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Gründe Seltenheit von Silbermünzen Spätantike?

Verfasst: Sa 03.09.11 22:47
von pontifex72
Hallo zusammen,

ich beschäftige mich zur Zeit etwas intensiver mit der ausgehenden Kaiserzeit und den Vorgängen im 5. Jhd.

Hierbei finde ich sehr auffällig, dass bei den unterschiedlichen Nominalen Goldmünzen vergleichsweise häufig vorkommen, es aber darunter praktisch kaum Silbergeld gibt. Das macht es heute z.B. relativ schwierig, eine gut erhaltene Siliqua für einen halbwegs vertretbaren Preis zu erwerben. Andererseits muss mit Klein- und Kleinstbronzen damals sackweise bezahlt worden sein. Sicher spielte der Tauschhandel auch eine größere Rolle als in früherer Zeit.

Aber irgendwie ist es doch wenig sinnvoll, wenn unterhalb des "500 Euro-Scheins" das "5 Cent-Stück" und kleiner massenweise geprägt wird, während es dazwischen quasi nichts gibt.

Sind für diese Silberknappheit irgendwelche schlüssigen Gründe/Theorien bekannt?

Danke im Voraus.

MfG

Re: Gründe Seltenheit von Silbermünzen Spätantike?

Verfasst: Sa 03.09.11 23:00
von quisquam
Ich denke Du hast das richtige Stichwort schon genannt: Silberknappheit. Die Münzen werden so wenig ausgeprägt worden sein, weil nur wenig Silber als Rohstoff verfügbar war.

Grüße, Stefan

Re: Gründe Seltenheit von Silbermünzen Spätantike?

Verfasst: So 04.09.11 02:16
von kc
Wo war denn das Silber plötzlich hin? Die vielen Tonnen an Silberlingen aus den vorigen Jahrhunderten mussten doch
irgendwo geblieben sein. Wurden diese parallel zu den offiziellen Geldstücken als Zahlungs-/Tauschmittel verwendet?
Und warum wurden nicht alte Silbermünzen eingeschmolzen und neue daraus geprägt?

Grüße

kc

Re: Gründe Seltenheit von Silbermünzen Spätantike?

Verfasst: So 04.09.11 07:31
von Peter43
Sind nicht gerade viele höherwertige Münzen zu den 'Barbaren' gewandert?

Re: Gründe Seltenheit von Silbermünzen Spätantike?

Verfasst: So 04.09.11 08:27
von quisquam
Genau, guthaltiges Silber hat die Eigenschaft abzuwandern. Es hat zwar nichts mit der Spätantike zu tun, aber man nimmt z.B. an, dass die Silbermünzen der Ptolemäer auch deshalb so schlechthaltig waren, um zu verhindern, dass die Münzen aus dem geschlossenen System Ägyptens, das praktisch keine eigenen Silberquellen hatte, abwandern.

Grüße, Stefan

Re: Gründe Seltenheit von Silbermünzen Spätantike?

Verfasst: So 04.09.11 09:52
von donolli
Peter43 hat geschrieben:Sind nicht gerade viele höherwertige Münzen zu den 'Barbaren' gewandert?

ich denke, das ist der richtige ansatz. das habe ich auch irgendwo mal so gelesen (leider will mir gerade partout nicht die quelle einfallen).
in gold wurde viel geprägt, vor allem um damit tributzahlungen etc. leisten zu können. deshalb die relativ vielen solidi. daneben blieben die ae-nominale für den allltäglichen geldverkehr im reich. hätte man zusätzlich in größerem umfang in guthaltigem silber geprägt, wären auch diese münzen schnell auf nimmer wiedersehen über den limes gewandert. viele der existierenden silbermünzen sind zudem wohl eingeschmolzen worden (gibt ja z.b. viele beschnittene stücke aus der zeit), um silber für schmuck etc. zu erhalten.

davon abgesehen: dies gilt meines erachtens auch eher für das ausgehende 4. jahrhundert. im 5. werden doch auch die ae-nominale extrem selten und es ist heute eigentlich nur noch gold in nennenswerten mengen erhalten geblieben. da hat sich die krise wohl dann derartig verschärft, dass neben den goldmünzen überwiegend für den "export" nur noch der tauschhandel übrig blieb.

grüße
olli

Re: Gründe Seltenheit von Silbermünzen Spätantike?

Verfasst: So 04.09.11 10:48
von Iulia
Peter43 hat geschrieben:Sind nicht gerade viele höherwertige Münzen zu den 'Barbaren' gewandert?
Das Silber ist ganz konkret zu den Sassaniden gewandert.

Re: Gründe Seltenheit von Silbermünzen Spätantike?

Verfasst: So 04.09.11 10:56
von Pscipio
kc hat geschrieben:Wo war denn das Silber plötzlich hin?
Keine Gesellschaft lebt ausschliesslich von wiederverwertetem Metall. Abgesehen vom Edelmetallabfluss in Gebiete ausserhalb des Reiches scheinen zudem bedeutende Silbervorkommen (insbes. in Spanien und Britannien) im 3. Jh. zur Neige gegangen zu sein. Wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, habe ich irgendwo mal gelesen, dass im 4. Jh. metallurgisch eine neue Silberquelle nachzuweisen ist, die aber noch nicht genauer lokalisiert werden konnte. Sie scheint aber die Silberknappheit nicht völlig überwunden zu haben.

Re: Gründe Seltenheit von Silbermünzen Spätantike?

Verfasst: So 04.09.11 17:58
von alexander20
nun neben den zur Neige gehenden Silbervorkommen (wie Pscipio) ausführte , die "Abwanderung" von guthaltigen Silbermünzen in Gebiete außerhalb des Reiches, gab es wohl noch einen dritten Grund für die Silberverknappung im 4. und besonders im 5. Jahrhundert. Je schlechter die Zeiten insbesondere die wirtschaftlichen Zeiten wurden , desto mehr haben die Bürger gutsilberhaltige Münzen dem Wirtschaftskreislauf schlicht durch Horten entzogen.

alexander20

Re: Gründe Seltenheit von Silbermünzen Spätantike?

Verfasst: So 04.09.11 18:53
von quisquam
Andererseits: Je schlechter die wirtschaftlichen Zeiten, desto weniger Kapital bleibt zum horten übrig. Gehortet wurde immer, aber man kann nicht gerade behaupten, dass vermehrt spätantike Silberhorte auf uns gekommen sind. Wohl aber Bronzehorte, die in früheren Jahrhunderten noch die Ausnahme waren.

Grüße, Stefan

Re: Gründe Seltenheit von Silbermünzen Spätantike?

Verfasst: Mo 05.09.11 09:49
von Invictus
quisquam hat geschrieben:Ich denke Du hast das richtige Stichwort schon genannt: Silberknappheit. Die Münzen werden so wenig ausgeprägt worden sein, weil nur wenig Silber als Rohstoff verfügbar war.

Grüße, Stefan
Wenn man sich die Angaben des Historikers Strabo vor Augen hält, wonach zur Zeit des Polybius im größten hispanischen Silberbergbaugebiet bei Nova Carthago allein 40.000 Bergleute auf 160 Quadratkilometern Silber gefördert haben sollen ist es nicht verwunderlich, dass der Silbervorkommen ab dem 2. nachchristlichen Jh. immer mehr zur Neige gingen. Schließlich waren einst in Hispania jährlich um die 200 to Ag abgebaut worden.
Das Nachlassen der spanischen Förderquote und die später einsetzenden Barbareneinfälle in Dacia (solche Invasionen ließen die dortige Förderung sicherlich schlagartig zum Erliegen kommen) werden wohl als Hauptgrund für das Versiegen der Silberquellen gewesen sein.
Iulia hat geschrieben:Das Silber ist ganz konkret zu den Sassaniden gewandert.
Dass ein Großteil des abgewanderten Silbers nach Osten zu den Sassaniden ging kann man m.E. auch sehr schön daran sehen, dass die dortige Ausprägung von Silberdrachmen ab dem Ende des 2. Jh. stetig anstieg.
Allerdings wird zu den Germanenfürsten auch allerhand abgeflossen sein, denn für sie wurde Edelmetall immer mehr zum Statussymbol.

Re: Gründe Seltenheit von Silbermünzen Spätantike?

Verfasst: Mo 05.09.11 13:32
von Iulia
Invictus hat geschrieben: Dass ein Großteil des abgewanderten Silbers nach Osten zu den Sassaniden ging kann man m.E. auch sehr schön daran sehen, dass die dortige Ausprägung von Silberdrachmen ab dem Ende des 2. Jh. stetig anstieg.
Allerdings wird zu den Germanenfürsten auch allerhand abgeflossen sein, denn für sie wurde Edelmetall immer mehr zum Statussymbol.
Ende des 2. Jh. herrschten übrigens im Iran noch nicht die Sassaniden, sondern die Parther. Die haben zwar ebenfalls hauptsächlich Silber ausgeprägt, aber zu diesem Zeitpunkt waren sie politisch und wirtschaftlich bereits am Ende. Seit der Machtergreifung der sassanidischen Dynastie 227 n. Chr. wurde im Iran die Münzen mit wenigen Ausnahmen bis zum Untergang der Dynastie 637 n. Chr. fast ausschließlich in Silber geprägt. Das war die Leitwährung der Sassaniden und man gewinnt den Eindruck, dass die Römer ab dem 4. Jh. im Gegenzug dazu ihre Leitwährung ausschließlich auf Gold umgestellt haben.
Wie viel Silber die Franken und Alemannen im 5. Jh. in Germanien für ihre spärliche, wenn überhaupt vorhandene Münzprägung oder für Schmuckgegenstände verbrauchten fällt doch gegenüber dem zeitgleichen iranischen Verbrauch, der jährlich mehrere Tonnen betragen haben dürfte, kaum ins Gewicht.

Re: Gründe Seltenheit von Silbermünzen Spätantike?

Verfasst: Mo 05.09.11 14:22
von Invictus
@Iulia, ich würde die Menge des zu Germanen abgeflossenen Edelmetalls nicht unterschätzen, zumal Goten oder Vandalen auch dazu gehörten.
http://www.urgeschichte.de/artikel/museum/museum19.htm
Ansonsten hast du natürlich recht