Die Einschmelzaktion von 107 n.Chr.

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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Invictus
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Die Einschmelzaktion von 107 n.Chr.

Beitrag von Invictus » Mi 31.08.11 08:23

Hallo zusammen,
In einem Aufsatz von Weiser hab ich gelesen, dass es unter 107 n.Chr. unter Trajan zu einer Einschmelzung der alten abgegriffenen Denare kam. Nach dieser Aktion soll der durchschnittliche Feingehalt der neugeprägten Silbermünzen statt bisher 92,5 % nur noch 89,3% betragen haben (Durchschnittswert).
Vor allem sollen republikanische Denare sowie die Legionsdenare von Marc Anton bei dieser Aktion eingesammelt worden sein. Die Legio-Münzen weisen ja weniger Edelmetall wie vergleichbare Denare aus jener Zeit auf (etwa 14% unedles Metall, darunter vermehrter Blei-Anteil).
Nun führt Weiser aber auch die These von Mommsen hierzu auf: Die abgegriffenen Legionsdenare wurden wegen ihres schlechten Feingehalts von der trajanischen Einschmelzung ausgenommen und sollen erst bei einer vergleichbaren Aktion unter Marc Aurel eingesammelt und dem Schmelztiegel zugeführt worden sein, weil zu jener Zeit der Silberanteil der Münzen ohnehin gesunken war.
Was meint ihr:
Sollen die Legionsdenare (wenn sie denn schon 107 n.Chr. in großen Mengen eingeschmolzen wurden) wirklich den Feingehalt der neu ausgeprägten Denare nachhaltig und langfristig verschlechtert haben?
Oder lag die schleichende Verschlechterung vielleicht auch an den knapp 33 Tonnen dakischen Silbers, welche Trajan nach dem Sieg 106 n.Chr. heimbrachte? Vielleicht hatte die Kriegsbeute einen niedrigeren Ag-Feingehalt?
Gruß
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quisquam
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Re: Die Einschmelzaktion von 107 n.Chr.

Beitrag von quisquam » Mi 31.08.11 15:07

Invictus hat geschrieben: Sollen die Legionsdenare (wenn sie denn schon 107 n.Chr. in großen Mengen eingeschmolzen wurden) wirklich den Feingehalt der neu ausgeprägten Denare nachhaltig und langfristig verschlechtert haben?
Es verhält sich wohl genau umgekehrt: Die fortschreitende Verschlechterung des Silbergehaltes machte es ab einem bestimmten Zeitpunkt profitabel, ältere und damit silberhaltigere Münzen einzuschmelzen und aus dem so gewonnenen Metall neue, schlechtere Münzen zu prägen.

Ich gehe davon aus, dass die Legionsdenare von Marcus Antonius in größerem Stil erst später eingeschmolzen wurden, als der Silbergehalt der aktuellen Denare unter den der Legionsdenare gesunken war. Marcus Aurelius hat ja den Münztyp restituiert, so dass er ein guter Kanditat für eine solche Aktion ist.

http://www.acsearch.info/record.html?id=169742

Grüße, Stefan
Eigentlich sammle ich nicht Münzen, sondern das Wissen darüber.

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Invictus
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Re: Die Einschmelzaktion von 107 n.Chr.

Beitrag von Invictus » Mi 31.08.11 16:48

Da Münzen ein Kommunikationsmittel der Römer waren, macht es aber auch Sinn, wenn völlig abgegriffenen Silberscheibchen eingesammelt und zur Ausprägung neuer kaiserlicher Botschaften genutzt wurden. Trajan war es bestimmt wichtig, wenn möglichst viele Leute aufgrund der Münzen an seine Siege erinnert wurden. Ob er diese Aktion nur aus Profitstreben gestartet hatte? Das finanzielle Desaster des Ostfeldzuges von 114/117 n.Chr. war ja für ihn noch nicht eingetreten. Und selbst Hadrianus konnte es sich noch leisten, alle offenen Steuerschulden der römischen Bürger zu erlassen.
Gruß
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antinovs
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Re: Die Einschmelzaktion von 107 n.Chr.

Beitrag von antinovs » Mi 31.08.11 21:59

Invictus hat geschrieben: Was meint ihr:
Sollen die Legionsdenare (wenn sie denn schon 107 n.Chr. in großen Mengen eingeschmolzen wurden) wirklich den Feingehalt der neu ausgeprägten Denare nachhaltig und langfristig verschlechtert haben?
Oder lag die schleichende Verschlechterung vielleicht auch an den knapp 33 Tonnen dakischen Silbers, welche Trajan nach dem Sieg 106 n.Chr. heimbrachte? Vielleicht hatte die Kriegsbeute einen niedrigeren Ag-Feingehalt?
Gruß
Invictus
die argumentation von Weiser klingt schluessig:
die abgegriffenen denare der republik und (etwas bleihaltigen) legionsdenare des marcus antonius wurden um 107 n.Chr. oder etwas spaeter
einbehalten, eingeschmolzen und neu ausgeprägt. der feingehalt der neuen münzen hat sich aufgrund des bleianteils der alten legionsdenare
dabei minimal verschlechtert - von nachhaltig verschlechtert kann nicht die rede sein.
Weiser ist der meinung, dass nicht vorsätzlich verschlechtert wurde, um daraus einen vorteil zu erzielen. es handelt sich lediglich um eine
modernisierung der umlaufenden münzen!

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Re: Die Einschmelzaktion von 107 n.Chr.

Beitrag von curtislclay » Mi 31.08.11 22:23

Der Feingehalt der Denare Traians wurde aber nicht im J. 107, sondern bereits im J. 100 verschlechtert.

So Woytek, Die Reichsprägung des Kaisers Traianus, S. 21:

"Ebenso blieb unter Traian das Sollgewicht der Silberdenare, wie metrologische Untersuchungen des Verfassers zeigen, während der gesamten Regierungszeit konstant...(c. 3,41 g)....Neue Analysen ergaben, dass der Silbergehalt der Denarlegierung unter Nerva und am Beginn der Regierungszeit Traians (98 und 99 n. Chr.) bei durchschnittlich ca. 87% lag. In den Prägungen des Jahres 100 ist dann erstmals ein neuer Feingehaltsstandard von nur mehr ca. 80% Silber nachzuweisen, und dieser Standard wurde gemäss unseren Untersuchungsergebnissen bis an das Ende der traianischen Regierung beibehalten."

Die Untersuchung Weisers ging also von einer falschen Hypothese aus!

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Re: Die Einschmelzaktion von 107 n.Chr.

Beitrag von antinovs » Mi 31.08.11 22:38

curtislclay hat geschrieben:Der Feingehalt der Denare Traians wurde aber nicht im J. 107, sondern bereits im J. 100 verschlechtert.

So Woytek, Die Reichsprägung des Kaisers Traianus, S. 21:

"Ebenso blieb unter Traian das Sollgewicht der Silberdenare, wie metrologische Untersuchungen des Verfassers zeigen, während der gesamten Regierungszeit konstant...(c. 3,41 g)....Neue Analysen ergaben, dass der Silbergehalt der Denarlegierung unter Nerva und am Beginn der Regierungszeit Traians (98 und 99 n. Chr.) bei durchschnittlich ca. 87% lag. In den Prägungen des Jahres 100 ist dann erstmals ein neuer Feingehaltsstandard von nur mehr ca. 80% Silber nachzuweisen, und dieser Standard wurde gemäss unseren Untersuchungsergebnissen bis an das Ende der traianischen Regierung beibehalten."

Die Untersuchung Weisers ging also von einer falschen Hypothese aus!
Weiser gibt - sich beziehend auf metallurgische untersuchungen in Walker - als mittleren feingehalt der denare an:
ca. 93% fuer den zeitraum 98-107
ca. 89% fuer den zeitraum 107-117
was im widerspruch zu Woytek steht.

falsche daten in Walker?
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Re: Die Einschmelzaktion von 107 n.Chr.

Beitrag von curtislclay » Mi 31.08.11 22:41

Ja offensichtlich: falsche Daten in Walker!

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Re: Die Einschmelzaktion von 107 n.Chr.

Beitrag von antinovs » Mi 31.08.11 22:51

dann hat möglicherweise ab 100 das einziehen grosser mengen alten geldes begonnen - u.a von unedleren legionsdenaren,
die zur verschlechterung beigetragen haben.
kann man damit aber einen sprung von 87% auf 80% erklären?
oder handelt es sich doch um eine vorsätzliche reduktion des feingehalts, um einen geldwerten vorteil zu ziehen?

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Re: Die Einschmelzaktion von 107 n.Chr.

Beitrag von curtislclay » Mi 31.08.11 23:22

Vermutlich doch eine vorsätzliche Reduktion.
Zuletzt geändert von curtislclay am Do 01.09.11 16:26, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Die Einschmelzaktion von 107 n.Chr.

Beitrag von Invictus » Do 01.09.11 02:50

Vielen Dank für eure interessanten und aufschlußreichen Darstellungen.
Eine Reduktion um 100 n.Chr. anzusetzen macht Sinn, da ja Trajan seine großangelegten Dakerfeldzüge finanzieren musste.

Vielleicht kann man sogar soweit gehen zu sagen, dass die während des gesamten 1. nachchristlichen Jahrhunderts immer wieder eingezogenen Vermögen von verurteilten Aristokraten (siehe Majestätsprozesse unter Tiberius und Domitianus) genügend Geld in die Staatskasse spülten, so dass man von einer Reduktion bis zu Nerva absehen konnte.
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