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Warum ?

Verfasst: Di 12.10.21 12:36
von Georg5
Guten Tag!

Liebe Experten!
Lass mich nicht sterben, ohne die Wahrheit zu kennen :D .
Bitte sagen Sie mir, warum die Köpfe auf den Vorderseiten in die gleiche Richtung zeigen, aber die Rückseiten unterschiedlich sind.

Mit freundlichen Grüßen, Georg
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Re: Warum ?

Verfasst: Di 12.10.21 14:36
von shanxi
Rechts haben wir einen inversen Kopf, eine klassische Brockage, aber zusätzlich eine positiv geprägte stehende Figur und auch die Legende ist positiv, d.h. vermutlich eine überprägte "Brockage" oder eine Brockage bei einer Überprägung (was war schon wieder das deutsche Wort für Brockage??). Bei einer Brockage blickt der Kopf immer in die jeweils andere Richtung.

Die Rückseite links ist auch überprägt, aber keine Brockage. Man erkennt eine stehende Figur im 45Grad Winkel und einen Kopf, sowie zwei Legenden. Vielleicht ist hier die Münze hängen geblieben, hat sich gedreht, und wurde zweimal geprägt.

Re: Warum ?

Verfasst: Di 12.10.21 14:42
von richard55-47
Das ist kein Phänomen der aktuell gezeigten Münzen, sondern ein generelles.
Die meisten Münzen zeigen Rechtsbüsten, einige Linksbüsten. Warum das so ist, kann ich nicht sagen. Genauso gut stellt sich die Frage, warum x verschiedene Büstenformen (nackt, cuirassiert, mit/ohne paludamtentum etc.) entwickelt wurden. Die verschiedenen Rückseiten ergeben sich aus den verschiedenen Anlässen - mal wird eine Gottheit gepriesen, mal die Treue des Heeres, mal die (politische) Eintracht, mal die Keuschheit oder die Fruchtbarkeit der Kaisergattin (pudicitia/fecunditas), mal irgendeine Eroberung etc.
Wäre auch eintönig, sich auf einen Rückseitentyp oder nur eine Büstenart zu beschränken. Schließlich waren Münzen ein Mittel der Propaganda.

Re: Warum ?

Verfasst: Mi 13.10.21 07:41
von Lucius Aelius
richard55-47 hat geschrieben:
Di 12.10.21 14:42
Genauso gut stellt sich die Frage, warum x verschiedene Büstenformen (nackt, cuirassiert, mit/ohne paludamtentum etc.) entwickelt wurden.
Ja, das ist eine gute Frage.
Man könnte ja bspw. so argumentieren: War Krieg bzw. zog der Kaiser in denselbigen = kürassierte Büste; war der Krieg zu Ende = nur Kopf. Aber die Münzen halten sich halt nicht an diese simple Formel :D - offenbar gab es für die Büstenvarianten nicht nur Bezüge zum Reversmotiv, sondern auch zum Nominal
https://en.numista.com/catalogue/pieces263036.html
https://en.numista.com/catalogue/pieces263033.html

Re: Warum ?

Verfasst: Mi 13.10.21 08:40
von Rollentöter
Lucius Aelius hat geschrieben:
Mi 13.10.21 07:41
richard55-47 hat geschrieben:
Di 12.10.21 14:42
Genauso gut stellt sich die Frage, warum x verschiedene Büstenformen (nackt, cuirassiert, mit/ohne paludamtentum etc.) entwickelt wurden.
Ja, das ist eine gute Frage.
Man könnte ja bspw. so argumentieren: War Krieg bzw. zog der Kaiser in denselbigen = kürassierte Büste; war der Krieg zu Ende = nur Kopf. Aber die Münzen halten sich halt nicht an diese simple Formel :D - offenbar gab es für die Büstenvarianten nicht nur Bezüge zum Reversmotiv, sondern auch zum Nominal
https://en.numista.com/catalogue/pieces263036.html
https://en.numista.com/catalogue/pieces263033.html
Vielleicht wird da was konstruiert.

Was war, wenn die Vorgabe an die Stempelschneider einfach lautete: "Büste des Kaisers". Und jeder Stempelschneider tat das Seine.

Re: Warum ?

Verfasst: Mi 13.10.21 08:54
von richard55-47
Rollentöter hat geschrieben:
Mi 13.10.21 08:40

Was war, wenn die Vorgabe an die Stempelschneider einfach lautete: "Büste des Kaisers". Und jeder Stempelschneider tat das Seine.
Das kann sein, aber ich glaube das nicht. Die Münzschneider hatten m. E. enge Vorgaben. Die Kaiser wollten keine böse Überraschung erleben und das Medium ihrer Zeit (neben Skulpturen, die nicht jedem zugänglich waren) effizient nutzen.

Re: Warum ?

Verfasst: Mi 13.10.21 11:03
von justus
richard55-47 hat geschrieben:
Di 12.10.21 14:42
Schließlich waren Münzen ein Mittel der Propaganda.
Reinhard Wolters stellt die Propagandafunktion von Münzen - in seiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter von Prof. Kiechle am Lehrstuhl für Alte Geschichte der Ruhr-Universität Bochum - in seiner Schrift „Tam diu Germania vincitur“ (1), in Bezug auf die Germanensieg-Propaganda der frühen Kaiserzeit interessanterweise durchaus in Frage.

„Doch ist die propagandistische Funktion der Münzen nicht unumstritten: In den letzten Jahren ist wieder verstärkt darüber diskutiert worden, von wem und für welchen Ansprechpartner sie gestaltet worden sind, ja, ob die verschiedenen Abbildungen von ihren Benutzern bewußt wahrgenommen worden sind und entsprechende Nachrichtenfunktionen haben konnten.“ (2)

Er kommt zu dem Schluß, dass im Zentrum der Germanensieg-Münzen nicht die öffentliche Verbreitung entsprechender militärischer Erfolge stand, sondern im Regelfall andere Inhalte mit ihnen „herübergebracht“ werden sollte. (3)

So stellt er an Hand der Germanensieg-Prägungen des Domitian fest, dass diese in erster Linie der eigenen Herrschaftslegitimation in Bezug auf seine Vorbilder Vespasian und Titus dienten. (4)

(1) Reinhard Wolters, Tam diu Germania vincitur. Römische Germanensiege und Germanensieg-Propaganda bis zum Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr., Bochum 1989.
(2) ebd. S. 8
(3) ebd. S. 70
(4) ebd. S. 69

In der Hoffnung auf eine interessante Diskussion zu dieser durchaus umstrittenen Thematik!

Re: Warum ?

Verfasst: Mi 13.10.21 11:41
von jschmit
In Luxemburg würde man sagen "weil im Joghurt keine Gräten sind" ;-)

Es gab doch hier mal die Theorie zu Linksportraits, dass für Stempelschneider die Linksbüsten einfacher waren.

Lg,

Joel

Re: Warum ?

Verfasst: Mi 13.10.21 12:09
von richard55-47
@justus: ich weiß zu wenig über die Materie, um Fachleuten ernsthaft widersprechen zu können. Selbst wenn die Rückseite nicht der eigentliche Träger einer Botschaft gewesen sein sollte, wird doch das Porträt mit Sicherheit vermitteln wollen, wer mit welchem Impetus der Mensch an der Staatsspitze ist, wie er aussieht, was er darstellt, und natürlich auch: dass man ihm zu gehorchen hat. Da sind Fantasieporträts sicherlich nicht das richtige Mittel. Da die wenigsten Leute damals lesen konnten, sind die Legenden, die alle möglichen Titel und Verdienste erkennen lassen, nicht so hilfreich.

Re: Warum ?

Verfasst: Mi 13.10.21 13:24
von justus
jschmit hat geschrieben:
Mi 13.10.21 11:41
Es gab doch hier mal die Theorie zu Linksportraits, dass es für Stempelschneider die Linkshänder waren einfacher war.
Frank und Jochen hielten es seinerzeit für wahrscheinlich, dass nach rechts den eindruck von vorwärts, voran darstellt, während eine darstellung nach links für's auge rückwärts gewandt erscheint!

viewtopic.php?t=53953

Hierzu empfehlenswert ein Artikel von Lee Toone "Why are some Emperors looking left?" in http://www.hookmoor.com/home/?p=509

Er stellt folgende These auf: "One reason for showing the bust facing left is to indicate a consular or martial purpose, hence the bust will often be shown wearing consular robes and holding a sceptre or helmeted with a spear and shield."

Dem kann ich einiges abgewinnen.

Re: Warum ?

Verfasst: Mi 13.10.21 15:08
von Lucius Aelius
richard55-47 hat geschrieben:
Mi 13.10.21 08:54
Rollentöter hat geschrieben:
Mi 13.10.21 08:40

Was war, wenn die Vorgabe an die Stempelschneider einfach lautete: "Büste des Kaisers". Und jeder Stempelschneider tat das Seine.
Das kann sein, aber ich glaube das nicht. Die Münzschneider hatten m. E. enge Vorgaben.
Genau das denke ich auch.


Ohzne jetzt die genauen Quellen benennen zu können: Silber kursierte in erster Linie innerhalb des Reiches (in erster Linie wohl zur Bezahlung der Legionen), Gold war hingegen primär für den Außenhandel gedacht. Dementsprechend wählte man auch die Motive aus. Wenn die Kaiser bspw. ihre Subsidien an die germanischen Klientelfürsten in der Pufferzone zahlten, wäre es nicht gerade sinnvoll gewesen, wenn auf diesen Tributmünzen Triumphe über die Germanen prangten.

Das mit den Links-/Rechtsportrait ist auch eine sehr interessante Sache. Während Linksportraits in der Frühphase noch recht häufig auftraten, sind sie während der Zeit der Antoninen eher spärlich. Dieses Phänomen mit Linkshändern erklären zu wollen dürfte schwierig werden :wink:
Für die Zeit ab dem späten 3. Jahrhundert hat justus mit dem Link ja eine plausible These präsentiert.

Re: Warum ?

Verfasst: Mi 13.10.21 16:52
von richard55-47
Ich habe mir die Fundstelle von Justus nochmals durchgelesen. Überzeugt von den dort vorgetragenen Vermutungen bin ich weiterhin nicht, erst recht nicht von den Vergleichen mit Münzdarstellungen aus der Neuzeit. Natürlich habe ich keinen empirischen Überblick. Aber wenn Gallienus im Cuirass mit Lanze und Schild nach links schaut, wird das keine Retroperspektive sein. Es wird auch kein Kennzeichen für "der Feind steht links" (oder bei Rechtsbüste rechts) sein. Dann läge die Lanze nämlich nicht auf der Schulter, sondern in Angriffsstellung. Ich denke, dass die Protagonisten vorgaben, wie und in welche Richtung sie dargestellt werden wollten. Vielleicht aus purer Laune heraus, vielleicht haben sie gewürfelt, vielleicht haben sie sich was gedacht. Entsprechende Nachweise gibt es nicht.

Re: Warum ?

Verfasst: Mi 13.10.21 17:06
von justus
richard55-47 hat geschrieben:
Mi 13.10.21 16:52
Vielleicht aus purer Laune heraus, vielleicht haben sie gewürfelt, vielleicht haben sie sich was gedacht. Entsprechende Nachweise gibt es nicht.
Wie erklärst du dir dann, dass z. B. alle Büsten der konstantinischen Dynastie, welche in Trier geprägt wurden und das "Trierer Pelzchen" als Mantelbesatz aufweisen ausschließlich Linksbüsten sind? Ich denke, dass hier ganz bewußt von der normalen rechtsgerichteten Büste abgewichen wurde.

Re: Warum ?

Verfasst: Mi 13.10.21 17:59
von Zwerg
Eigentlich ist die Antwort ganz einfach: Wir wissen es nicht.
Es gibt keine Überlieferung zu dieser Thematik.
In den "stabilen" Zeiten wird letztendlich der Kaiser selber sein OK gegeben haben (macht die Königin von England heute noch). Der "a rationibus" war ab Augustus der Finanzminister, ihm unterstand auch die Münzprägung. In der Spätantike hatte der "comes sacrarum largitionem" gewisse Verantwort für die Präsentation des kaiserlichen Porträts auf Münzen. Wie das aber im Großen oder im Einzelnen ablief ist unbekannt.

Es wird sicherlich Gründe für Portraitrichtung, Sonderbüsten etc. gegeben haben - möglicherweise waren die auch nur technischer Natur. Und man kann gut darüber spekulieren und lernt dazu.

Grüße
Klaus

Re: Warum ?

Verfasst: Mi 13.10.21 19:08
von richard55-47
justus hat geschrieben:
Mi 13.10.21 17:06
richard55-47 hat geschrieben:
Mi 13.10.21 16:52
Vielleicht aus purer Laune heraus, vielleicht haben sie gewürfelt, vielleicht haben sie sich was gedacht. Entsprechende Nachweise gibt es nicht.
Wie erklärst du dir dann, dass z. B. alle Büsten der konstantinischen Dynastie, welche in Trier geprägt wurden und das "Trierer Pelzchen" als Mantelbesatz aufweisen ausschließlich Linksbüsten sind? Ich denke, dass hier ganz bewußt von der normalen rechtsgerichteten Büste abgewichen wurde.
Ja, damit bestätigst du doch, dass sich jemand irgend etwas bei der Ausrichtung der Büste gedacht hat.