mit der Erhaltung/Abnützung einer antiken Münze zu tun hat.

Mehr werde ich dazu nicht mehr sagen, da sich die Diskussion in diesem Thread, wie bereits bei seinen Vorgängern, im Kreis dreht.

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Beitrag von Chandragupta » Mo 25.02.08 14:12

@Xanthos:

Okay, ich sehe Deine "Kriegsflagge" (weiße Münze auf weißem Grund.... :P !), die Du gerade heftig schwenkst. Aber trotzdem von mir noch eine Anmerkung: Ich habe bei meiner o.g. (sicher nicht abschließenden, aber schonmal nach Wichtigkeit vorsortierten!) Liste der in den Erhaltungsgrad einer antiken Münze einfließenden Charakteristika den Stil aus gutem Grund ganz ans Ende gelegt, weil hier die "Geschmäcker" der Sammler wirklich GRUNDVERSCHIEDEN sind.

Aber wenn jemand, ohne eine Abbildung davon mitzugeben, irgendwem - sagen wir mal - einen Antoninian von Quintillus als "ss" anbietet, und der ist zwar "prägefrisch" (BTW: ich habe von sowas noch nie "abgegriffene" Stücke gesehen, weil die eh rein objektiv gar nicht lange zirkulieren KONNTEN, da sie spätestens 2 Jahre nach Emission von Aurelian ohnehin verrufen worden waren...!), diese Münze ist dann jedoch mit total flauem Stempel auf winzigem Schrötling geprägt und dann noch scharf gereinigt/korrodiert (sowas sieht man "Grabbelkisten" oft - das Wuschelköpfchen von Quintillus sticht einem ja sofort ins Auge ;) ! ), dann würde jeder Sammler so einem Händler das Ding um die Ohren hauen und sagen, daß in diesem Falle die Angabe "ss" eine Unverschämtheit sei. Und zwar völlig zurecht! Ob da nun zusätzlich auch noch der Stil "barbarisch" (oder zumindest recht schematisch - wie bei Quintillus' Hochinflationsgeld ja oft üblich...) ist, ist dann wirklich schnuppe.
Numismatische Grüße,

Euer Chandra

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