Seite 2 von 4

Verfasst: So 09.03.08 13:16
von chinamul

Verfasst: So 09.03.08 13:21
von tilos
So ein Abklatsch (im Druckereigewerbe nennt man das so, wenn ein frisch bedruckter Papierbogen auf die Unterseite des aufgelegten Bogens "negativ" abfärbt - Philatelisten kennen dieses Phänomen ebenfalls) könnte doch theoretisch auch dadurch entstehen, wenn eine bereits geprägte Münze am oberen Stempel kleben bleibt, ein neuer Schrötling aufgelegt und weitergeprägt wird. Dann bemerkt man das Problem, entfernt die Münze vom Oberstempel und prägt nocheinmal korrekt. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass beim direkten Zusammenschlagen der untere Stempel völlig unbeschädigt bleibt und keinerlei Spuren darauf zurück bleiben. Aber dass ist alles sehr theoretisch. Wie ist es eigentlich mit dem Doppelschlag - müsste der nicht in jedem Fall auf der Porträt(Unterstempel-)seite spezifische Spuren hinterlassen?
Man macht sich so seine Gedanken...
Gruß in die Runde
Tilos

edit: Wenn ichs mir nochmal durch den Kopf gehen lasse, ergäbe meine Variante ein anderes Bild, d.h. nicht die Konturen werden abgebildet, sondern die erhabenen Partien. Passt also im konkreten Fall nicht!

Verfasst: So 09.03.08 13:30
von Pscipio
@tilos: was du meinst, ist eine sogenannte "brockage"-Prägung, bei welcher das inkuse Abbild zumeist in aller Schärfe auftritt, siehe Foto im Anhang. Dabei handelt es sich um einen jeweils einmaligen Vorgang, denn die hängengebliebene Münze fällt danach aus dem Stempel bzw. wird entfernt. Das "Clashed die"-Phänomen hingegen tritt ab dem Zeitpunkt der Beschädigung bei allen Münzen auf, die mit diesem Stempel geprägt werden, so finden sich dann ganze Serien von Münzen mit dem gleichen Fehler, eben weil das Problem beim Stempel selber liegt (vergleichbar mit einem Stempelriss) und nicht beim einmaligen Hängenbleiben einer Münze.

Gruss, Pscipio

Verfasst: So 09.03.08 13:35
von tilos
Homer J. Simpson hat geschrieben:Meines Erachtens wurde da kein Stempel ausgetauscht.

Der Rs.-Stempel wurde nicht zerstört beim Zusammenstoß; er trägt weiterhin das Rs.-Bild, nur zusätzlich den Eindruck des Vs.-Stempels, der an einigen Stellen (auf der Rs. bei 9 Uhr) auch die normalen Buchstaben beeinträchtigt. Aber natürlich wurde der auch gehärtete Rs.-Stempel (evtl. war der Vs.-Stempel aus Stahl, der Rs.-Stempel aus einer harten Bronzelegierung, z.B. Glockenmetall?) nicht so stark deformiert wie eine Münze. Er hatte kein volles Porträt eingeprägt bekommen, sondern nur flache Umrisse. Er konnte schon noch weiterverwendet werden.

Viele Grüße,

Homer
Klingt sehr plausibel! Dann müsste jeweils auch eine Serie dieser "Varianten" stempelgleich ausgeprägt worden sein. Sind dafür Belege bekannt?

Gruß
Tilos


edit: Danke Pscipio, da hast Du gleich meine Frage beantwortet, bevor ich sie stellen konnte - der Server müsste mal geölt werden, klemmt ein wenig!

Verfasst: So 09.03.08 14:01
von Peter43
Ehrlich gesagt, sind diese Prägefehler nicht ganz leicht verständlich, wie man auch an den Beiträgen in Chinamuls Links gut sehen kann. Auch bei mir ging es wohl etwas durcheinander mit 'clashed dies' und 'restruck brockage'. Daß es letztere gibt, wird allerdings überhaupt bezweifelt (siehe Doug Smith http://dougsmith.ancients.info/brock.html )

Mit freundlichem Gruß

Verfasst: So 09.03.08 14:22
von chinamul
Homer J. Simpson hat geschrieben:Meines Erachtens wurde da kein Stempel ausgetauscht. ... Er hatte kein volles Porträt eingeprägt bekommen, sondern nur flache Umrisse. Er konnte schon noch weiterverwendet werden.
tilos hat geschrieben:Klingt sehr plausibel! Dann müsste jeweils auch eine Serie dieser "Varianten" stempelgleich ausgeprägt worden sein. Sind dafür Belege bekannt?
@tilos: Allerdings! Du mußt Dir nur einmal die Mühe machen, den ersten von mir oben eingestellten Link durchzulesen. Dort beschreibe ich einen Sesterz des Philippus I mit einer solchen Stempelbeschädigung, von dem ich zwei stempelgleiche Exemplare gefunden habe (leider nur eins davon in meinem Besitz, aber beide in Auktionskatalogen publiziert).

Gruß

chinamul

Verfasst: So 09.03.08 16:25
von drakenumi1
Ich habe dieses Beispiel zwar schon früher einmal in einem der von chinamul zitierten threads vorgestellt, allerdings nicht kopfstehend, das hole ich hier mal nach, daß die "Schönheit" dieser Kuriosität auch ohne Kopfverrenken betrachtet werden kann:
Die Konturen des nunmehr Linksportraits sind, besonders auf der Gesichtsseite, wunderbar gleichmäßig und scharf rings um die Providentia zu erkennen:

Follis 8,76 g, 26 mm

Verfasst: So 09.03.08 19:55
von lasta
Frage: kann man auf dem abgebildeten Rv. den Kaiser erkennen?

Also, das ist für Amateure wie mich, ein fantastischer Artikel. Den Begriff "clashed dies" kannte ich bisher nicht.

Für curtislclay war das sofort klar. Er hat das nur in einem sehr kurzen Satz gewürdigt. Als der Portugiese das kurz erklärte war alles klar, zumindest den Naturwissenschaftern oder technisch begabten. Den anderen mußte Homer, das noch weiter erklären und er hat das wunderbar gemacht.

Es schoß mir durch den Kopf, ich hatte doch irgendwo auch so ein Stück.
Ich habe nachgesehen von den 460 fotografierten Münzen habe ich drei Stück mit starkem Verdacht auf "clashed dies".
D.h. ~ jede 150 Münze zeigt diese phänomen relativ deutlich. Kommt also in geringerer Ausprägung sehr viel häufiger vor.

Ich, als von Fälschungen leidgeprüfter Sammler, freue mich, diese Fehlprägungen als Echtheitszertifikat zu sehen :D

Wenn es keinen deutschen Begriff für "clashed dies" gibt, so können wir ihn ja definieren. Hat jemand einen Vorschlag :idea:

danke lasta

Verfasst: So 09.03.08 20:19
von Peter43
Es ist natürlich einer der Tetrarchen. Ich tippe mal auf Diocletian.

Mit freundlichem Gruß

Tetrarchen

Verfasst: So 09.03.08 21:01
von lasta
Genau, es ist einer der Tetrarchen.
Die sind auch bei vollständiger Betrachtung nicht leicht voneinander zu unterscheiden. Also hat meine Fragestellung, abgesehen vom lustigen Rätselraten, keinen Sinn.
Diokletian ist es nicht, aber ich muss sagen, ich habe Porträts von Diokletian, die diesem Galerius (Maximianus) ähnlicher sind als andere Follis von Galerius.

lg lasta

Re: Follis 8,76 g, 26 mm

Verfasst: Mo 10.03.08 03:15
von Dietemann
lasta hat geschrieben:Wenn es keinen deutschen Begriff für "clashed die" gibt, so können wir ihn ja definieren. Hat jemand einen Vorschlag
Lichtenrader Prägung?

Gruß Dietemann

Verfasst: Mo 10.03.08 11:34
von chinamul
Der Begriff sollte schon von sich aus signalisieren, worum es geht, und das wäre bei "Lichtenrader Prägung" wohl eher nicht der Fall. Der von mir vor längerer Zeit benutzte Terminus "Leerschlag" hat nun ebenfalls eine Schwäche: Er beschreibt den handwerklichen Fehler, der zu einer Stempelbeschädigung führte und leider nicht das mit diesen Stempeln geprägte Ergebnis.
Obwohl ich Anglist bin, halte ich nicht viel von unnötigen Anglizismen in der deutschen Sprache, aber wenn der deutsche Ausdruck ebenso unpräzise wäre wie der englische oder auch sperriger, spricht nichts dagegen, diesen als fachsprachlichen Terminus zu übernehmen. Man hört es infolge des lautmalerischen "clashed" doch regelrecht knallen, wenn die beiden Stempel ohne dazwischenliegenden Schrötling aufeinandertreffen. Allerdings ist auch hier genaugenommen nicht die fehlerhafte Münze gemeint, sondern ebenfalls der Vorgang der Stempelbeschädigung. Da es aber meist wenig aussichtsreich ist, einen einmal eingeführten und allgemein verstandenen Begriff zu ersetzen, plädiere ich dafür, es bei den "clashed dies" zu belassen.
Man sollte sich auch mal die Sprache der Segler anhören, wo es in Ermangelung deutscher Entsprechungen von englischen Ausdrücken nur so wimmelt: Gräting, Reling, Saling, Cockpit, Wieling, Fender, Skylight, Top, Nock, Keep, Log(ge), Yardstick, um nur einige zu nennen. Niemand stört sich daran, und jeder Segler versteht, was gemeint ist.
Übrigens: Der englische Terminus steht logischerweise im Plural, also "clashed dies".

Gruß

chinamul

Verfasst: Mo 10.03.08 13:23
von Dietemann
Der Begriff Lichtenrader Prägung stammt nicht von mir, sondern das Phänomen wird in Wikipedia so beschrieben. Den englischen Begriff dazu habe ich erst vorgestern in diesem Thema gelernt.
Er wird im Deutschen übrigens recht häufig verwendet: so z.B.
http://www.numismatikforum.de/ftopic6800.html
http://www.numismatikforum.de/ftopic7956.html

Gruß Dietemann

Verfasst: Mo 10.03.08 16:23
von Peter43
Mich stört am Ausduck 'Lichtenrader Prägung' auch der direkte Bezug zur Moderne, der für antike römische Prägungen irgendwie unpassend erscheint.

Der deutsche Begriff Lichtenrader Prägung stammt auf dem Jahre 1976. Im Jahr zuvor wurden neue 5DM-Stücke ausgegeben, sodass das damals noch neue Motiv größere Beachtung fand. Einer Volksbank in Berlin-Lichtenrade fiel diese Fehlprägung auf, sie wurde zuerst für eine Münzfälschung gehalten. Es handelte sich damals um ein Exemplar aus dem Jahre 1975 mit Prägestätte G für Karlsruhe. Aus Wikipedia.

Mit feundlichem Gruß

Verfasst: Mo 10.03.08 22:55
von Numis-Student
Hallo Leute,
ich habe heute mittag mal wieder diesen Beitrag gelesen, mir ist etwas aufgefallen, aber ich habe mich nicht getraut, etwas zu schreiben :oops: Ich wusste nämlich nicht, was mich störte...
Schaut euch doch mal den Maximianus an !! Das ist kein Beleg von "clashed dies" !! Beide Portraits schauen nämlich in die selbe Richtung. Nach einem längeren Disput mit drei Experten der Uni kamen wir auf eine schlüssige Erklärung: Die Vs-Stempel wurden vorgepunzt, und bei diesem Stück ist die Kopf-Patrize versehentlich in den Rs-Stempel eingeschlagen, der Irrtum wurde bemerkt und anschliessend die normale Genius-Rs darübergraviert.
Und nebenbei: der Begriff "Lichtenrader Prägung" bezeichnet einen Prägefehler, der seinen Namen nach den 5ern bekam. Was spricht dagegen, diesen Begriff auf ältere Münzen mit gleichem Fehler zu übertragen ? Meiner Meinung nach nichts, da ein Begriff durchaus erst später (nach dem Auftauchen der Objekte) entstehen kann.
Beispiele reiche ich nach, wenn sie mir einfallen :wink:
Schöne Grüße,
MR