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Herrscher ausradiert
Verfasst: Mo 15.11.10 15:45
von tilos
AE 25mm / 6,54g
Av.: Prägung aufwendig entfernt
Rv.: Roma-Tempel,
CONSERVATO ...
Ein Stück meiner Grabbelkästchen-Ausbeute von der Numismata. Hier hat sich jemand, offensichtlich schon zu „antiken Zeiten“, große Mühe gegeben, den Herrscher auszuradieren. Ist bei einem der Herrscher Anfang des 4. Jh. solcherart Verdammnis bekannt? Oder ist das nur eine „individuelle Geschichte“, die wir heute kaum noch nachvollziehen können?
Gruß
Tilos
Re: Herrscher ausradiert
Verfasst: Mo 15.11.10 16:39
von Peter43
Das wird doch wohl Maxentius sein und da gab es schon Gründe!

Interessantes und historisch wichtiges Stück!
Jochen
Re: Herrscher ausradiert
Verfasst: Mo 15.11.10 18:52
von justus
"Damnatio Memoriae" bei antiken Münzen ? Halte ich für sehr unwahrscheinlich ! Ich besitze zwar selbst einen Maxentius, bei dem auf der Vorderseite exakt der Teil der Legende unkenntlich gemacht wurde, der seinen Namen darstellte, aber halte dies trotzdem für eine zufällige Beschädigung der Münze. Bei Münzen wäre es doch einfacher, sie einzuziehen und einzuschmelzen. Diese offensichtlich systematisch plangeschliffene Fläche auf der erhabeneneren Vorderseite (Portraitbüste) dürfte meiner Ansicht nach lediglich auf eine Sekundärverwendung als "Spielstein" hindeuten.
Re: Herrscher ausradiert
Verfasst: Mo 15.11.10 18:53
von tilos
Also eine damnatio memoriae? Der Aufwand der Eradierung war ja beachtlich. Ich kannte das bislang nur von einzelnen Porträts oder Leg.-Teilen. Wäre ja interessant in Erfahrung zu bringen, ob in den Sammlungen unserer Forumskollegen noch weitere vergleichbare Stücke schlummern.
Wichtig wäre auch, den Rv.-Stempel zweifelsfrei Maxentius zuzuordnen.
Gruß
Tilos
Re: Herrscher ausradiert
Verfasst: Mo 15.11.10 18:55
von tilos
Hallo justusmagnus, bei Münzen ist das ja schon lange bekannt. Zumeist sind es aber einzelne Porträts oder Leg.-Teile. Mein Stück ist auch nicht Plan geschliffen, sondern "gemeisselt", dadurch sogar die Münze etwas deformiert.
Gruß
Tilos
http://www.numismatikforum.de/viewtopic ... io#p306492
Re: Herrscher ausradiert
Verfasst: Mo 15.11.10 18:57
von Pscipio
Das gibt es auf Münzen schon (z.B. Sejanus, oder Geta auf Münzen aus Stratonikeia), allerdings nicht allzu häufig und in neun von zehn Fällen wo ein Sammler oder Händler eine damnatio sieht, ist es nur eine zufällige Beschädigung oder irgend etwas anderes.
Re: Herrscher ausradiert
Verfasst: Mo 15.11.10 19:04
von tilos
Hier der analoge Fall, Maximinus Thrax betreffend:
http://www.acsearch.info/record.html?id=65252
Re: Herrscher ausradiert
Verfasst: Mo 15.11.10 19:08
von justus
Schon lange bekannt, sagst du? Mir ist auf jeden Fall keine wissenschaftliche Quelle bekannt, in der dies behauptet wird. Aber ich bin sicher nicht allwissend und lasse mich gerne eines Besseren belehren! Deine Münze ist sicherlich nur ein römischer Spielstein, wenn auch ein interessantes, historisches Zeugnis.
Re: Herrscher ausradiert
Verfasst: Mo 15.11.10 19:12
von Pscipio
Re: Herrscher ausradiert
Verfasst: Mo 15.11.10 19:18
von justus
Diesen Sonderfall "Stratonikeia" will ich ja auch garnicht in Zweifel ziehen, Pscipio. Nur bei der Münze von Tilos handelt es sich um eine stadtrömische Prägung - Münzzeichen "RB...".
Nachtrag: Wobei auf der Vorderseite das "TIVS P F AVG" sogar noch erkennbar zu sein scheint.
Re: Herrscher ausradiert
Verfasst: Mo 15.11.10 19:22
von Pscipio
Na du hattest gesagt, dir sei keine damnatio auf Münzen bekannt - daher mein Hinweis auf Stratonikeia.
Beim Maxentius wäre ich auch vorsichtig. Eine private damnatio zu vermuten ist immer sehr heikel, und bei einer offiziell ausgeführten würde man eine gewisse Anzahl an erhaltenen Exemplaren erwarten. Ein "Spielstein" oder so was ist da sicher wahrscheinlicher.
Re: Herrscher ausradiert
Verfasst: Mo 15.11.10 19:24
von chinamul
Eine damnatio memoriae scheint mir viel spektakulärer, wenn man die Münzen nicht einfach aus dem Verkehr zieht oder die Bildseite plan schleift, sondern den zu Verdammenden als solchen noch erkennbar gewissermaßen an den Pranger stellt. Bei den Stücken aus Stratonikeia, auf denen man Geta getilgt hat, wußte danach wegen des verbliebenen Caracallaporträts immer noch jeder, wessen Konterfei dort ausgelöscht worden war (s. Abbildung unten!).
Im vorliegenden Falle haben wir eine Münzrückseite, die Maxentius nicht exklusiv hatte, so daß mit der totalen Löschung des Bildes mitsamt der Legende das Stück nicht mehr als eine Münze des Maxentius identifizierbar war. Damit wäre die Tilgung eine reine Privatangelegenheit des Verursachers ohne jeden propagandistischen Mehrwert gewesen, also mehr oder weniger sinnlos. Daran ändert auch nichts die Tatsache, daß gewiefte Numismatiker das Stück eindeutig dem Maxentius zuweisen können.
Ich würde die Damnatio-Theorie daher nicht unterstützen wollen.
Gruß
chinamul
Re: Herrscher ausradiert
Verfasst: Mo 15.11.10 19:30
von tilos
http://www.google.de/search?q=damnatio+ ... =firefox-a
Sagen wir mal so: In der numismatischen Literatur, als auch bei der entsprechenden Internetrecherche, stößt man ständig auf diesbezügliche (z.T. historische) Zitate. Wie "wissenschaftlich" diese sind, mag ich nicht beurteilen.
Dieses hier könnte aber ein solches sein:
Pergamenische Forschungen, Band 8:
Hans Voegtli,S. Bendall,Lutz Ilisch,Cécile Morrisson (1993):
Die Fundmünzen aus der Stadtgrabung von Pergamon.
Spielsteine/spielsteinverdächtige Stücke habe ich eine ganze Reihe. Diese haben aber immer eine plane/plangeschliffene Seite. Davon kann bei dem aktuellen Stück keine Rede sein, nicht mal ansatzweise. Was es auch immer sein mag, ein Spielstein am ehesten nicht.
Gruß
Tilos
Re: Herrscher ausradiert
Verfasst: Mo 15.11.10 19:34
von emieg1
Hätte man eine Münze, die man zum Spielstein umfunktionieren wollte, so sorgfältigst ABgearbeitet?
Re: Herrscher ausradiert
Verfasst: Mo 15.11.10 19:38
von tilos
Sorgfältig ja, durch Abschleifen, aber nicht in dieser aufwendigen Weise. Zumal mein Stück "kippelt" und "stoppt". Spielsteine sollen aber eher a.d. Brett gut rutschen.
Gruß
Tilos