Alexandriner: Der Apisstier

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

Moderator: Homer J. Simpson

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beachcomber
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Beitrag von beachcomber » Sa 28.10.06 00:25

die von peter43 weiter oben vorgestellte theorie, wo die astronomische erklärung der rückseite mit dem datum seiner erhebung zum augustus hergestellt wird, klingt für mich logischer als ausgerechnet das datum seiner zeugung(!).
aber vielleicht trifft ja beides zu, und so wäre die erklärung der berühmten stier-rückseite, die darstellung einer astronomisch/astrologischen besonderheit.
grüsse
frank

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Zwerg
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Beitrag von Zwerg » Sa 28.10.06 22:17

Da wohl nur wenige Mitglieder des Forums Zugriff auf das JNG haben werden, die Thematik aber sicherlich interessiert, versuche ich jetzt einfach einmal eine rudimentäre Zusammenfassung des Artikels.

Die maßgebliche Literatur zu dieser Problematik findet sich nicht im Netz.
Wichtig sind:
J. Szidat, Zur Wirkung und Aufnahme der Münzpropaganda (Iul.Misop.355d), MH 38, 1981, S.23
Szidat zeigt, in welcher Weise die Münze in der antiken Öffentlichkeit wahrgenommen wurde. Julian, dessen philosophische Schriften erhalten sind, erwähnt im Misopogon http://www.fordham.edu/Halsall/ancient/ ... pogon.html diese Münze
J-U. Thormann, Zur Deutung des Stieres auf den Folles Kaiser Julians, Bremer Beiträge zur Münz- und Geldgeschichte 4, 2005, S. 25 (Opferstier)
F.D.Gillard, Notes on the Coinage of Julian the Apostate, JRS 54, 1964, S.137 (Sternzeichen)
R. Conton, Il rovescio con il toro nei bronzi di Giuliano, RIN 105, 2004, S. 245 (Mithraskult)

MH=Museum Helvetica
JRS= Journal of Roman Studies
RIN=Rivista Italiana di Numismatica
(Alles Fachzeitschriften, die m.E. irgendwann auch im Netz zu finden sein werden)


Nach Auskunft der antiken Zeugnisse muß diese Münze einen religiösen Bezug haben

Es gibt mehrere moderne Theorien
Apisstier, Mithrasstier, Stier als Symbol des guten Kaisers, Opferstier, Solarstier, Symbol der Securitas, Sternzeichen Taurus
Apisstier – geht nicht aus ikonographischen Gründen, er trägt immer eine Sonnenscheibe zwischen den Hörnern und einen Halbmond auf den Flanken
Mithrasstier – geht aus ikonographischen Gründen auch nicht (Der Stier wird immer getötet)
Opferstier – ist immer geschmückt (siehe Suauvetorilien)
Sternzeichen paßt – es gibt mehrere Vergleiche auf Münzen (Antiochos IV. v. Commagene, Augustus (Capricorn) (und in Ägypten sowieso)
Julian wurde nicht im Zeichen des Taurus geboren, aber möglicherweise empfangen – und die Konzeption spielte oft eine größere Rolle als die Geburt ( Jesus, Platon, Alexander, Seleukos I. – und in der Numismatik der Capricorn des Augustus

Und jetzt gebe ich einfach S. 131, Ergebnisse, an (mit Auslassungen)

Der Stier, der im Zuge einer Münzreform zu Beginn des Jahres 363 als Münzrückseitenmotiv gesetzt wurde, hat schon bei den spätantiken Zeitgenossen heftige Reaktionen ausgelöst und zu verschiedenen Deutungen geführt. Die neuere Forschung hat diesen Stier insbesondere mit dem Apis-bzw. Mithrasstier in Verbindung gebracht. Beide Deutungen sind aus ikonographischen Gründen abzulehnen. Der Stier und die darüber befindlichen Sterne (Hyades und Pleiades) stellen Julians Horoskop dar, in Anlehnung an die Capricorn-Münze des Augustus aber nicht als Nativitäts- sondern als Konzeptionszeichen.
Möglicherweise stammt die Idee zu dem Sternzeichen-Münzbild von Julians „Meister“ Maximus von Ephesus, der auch der Verfasser eines astrologischen Traktates gewesen sein dürfte; ohne Zweifel ist sie jedenfalls mit Julian und seinen neuplatonischen Freunden, die ihn in Antiochia umgaben, abgesprochen worden. Vermutlich verhieß das günstige Horoskop, die Konzeption im Zeichen des Stieres den Sieg über die Perser. Deshalb konnte Gregor von Nazianz Julian nicht nur mit Recht als Anhänger von Magie, Traumdeuterei und Astrologie bezeichnen, sondern Ephraim der Syrer nach der Katastrophe des Perserfeldzuges und dem Tod des Kaisers die Frage aufwerfen:
„Wer wird jetzt noch an Schicksalsforschung und Horoskop glauben? Wer wird jetzt noch Orakeln und Wahrsagern Vertrauen schenken? Wer wird sich jetzt noch von Zauberern und Sterndeutern irreführen lassen? Denn sie haben in allem vollständig versagt.“


Grüße
Zwerg

Nachtrag zum Adler auf den Großbronzen:
Diesen findet man nur bei der Münzstätte Arelate. Ehling sieht dies als Motiv für militärische Erfolge Julians in seiner Zeit als Caesar in Gallien.

Möglich
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Beitrag von Peter43 » Sa 28.10.06 22:58

Hallo Zwerg!

Es scheint also inzwischen mehr oder weniger allgemeine Übereinstimmung zu sein, daß der Stier das Sternzeichen am Himmel bezeichnet. Die Daten über Julians Lebensbeginn sind noch etwas vage. Im Kienast steht, er sei Mai/Juni ca.331 (kann auch 332 gewesen sein!) geboren worden. Nimmt man die normale Schwangerschaft zu 10 Mondmonaten, dann kommt man zu einer Empfängniszeit von August/September des vorhergegangenen Jahres.

Nun liegt aber das Sternzeichen des Stiers zeitlich erheblich früher. Der Sonnendurchgang findet statt im April/Mai. Da machen auch die 2 Wochen Verschiebung durch den gregorianischen Kalender 1582 nicht viel aus. Wie soll das mit dem Zeitpunkt der Zeugung zusammenhängen?

Neugierig!
Omnes vulnerant, ultima necat.

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Beitrag von Zwerg » Sa 28.10.06 23:18

Hallo Peter

Genau da liegt der wunde Punkt, die Datierungen hängen ein wenig in der Luft.
Das Geburtsdatum ist umstritten, Ehling plädiert zu November/Dezember 331.

Grüße
Zwerg
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Beitrag von chinamul » So 29.10.06 11:46

Zum vermutlichen Geburtsdatum Julians fällt mir nur diese alte Handwerkerregel ein: "Was nicht paßt, wird passend gemacht."
Ich will doch sehr hoffen, daß alle diese Erklärungen als das ausgegeben werden, was sie bestenfalls auch nur sein können: mehr oder weniger spekulativ. Solange das konzediert wird, bin ich gerne bereit, diese teils interessanten Deutungsmöglichkeiten ernsthaft in Betracht zu ziehen. Echte Beweise aber, die auch einen notorischen Zweifler wie mich überzeugen können, sehen doch noch ein bißchen anders aus.

Gruß

chinamul
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Beitrag von Zwerg » So 29.10.06 22:54

Ich habe den Artikel heute im Schweiße meines Angesichts :D eingescannt, jede Seite 300 dpi s/w als jpg
Es würde mich freuen, wenn man nach der Lektüre weiterdiskutiert.
Den Link gebe ich gerne auf Anfrage als PN weiter.

Grüße
Zwerg
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Antinoos
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Beitrag von Antinoos » Mo 30.10.06 09:58

Das mit der Zeugung schreibt auch Klaus Rosen in seinem guten Julianbuch:
http://www.amazon.de/Julian-Kaiser-Chri ... 94-8185055

BTW: Der einzige Nachteil dieses Werkes ist - wie auch in den dort zu findenden Rezensionen angegeben - daß Prof. Rosen nicht nur griechische Begriffe in lat. Transkription bringt (was an sich ja noch anginge...), sondern er auch Zitate aus antiken Quellen immer in indirekter Rede wiedergibt (a la: "Er sagt das, und dann sagt er noch, daß er das machen würde, wenn das folgende der Fall wäre..."), statt ein Zitat eben als wörtliches Zitat zu bringen (vom eigentlichen Text abgesetzt und mit Quellenangabe, diese von mir aus "nur" in den Fußnoten/Anmerkungen). Das nervt auf Dauer gewaltig beim Lesen... :(

Aber freuen tut mich, daß (Rosen oder Klett-Cotta?) wenigstens diesen furchtbaren Neuschreib nicht mitmachen! Herrlich, dadurch liest sich's wieder flüssig, wenn man nicht andauernd über "dass" und "hier zu Lande" und "Delfine" und ähnliche Unsäglichkeiten stolpert... :wink:

-Antinoos

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Beitrag von j-u.thormann » Mi 08.11.06 19:40

Zwerg hat geschrieben: Es würde mich freuen, wenn man nach der Lektüre weiterdiskutiert.
Dann erlaube ich mir mal, mich in die Diskussion einzumischen.
Zwerg hat geschrieben: Opferstier – ist immer geschmückt (siehe Suauvetorilien)
Wirklich immer? :wink:
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http://www.coinarchives.com/a/lotviewer ... 25&Lot=980

Zumindest bei diesen Opferstieren kann ich kein Lametta entdecken...
Zwerg hat geschrieben: Sternzeichen paßt – es gibt mehrere Vergleiche auf Münzen (Antiochos IV. v. Commagene, Augustus (Capricorn) (und in Ägypten sowieso)
Es gibt Sternzeichen auf Münzen, das ist sicher. Aber sieht der Stier auf Julians Folles nach dem Sternzeichen Stier aus?

"Von vorn schaut der Widder sich um, erstrahlend im goldenen Vliese,
sieht voll Erstaunen den abgewendeten Stier sich erheben,
der mit gesenktem Gesicht und Gehörn die Zwillinge anschnaubt." (Manilius, Astronomica I 263-265)

Diese Beschreibung des Sternbilds Stier "mit gesenktem Gesicht und Gehörn" ist nicht willkürlich - wenn man sich die Anordnung der Sterne ansieht, muß der Stier die Hörner gesenkt haben, und so ist er in antiken astronomisch/astrologischen Lehrbüchern beschrieben, so ist er auf antiken Astralgloben (z. B. auf dem Mainzer Astraglobus) und auf Münzen (z. B. auf den alexandrinischen Drachmen des Antoninus Pius) abgebildet. Ich habe leider im Internet kein Bild des Sternbildes gefunden, in das die Sterne vernünftig eingezeichnet sind - aber eine brauchbare Abbildung findet sich z. B. bei David Ulansey, Die Ursprünge des Mithraskults, Stuttgart 1998, S. 27. Dort sieht man auch, daß die Pleiaden und Hyaden über den Hörnern des Stieres völlig deplaziert wären. Wenn man die beiden Sterne über dem Stier konkret zuweisen will, dann kommen (darauf hat z. B. Wolfram Weiser im Katalog der Sammlung Band hingewiesen) nur die Hornsterne, also beta und zeta Tauri in Frage. Aber da der Stier auf den Münzen steht und nicht stößt, paßt dieser Stier eben nicht zum Sternbild.

Und was die Frage der Darstellung eines astrologischen Symbols auf Julians Münzen betrifft, besonders wenn man sie auf Maximus von Ephesos und die anderen neuplatonischen Freunde Julians zurückführen will: sollte man dann nicht neben den Werken der Gegner Julians auch die Werke des Philosophen berücksichtigen, dessen Philosophie sowohl Maximus von Ephesus als auch Julian letztlich vertreten, nämlich Iamblichos?
Kay Ehling hat dies leider nicht getan. Ich habe zum Thema "Konzeptionszeichen auf antiken Münzen" eine Kleinigkeit geschrieben, bitte aber um Verständnis, daß ich vor Erscheinen (vermutlich Januar) das Ergebnis hier nicht vorwegnehme. Aber ich empfehle die Lektüre von Iamblichos' De mysteriis, da findet man m. E. eine sehr klare Antwort auf die Frage, ob das Hörnervieh auf Julians Folles ein Sternbild bzw. Konzeptionszeichen sein kann...

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chinamul
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Beitrag von chinamul » Mi 08.11.06 20:18

Hallo j-u.thormann!

Sei herzlich willkommen im Römerforum! Da scheinen wir es ja mal mit einem echten Kenner der Materie zu tun zu haben. Darüber freuen wir uns natürlich ganz besonders.
Ich lag also doch richtig mit meiner heimlichen Vermutung, daß die Diskussion über das Wesen des Julianusstieres noch lange nicht abgeschlossen sei. Es gibt eben in der Wissenschaft, zumal der des Altertums, immer nur weitere Annäherungen an die tatsächlichen Gegebenheiten, indem eine gängige Hypothese jeweils durch eine wahrscheinlichere abgelöst wird, ohne daß aber jemand mit Gewißheit sagen kann, man sei nunmehr im Besitze der endgültigen Wahrheit.
In diesem Sinne habe ich Deine Ausführungen mit großem Interesse gelesen, ohne jedoch aus eigener Kenntnis viel dazu sagen zu können. Es wäre schön, wenn die jetzt hoffentlich wieder auflebende Diskussion zum Nutzen aller Römerfreunde mit einleuchtenden Argumenten und in einer sachlichen und freundschaftlichen Atmosphäre geführt würde.

Gruß

chinamul
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Beitrag von j-u.thormann » Do 09.11.06 00:39

Danke für die Begrüßung!

Du hast sicher Recht damit, daß es es absolute Gewißheit in dieser Frage nicht geben wird.

Ich habe doch noch eine Darstellung des Sternbildes mit eingezeichneten Sternen gefunden:
http://hsci.cas.ou.edu/images/jpg-100dp ... Taurus.jpg

Und hier die entsprechende Darstellung auf dem Globus des Atlas Farnese:
http://www.lloydpye.com/FarneseBack.JPG

Und auf einer Nachbildung des Mainzer Globus:
http://www.astro-mainz.de/mzimall/g2.jpg

Schließlich die Drachme des Antoninus Pius:
http://imagedb.coinarchives.com/img/cng ... 680806.jpg

Gruß,

j-u.thormann

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