kc hat geschrieben:Warum erzielen diese getönten Münzen so hohe Preise? In Amerika müsste es den Sammlern ebenfalls bekannt sein, dass die Regenbogenpatina leicht durch Manipulation erzeugt werden kann. Kann sowas auch unter "normalen" natürlichen Verhältnissen entstehen?
Grüße
kc
Die Entstehung einer solchen Regenbogenpatina ist physikalisch ein komplizierter Vorgang.
a) eine Lichtwelle besteht aus einer abwechselnden Folge von Bergen und Tälern.
b) die Länge eines Berges und eines Tales ist die Wellenlänge; jede Wellenlänge entspricht einer Farbe.
c) weißes Licht ist eine Mischfarbe. Entferne ich eine Farbe (Wellenlänge) aus der Farbmischung, dann ist die verbleibende Mischfarbe nicht mehr weiß, sondern bunt.
d) Wenn zwei Lichtwellen gleicher Wellenlänge am gleichen Ort auftreten, dann gibt es einen Spezialfall. Wenn der Berg der einen Welle mit dem Tal der anderen Welle zusammentrifft, dann erfolgt Auslöschung, beide Wellen sind weg.
Genau dieser Spezialfall tritt bei diesen irisierenden Farben auf, und zwar an hauchdünnen Patinaschichten. Einmal wird Licht an der Oberfläche der Patinaschicht reflektiert. Gleichzeitig dringt Licht ins Innere der Patinakristalle ein und wird nach außen reflektiert. An der Oberfläche treffen beide Wellen aufeinander. Sind sie entsprechend gegeneinander verschoben, löschen sie sich aus. Dieses Licht fehlt, was an Licht übrigbleibt sehen wir als Regenbogenfarbe. Welche Regenbogenfarbe auftritt ist von der Dicke der Patina abhängig.
Hat die Patinaschicht eine gewisse Dicke erreicht, wird das eingedrungene Licht im Innern der Kristalle absorbiert. Es kommt außen nichts mehr an. Von jetzt an sehen wir die normale Farbe der Patina.
Ich gebe zu, es ist nicht ganz einfach zu verstehen.
Es braucht also eine hauchdünne Patina mit gleichmäßig gwachsenen und angeordneten Kristallen. Diese Voraussetzungen können gegeben sein, wenn auf einer glatten Fläche die Patina ganz ganz langsam wächst.
Wenn also eine Münze mit Stempelglanz irgendwo ruht, wo kaum Luftaustausch erfolgt, dann kann sich in günstigen Fällen eine schöne Regenbogen-Patina ausbilden.
Wenn eine solche Münze offen lagert, wird die Patina im Laufe der Zeit wachsen, auch wenn es Jahre oder Jahrzehnte dauert. Die Regenbogenfarben verschwinden und machen dem schnöden Grau der normalen Patina Platz. Um diese Farben dauerhaft zu konservieren, muss die Münze luftdicht aufbewahrt werden.
Diese Regenbogenfarben kann man allerdings (Arminius hat's vorgemacht) problemlos innerhalk kurzer Zeit künstlich erzeugen. Das beliebteste Mittel ist Schwefelleber. Die Substanz setzt Schwefelwasserstoff frei, der sowohl Kupfer als auch Silber färbt. Es entstehen so viele kleine Kristalle, dass immer eine ausreichende Anzahl die Bedingungen für das Auftreten des Regenbogens erfüllt.
Die Unterscheidung, ob unbeeinflußt gewachsen oder künstlich erzeugt, ist nicht immer einfach. Unten im Bild die Rückseite eines Schmuckstücks. Es ruht in einem Schrank mit geringem Luftaustausch. Der Bildausschnitt zeigt die Befestigung der Anhängernadel. Diese Befestigung stellt eine Art Strömungswiderstand dar. Zugeführte Luft umströmt das Hindernis. Im Windschatten befindet sich ein Bereich ohne Patina. Der gleiche Effekt tritt bei Münzen an Buchstaben usw. auf. Bei künstlicher Patinierung über eine Flüssigkeit oder Schwefeldämpfe gäbe es diesen Effekt nicht, das ganze Metall wäre gefärbt. Im Bild das Innere eines Buchstabens der englischen Münze. Die Farben entstanden im Lauf der Lagerung von alleine. Das Innere war geschützt und ist kaum patiniert während der Buchstabe selbst schön blau leuchtet.
Die Regenbogenpatina der US-Münzen hat eine eigene Geschichte. 1878 begann die Ausprägung der Morgan-Dollars. Durch Überangebot war der Silberpreis gesunken, der Wert der Silbermünzen war in Gefahr. Die US-Rgierung kaufte nun riesige Mengen an Silber auf und verwandelte sie in Morgan-Dollars. Die 1-Dollarstücke spielten im Zahlverkehr nur eine untergeordnete Rolle, sie dienten eher als Handelsmünze für die Geschäfte mit Asien. Ab 1873 übernahm der Handelsdollar diese Rolle; die 1-Dollarkursmünze war eigentlich überflüssig geworden. Riesige Mengen an Morgan-Dollars wurden daher nie abgerufen, sondern blieben eingelagert. Die Münzsäcke waren mit einer schwefelhaltigen Substanz imprägniert. In Laufe der Jahre bildete sich an vielen der ungestört lagernden Münzen eine Regenbogenpatina aus. Ein Teil der Münzen kam später in Sammlerhand und werden heute gut bezahlt. In Europa gab es solch eine Erscheinung nicht, derart natürlicherweise patinierte Stücke sind hier die Ausnahme.
Viele Grüße
Hermann