Sesterz des Gordian mit trauernder Mesopotamia?

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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Invictus
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Re: Sesterz des Gordian mit trauernder Mesopotamia?

Beitrag von Invictus » Di 02.10.12 11:06

Hallo Divus,
klar, aber das hat andere Symbolik :wink:
Auf den von dir erwähnten Stücken wurde ein Ehrenschild beschrieben (CAPTA oder VOT), bei Gordian ist es eine Kriegswaffe.
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divus
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Re: Sesterz des Gordian mit trauernder Mesopotamia?

Beitrag von divus » Di 02.10.12 11:28

Hallo Invictus,

ich meinte meine Bemerkung in Bezug auf :"Viktoria erstmals in der römischen Münzgeschichte einen Schild statt des Lorbeerkranzes in der Hand". ;)

Dass die Symbolik eine andere wäre, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Es ist doch eher eine Darstellungsvariation der selben Aussage. Auch ein Ehren- oder Siegesschild ist ein Schild, ist/war also eine Waffe/Teil der Bewaffnung, aber eben nur "umgewidmet", wie z.B. auch die Waffen am Tropaeum. Dem Feind die Waffen und die Rüstung abzunehmen gehört zum Siegeszeremoniell. Es geht m.E. immer noch um die Siegesbotschaft.

Im Übrigen erinnert dieser Darstellungstypus auch an die Venus Victrix, die desöfteren einen Schild und einen Gefangenen vorweist.

Grüße!

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Re: Sesterz des Gordian mit trauernder Mesopotamia?

Beitrag von chinamul » Di 02.10.12 11:51

In der Hoffnung, der Deutung der jeweiligen Figürchen dadurch etwas näher zu kommen, erlaube ich mir, hier noch einmal drei bereits im Forum gezeigte Sesterze des Vespasianus, des Domitianus und des Trajanus im Zusammenhang vorzustellen.
vespasian RIC 427.jpg
domit germ capt.jpg
trajan sest mesopot.jpg
Der oberste Sesterz zeigt links den römischen Sieger, egal, ob es nun der Kaiser oder Titus oder ein namenloser Soldat ist. Die rechts im Trauergestus sitzende weibliche Gestalt darf daher wohl mit einiger Berechtigung als Personifikation des besiegten Judaea aufgefaßt werden, zumal auf sie nicht nur in der Legende Bezug genommen wird, sondern sie auch einen integralen Bildbestandteil darstellt. Ließe man sie weg, wäre das Bild unvollständig. Damit verhält es sich ganz anders als auf den Gordiansesterzen, wo die Figur nur ein anonymes Randereignis ist und wegfallen könnte, ohne die Bildaussage in irgendeiner Weise zu beeinträchtigen.

Der mittlere Sesterz des Domitianus zeigt offensichtlich zwei Angehörige des besiegten Volkes. Die weibliche Figur ist als Germanin wieder durch den Trauergestus charakterisiert, während der auf der anderen Seite des Tropaions stehende Mann an dem umgehängten Fell unschwer als Germane zu erkennen ist. Hier handelt es sich meiner Ansicht nach, ganz anders als auf dem doch sehr ähnlichen Sesterz des Vespasianus, nicht um Personifikationen, sondern, gewissermaßen eine Abstraktionsstufe darunter, um reale unterworfene Germanen.

Wenn man sich den Namen Mesopotamia mal genau anschaut, stellt man fest, daß die deutsche Übersetzung mit "Zweistromland" (AC/DC :D) genau beschreibt, was dieses Gebiet ausmacht: Es ist von zwei Flüssen eingerahmt, wird demzufolge wohl am sinnfälligsten durch deren Personifikationen symbolisiert, wie es auch auf dem untersten Sesterz der Fall ist. Damit teile ich in diesem Punkte die von Invictus vorgetragene Ansicht.

Gruß

chinamul
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Re: Sesterz des Gordian mit trauernder Mesopotamia?

Beitrag von Invictus » Di 02.10.12 18:53

divus hat geschrieben:Dass die Symbolik eine andere wäre, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Es ist doch eher eine Darstellungsvariation der selben Aussage.
Hallo Divus,
Mit anderer Symbolik meinte ich, dass die Viktoria unter Gordian erstmals mit einem Schild (Schutz der Reichsgrenzen) statt ihrem Siegeslorbeer abgebildet worden ist. Auch die abstrakt anmutende Legende vom "ewigen Sieg" entspricht einem neuen aufkommenden Wunschdenken und vermittelt deshalb eine andere Aussage wie jene früheren Münzen, auf denen die Viktoria einen Schild beschreibt - hier hatte man noch konkrete und erfolgreich zu Ende geführte Taten verherrlicht (egal ob nun militärisch mit CAPTA; DE VICTIS oder "politisch" mit VOTIS; OB CIVES SERVATOS). Der sich abzeichnende Wandel von der offensiven zur defensiven Strategie seitens der Römer findet bei Gordian seine bildliche Widerspiegelung.
Vielleicht interpretiere ich da auch zuviel hinein. Doch könnten andere Beispiele diese Annahme nicht bestätigen? Man denke nur an Virtus. Seit Augustus Zeiten nie anders abgebildet wie mit Speer und Parazonium, erscheint Virtus etwa zeitgleich mit dem Beginn der Reichskrise (Germaneneinfall in Oberitalien), wenn auch noch nicht regelmässig, ebenfalls mit einem Schild. Zufall?
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Re: Sesterz des Gordian mit trauernder Mesopotamia?

Beitrag von divus » Di 02.10.12 20:59

Schönen Abend Unbesigbarer!

Nun, ohne mich jetzt wirklich intensiver mit diesem Thema befasst zu haben glaube ich leider nicht, dass Deine Annahme zu halten ist...

Woran machst Du fest, dass es sich um einen Schutzschild handelt im Sinne der Defensive, wie Du sagst?
Ich kann keinen Unterschied zu anderen Schilden erkennen, die Mars oder sonst eine Gottheit/Personifikation tragen könnte.
Für mich weist der Schild lediglich auf militärische Auseinandersetzungen hin.

Warum soll Gordians Feldzug gegen die Sasaniden eine defensive Kampagne gewesen sein?
Immerhin wurde wohl einiges Gebiet zurückerobert und die Grenze überschritten.
Der Feldzug mag eine Reaktion gewesen sein, war aber sicher offensiv geführt und als solcher propagandistisch dargestellt (man denke hier an die MARS PROPVGNATOR Legenden).

Woran machst Du fest, dass sich die Römer ab Gordian bewusst einer defensiven Verteidigungsstrategie verpflichteten?
Die militärisch-strategische Entwicklung des Reiches mag uns doch wenn überhaupt wohl eher aus der Rückschau so erscheinen, als ob bewusst eine defensive Verteidigungshaltung angestrebt würde. Aber selbst wenn dem so wäre, so wäre es meinem Verständnis der Römer/Romanitas höchst gegenläufig, eine defensive Haltung propagandistisch zu manifestieren.

Zudem, warum soll gerade VICTORIA AETERNA diese Defensive ausdrücken?
Propagandistisches "Wunschdenken" in diesem Sinne gab es auch schon früher, die häufigen VICTORIA AVG Legenden sind auch nicht konkreter, sind aber deswegen noch kein Indiz für Defensive oder ähnliches. Und neu ist die "Parole" auch nicht wirklich, so gab es zumindest bei den Severern gab es auch schon eine VICT AETER Legende.

Spätere Siege anderer Kaiser, die teils auf römischem Boden gar erreicht wurden, zeigen in der Propaganda dann weiterhin die geläufigen Darstellungsweisen, Victorien mit Kränzen oder Trophäen etc. Wären diese Siege und Kämpfe nach Deiner Interpretation nicht auch als "defensiv" zu bewerten und wäre dann nicht auch die "Victoria als Verteidigerin" zu erwarten gewesen?

Das wären erstmal meine Fragen dazu! :)

Viele Grüße!

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Re: Sesterz des Gordian mit trauernder Mesopotamia?

Beitrag von Invictus » Mi 03.10.12 11:59

Hallo Divus,

Je mehr ich über deine Sicht der Dinge nachdenke, desto mehr muss ich meine Vermutung in puncto Schild als Symbol de Reichsverteidigung revidieren. Das Problem liegt wohl darin, dass aus heutiger Sicht die Beurteilung der damaligen Lage nicht immer deckungsgleich mit der Auffassung der ollen Römer ist.
Natürlich bleibt es dabei, dass die kriegsrelevanten Gottheiten/Personifikationen bis in die späte Zeit der Adoptivkaiser selten (oder nie?) mit einem Schild dargestellt wurden. Jedoch hab ich bspw. beim Anschauen der ab Gordian einsetzenden Viktoria-Schild-Münzen nun festgestellt, dass Treb. Gallus bspw. aus der Reihe tanzt und "seine" Viktoria wieder mit Lorbeer statt Schild aufmarschieren ließ.
Es mag sein, dass es bspw. für Philippus ersichtlich sein sollte, dass die von Rom nicht eingehaltene Übereinkunft mit den Karpen anno 242 schon kurzfristig die nächste Invasionswelle über die untere Donau rollen lassen würde oder das römische Prinzip der schützenden Puffer"staaten" nicht mehr wie geplant umzusetzen war. Auch mögen bereits der Germaneneinfall Mitte der 60-er Jahre 2. Jh. AD in Oberitalien mit der Verschleppung -zig zehntausender Bürger, pestbedingter Menschenschwund und die stetig anwachsenden Grenzeinfälle ihre Spuren im römischen Bewußtsein hinterlassen haben. Aber ob sich die Römer ab Gordian nun deshalb bewusst einer defensiven Verteidigungsstrategie verpflichteten, weil ihre Kräfte nicht mehr ausreichend waren?

Ich danke dir für die aufklärende Kontroverse und den Hinweis, dass VICT AETER auch schon von den Severern verwendet wurde.
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Re: Sesterz des Gordian mit trauernder Mesopotamia?

Beitrag von divus » Do 04.10.12 09:38

Hallo Invictus!

Ein Gedankenaustausch ist immer interessant, und sich über den Wechsel von Ikonographie zu unterhalten, ist oft erhellend und hat schon desöfteren neue Erkenntnisse erbracht.
Nur noch als Fußnote: Ein wichtiger kriegsrelevanter Gott ist natürlich Mars, der auch schon früher mit Schild dargestellt wurde. Aber so wie Mars als Propugnator, Pacator oder Victor mit verschiedenen, definierten Attributen ausgestattet ist, möchte ich nicht gänzlich ausschließen, dass Victoria mit Schild eine gewisse Bedeutungsnuance hat, die sich uns nicht ganz erschließt. Nur müsste die Interpretation aber innerhalb dessen liegen, was zeitgenössisch plausibel ist und nicht aus der heutigen Rückschau als passend erscheinen mag. Ich könnte mir vorstellen, dass eventuell die vergleichweise ähnliche Darstellung der Venus Victrix eine Richtung für weitere Überlegungen dazu sein könnte.
Wenn man Deinen Gedanken aber aufgreift und nach einem numismatischen Ausdruck von Defensive in der römischen Ikonographie sucht, würden mir spontan die spätrömischen "Lagertore" in den Sinn kommen, dort sehe ich eine doch ganz andere Auffassung von Macht und Stärke als in den früheren Zeiten.

Grüße!

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