Der Gestus des "spuere in sinum"
Verfasst: So 20.05.12 16:42
Wenn ich mich recht erinnere, ist dieser Gestus in den zurückliegenden Jahren bereits mehrfach thematisiert worden, ohne daß es jedoch zu einer abschließenden, d. h. in Fachkreisen allgemein akzeptierten Deutung sowohl des Gestus selbst als auch der ihn vollziehenden Gestalt gekommen zu sein scheint.
Zunächst einmal bedarf es der Richtigstellung der Grammatik: Es muß „spuere in sinum“ heißen, da auf die Frage „wohin“ der lateinische Richtungskasus antwortet, und das ist nun mal der Akkusativ.
Des weiteren hat das Wort „sinus“ mehrere Bedeutungen, die hier alle in Betracht zu ziehen sind. Da ist zunächst die schlichte Übersetzung mit „Busen“, wobei der heutige Sprachgebrauch darunder die weibliche Brust versteht. Das aber ist eigentlich nicht korrekt, denn gemeint ist ursprünglich vielmehr das Tal zwischen den Brüsten (s. „Meerbusen“!). Denkbar ist, daß dieser Hohlraum als ein passendes Versteck für allerlei Dinge angesehen wurde, die man gerne verborgen halten wollte:
Schillers „Ibykus“:
Doch dem war kaum das Wort entfahren,
Möcht er's im Busen gern bewahren;
Umsonst, der schreckenbleiche Mund
Macht schnell die Schuldbewußten kund.
Wenn der Italiener etwas „in petto“ (lat. „in pectore“, also „in der Brust“ hat, soll das ja auch zunächst noch keiner erfahren.
Eine zweite Bedeutung von „sinus“ ist ein Bausch im Gewand, wie er etwa entsteht, wenn man es rafft. In der so entstehenden Tasche lassen sich sehr gut Dinge vor unerwünschten Blicken schützen.
Wieder Schiller, diesmal aus der „Bürgschaft“:
Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich
Damon, den Dolch im Gewande:
Es ist also keineswegs ausgemacht, daß die Gottheit sich auf ihre eigene entblößte Brust spuckt, wogegen auch deren Kopfhaltung sprechen würde, sondern es ist ebensogut möglich, daß sie es auf den vom Körper abgezogenen Teil ihres Gewandes tut. Der Bedeutung dieser zweifellos symbolisch aufzufassenden Handlung dürften wir allerdings auch mit diesem Erklärungsversuch nicht sehr viel näher gekommen sein, es sei denn, daß jemand damit etwas anfangen kann.
Schließlich möchte ich hier noch zwei Münzen des Hadrianus mit der Nemesis-Pax-Victoria vorstellen, die ich in jüngster Zeit erwerben konnte:
HADRIANUS 117 – 138
AR Denar Rom 134 – 138
Av.: HADRIANVS AVG COS III P P - Belorbeerter Kopf rechts
Rv.: VICTO - RIA AVG - Geflügelte Nemesis (Pax-Victoria) nach rechts gehend; mit der Rechten im wohl apotropäischen Gestus des spuere in sinum den oberen Rand ihres Gewandes vom Körper abziehend, in der Linken Zweig
RIC 282
3,53 g
HADRIANUS 117 – 138
Æ Dupondius Rom 134 – 138
Av.: HADRIANVS AVG COS III P P - Belorbeerter Kopf rechts
Rv.: Ohne Legende S C - Geflügelte Pax Nemesis nach rechts stehend; mit der Rechten im wohl apotropäischen Gestus des spuere in sinum den oberen Rand ihres Gewandes vom Körper abziehend, in der Linken Zweig
RIC 828; C. 1373
13,39 g
Gruß
chinamul
Zunächst einmal bedarf es der Richtigstellung der Grammatik: Es muß „spuere in sinum“ heißen, da auf die Frage „wohin“ der lateinische Richtungskasus antwortet, und das ist nun mal der Akkusativ.
Des weiteren hat das Wort „sinus“ mehrere Bedeutungen, die hier alle in Betracht zu ziehen sind. Da ist zunächst die schlichte Übersetzung mit „Busen“, wobei der heutige Sprachgebrauch darunder die weibliche Brust versteht. Das aber ist eigentlich nicht korrekt, denn gemeint ist ursprünglich vielmehr das Tal zwischen den Brüsten (s. „Meerbusen“!). Denkbar ist, daß dieser Hohlraum als ein passendes Versteck für allerlei Dinge angesehen wurde, die man gerne verborgen halten wollte:
Schillers „Ibykus“:
Doch dem war kaum das Wort entfahren,
Möcht er's im Busen gern bewahren;
Umsonst, der schreckenbleiche Mund
Macht schnell die Schuldbewußten kund.
Wenn der Italiener etwas „in petto“ (lat. „in pectore“, also „in der Brust“ hat, soll das ja auch zunächst noch keiner erfahren.
Eine zweite Bedeutung von „sinus“ ist ein Bausch im Gewand, wie er etwa entsteht, wenn man es rafft. In der so entstehenden Tasche lassen sich sehr gut Dinge vor unerwünschten Blicken schützen.
Wieder Schiller, diesmal aus der „Bürgschaft“:
Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich
Damon, den Dolch im Gewande:
Es ist also keineswegs ausgemacht, daß die Gottheit sich auf ihre eigene entblößte Brust spuckt, wogegen auch deren Kopfhaltung sprechen würde, sondern es ist ebensogut möglich, daß sie es auf den vom Körper abgezogenen Teil ihres Gewandes tut. Der Bedeutung dieser zweifellos symbolisch aufzufassenden Handlung dürften wir allerdings auch mit diesem Erklärungsversuch nicht sehr viel näher gekommen sein, es sei denn, daß jemand damit etwas anfangen kann.
Schließlich möchte ich hier noch zwei Münzen des Hadrianus mit der Nemesis-Pax-Victoria vorstellen, die ich in jüngster Zeit erwerben konnte:
HADRIANUS 117 – 138
AR Denar Rom 134 – 138
Av.: HADRIANVS AVG COS III P P - Belorbeerter Kopf rechts
Rv.: VICTO - RIA AVG - Geflügelte Nemesis (Pax-Victoria) nach rechts gehend; mit der Rechten im wohl apotropäischen Gestus des spuere in sinum den oberen Rand ihres Gewandes vom Körper abziehend, in der Linken Zweig
RIC 282
3,53 g
HADRIANUS 117 – 138
Æ Dupondius Rom 134 – 138
Av.: HADRIANVS AVG COS III P P - Belorbeerter Kopf rechts
Rv.: Ohne Legende S C - Geflügelte Pax Nemesis nach rechts stehend; mit der Rechten im wohl apotropäischen Gestus des spuere in sinum den oberen Rand ihres Gewandes vom Körper abziehend, in der Linken Zweig
RIC 828; C. 1373
13,39 g
Gruß
chinamul