Aus der fraglichen Zeit gibt es in Thessalonike zwei Hauptgruppen der AE-Prägung:
- AV: weibl. Kopf mit Legende AGONOTHESIA; RV: Kranz mit Legende ANT. / KAI.
- AV: weibl. Kopf mit Legende ELEUTHERIA THESSALONIKEON; RV: Nike mit Legende M. ANT. AYT. – G. KAI. AYT.
Der Frauenkopf sieht in beiden Fällen sehr ähnlich aus, nur die Legenden sind verschieden.
Das dahinterstehende Problem zeigt sich in der antiken Kunst und vor allem in der Münzprägung immer wieder, wenn es um Personifikationen geht. Nur bei ganz wenigen dieser meist recht künstlichen „Gottheiten“ gibt es wohldefinierte äußere Merkmale, die so etwas wie eine „porträthafte“ Wiedergabe und entsprechende Wiedererkennbarkeit ermöglichen.
Weibliche Personifikationen waren dabei für die Darstellung offenbar ein noch größeres Problem als männliche, denn
1. gab es aus sprachlich-grammatischen Gründen viel mehr weibliche als männliche;
2. konnte man bei ihnen nicht einmal durch bartlos – kurzbärtig – langbärtig zwischen jung, erwachsen und reifem Alter differenzieren.
So blieb bestenfalls die Unterscheidung durch Attribute, z.B. Rad und Steuerruder für Fortuna, Waage für Iustitia usw., aber auch das war nur bei Darstellungen der ganzen Gestalt ein wirklich gangbarer Weg. War dagegen nur Kopf oder Büste darzustellen, so blieb kaum etwas anderes, als den Namen der Personifikation dazuzuschreiben.
Da nun in solchen Fällen die Beischrift das einzige Benennungskriterium ist, muß man sich tatsächlich mit Nikolausi fragen:
Denn wenn „Eleutheria“ draufsteht, muß auch „Eleutheria“ drin sein!Ich weiß nicht wie die auf "Agonothesia" kommen, wenn „Eleutheria“ draufsteht.
(@cojobo: Ich habe den Eindruck, daß Du mit der Menge der Fehlbenennungen etwas übertreibst, ich habe jedenfalls bei wildwinds nur einen Fall gefunden, wo eine Eleutheria als Agonothesia benannt wird. Da dürfte es wohl einfach ein Fehler sein.)
Zur Agonothesia selbst:
Wie Nikolausi andeutet, geht es dabei um Veranstaltung von und Vorsitz bei Wettkämpfen. Wettkämpfe gab es in der griechischen Welt zur Genüge, das Amt der Agonotheten ist also nicht selten, die Darstellung der Agonothesia dagegen sehr. Außer auf der uns schon hinlänglich bekannten Münzreihe aus Thessalonike kommt sie nur noch einmal z.Z. Valerians in Gordus Julia in Lydien vor. Und was die Thessaloniker dazu getrieben hat, dieses Münzbild zu ersinnen, ist herzlich unklar.
C. Arnold-Biucchi, die sich – soweit ich sehe – zuletzt ausführlicher zum Thema geäußert hat (Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae 1 (1981) 305) schreibt resigniert: "Il s'agit d'une représentation... très rare. Je ne sais expliquer son apparition à Thessalonique...".
In dem "Lexikon der Aufschriften auf griechischen Münzen" 1 (2002) von W. Leschhorn und P.R. Franke wird 26 Anm.1 die Hypothese derer, die glauben, zumindest etwas vermuten zu können, zusammengefaßt: "Bezieht sich möglicherweise auf die Einrichtung von Spielen zur Feier des Sieges über die Caesarmörder bei Philippi."
Die Eleutheria ist als Münzbild nicht viel häufiger (Legende kaiserzeitlich nur noch in Aphrodisias und Alexandria), dafür ist ihr Auftreten auf der vorliegenden Münze leichter zu erklären: Thessalonike stellte sich im Kampf gegen die Cäsarmörder auf die Seite von Antonius und Octavianus, soll dafür von Brutus seinen Truppen auch als Plünderungsziel im Falle eines Sieges versprochen worden sein, blieb davon aber wegen des bekannten Ausgangs der Schlacht von Philippi verschont, und wurde von Antonius und Octavianus zum Dank in den Rang einer civitas libera erhoben.
Freundliche Grüße
D.F.
PS: Zum Gegenstempel auf Nr. 1 hat Nikolausi alles Wesentliche gesagt, ich trage nur noch das Standardzitat nach: C.J. Howgego, Greek Imperial Countermarks (1985) 252 Nr. 729 iii (Ligatur aus X und F für legio X Fretensis).