Stempelfehler oder Prägefehler ?

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

Moderator: Homer J. Simpson

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cepasaccus
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Beitrag von cepasaccus » Sa 15.11.08 19:40

Tolle Muenze. Wie waere es mit einem Thread in den Leute ihre Flusslinienmuenzen stellen koennen?

valete
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drakenumi1
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Beitrag von drakenumi1 » Sa 15.11.08 20:59

beachcomber hat geschrieben:
warum allerdings die linien bei manchen münzen stärker, und bei manchen gar nicht aufttauchen, kann ich mir eigentlich nur miit der temperatur des materials erklären.
Dazu habe ich mir eine andere Erklärung zurechtgelegt: Dieser Fließprozeß ist doch offensichtlich viel komplexer und unüberschaubarer. Die Materialemperatur gehört sicher auch zu den Beeinflussungsfaktoren. Und, ganz entscheidend auch die Fließfähigkeit, die mit der Legierungszusammensetzung (Legierungen sind es ja mehr oder weniger alle) sich verändert.
Am entscheidensten scheint mir die Form des Schrötlings zu sein: Halten wir gedanklich mal gegeneinander:
1). Eine ebene Platte als Schrötling, so groß wie der Perlkreis,
2). eine Linse (wegen des hohen Mat.-Bedarfs in der Mitte) und eine
3.) Kugel.
Die sich ergebenden Materialströme werden völlig unterschiedlich sein.
Wenn das Prägeprofil nicht allzu hoch ist, dürfte die ebene Platte die geringsten Materialbewegungen erfordern, auch den geringsten Kraftaufwand, um die Form zu füllen. Die Kugelform macht die umfangreichsten Mat.-Ströme nötig - das könnte die Länge der Fließlinien in den Feldern erklären, wenn diese denn von der Fließbewegung herrühren. Die optimale Schrötlingsform (die mit einfachsten Mitteln herstellbare) wird die Linse sein.
Fazit dieses gedanklichen Experimentes: Die Schrötlingsform beeinflußt die Menge der auftretenden Fließlinien.
Die von Dir, @chinamul, bemerkten unterschiedlichen Richtungen der Linien erkläre ich z.B. daraus, daß die Mat.-Ströme während eines Prägeschlages die Richtung verändern können: Wenn z.B. zu Beginn eines Füllvorganges zuerst das Mat. in die stark voluminöse Kopfpartie fließt, wird danach die Strömung sich in Richtung Rand verändern. Besonders wird sich das auswirken, wenn der Kopf nicht in der Mitte der Münze, sondern etwas versetzt steht.
Noch ein anderer Fakt: Wir haben ja nicht nur die Strömung im Bereich der Vorderseite zu betrachten. Die Rückseite kann ein völlig anderes Profil haben und ganz andere Ströme erforderlich machen. Beide Ströme überlagern sich, und das im Bereich der Dicke der Münze. Wenn das keine Verwirbelungen gibt, die an der Oberfläche unser Mißfallen erregen!
Nicht genug: Wenn der Prägestempel schräg aufgesetzt wird, ändert das die Richtung ebenfalls gravierend: Aus der dann dünnsten Münzseite wird das Mat. in Richtung der dicksten Seite getrieben.
Im Inneren der Münze werden also eine Mehrzahl sich laufend ändernder Ströme unterwegs sein, die sich gegenseitig behindern und die Ausbildung eines einheitlichen Kristallgefüges verhindern. Zumindest die Grenzbereiche dieser unterschiedlichen Ströme könnten an der Münzoberfläche in Form unserer "Fließlinien" sichtbar werden.
Es gibt darüber hinaus zu Euren Postings noch Einiges mehr zu sagen, aber ich "mach mal Pause" und lasse Gelegenheit für Eure Gedanken und Einsprüche dazu.

Grüße von

drakenumi1
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Beitrag von Numis-Student » Sa 15.11.08 21:13

Hallo Drakenumi,
ich denke, dass wir die Kugelform ausschließen können. Der größte Nachteil besteht wohl darin, dass eine solche Kugel leicht vom Unterstempel rollt, oder bei einem Schlag mit dem Oberstempel wegspringt, falls dieser etwas schräg aufgesetzt wird. Desweiteren dürfte diese Kugel durch den Bedarf an Energie zum Umformen ein schnelles Ende des Stempels hervorrufen.
Ich habe einen Kleinfollis des vierten Jahrhunderts, der extrem dezentriert geprägt wurde. Außerhalb des Stempelrandes (!) erkennt man sehr schön, dass der Schrötling gleichmäßig dick war. Ich werde ein Bild nachliefern, sobald mein PC dies erlaubt. Und wenn im vierten Jahrhundert selbst das "Kleinzeug" ordentlich vorbereitete Schrötlinge bekommt, sollte dies erst recht für die höherwertigen Denare der frühen und mittleren Kaiserzeit gelten.
Schöne Grüße,
MR
Immerhin ist es vorstellbar, dass wir vielleicht genug Verstand besitzen, um,
wenn nicht ganz vom Kriegführen abzulassen, uns wenigstens so vernünftig zu benehmen wie unsere Vorfahren im achtzehnten Jahrhundert. (A.H. 1949)

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Beitrag von cepasaccus » Sa 15.11.08 21:24

Sehe ich auch so, und ich wuerde vermuten, dass ein Physiker, der sein ganzes Leben mit Stroemungsmechanik zu tun hatte eine viel bessere Einsicht in die Materie haette als wir es haben.

vale

PS: Heutige Patinierung durch intensivbefummeln: 0
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Beitrag von Numis-Student » Sa 15.11.08 21:32

cepasaccus hat geschrieben: PS: Heutige Patinierung durch intensivbefummeln: 0
Was hast du da für Silber ??? Also das 300er färbt sich nur leicht, aber das Feinsilber dunkelt bei mir schön nach...

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Beitrag von beachcomber » Sa 15.11.08 21:55

darf ich in diesem zusammenhang noch mal wieder auf dieses schöne video hinweisen?
http://de.youtube.com/watch?v=-9rAySifRZ8
hier sieht man deutlich wie der ziemlich kugekförmige schrötling erstmal erhitzt und flachgehämmert wird, und sodann, unter nochmaligen erhitzen mit einem schlag die münze aus dem selben produziert wird.
auch wenn damals keine offene gasflamme zur verfügung stand, so ist doch mit sicherheit dieser prozess in glut abgelaufen, und was das eigentliche prägen angeht, so wird's wohl ziemlich genauso in der antike gewesen sein!
grüsse
frank

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Beitrag von Numis-Student » Sa 15.11.08 22:07

beachcomber hat geschrieben:hier sieht man deutlich wie der ziemlich kugekförmige schrötling erstmal erhitzt und flachgehämmert wird, und sodann, unter nochmaligen erhitzen mit einem schlag die münze aus dem selben produziert wird.
Hallo Frank,
ich kann dieses Video zur Zeit nicht ansehen, da mein PC mal wieder spinnt... Aber das Flachhämmern vor der Prägung geschieht doch nicht auf dem Unterstempel, oder ? Das heisst doch, die Kugel ist nur ein Vorprodukt zum Schrötling, genauso wie heutzutage die Zainbleche..
Schöne Grüße,
MR

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Beitrag von drakenumi1 » Sa 15.11.08 22:15

Hallo, MR,
das mit der Kugel war, wie ich schrieb, ein Gedankenexperiment zum Erklären der langen Fließlinien, quasi der nicht vorkommende Extremfall. Und was nützt der "ordentlich vorbereitete" Schrötling, wenn der Stempel schief aufgesetzt wird? Von dieser Sorte habe ich eine ganze Menge, die Denare unterscheiden sich bis zu 0,8 mm in ihrer Dicke zw. hüben und drüben.

Hallo, cepasaccus,
Wenn dieser Fachmann sich mal melden würde! Oder derjenige, der weiß, welche zugängliche Veröffentlichung uns Aufklärung bringen könnte.

Noch können wir ja nicht einmal beweisen, daß diese "Fließlinien" nicht in den Stempeln eingegraben sind. Aber zumindest ich setze das mit innerer Überzeugung voraus. Wenn auch diese "Stempelverschleißtheorie etwas Bestechendes hat: die Einfachheit der Begründung!

Gute Nacht für heute sagt

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Beitrag von cepasaccus » Sa 15.11.08 22:46

Malte, das ist die Tetradrache von Antiquanova, die da gepraegt wird. Die Muenze ist in 925er-Silber. Sieht immer noch wie Stempelglanz aus.

Frank, ich denke man kann nicht unbedingt von einer Tetradrache auf einen Denar schliessen. Die Eule hat gut das fuenffache Gewicht bei vielleicht doppelter Oberflaeche. Ein Denar kuehlt deshalb viel schneller ab. Desweiteren ist die Umformung bei einer Eule ganz anders. Ich meine deshalb, dass ein Denar vielleicht kalt oder vielleicht auch heiss gepraegt wurde. Beim Aureus bin ich der Meinung, dass er kalt gepraegt wurde, weil es ganz einfach kalt geht.

drakenumi1, ich halte es fuer wahrscheinlich, dass es keine befriedigende Publikation zu Fliesslinien gibt. Physiker befassen sich nicht mit altem Geld. Viele Publikationen zu Praegetechnik halte ich fuer Quark. Eine strahlendes Vorbild ist die Publikation von Jaeggy zu den Bodenseebrakteaten. Der Grund dafuer ist, dass er nicht nur nachgedacht sondern auch den Hammer in die Hand genommen hat.

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Beitrag von Julianus v. Pannonien » So 16.11.08 15:12

Salve

Hier wie versprochen mein Selbstprägeversuch fand c.a mit 13 Jahren Statt :-)

Das Stück wurde mit einem Stahlstempel in Zinn geschlagen und zeigt eine DACIA CAPTA Fantasierrückseite.
Was einem nicht alles einfiel ;-)

Grüsse JvP
Zuletzt geändert von Julianus v. Pannonien am So 16.11.08 16:01, insgesamt 1-mal geändert.
"VICTORIOSO SEMPER"

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Beitrag von cepasaccus » So 16.11.08 15:50

Mit so jungen Jahren schon militant...

Ist doch nicht schlecht geworden. Wie hast du den Stempel gemacht?

vale
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Beitrag von Julianus v. Pannonien » So 16.11.08 16:04

Militant war ich schon immer :-)

Danke fürs Kompliment :-)

Den Stempel hab ich eingeritzt und die Buchstaben mit nem Set eingeschlagen hier das wäre der mittlerweile verrostete Stempel :

Grüsse JvP
"VICTORIOSO SEMPER"

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Beitrag von drakenumi1 » Mi 19.11.08 11:12

Da weitere Meinungen zum Komplex der Fließlinien nicht eingegangen sind, sollten wir einen vorläufigen Schlußstrich ziehen:
Zumindest für die Entstehung der langen Linien in den großen Feldern haben wir keine einleuchtenden Erklärungen. Um die Form dieser Linien noch einmal gedanklich eindrucksvoll zu fixieren und zu weiteren Überlegungen in der Zukunft anzuregen, hier noch einmal einige Feststellungen:

- Offensichtlich ist dieses Phänomen nur auf Silbermünzen mit relativ weit gestreuter Legierungszusammensetzung beschränkt. Kupfer und Bronze/Messing sind nur in äußerst seltenen Fällen betroffen.
- Die Fließlinien finden sich nur auf den Vorderseiten, Beispiele für betroffene Rückseiten konnte ich nicht finden.
- Das anhängende Beispiel eines Hadrian-Denars soll deutlich machen, daß im Extremfall sämtliche kleinen und großen Felder betroffen sein können, und kein Quadratmillimeter (mit Ausnahme des alleräußersten Randbereiches außerhalb des Perlkreises) frei davon ist.
- Da ich nach wie vir der Auffassung bin, daß diese Thematik schon lange ausreichend wissenschaftlich und praktisch durchleuchtet ist, wir jedoch lediglich keine Kenntnisse von entsprechenden Veröffentlichungen haben, liegt das primäre Problem auf dem Gebiet der Recherche. Wie hier schon gesagt, wird uns die Lösung mit unseren forumseigenen Kapazitäten nur schwerlich gelingen.-
(denkt)

drakenumi1
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Beitrag von beachcomber » Mi 19.11.08 17:20

Offensichtlich ist dieses Phänomen nur auf Silbermünzen mit relativ weit gestreuter Legierungszusammensetzung beschränkt.
das ist so nicht ganz richtig: bei goldmünzen tritt das phänomen auch auf!
grüsse
frank

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Beitrag von cepasaccus » Mi 19.11.08 17:30

beachcomber hat geschrieben:
Offensichtlich ist dieses Phänomen nur auf Silbermünzen mit relativ weit gestreuter Legierungszusammensetzung beschränkt.
das ist so nicht ganz richtig: bei goldmünzen tritt das phänomen auch auf!
Und fuer Bronzen siehe auch die Crispina die ich weiter oben verlinkt habe.

Aurei mit ausgepraegten, teilweise beidseitigen Flusslinien:

http://www.coinarchives.com/a/lotviewer ... 41&Lot=565
http://www.coinarchives.com/a/lotviewer ... 8&Lot=1054

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