Ein interessanter Dionysos aus Selge

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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Peter43
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Ein interessanter Dionysos aus Selge

Beitrag von Peter43 » Di 02.11.10 23:38

Hallo, liebe Liebhaber der interessanten Reverse!

Diese Münze aus Selge will ich euch nicht vorenthalten:

Pisidien, Selge, Geta, 209-212
AE 16, 4.13g
Av.: AV K - CE GETAC
Kopf, bärtig, n.r.
Rv.: CEL - GEWN
Dionysos, mit Nebris und Stiefeln, n.l. stehend, hält in der re Hand Kantharos und ruht mit der erhobenen Linken auf knotigem Thyrsos, der mit Styrax(!)
geschmückt ist.
Ref.: SNG Copenhagen -: SNG von Aulock -; SNG France -; BMC -; Lindgren -; unpubliziert?
Sehr selten, SS, dunkelgrüne Patina

Dieser Thyrsos ist offensichtlich mit Styrax geschmückt, den man an den spitzen Zacken erkennen kann. Selge war das Zentrum der Styraxproduktion und so kann man diesen Hinweis auf ihr Hauptexportprodukt gut verstehen. Jedenfalls ist diese Darstellung einmalig. Für alle, die sich nicht genau auskennen, habe ich den Artikel 'Der Styraxbaum' http://www.numismatikforum.de/viewtopic ... ax#p253188

Mit freundlichem Gruß
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Re: Ein interessanter Dionysos aus Selge

Beitrag von Nikephoros » Di 08.10.13 15:33

Lieber Münzsammler, das ist reiner Unfug. Grundsätzlich gibt es keinen Dionysos mit Styrax. Dionysos ist entweder mit Wein oder mit Efeu verbunden, mit keiner anderen Pflanze. Im übrigen sind die ganzen Verbindungen Selges mit Styrax ein Fehlgriff, der von Imhoof-Blumer in die Welt gesetzt wurde.

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Re: Ein interessanter Dionysos aus Selge

Beitrag von antoninus1 » Di 08.10.13 16:36

Lieber Nikephoros,

kannst Du das mit dem Fehlgriff näher erläutern?

P.S.: schön, Dich (und Deine direkte Art) mal wieder zulesen :)
Gruß,
antoninus1

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Peter43
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Re: Ein interessanter Dionysos aus Selge

Beitrag von Peter43 » Di 08.10.13 21:14

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Re: Ein interessanter Dionysos aus Selge

Beitrag von klunch » Mi 09.10.13 01:27

Womit die Behauptung des Unfugs ad absurdum geführt wäre.

Vielleicht gibt es ja dennoch Quellen, die dem widersprechen. Dann ist es zielführend, diese auch anzugeben.

Gruß klunch
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Re: Ein interessanter Dionysos aus Selge

Beitrag von chevalier » Mi 09.10.13 03:45

klunch hat geschrieben:Womit die Behauptung des Unfugs ad absurdum geführt wäre.
Ohne nun die Behauptungen von Nikephoros in irgendeiner Weise kommentieren zu wollen, muss ich doch sagen, dass ich persönlich "wikipedia" nicht als zitierfähige, sekundärliterarische Informationsquelle nutzen würde. "Wikipedia", so gut oder schlecht sie auch gemacht sein mag, ist schließlich keine wissenschaftliche Quellensammlung, sondern lediglich eine "Informationsplattform" von Laien für Laien. :wink:

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Re: Ein interessanter Dionysos aus Selge

Beitrag von Peter43 » Mi 09.10.13 09:13

Ich hatte natürlich die Anmerkungen im Sinn. Die Bedeutung des Styraxharzes für Selge findet sich z.B. bei Strabo. Er beschreibt, wie daraus eine Art Weihrauch gemacht wurde, der teuer verkauft wurde und zum Reichtum Selges beitrug.

Mit freundlichem Gruß
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Re: Ein interessanter Dionysos aus Selge

Beitrag von klunch » Mi 09.10.13 16:07

Zu Wikipedia kann man geteilter Meinung sein - die Fehlerquote war bei einem Test vor mehreren Jahren (2006 von nature) sogar etwas geringer als in der Enzyklopedia Britannica, insofern sehe ich die Wikipedia nicht als komplett zitierunfähig, das Qualitätsniveau ist eben sehr schwankend, es gibt sehr gut recherchierte und eben auch grottenschlechte Beiträge.
Einen interessanter und kurzweiliger Standpunkt dazu findet sich hier: http://www.straightdope.com/columns/rea ... britannica

Um mal wieder zum Thema zu kommen :wink: Weihrauch bzw. Räucherwerk aus Styrax für Sakralgebrauch wird auch noch heute zu teils hohen Preisen gehandelt.
Die Verbindung Selges zu Styrax ist m.E. komplett unabhängig von den Forschungen Imhoof-Blumers und auch nicht ernsthaft diskutabel. Zumal zwischen den Zeiten Strabos und Imhoof-Blumers ganze Epochen, ja sogar Zeitalter liegen.

Die fortwährende Existenz von Räucherwerk aus Styrax zeigt wieder einmal sehr anschaulich, wie langlebig doch viele Dinge sind, von denen man tagtäglich umgeben ist. Räucherwerk ist zwar bei den meisten höchstens noch in der Weihnachtszeit in Gebrauch, allerdings war ich gerade einige Wochen in Asien und da wird wesentlich häufiger geräuchert als hierzulande.
Auf jeden Fall finde ich diese "botanischen" Ausflüge der Stempelschneider sehr interessant, vor allem wenn es nicht immer die "Schlager" wie Eiche oder Lorbeer, sondern auch mal - so wie bei der vorgestellten Münze - exotische Pflanzen sind, die im Münzbild verewigt werden. Wenn ich da noch etwas weiter nachdenke, fallen mir Abbildungen von Palmen(-zweigen), Oliven, Korn und Mohn ein, es gibt sicher noch weitere interessante Rück- und Vorderseiten antiker Münzen mit Pflanzen. Spontan muß ich dabei auch an die schöne Darstellung auf der Rückseite des alten 50 Pfennig-Stückes denken, die den geschichtlichen Hintergrund hat, daß in der Nachkriegszeit Frauen für einen Stundenlohn von 50 Pfennigen Wiederaufforstungsarbeiten leisteten.

Gruß klunch
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Re: Ein interessanter Dionysos aus Selge

Beitrag von beachcomber » Mi 09.10.13 16:38

klunch hat geschrieben:Spontan muß ich dabei auch an die schöne Darstellung auf der Rückseite des alten 50 Pfennig-Stückes denken, die den geschichtlichen Hintergrund hat, daß in der Nachkriegszeit Frauen für einen Stundenlohn von 50 Pfennigen Wiederaufforstungsarbeiten leisteten.

Gruß klunch
Das ist ja wohl ein scherz! aus wikipedia? :wink:
grüsse
frank

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Re: Ein interessanter Dionysos aus Selge

Beitrag von Invictus » Mi 09.10.13 16:53

klunch hat geschrieben:Spontan muß ich dabei auch an die schöne Darstellung auf der Rückseite des alten 50 Pfennig-Stückes denken, die den geschichtlichen Hintergrund hat, daß in der Nachkriegszeit Frauen für einen Stundenlohn von 50 Pfennigen Wiederaufforstungsarbeiten leisteten.
Guckst du hier, da steht einiges dazu: http://www.gabsm.de/fr/fr_heiser2.html
www.RÖMISCHE MÜNZEN...

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Re: Ein interessanter Dionysos aus Selge

Beitrag von beachcomber » Mi 09.10.13 16:58

das passt schon eher! :) nix aufforstung,nix stundenlohn!
grüsse
frank

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Re: Ein interessanter Dionysos aus Selge

Beitrag von klunch » Mi 09.10.13 17:05

Lernen, lernen und nochmals lernen.

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Re: Ein interessanter Dionysos aus Selge

Beitrag von Invictus » Mi 09.10.13 19:07

Um nochmal auf das eigentliche Thema Selge und den Styrax zurückzukommen:

Wenn auch der tiefgründige Zusammenhang zwischen Stadt und Gewächs sicherlich unbestreitbar ist http://download.burgenverein-untervaz.c ... %20und.pdf, so ist die Frage, inwiefern sich das bei den Münzen widerspiegelt weitaus schwieriger zu beantworten :roll:
Ein schönes (und recht eindeutiges) Beispiel für den Styrax ist jene Münze mit dem Harztopf http://educators.mfa.org/ancient/coin-s ... lian-67995.
Undurchsichtiger hingegen ist bspw. die Deutung jenes über viele Jahrzehnte immer wieder geprägten Heiligtums zu Selge, was gelegentlich auch mit Styraxbäumen (die langen "Stangen" mit den beidseitigen "Auswüchsen") in Verbindung gesetzt wird:
Aurelianus...
Severus Alexander...
Julia Mamae...
Septimius Severus...
Antoninus Pius...
Interessant, dass einmal Blitzbündel und Keule (Zeus und Herakles) abgebildet ist, was wohl auf einen direkten Zusammenhang zwischen beiden Gottheiten und dem Heiligtum schließen lässt. Dann wiedermal zwei Säulen mit Adler (Zeus?) und Nike, oftmals aber nur das Postament mit den beiden langen Gebilden. Was wohl sicher anzunehmen ist: dass vor den "Stangen" noch je ein Altar gestanden haben muss (bei manchen Typen erkennt man sogar noch die umgebundene Altargirlande).
Was nun Herakles um dem Schädel trägt ist m.E. auch nicht so leicht zu erklären. Dass der Styrax für Selge eine gewaltige Bedeutung hatte ist klar, aber noch lange kein Beweis dafür, dass der Halbgott deshalb auch einen Styraxkranz trägt. Interessant ist doch die Blattform des Styrax. --- Lorbeer etwa sieht für mich ähnlich aus*. Und schaut man sich mal ein paar Styraxkränze an Blütenform?... oder Eichenblätter?..., dann fällt doch die unterschiedliche Formgebung auf. Das mag sicher am individuellen Stil der Stempelschneider liegen, aber wo fangen die Unterschiede an und wo hören die Gemeinsamkeiten auf Beispiel Eichenkranz auf Tetradrachme Amphipolis...?
Also ich möchte mich da nicht festlegen wollen, was das für ein Gewächs nun tatsächlich ist :wink:
Und um noch auf den Thyrsos einzugehen: Man könnte hier auch das übliche Schleifenband erkennen können/wollen/dürfen. Vielleicht taucht ja noch eine Selgemünze mit ähnlichen "Objekt" am Schaft auf...
selge_geta_Dionysos_unpublished.jpg
selge_geta_Dionysos_unpublished.jpg (14.26 KiB) 1564 mal betrachtet
Was jetzt bspw. bei Johannes Nollé, Die Inschriften von Selge oder Alois Machatschek/Mario Schwarz, Bauforschungen in Selge genau dazu steht weiß ich nicht, aber ein paar Gedanken vorab werden sicherlich erlaubt sein :mrgreen:
Jedenfalls sind Pro und Contra zum fraglichen Objekt am Thrsosstab gerechtfertigt.

* Ähnlich insofern, dass man auf dem kleinen Münzbild Styrax und Lorbeer wohl schwerlich unterscheiden könnte.

PS:
antoninus1 hat geschrieben:P.S.: schön, Dich (und Deine direkte Art) mal wieder zulesen :)
Nikephoros hat doch bisher nur 1 Beitrag geschrieben, wie kann man da wieder etwas von ihm lesen?
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Re: Ein interessanter Dionysos aus Selge

Beitrag von loron » Mi 09.10.13 21:26

Hallo allerseits,

mit Johannes Nollé ist endlich der richtige Name in der Diskussion gefallen. Er zeigte erst jüngst, dass in Selge nicht alles Styrax ist, was baumförmig aussieht (Identitätsstiftendes Heiligtum ... oder Styraxkelter? (...) Gephyra 6, 2009, 8-20).
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Re: Ein interessanter Dionysos aus Selge

Beitrag von antoninus1 » Do 10.10.13 08:32

Invictus hat geschrieben:...PS:
antoninus1 hat geschrieben:P.S.: schön, Dich (und Deine direkte Art) mal wieder zulesen :)
Nikephoros hat doch bisher nur 1 Beitrag geschrieben, wie kann man da wieder etwas von ihm lesen?
Das ist jetzt so zu erklären: es gab ein Mitglied namens Nikephoros1, das einige Jahre in der Byzantiner-Abteilung aktiv war und danach lange Zeit nicht mehr. Den habe ich mit Nikephoros verwechselt.
Ich hoffe, ich habe damit nicht zuviel Verwirrung gestiftet :D
Gruß,
antoninus1

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