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Imitativer Aureus

Verfasst: Do 24.03.16 19:28
von Tejas552
Hier ist ein sehr interessanter imitativer Aureus. Es handelt sich dabei um einen ostgermanischen oder sarmatischen Beischlag. Interessant ist die Pferdedarstellung. Das Pferd had acht Beine. Entweder sollen hier zwei Pferde hintereinander dargestellt werden. Beim Kopf sieht das etwas so aus, aber bei genauer Betrachtung ist das nicht so klar. Möglicherweise soll das Pferd wirklich acht Beine haben. Es könnte dann ein sehr früher Hinweis auf Odins Pferd Sleipnir sein, dass ja bekanntlich mit acht Beinen ausgestattet war.

Hat jemand eine Ahnung welcher Aureus die Vorlage war? Ich vermute einen Aureus der Tetrachen.

Gruss
Dirk

Re: Imitative Aureus

Verfasst: Do 24.03.16 19:36
von beachcomber
da sollte doch wohl eher eine biga dargestellt werden, wie erklärst du dir sonst das rad, und auch die zügel die die victoria in händen hält?
für das rv gibt's hier eine vorlage:
https://www.acsearch.info/search.html?id=262215
grüsse
frank

Re: Imitativer Aureus

Verfasst: Do 24.03.16 20:02
von Tejas552
Ja richtig. Ich habe die ganze Zeit nach Quadriga gesucht. Das Vorbild war eine Rückseite mit Biga. Danke für den Hinweis!

Diese Münze hier könnte das Vorbild gewesen sein (Preis 13000 EUR!)

https://www.acsearch.info/search.html?id=1877382

Man kann auf der Imitation sogar das "DIO---" von Diocletianus lesen.

Gruss
Dirk

Re: Imitativer Aureus

Verfasst: Do 24.03.16 20:26
von Tejas552
Der Typ ist sogar bereits bekannt. Hier ist ein weiteres Exemplar (Leider ist das Bild ziemlich klein). Interessanterweise wurden diese Münzen nur zu einem Zweck gemacht, nämlich das Krieger sie um den Hals tragen konnten. Dies zeigen Exemplare aus archäologischen Ausgrabungen. Diese Münzen wurden wahrscheinlich von "Fürsten" an ihre Gefolgsleute verschenkt. Damit vollzogen sie möglicherweise die Schenkung von Goldmünzen durch die römischen Kaiser an ihre verdienten Truppen nach.

Diese Münzen wurden nur in seltenen Fällen mit Henkeln oder Ösen produziert, sondern erst nachträglich und oftmals recht willkürlich und unachtsam gelocht. Es ist möglich, dass der Prozess der Lochung Teil des Schenkungszeremoniells war: Also Übergabe, Lochung und um den Hals hängen als Teil eines mehr oder weniger standardisierten Zeremoniells.

Gruss
Dirk

Re: Imitativer Aureus

Verfasst: Di 29.03.16 16:19
von Tejas552
Diese imitativen Aureii scheinen hier nur auf verhaltendes Interesse zu stossen. Dass vorliegende Stück, dass ich jetzt auch gekauft habe, wurde im Chmielnitskaya Oblast in der Ukraine gefunden. Es wurde aber aus Polen heraus verkauft, so dass bezüglich Einfuhr keine Probleme bestehen. In meinem "Archiv" (wohlgemerkt nicht Sammlung) habe ich rund 200 dieser Münzen ausgewertet, die alle von Fundorten in der Ukraine, Ostpolen, Moldawien und Bulgarien stammen. Mich würde sehr interessieren, ob jemand hier von imitativen Goldmünzen aus anderen Regionen gehört hat. Mich würde insbesondere interessieren ob solche Münzen im 3./4. Jh. in West- oder Nordeuropa hergestellt wurden. Es gibt spätere Imitationen aus Indien und dem mittleren Osten. Diese unterscheiden sich aber deutlich on den Stücken aus Süd-Osteuropa.

Gruss
Dirk

Re: Imitativer Aureus

Verfasst: Di 29.03.16 16:47
von Numis-Student
Tejas552 hat geschrieben:Diese imitativen Aureii scheinen hier nur auf verhaltendes Interesse zu stossen.
Hallo Dirk,
bitte mache nicht den "typischen Forumsfehler" und setze "keine/kaum Antworten" mit "kein Interesse" gleich. Ich möchte wetten, dass gerade solche Beiträge wie deiner hier mit großem Interesse gelesen werden. Nur ist es so, dass wohl nicht alle genug Geld haben, um imitative Aurei zu sammeln (zB der Numis-Student ;)) oder teilweise ein so eng umrissenes Sammlungsgebiet haben, dass ein solches Stück nicht ins Konzept passt. Und dann ist es auch so, dass ich über ein solches Thema gerne lese, weil ich es spannend finde und es mir mal wieder zeigt, in welchen Ecken der Numismatik ich keine Ahnung habe... Und weil ich keine Ahnung habe, kann ich zum Thema auch nix sinnvolles schreiben ;)

Schöne Grüße,
MR

Re: Imitativer Aureus

Verfasst: Di 29.03.16 17:06
von Tejas552
Hallo MR,

Diese Aurei sind nicht so teuer wie man vielleicht vermuten könnte - zumindest nicht im Vergleich zu ihren Vorlagen. Man muss etwa 800 bis 1200 USD rechnen. Ich weiss natürlich, dass dies für manchen Sammler mehr ist als er ausgeben will oder kann. Ich war letztes Jahr in einer NAC Auktion in Zürich, die mir gezeigt hat, dass ich, was Kaufkraft angeht, zu den ganz kleinen Fischen gehöre.

Ich habe dieses Stück übrigens ausschliesslich wegen dem 8-beinigen Pferd gekauft. Ich finde zurzeit nicht die Referenz, aber ich bin mir sicher, dass eine ähnliche Münze in Nordeuropa (Dänemark?) gefunden wurde. Möglicherweise stellen diese Prägungen den Anfang des Mythos von Odins 8-beinigen Pferd dar. Sobald ich die Referenz habe, werde ich sie hier einstellen.

Gruss
Dirk

Re: Imitativer Aureus

Verfasst: Di 29.03.16 18:05
von Posa
Denkst Du an einen der "Goldbrakteaten" mit Pferd-Reiter-Darstellungen?

Gruß Posa

Re: Imitativer Aureus

Verfasst: Di 29.03.16 21:06
von Tejas552
Hallo Marcus,

nein, es geht nicht um einen Brakteaten sondern um einen imitativen Aureus. Ich habe schon die Referenz gefunden. Ich hatte sie mal im Austausch mit einem Historiker herausgesucht: In dem Buch "Vierbeinerdarstellungen auf schwedischen Runensteinen: Studien zur ...." (siehe link unten), wird ein achtbeiniges Pferd auf einer barbarischen Nachahmung einer römischen Goldmünze aus der Regierungszeit des Diokletian genannt, die 1855 in Broskov in Brenderup Sogn auf Fünen (Dänemark) gefunden wurde.
Ich wusste es war Diokletian und ich wusste, dass es um ein 8-beiniges Pferd ging. Leider entspricht die Münze nicht meiner Münze. Ich habe auch das Bild aus der Originalpublikation gefunden (siehe ganz unten). Leider war nur die Rückseite abgebildet. Ich frage mich was für ein Aureus als Vorlage diente.

Gruss
Dirk


https://books.google.ch/books?id=1ncbSn ... rd&f=false

Re: Imitativer Aureus

Verfasst: Di 29.03.16 21:10
von shanxi
Tejas552 hat geschrieben:Ich frage mich was für ein Aureus als Vorlage diente.
naheliegend natürlich ein Aureus mit zwei Pferden, wie auch schon oben:

https://www.acsearch.info/search.html?id=530049

Re: Imitativer Aureus

Verfasst: Di 29.03.16 22:18
von Tejas552
Danke für den Link. Das ist sehr plausibel. Möglicherweise hat also der Mythos vom 8-beinigen Pferd Odin/Wodans einen ganz profanen Ursprung.

Gruss
Dirk

Re: Imitativer Aureus

Verfasst: Di 29.03.16 22:34
von Peter43
Ich glaube nicht, daß diese imitativen Aurei mit den achtbeinigen Pferden als Vorlage für das achtbeinige Pferd Sleipnir des Odin/Wotan gedient haben. Diese Vorstellungen sind doch wohl älter.

Jochen

Re: Imitativer Aureus

Verfasst: Di 29.03.16 23:15
von Tejas552
Peter43 hat geschrieben:Ich glaube nicht, daß diese imitativen Aurei mit den achtbeinigen Pferden als Vorlage für das achtbeinige Pferd Sleipnir des Odin/Wotan gedient haben. Diese Vorstellungen sind doch wohl älter.

Jochen
Hallo Jochen,

Hast Du dafür einen Beleg? Der imitative Aureus aus Fünen gilt als die bei weitem früheste Darstellung eines 8-beinigen Pferdes auf germanischem Gebiet. Die historischen Quellen sind viel jünger. Sie datieren ins hohe oder späte Mittelalter, also die Zeit der Sagas und der Edda. Die früheste Darstellung auf einem Stein stammt aus Gotland und datiert ins 8. oder 9. Jahrhundert n. Chr. Odin/Othinn ist nur eine Ableitung von Uoden/Wodan. Wodan ist ab dem 6. Jahrhundert, und damit deutlich vor Odin belegt. Da für Wodan aber kein 8-beiniges Pferd überliefert ist, spricht einiges dafür, das dies eine spätere und womöglich lokale Neuerung war.
Gruss
Dirk

Re: Imitativer Aureus

Verfasst: Mi 30.03.16 01:43
von Hansa
Auch ich glaube nicht, dass imitative Aurei der Grund für die Aufnahme von achtbeinigen Pferden in die Götterwelt Skandinaviens sind. Das ist zu profan. Odin ist ja auch mit weiteren Attributen ausgestattet, den beiden Raben Huginn und Muninn sowie dem einen Auge und dem Speer. Diese "Attribute" haben alle eine Bedeutung, somit eine Begründung und so wird es auch mit Sleipnir sein. Ein achtbeiniges Pferd könnte die Leistungsfähigkeit des Tieres symbolisieren.
Die barbarisierten Aurei haben sicher ihre Vorbilder in der Biga, imitiert und an Gefolgschaftskrieger könnten sie ausgegeben worden sein, da Pferde in germanischen Heeren und ihrem Kult eine außergewöhnliche Rolle spielten. Ich denke da an die zahlreichen Pferdebestattungen im germanischen Raum sowie das Aufhängen von gehäuteten Pferden in Bäume. Nicht zu vergessen die rituelle Tötung von Pferden des geschlagenen Heeres. Ich habe letzte Woche im Moesgard-Museum das Skelett eines Pferdes der Illerup-Niederlegung A gesehen, das 75 Knochenverletzungen durch Schwert, Lanze und Axt zeigt.

Gruß Hans

Re: Imitativer Aureus

Verfasst: Mi 30.03.16 08:49
von Tejas552
Hallo Hans,

Dies war eine Welt, die sehr arm an bildlichen Darstellungen war. Wenn die Kopie eines Römischen Aureus, die für den Empfänger vermutlich von grosser Bedeutung war, irrtümlich ein 8-beiniges Pferd zeigte, dann hatte der Beschenkte zwei Möglichkeiten: 1) das 8-beinige Pferd als profanen Irrtum interpretieren oder 2) dem 8-beinigen Pferd einen Sinn geben. Da das Objekt, nämlich der Aurei von grosser gesellschaftlicher und möglicherweise auch kultischer Bedeutung war, liegt die zweite Option viel näher als die erste.
Zudem haben viele religiöse Konzepte einen profanen Ursprung. Man denke an die Marienverehrung. Diese lässt sich aus der Bible nicht ableiten. Maria spielt dort keine herausragende Rolle. Vielmehr dürfte der Marienkult und insbesondere die Darstellung von Marie mit dem Jesus-Kind aus dem Isiskult entleht sein, wo die Darstellung von Isis mit dem Horus-Knaben ein direktes Vorbild lieferte. Andere göttliche Attribute in der germanischen Religion sind ebenfalls nicht wirklich tiefsinnig sondern offensichtlich aus dem Bedürfnis entstanden bestimmte Phänomene zu erklären. Man denke an Donar/Thor der mit seinem Hammer oder mit einem von Ziegen gezogenen Wagen Donner und Blitz verursachte.
Häufig steht am Anfang ein profanes aber unerklärliches Phänomen (z.B. Donner oder ein 8-beiniges Pferd auf einem Goldstück), dem erst im zweiten Schritt ein tieferer Sinn beigegeben wird.

Gruss
Dirk