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Römische Beute aus Dortmund
Verfasst: So 14.09.08 22:53
von Wurzel
Hallo Zusammen,
ich habe heute auf der Münzbörse in Dortmund bei einem sehr lieben Menschen zwei kleine Römer erstanden.
Den ersten habe ich dank Wildwinds hoffentlich richtig bestimmt:
Geta als Ceasar
Denar 2,11gr; 19,35 x 17,82mm
Avers: P SEPTIMIVS GETACAES
barhäuptige Büste nach rechts, drapiert.
Revers: PROVID DEORVM
Schicksalsgöttin? nach links stehend, mit Szepter in rechter Hand deutet mit einem Stock auf einen Globus zu ihren Füßen.
RIC 51, RSC 170, BMC 458 SEAR RCV 7197
http://www.wildwinds.com/coins/sear5/s7 ... l#RIC_0051
Dazu habe ich doch ein paar Fragen, zeitgleich mit diesem habe ich einen Denar seines Bruders Caracalla erstanden, der 3,28 gr schwer ist, sind diese Gewichtsunterschiede Normal?
Wie habe ich mir den Gebrauch eines Denars im Alltag vorzustellen? Also was konnte man sich damit kaufen? Einen Bund Karotten im Angebot auf dem Wochenmarkt? Oder eine Amphore Garum?
Wie lange musste ein Mensch "schuften" um so ein Münzlein als Lohn zu erhalten?
Wie hoch ist der Silbergehalt zu dieser Zeit?
Vielen lieben Dank für eure Antworten
Micha
Verfasst: So 14.09.08 23:21
von Homer J. Simpson
Das sind viele gute Fragen! (Wie man so sagt: Gute Frage! Nächste Frage?)
Erst mal Gratulation zu dem schönen Porträtstück! Mitte der 70er war genau dieser Typ mein erster Denar. Aber nicht so schön erhalten. RIC 51 ist korrekt, der Münztyp ist häufig.
Der Silbergehalt ist nicht mehr ganz gut, aber auch nicht ganz schlecht - ich schätze mal grob 50-70%. Mit 2,11 g liegt Dein Denar ganz am unteren Ende der Gewichtsskala, aber so leichte Stücke gibt es auch als sicher offizielle Münzen, wie dein Denar eine ist - daß zeitgenössische Fälschungen dazu tendieren, zu leicht zu sein, ist ja eh klar. Die Schwankungsbreite ist enorm: Ich habe zwei Commodus-Denare identischen Typs mit Löwenfellporträt, einer wiegt 1,85 g und einer 3,85 g!
Die Frage nach der Kaufkraft ist eine der schwierigsten überhaupt - mein Schwiegervater fragt mich das JEDESMAL, wenn von antiken Münzen die Rede ist, und ich habe bisher noch kaum Brauchbares gefunden. Ein Besuch bei einer Prostituierten in Pompeji hat angeblich 2 Asse gekostet. Aber auch damals schon wird es hierbei große Qualitäts- und Preisunterschiede gegeben haben...
Für weitere Verweise und Links hierzu wäre ich auch sehr dankbar!!
Homer
Verfasst: So 14.09.08 23:31
von Peter43
Hallo Wurzel!
Die Gottheit ist Providentia, die Personifikation der vorausschauenden Planung oder der Vorsorge. Auf Münzen erscheint sie oft, wenn dem Kaiser ein Sohn geboren wurde, weil dann die Dynastie gesichert war.
1 Denar war ungefähr der Tagessold eines Legionärs, wenn ich mich nicht irre. Damit konnte er sich sozusagen alles kaufen, was er für einen Tag benötigte. Ob er aber davon noch etwas zur Seite legen konnte, das weiß ich nicht.
Mit freundlichem Gruß
Verfasst: So 14.09.08 23:34
von Numis-Student
Hallo,
mir gefällt die Übersetzung Providentia-Schicksalsgöttin nicht so sehr. Providentia wird meist als göttliche Vorhersehung übersetzt, und bezieht sich vor allem auf die "hoffentlich gute Regierung des neuen Kaisers (vgl. Pertinax). Das Schicksal der "Durchschnittsrömer" ist eher Fortuna.
Die Münze fefällt mir sehr gut.
Die Gewichte gehen bei coinarchives von 2,8 bis 3,7 g, also es sind durchaus Schwankungen zu erkennen.
Bei wikipedia findet sich die Angabe, dass die Praetorianer unter Septimius Severus 1500 Denare pro Jahr erhielten (
http://de.wikipedia.org/wiki/Pr%C3%A4torianergarde ), ich bin mir aber nicht ganz sicher, ob es da nicht einen Fehler in der Berechnung gibt.
Schade, dass ich Freitag nach Wien musste, ich wäre auch gern nach Dortmund gekommen
Schöne Grüße,
MR
Verfasst: So 14.09.08 23:40
von Numis-Student
Noch ein kleiner Literaturnachtrag:
http://www.amazon.de/Preise-Werte-Quell ... 515&sr=1-6 Stammt von meinem Professor, und ich hab es noch nicht gelesen

Verfasst: Mo 15.09.08 01:23
von gutzufuß
Hallo Wurzel,
dann sind wir uns heute in der Halle 2, unbekannterweise, über die Füße gelaufen. Mein stolzer Erwerb am heutigen Tag : für 20 € einen Kankelfitz , 3. Auflage in vz. Erhaltung. Der Kankelfitz ist viel detailierter und ausführlicher als der Kampmann und ich frage mich warum es von den Buch keine Neuauflage gibt.
Was Deine Frage betrifft möchte ich eine Ergänzung zur Besoldung der römischen Legion beisteuern.
Bis zur Zeit des Kaisers Domitian bekam ein einfacher Legionär 225 Denare "stipendium" im Jahr. Davon wurden ihm jährlich rund 140 Denare für Verpflegung (60 D) , Kleidung(50 D ) und Instandhaltung seiner Ausrüstung abgezogen. Und mit dem Rest mußte er halt sparsam umgehen. Wenn der Soldat sich nicht so viel in den Bordellen herumgetrieben hat und beim Würfeln ein einigermaßen glückliches Händchen hatte, blieben ihm nach Ablauf seiner Dienstzeit rund 1500 Denare übrig. Im ersten Jahrhundert kosteten 2.500 m² Ackerland rund 250 Denare.
Über die Besoldung der römischen Armee gibt es im Buch von Marcus Junkelmann , "Die Legionen des Augustus", ein ausführliches Kapitel.
Offiziere und Prätorianer hatten natürlich mehr bekommen als der
"gemeine Legionär ". Ein einfacher Centurio bekam den Fünfffachen Sold, ohne zusätzliche Bestechungsgelder versteht sich.
Es war Julius Caesar der zu seiner Regierungszeit den Sold auf 225 Denare verdoppelt hat und man kann getrost davon ausgehen, dass es mangels Gerwerkschaften bis zur Regierungszeit des letzten Flaviers keine intensiven Tarifverhandlungen hinsichtlich der Besoldung gab.
Schöne Grüße
gutzufuß

Verfasst: Mo 15.09.08 08:25
von antoninus1
Hat ein Legionär nach Ablauf seiner Dienstzeit nicht auch noch eine Abschiedszahlung und/oder ein Stück Land erhalten?
Zum regelmäßigen Sold kamen, glaube ich gelesen zu haben, auch noch Sonderzahlungen (zum Regierungsantritt eines neuen Kaisers oder zu einem Regierungsjubiläum) hinzu.
Verfasst: Mo 15.09.08 09:26
von andi89
Hallo!
Homer J.Simpson hat geschrieben:Der Silbergehalt ist nicht mehr ganz gut, aber auch nicht ganz schlecht - ich schätze mal grob 50-70%.
Wie man nun gut oder schlecht auslegt ist so eine Sache. Ab 194 lag der Silbergehalt jedenfalls bei nur noch 46 %. Das ist schon relativ wenig, wie ich meine.
Auf jedenfall ein schöner Geta-Denar, den du da erwerben konntest, Wurzel.
Die teilweise recht beträchtlichen Gewichtsschwankungen in dieser Zeit sind, wie schon durch andere dargelegt, völlig normal.
andi89
Verfasst: Mo 15.09.08 10:10
von pixxer
Zu dem Thema was man sich damals wofür kaufen konnte, habe ich auf einer Seite ein paar kurze Worte gefunden (wie genau das stimmt kann ich natürlich nicht beurteilen, aber seht selbst).
http://www.antikes-rom.de/
Dort auf "Münzen und Werte" klicken und dann auf "Preise, Werte, Prägestätten". Auf dieser Seite findet man ganz unten ein paar Preise von alltäglichen Dingen.
LG Pixxer
Verfasst: Mo 15.09.08 10:48
von helcaraxe
@Wurzel:
Schön jedenfalls, dass Dich der römische Virus ebenfalls erfasst hat! Dann werden wir Dich jetzt vielleicht öfter hier lesen!

Verfasst: Mo 15.09.08 12:04
von Wurzel
Liebe Freunde,
habt vielen Dank für eure Hinweise und Erklärungen. Das mit der Providentia habe ich mir jetzt hinter die Ohren geschrieben. Der römische Götterhimmel war recht voll, und es ist für mich da noch recht verwirrend.
Nur gut das die Römer noch keine Kirchensteuer kannten

das wäre bei der Masse dann recht Kostspielig geworden
Den Geta habe ich vor allem wegen des schönen Portraits gekauft. Die Münze sprach mich einfach an (Ey Du, kauf mich).
Den Caracalla zeige ich auch demnächst her, da möchte ich mich aber auch erst an der Bestimmung versuchen.
Micha
Verfasst: Mo 15.09.08 17:47
von Homer J. Simpson
Wurzel hat geschrieben:Den Geta habe ich vor allem wegen des schönen Portraits gekauft. Die Münze sprach mich einfach an (Ey Du, kauf mich).
Micha
Das sind meist die besten Kaufentscheidungen.
Homer
Verfasst: Mo 15.09.08 18:43
von areich
Meistens, aber manchmal läßt man sich auch hinreißen.
Dann gibt es eben eine Woche lang nur Spaghetti.
Wäre ich verheiratet dann wäre ich schon lange geschieden.

Verfasst: Mo 15.09.08 18:57
von Apocolocyntosis
Nur gut das die Römer noch keine Kirchensteuer kannten Wink das wäre bei der Masse dann recht Kostspielig geworden Wink
Hallo Wurzel,
dafür kannten die Römer so nette Steuern wie:
-Kranzsteuer
-Kopfsteuer ( hierfür betrug der Satz für nichtprivilegierte Einwohner eines Gaues das Doppelte als für die Bürger einer Metropole)
-Salzsteuer
-Fährkahnsteuer
-Schweinesteuer (würde diese Steuer in der BRD erhoben, wäre der Bund auf ewig saniert. Die Definition von "Schwein" bleibt jedem selbst überlassen

).
Natürlich ist die Liste höchst unvollständig, bietet aber Anlass zur Nachdenklichkeit

.
Ergebenst
Apo.
Verfasst: Mo 15.09.08 19:42
von beachcomber
Wurzel hat folgendes geschrieben:
Den Geta habe ich vor allem wegen des schönen Portraits gekauft. Die Münze sprach mich einfach an (Ey Du, kauf mich).
Micha
Das sind meist die besten Kaufentscheidungen.
Homer
_________________
so kaufe ich (fast) nur!

und deshalb gibt's wohl auch so oft spaggehti

grüsse
frank