Kuriosum zur Prägetechnik

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

Moderator: Homer J. Simpson

curtislclay
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Re: Kuriosum zur Prägetechnik

Beitrag von curtislclay » Mo 22.07.13 19:52

Pupienus sestertius, LIBERALITAS AVGVSTORVM type struck over P M TR P COS II P P Genius of the Senate type.

Gordian III antoninianus, Antioch, here my description from Gemini IV, 2008, lot 478:

Providentia type overstruck at 180 degree rotation on
AEQVITAS AVG type. Visible of the overtype: [P M TR]
P II COS P P, upper half of Providentia's body facing
left, extending right hand (globe invisible) and holding
transverse scepter, plus the ground line and her feet.
Surviving of the undertype: [AEQVIT]AS AVG, upper
half of Aequitas' body facing left, attached upside down
to the upper half of Providentia's body, right hand holding
scales eradicated, top of cornucopia visible beside her
left shoulder. This coin and four other early Antioch antoniniani of
Gordian III with overstruck reverses were published by
Johan van Heesch, "Un antoninien refrappe de Gordien
III emis a Antioche," Cercle d'Etudes Numismatiques,
Bulletin 30/2, April-June 1993, 24-29. Van Heesch
proposed that a batch of Antioch coins had to be restruck
because of an engraving error on the obverse die, but the
obverses of the coins in question actually show no traces
of overstriking, only the reverses. The true explanation is
probably an unpublished idea of Colin Kraay's, expressed
verbally to Curtis Clay in 1974: it would appear
that two reverse dies were being used alternately and at
rapid tempo with one and the same obverse die, and the
overstrikes occurred when a finished coin was erroneously
left in the obverse die and was struck again with the other
reverse die. Such overstruck reverses occur fairly frequently
on Roman imperial sestertii and middle bronzes, but only
rarely on silver coins.
Dateianhänge
PupienusSestLiberalOverGenius.jpg
GordIIIAntEastProvidOverAequitas.jpg

curtislclay
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Re: Kuriosum zur Prägetechnik

Beitrag von curtislclay » Mo 22.07.13 20:04

Posa hat geschrieben:Ich habe mich da gefragt, ob es nicht möglich ist, dass teilweise die Offizinen in einer Werkstätte, aber in Schichten gearbeitet haben. Grob gesagt: Tagschicht A, Nachtschicht B. Aber das ist natürlich Spekulation, aber, wie oben schon gesagt: Die räumliche Trennung kann offenbar mitunter nicht so riesig gewesen sein.
Ich glaube, man muss weiter gehen. Die Vorstellung, dass Offizinen getrennte Produltionswerkstätten waren, ist offenbar falsch. Die Offizinsnummern müssen eine andere Bedeutung gehabt haben!

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Re: Kuriosum zur Prägetechnik

Beitrag von Posa » Mo 22.07.13 21:40

Herzlichen Dank, das ist das gleiche Phänomen, ohne Zweifel, curtis.
Wenn ich deine weitere Andeutung richtig verstehe, dann hieße das, dass die Offizin, abstrakt gesprochen, nicht einen Ort sondern vielleicht eher einen Vorgang kennzeichnet, oder eine bestimmte Arbeitsgruppe oder ganz konkret den jeweiligen Stempel(typ). Darüber muss ich erst mal nachdenken...

Gruß Posa

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Re: Kuriosum zur Prägetechnik

Beitrag von Zwerg » Mo 22.07.13 21:56

it would appear
that two reverse dies were being used alternately and at
rapid tempo with one and the same obverse die, and the
overstrikes occurred when a finished coin was erroneously
left in the obverse die and was struck again with the other
reverse die
Wir versinnbildlichen:

Der Vorderseitenstempel sitzt fixiert im Amboß
Mindestens zwei Arbeiter halten die Rückseitenstempel bereit.
Der Mann mit dem Hammer steht in Stellung.
Irgendwie muß sehr schnell der Schrötling eingeworfen und entfernt werden.
Das Ganze in perfekter Synchronisation.

Hochachtung!
Ich glaube, wir können uns nicht bildlich vorstellen, wie eine römische Münzstätte funktioniert hat.
Theorie ist das eine - aber die Praxis war sicherlich ein wenig komplizierter

Grüße
Zwerg
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Re: Kuriosum zur Prägetechnik

Beitrag von Arminius » Mo 22.07.13 23:28

Vielleicht war die `Officina´ eine sogenannte Schicht, d.h. man arbeitete an den selben Werkzeugen und in den gleichen Werkstätten - nur zu anderen Zeiten.
Aufgaben und Qualitäts-Vorgaben waren zwar klar strukturiert und vorgegeben, aber ...

Doch zur Zeit des Kaisers Constantius war in der Münzstätte Thessalonika dieser Lehrling, der zwar immer alles vor Schichtbeginn reinigen und ordnen sollte, aber nicht ganz bei der Sache war. Denn seine Gedanken waren morgens immer noch bei diesem jungen Ding aus Thessalien, die an den heißen Abenden ...
meine Zahlungsmittel-Dateien

Ich lasse mich durch Ansichts- und Glaubensfragen nicht in einen Empörungsmodus bringen.

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Re: Kuriosum zur Prägetechnik

Beitrag von Posa » Di 23.07.13 05:02

Jetzt, wo´s spannend wird, hörst Du auf. Das ist gemein! :?

Gruß Posa

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Re: Kuriosum zur Prägetechnik

Beitrag von Invictus » Di 23.07.13 18:23

Zwerg hat geschrieben:
it would appear
that two reverse dies were being used alternately and at
rapid tempo with one and the same obverse die, and the
overstrikes occurred when a finished coin was erroneously
left in the obverse die and was struck again with the other
reverse die
Wir versinnbildlichen:

Der Vorderseitenstempel sitzt fixiert im Amboß
Mindestens zwei Arbeiter halten die Rückseitenstempel bereit.
Der Mann mit dem Hammer steht in Stellung.
Irgendwie muß sehr schnell der Schrötling eingeworfen und entfernt werden.
Das Ganze in perfekter Synchronisation.
Um einen Amboss/Holzkloben mit eingelassenen Unterstempel können doch kaum mehr wie 4 Personen gestanden/gesessen haben (im Winkelabstand von 90° resp. jeweils zwei gegenüber). Wie war da die Arbeitsteilung, wenn zwei Oberstempel im Spiel waren?

Bei 360° sitzt Person A, der die Schrötlinge (beim "Kaltpressen") einlegt und herausnimmt
Bei 90° sitzt der erste Oberstempelhalter(Person B)
Bei 180° sitzt Person C, der auf die Oberstempel schlägt
Bei 270°sitzt der zweite Oberstempelhalter(Person D)

Da frage ich mich: Wozu zwei Oberstempelhalter? Wenn der eine arbeitete, hatte der andere nichts zu tun.

Eine andere Variante wäre, dass der Oberstempelhalter selbst die Schrötlinge in den Unterstempel legte und dann den Oberstempel darauf setzte. Herausgenommen hat sie dann die vierte Person (und wohl gleichzeitig begutachtet) - oder der Stempelhalter selbst.

Allerdings sind diese angedachten Produktionsweisen überhaupt nicht in Einklang mit der vermuteten Entstehung der beidseitigen Reversprägung zu bringen.
Zuletzt geändert von Invictus am Di 23.07.13 20:00, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Kuriosum zur Prägetechnik

Beitrag von beachcomber » Di 23.07.13 19:41

gesessen werden die wohl kaum haben. :wink:
solche geschwindigkeiten und kraftanstrengungen sind sicher nicht im sitzen auszuführen. deswegen ist auch der platz überhaupt kein problem, es tritt halt immer derjenige vor, dessen rückseite an der reihe ist. im übrigen bin ich nicht so sicher, ob der hammermann nicht auch den oberstempel gehalten hat, schliesslich waren die sehr kurz um die kraft optimal zu übertragen, und das mit 2 personen zu machen ist doch sehr unpraktisch und die verletzungsgefahr wohl auch zu gross!
grüsse
frank

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Re: Kuriosum zur Prägetechnik

Beitrag von Invictus » Di 23.07.13 20:07

Hallo Frank,

der Hammerschwinger nicht, da gebe ich dir recht, der kann nur gestanden haben, aber die Oberstempelhalter ganz bestimmt nicht!
Vergleiche bspw. die im Kunsthistorischen Museum Wien gezeigte Tessera, wo die Prägeszene gezeigt wird.
Aber auch im praktischen Versuch zeigt sich: Nicht nur derjenige, der die Schrötlinge auf den Unterstempel legt, profitiert davon, wenn sein Augen in etwa der Höhe des Unterstempels sind, auch der Oberstempelaufsetzer sieht viel besser - und das geht nur im Sitzen.

Und mit einer Hand halten, mit der anderen schlagen? Bei erhitzten Edelmetallschrötlingen war's ganz sicher so, aber falls Bronzen in kalten Zustand geschlagen wurden (was einen erheblich größeren Kraftaufwand verlangt) dann wäre es bei Centenionalen möglich, bei 9-g-Folles schon schwieriger und bei Sesterzen sicher unmöglich, denke ich. Jedenfalls was optisch dabei rausgekommen wäre :wink:


Gruß
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Re: Kuriosum zur Prägetechnik

Beitrag von emieg1 » Di 23.07.13 20:36

Invictus hat geschrieben: der Hammerschwinger nicht, da gebe ich dir recht, der kann nur gestanden haben, aber die Oberstempelhalter ganz bestimmt nicht!
Und was macht dich da so sicher? :wink:
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Re: Kuriosum zur Prägetechnik

Beitrag von ischbierra » Di 23.07.13 21:02

Also ich als Oberstempelhalter hätte mich hingesetzt; das hätte die Gefahr verringert, mit dem Hammer eins über die Nase zu kriegen

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Re: Kuriosum zur Prägetechnik

Beitrag von Invictus » Di 23.07.13 21:12

Das schaut aber sehr nach einem neuzeitlichen Relief aus oder täusche ich mich da?
Ein Angabe zum Bild wäre nett.

Hier mein Gegenargument :wink:
bitte auf S. 105 / Abbildg. 51 scrollen
Bei dieser Tessera mit Motiv einer Münzprägeszene sitzt er (KHM Wien).
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Re: Kuriosum zur Prägetechnik

Beitrag von emieg1 » Di 23.07.13 21:34

Klar ist der neuzeitlich... aber so stellen sich jedenfalls die römischen Experten des Museo Nazionale Romano den Prägevorgang vor.

Auf der Tessara erkenne ich allerdings nicht viel. Aber davon mal ganz abgesehen; wie lange würde es wohl dauern, bis die Arme von jemandem erschlaffen, der einen Münzstempel nebst massiver Zange im Sitzen hält und den noch nach jedem Prägevorgang beiseite nehmen muss? :D

Allerdings finde ich die Überlegung, ob tatsächlich zwei Oberstempel wechselseitig zum Einsatz kamen, interessanter...

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Re: Kuriosum zur Prägetechnik

Beitrag von Invictus » Di 23.07.13 22:31

Bleiben wir mal bei dem italienischen Relief:
Der Unterstempel liegt deutlich sichtbar auf einem vierfüssigen ehernen Amboss, der wiederum auf einem Podest steht. Frage: Wie ist der Dorn vom Unterstempel darin verankert? Passgenau zugefeilt? Welch ein Aufwand jedesmal. Kann man nicht einfach zugeschnittene Eichenkloben als Unterlage verwendet haben, in die der Unterstempel problemlos eigeschlagen werden konnte und absolut fest saß? Vorlage hierfür: der römische Feldambosshttp://www.roemische-schmiede.de/Schmie ... _01_03.jpg. Fazit eines archäologischen Experiments: es lässt sich erstklassig schmieden. Warum sollten es die Münzenpräger anders machen?
(Auch wenn's hier nicht dazugehört: Was, wenn hier gar keine Münzwerkzeuge darstellt sind, sondern einfach nur Schmiedewerkzeuge? Denar Carisius. Man beachte die typische Form einer Schmiedezange. Und warum sollte für das Schlagen solch ein Schmiedehammer verwendet werden und kein einfacher Fäustling mit langen Stiel? Es wirkt geradezu grotesk, dieses italienische Hämmerchen :mrgreen: )
Und das man Münzstempel mit der Zange anfasste? Weiß jemand von euch darüber mehr? Mir ist nur bekannt, dass man sich der Zangen wegen der erhitzten Schrötlinge bediente.
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Re: Kuriosum zur Prägetechnik

Beitrag von Arminius » Di 23.07.13 23:17

[quote="Posa"]Jetzt, wo´s spannend wird, hörst Du auf. Das ist gemein! :?

Gruß Posa[/quote]

Nun, der Rest ist der Gedankenwelt und Phantasie (oder ist dieser Begriff auch ein Opfer der Rechtschreibreform geworden?) des jeweiligen Lesers überlassen. :wink:

Ich vergass: Erschwerend kommt jedoch noch hinzu, dass der besagte Lehrling am Vorabend einige Becher des makedonischen Weines zuviel genossen hatte. :drinking:

Da auch das heranziehende Gewitter des Vorabends überraschenderweise ausblieb und die Schwüle des Vortages auch am nächsten Morgen noch in den noch immer heißen Räumen der Münzstätte Thessalonika unbarmherzig die vorgegebenen Arbeitsgänge erschwerte, war der mit Aufräumarbeiten beauftragte Lehrling einerseits durch heftige Kopfschmerzen beeinträchtigt, wärend er in den beschwerdefreien Momenten genussvoll den Erinnerungen des Vorabends nachhing. :angel:
So konnte es geschehen, dass ...
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