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Blickrichtung des Portraits

Verfasst: So 27.12.15 16:11
von Mynter
Eine weitere Anfängerfrage : Gibt es eine Erklärung dafür, wieso die römischen Kaiser das nach rechts blickende Portrait bevorzugten ?

Re: Blickrichtung des Portraits

Verfasst: So 27.12.15 16:48
von tilos
Die für mich interessanteste Erklärung, die ich irgendwo mal gelesen habe, ist, dass der rechtshändig arbeitende Stempelschneider am einfachsten Linksporträts schneiden konnte und somit die meistenn römischen Münzen ein Rechtsporträt tragen. Der Anteil der Linksporträts auf Münzen soll i.Ü. in etwa dem durchschnittlichen Anteil von Linkshändern an Bevölkerungen entsprechen. Klingt doch alles recht plausibel, oder?

Gruß
Tilos

Re: Blickrichtung des Portraits

Verfasst: So 27.12.15 16:49
von beachcomber
wahrscheinlich weil nach rechts den eindruck von vorwärts, voran darstellt, während eine darstellung nach links für's auge rückwärts gewandt erscheint!
grüsse
frank

Re: Blickrichtung des Portraits

Verfasst: So 27.12.15 17:08
von Peter43
Ich teile die Ansicht von beachcomber. Diese wird auch bestätigt durch eine Anordnung von Goebbels, daß in der Wochenschau die deutschen Panzer immer auf der Fahrt nach rechts gezeigt werden sollten, weil daß der natürlichen Angriffsrichtung entspräche (gilt eigentlich nur für Rußland, wenn man es genau bedenkt).

Jochen

Re: Blickrichtung des Portraits

Verfasst: So 27.12.15 17:46
von justus
Lee Toone, ein bekannter englischer Numismatiker, der durch seine zahlreichen Veröffentlichungen, Aufsätze und Bücher bekannt geworden ist, hat mal vor Jahren auf seiner Webseite „Hookmoor Ancient Coins“ hierzu ein paar Erklärungen zusammengetragen. Wenn ich mich richtig erinnere, so geschah dies damals auf Anfrage unseres Forumsmitglieds Andicz in einem anderen Forum (siehe Link Nr. 2 unten).

Lee Toone „Why are some Emperors looking left?“ -----> http://www.hookmoor.com/home/?p=509

Die Bedeutung von Links- und Rechtsportraits auf römischen Prägungen -----> http://www.muenz-board.com/Thread/8888- ... /?pageNo=3
Ich hatte damals geschrieben: Ab der Konstantinischen Epoche scheinen Linksbüsten zumindest teilweise zur Hervorhebung von gesonderten Prägungen Verwendung zu finden. Vergleiche Trierer Pelzchen, 4-türmige Lagertore, aber auch die Städtegedenkprägungen für Rom und Konstantinopel. Andererseits gibt es natürlich auch 2-türmige Lagertore mit Linksbüsten.

Re: Blickrichtung des Portraits

Verfasst: So 27.12.15 18:51
von Altamura2
Das Überwiegen von Rechtsköpfen ist auch kein rein römisches Phänomen, das ist schon bei griechischen Münzen so (wobei ich da jetzt aber keine Statistik betrieben habe :wink: ) und bei späteren vermutlich auch.

Es scheint aber interessante Ausnahmen zu geben. Wenn man die Elektronhekten aus Phokaia betrachtet (http://www.acsearch.info/search.html?te ... 1&company=), dann schauen die überwiegend nach links 8O .

Gruß

Altamura

Re: Blickrichtung des Portraits

Verfasst: So 27.12.15 18:56
von kc
Für mich wäre da die Erklärung von Tilos logischer, weil es doch keinen Sinn macht, Linksporträts prägen zu lassen,
wenn diese mit etwas "Negativem" verbunden werden.
Außerdem sind auf den Rückseiten der Münzen mit einem Linksporträt oft völlig banale Darstellungen von Gottheiten zu sehen,
ohne großartige geschichtliche Aussage.

Grüße
kc

Re: Blickrichtung des Portraits

Verfasst: So 27.12.15 19:00
von shanxi
Interessanterweise ist es bei den Rückseiten ohne Portrait meist genau umgekehrt:

Suchen bei acsearch (nur Antike):

"standing left" : 29'649 Ergebnisse
"standing right": 12'978 Ergebnisse

"seated left": 13'580 Ergebnisse
"seated right": 3'522 Ergebnisse

auch hier gibt es Ausnahmen, die die These von der vorwärtsgewandten Richtung stützen.

"advancing left": 2'794
"advancing right": 3'044

"running left": 249
"running right": 516

d.h. bei Bewegung dominiert rechts leicht, bei statischen Motiven links deutlich.

Re: Blickrichtung des Portraits

Verfasst: So 27.12.15 21:19
von Mynter
Altamura2 hat geschrieben:Das Überwiegen von Rechtsköpfen ist auch kein rein römisches Phänomen, das ist schon bei griechischen Münzen so (wobei ich da jetzt aber keine Statistik betrieben habe :wink: ) und bei späteren vermutlich auch.
Ich habe unter diesem Gesichtspunkt eben mal den Jaeger durchgesehen. Bei meinem Stammsammelgebiet , dem deutschen Kaiserreich von 1871, gibt es, bei 300 Katalognummern 254 Münzen, die Portraits zeigen. Es ergibt sich folgende Verteilung:

Linksbildnis = 106
Rechtsbildnis = 148

Die damalige Münzgesetzgebung machte hier keine Vorschriften, von den sächsischen Gedenkmünzen zum Jubiläum der Leipziger Universität, die die gestaffelten Portraits des Königs und des Universitätsgründers nach links zeigen, ist bekannt, dass die Blickrichtung ursprünglich andersherum war. Hier gab es jedoch Einsprüche vom Hof, da auf diese Weise der König unten lag, der Stempelschneider musste deshalb noch mal von vorn anfangen.

Interessant finde ich auch, dass die Blickrichtung des Königs auf den propagandistischen Prägungen zum 100. Jahrestag der Befreiungskriege nach links geht. Der St. Georg auf dem Dreimarkstück " Mansfeld " reitet nach rechts, genauso, wie auf seinen historischen Vorbildern. Nach rechts schreitet auch der Elephant auf den 15- Rupien- Stücken aus Tabora, doch das nur am Rande. Siehe Goebbels " Panzererlass "

In England und in Norwegen ist ein Wechsel der Blickrichtung beim Thronwechsel üblich. Mein Avatar, Haakon VII schaut nach rechts, sein Nachfolger Olav nach links, Harald wieder nach rechts. In diesen beiden Fälle handelt es sich um eine Gepflogenheit.

Re: Blickrichtung des Portraits

Verfasst: So 27.12.15 21:43
von Peter43
Mynter hat geschrieben:Interessant finde ich auch, dass die Blickrichtung des Königs auf den propagandistischen Prägungen zum 100. Jahrestag der Befreiungskriege nach links geht.
Da geht es ja auch gegen den "Erbfeind" im Westen.

Jochen

Re: Blickrichtung des Portraits

Verfasst: So 27.12.15 22:17
von mike h
Wenn man das auf die Römer bezieht, hatte selbst Janus zu wenig Gesichter 8)

Martin

Re: Blickrichtung des Portraits

Verfasst: Mo 28.12.15 10:12
von quisquam
Die tatsächliche Verbindung der Richtung mit vorwärts- und rückwärtsgewandt zeigt sich mir dadurch, dass auf profectio-Darstellungen (Aufbruch) der Kaiser nach rechts reitend und auf adventus-Darstellungen (Ankunft) nach links reitend dargestellt wird.

Grüße, Stefan

Re: Blickrichtung des Portraits

Verfasst: Mo 28.12.15 17:46
von curtislclay
Eine feste Regel ist das aber nicht!

Traianus, Silber- und Bronzemedaillon, ca. 107 n. Chr., Rückkehr nach Rom nach seinem zweiten Dakerkrieg, Vs. COS V, Rs. ADVENTVS AVG SPQR OPT PRINCIPI, Kaiser auf nach rechts schreitendem Pferd, vorne Felicitas, hinten Mars und zwei Soldaten, Woytek Taf. 52, 259e und 260m.

Commodus als Caesar, Aureus, 175-6, Vs. GERM SARM, Rs. ADVENTVS CAES, Commodus auf nach rechts schreitendem Pferd, BMC Taf. 66, 6.

Commodus als Augustus, Sesterz, 180, Rückkehr nach Rom nach der Tod seines Vaters, Vs. TR P V, Rs. ADVENTVS AVG IMP IIII COS II P P, derselbe Typ, BMC Taf. 90, 10.

Septimius, Bronzemedaillon, 1. Jan. 194, Vs. IMP III, Rs. ADVENTVI AVG P M TR P II COS II P P, der Kaiser auf rechtshin sprengendem Pferde, vor ihm nach rechts eilender Soldat, Dressel, Medaillone zu Berlin, Taf. XIII, 95.

Septimius, Sesterz, As, Aureus und Denar, 196, Ankunft in Rom nach dem Sieg über Albinus, Vs. IMP VIII, Rs. ADVENTVI AVG FELICISSIMO, ähnlicher Typ mit Kaiser auf screitendem nicht sprengendem Pferd nach rechts, mit oder ohne Soldaten, BMC Taf. 9, 7-8; Taf. 25, 5; Taf. 26, 1.

Septimius, Aureus, 202, Rückkehr nach Rom aus dem Osten, Vs. TR P X COS III, Rs. ADVENT AVGG, Septimius, Caracalla und Geta auf rechtshin sprengenden Pferden, Calicó 2424 (mit Bild).

Re: Blickrichtung des Portraits

Verfasst: Mo 28.12.15 18:20
von quisquam
Stimmt, danke für die Recherche. Von Severus Alexander gibt es auch Profectio mit Pferd nach links.

Keine Regel ohne Ausnahme.

Grüße, Stefan

Re: Blickrichtung des Portraits

Verfasst: Mo 28.12.15 19:43
von Muttis Liebling
Fällt euch bei Caligula und Claudius was auf?
Schaut mal deren Nominale an.
Da scheint es eine Besonderheit zu geben.