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Ein ungewöhnlicher Caracalla
Verfasst: So 21.11.10 12:16
von emieg1
Dieser leider bescheiden erhaltene Denar des Caracalla ist mir diese Woche zugeflogen.
Die Vorderseite zeigt die Büste Caracallas als Caesar. Aus den fragmentarisch erhaltenen Buchstaben lese ich M AVR ANTONINV CAES (evtl. auch ANTONINO).
Die Rückseite zeigt Hercules mit Keule, die Umschrift lautet
MERCVL [...]. Leider ist der Rest der Rev-Legende nicht zu lesen, aber abgesehen davon gibt es diese Darstellung nicht für Caracalla.
In Frage käme ein Denar des Septimius Severus mit gleicher Rev-Abbildung und der Legende HERCVLI DEFENS, jedoch liegt bei sämtlichen Vergleichsexemplaren das "I" noch links vom Kopf des Hercules,
hingegen bei der vorliegenden Münze die Legendentrennung hinter HERCVL liegt.
vgl. Sept Sev RIC 97
http://www.acsearch.info/record.html?id=219703
Ins Auge sticht mir allerdings der Stil insbesondere des Portraits, der mir höchst alexandrinisch vorkommt. Ja, ich weiss, eine gewagte These, da es keine Vergleichsexemplare gibt und für Alexandria Denare des Caracalla nicht bekannt sind.
Ich meine, dass sich die Wissenschaft noch nicht ganz einig ist, wann Caracalla zum Caesar erhoben worden ist... bereits Mitte 195 n.Chr. oder erst 196 n.Chr. Denkbar wäre eine Prägung in Alexandria jedenfalls, oder?!
Vielleicht leide ich auch nur gerade an einer Alexandriaparannoia und es ist doch "nur" eine interessante Imitation...
PS. 17 mm und 2,42 Gramm, Stempelstellung (leider) nicht ganz 6h; etwa zwischen 6h und 7h
Re: Ein ungewöhnlicher Caracalla
Verfasst: So 21.11.10 13:17
von Peter43
Was soll denn das M for ERCVL bedeuten? Kann es sich dabei um ein verunglücktes H handeln?
Re: Ein ungewöhnlicher Caracalla
Verfasst: So 21.11.10 13:37
von emieg1
Peter43 hat geschrieben:Was soll denn das M for ERCVL bedeuten? Kann es sich dabei um ein verunglücktes H handeln?
Mit Sicherheit. Aber es ist eindeutig ein M hier zu sehen. Meiner Meinung nach ist es dadurch zu erklären, dass der Legendenritzer nur von einer anderen Münze kopiert hat und die Bedeutung nicht kannte bzw. der Sprache nicht mächtig war. Ob nun imitativ, alexandrinisch oder anderweitig östlich, sei mal dahingestellt. Allerdings sind mir schon öfter solche Schreibfehler gerade aus östlichen Münzstätten aufgefallen. Gerade gestern ist mir so ein Stück aus Emesa mit einem gravierenden Schreibfehler auf ebay entgegen gekommen; das werde ich noch gesondert vorstellen

Re: Ein ungewöhnlicher Caracalla
Verfasst: So 21.11.10 18:46
von curtislclay
nummis durensis hat geschrieben:Ich meine, dass sich die Wissenschaft noch nicht ganz einig ist, wann Caracalla zum Caesar erhoben worden ist... bereits Mitte 195 n.Chr. oder erst 196 n.Chr. Denkbar wäre eine Prägung in Alexandria jedenfalls, oder?!
Vielleicht leide ich auch nur gerade an einer Alexandriaparannoia und es ist doch "nur" eine interessante Imitation...
Ja, ohne Zweifel eine Imitation.
Septimius war in Viminacium, und die alexandrinishe Denarpräung hatte vor ein paar Monaten schon aufgehört, als er Ende November-Anfang Dezember 195 Caracalla zum Caesar erhob.
Re: Ein ungewöhnlicher Caracalla
Verfasst: So 21.11.10 18:52
von emieg1
Na ich dachte mir schon, Curtis, dass du mir diesen Zahn ziehst
Aber kann man so eindeutig festmachen, wann die Denarprägung in Alexandria endete? Und woran?
Ich habe einige imitative Caracallas vor mir liegen; andere kenne ich natürlich nur von acsearch & Co. Ein Caracalla als Caesar konnte ich bisher ausmachen, was nichts heisst. Trotzdem - verzeih' es mir bitte Curtis, bin ich nicht geneigt, diese Münze so fix als Imitation abzutun.
Re: Ein ungewöhnlicher Caracalla
Verfasst: So 21.11.10 21:12
von curtislclay
Nummis,
1. Der HERCVLI DEFENS-Typ des Septimius wurde erst im Frühling 197 eingeführt. Du glaubst nicht wirklich, dass die alexandrinische Denarprägung zu diesem Zeitpunkt noch weiterlief, damit die Stempelschneider diesen Typ für Caracalla kopieren konnten?
2. Die spätesten alexandrinischen Denartypen ahmen alle stadtrömische Vorbilder genau nach: für Septimius APOLLINI AVGVSTO, LIBERO PATRI, ARAB ADIAB COS II P P, und P M TR P III COS II P P Mars oder Palladium; für Julia Domna VENVS FELIX. Frage A: Wenn die Produktion später als bis etwa Sommer 195 fortgeführt wurde, warum wurden keine späteren stadtrömischen Typen übernommen? Frage B: Müsste nicht ein hypothetischer alexandrinischer Denar für Caracalla Caesar dessen ersten stadtrömischen Typ mit den Kultgeräten getreu übernommen haben?
3. Der Stil deines Denars ist in meinen Augen nicht alexandrinisch.
Also Gründe genug, meine ich, eine alexandrinische Herkunft für deine Münze 100%ig auszuschliessen!
Re: Ein ungewöhnlicher Caracalla
Verfasst: So 21.11.10 22:14
von emieg1
Zu 2. kann ich dir nach eingehender Prüfung nicht widersprechen, zu 3. bleibe ich bei meiner Meinung - ich sehe da den alexandrinischen Stil schon, obwohl es dann eher ein imitatives Zufallsprodukt sein mag. Zu 1. frage ich mich, wie sicher die Datierung Frühling 197 für diesen Typ ist. Insbesondere ist HERCVLI DEFENS ja hier überhaupt nicht gesichert.
Es mag sein, dass ich mich etwas "verrannt" habe. Es gibt schliesslich auch Imitationen, deren Vorbilder eindeutig östlichen Einschlag haben. Die eindeutig bessere Argumentation hast allerdings du, Curtis.
Re: Ein ungewöhnlicher Caracalla
Verfasst: So 21.11.10 22:34
von curtislclay
nummis durensisis hat geschrieben: Zu 1. frage ich mich, wie sicher die Datierung Frühling 197 für diesen Typ ist.
Ganz sicher, sonst würde ich es ja nicht als Tatsache erklärt haben!
HERCVLI DEFENS, LIBERO PATRI und TR P V Bonus Eventus sind auf stadtömischen Denaren recht selten mit IMP VIII, häufig mit IMP VIIII, selten mit IMP X. Produziert wurden diese drei Typen also kontinuierlich zwischen etwa Frühling und Herbst 197 n. Chr.
Re: Ein ungewöhnlicher Caracalla
Verfasst: So 21.11.10 22:40
von emieg1
Das überzeugt mich, verzeih' bitte meine Nachfragen, mit den IMP-Zuordnungen kann ich das ganze aber jetzt auch nachvollziehen.