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Stempelguss oder Stempelschnitt?
Verfasst: Di 08.06.04 23:13
von Attacke
salvete!
versenke mich gerade in die lektüre des wolters: nummi signati, der die prägeabläufe in einer münzstätte rekonstruiert.
er berechnet dabei unter berücksichtigung der forschungsdiskussion die menge an stücken, die mit einem prägestempel geschlagen werden konnten (ca. 5000 Stück) dabei kommt er zu dem schluß, dass in einer gut funktionierenden präge die geschwindigkeit so hoch war, daß die stempelschneider mehrere stempel am tag (2-3) für eine parallel arbeitende gruppe von prägern und suppostores anfertigen mussten.
von einer gußform, nach der die stempel statt durch schneiderarbeit hätten angefertigt werden können, ist nicht die rede. nun sah ich aber jüngst hier im forum einen ebay artikel, nämlich eine gußform, die so aussieht, als seien mit ihr stempel hergestellt worden.
wie paßt das zusammen?

Verfasst: Mi 09.06.04 00:48
von mumde
Ich komme ja aus der Mittelalter-Fraktion und kann nicht kompetent über die antike Stempelherstellung schreiben. Aber es gibt da einige grundsätzliche Erwägungen:
Eisenguß mit feinen Konturen wurde erst durch die technischen Entwicklungen des 18. Jh. möglich. Davor wurden z. B. grobe Ofenplatten und Kanonenrohre gegossen, danach gab es auch Eisengußmedaillen, siehe Berliner und Gleiwitzer Eisenkunstguß usw. In der Antike gab es kein dünnflüssiges Gußeisen, das in die feinen Vertiefungen einer kleinen Form hätte dringen können. Gußeisen in der Antike war ein dickflüssiger Brei. Außerdem war Gußeisen wegen seines hohen Kohlenstoffgehalts spröde. Wenn man mit dem Hammer draufschlug, verformte es sich nicht, sondern es zersprang. Gegossene Eisenstempel in der Antike erscheinen mir deshalb unwahrscheinlich.
Im Mittelalter wurden bei Massenproduktionen z. B. von Meißener Brakteaten die Stempel in einigen Fällen aus Bronze gegossen. Das betraf aber nur den Stempel-Zylinder. Das Bild wurde mit Punzen in den gegossenen Zylinder eingeschlagen, und erst dadurch wurde er zum Stempel. Und mit solch einem Bronzestempel konnte man auch nur arbeiten, weil der zu beprägende Silberschrötling hauchdünn war und die Münze einseitig auf elastischer Unterlage geprägt wurde, so daß der Stempel keine starken Belastungen auszuhalten hatte.
Verfasst: Mi 09.06.04 11:31
von Susat
Hallo,
die Graviertechnik der Römer war grandios, man sehe sich vor allem die Steingravuren an. Eine Hand voll Graveure konnten durchaus die Nachfrage nach Stempeln in höchster Qualität befriedigen, was im Mittelalter nicht mehr möglich war. Im Mittelalter gab es den Beruf des Graveurs nicht, das erledigten Goldschmiede. Diese machten auch alles andere und konnten deshalb in der Technik der Gravur nicht so geübt sein wie die römischen Spezialisten.
Verfasst: Mi 09.06.04 14:08
von Attacke
ohooo!

jetzt ergeben sich aus einer antwort weitere fragen:
1. wenn die stempel tatsächlich geschnitten, und nicht gegossen wurden: womit schnitt man den stempel?

mit hammer und meissel wohl kaum. die zeitgenössischen graveure verwenden freilich maschinen: aber die antike?
(es ist schon interessant, wie lange man fröhlich und zufrieden durch die sammlerwelt gehen kann mit formulierungen wie "stempel wurden geschnitten", bevor man mit einemmal feststellt, dass es sich bloß um halbwissen handelt.)
2. was fangen wir dann mit der vermeintlichen gussform an, die hier kürzlich in einem thread auftauchte?
Verfasst: Mi 09.06.04 14:20
von Attacke
Verfasst: Mi 09.06.04 15:27
von Susat
Attacke,
zu deiner 1. Frage: Eisen ist nach dem glühen Weich, wenn ich ihn aber glühe und dann abschrecke wird er so hart das er bei Beanspruchung sofort bricht, darum wird er danch angelassen und ist dann noch so hart das man daraus einen Gravierstichel machen kann. Mit diesem graviert man die Stempel, die dann wiederum gehärtet und angelassen werden.
Zu deiner 2. Frage kann ich dir nichts sagen, das habe ich seiner Zeit nicht verfolgt.
Verfasst: Mi 09.06.04 15:45
von Attacke
was - mit verlaub - ist "anlassen"?
Verfasst: Mi 09.06.04 15:47
von Attacke
sehe gerade, dass ich die ehre habe mit einem goldschmiedemeister zu sprechen: das erklärt die fachvokabel und meine unkenntnis ...
Verfasst: Mi 09.06.04 15:50
von Susat
erwärmt man polierten Stahl (Stahl sind alle Eisen außer Gusseisen) nennt man dies anlassen, bei berücksichtigung der entstehenden Farben, kann man die Härte bestimmen.
Verfasst: Do 10.06.04 11:23
von chinamul
Die hier von Susat aufgeführten Methoden der Stahlbearbeitung waren sämtlich bereits zu Zeiten der Römer bekannt. Ein sehr interessantes Buch über diese und viele andere technische Fragen nicht nur zur römischen Antike:
Albert Neuburger, Die Technik des Altertums, Leipzig 1919, Fotomechanischer Neudruck der Originalausgabe, Leipzig 1980, Sonderausgabe für Prisma Verlag Gütersloh, Best.-Nr. 195/06550
Ein Exemplar wird gerade bei eBay angeboten unter der Artikelnummer 6903048513 (Startpreis 15,00 Euro, noch kein Gebot).
Gruß
chinamul
Verfasst: Do 10.06.04 17:51
von Karsten
Hallo,
als Alternative zu eBay besteht auch hier die Möglichkeit:
http://www.abebooks.de/servlet/SearchRe ... by=3&sts=t
Trefferanzahl: 59
Gruß,
Karsten
Verfasst: Do 10.06.04 21:23
von tjum
Bei
http://www.booklooker.de ist das Buch sogar schon ab 5 EUR zu haben (abebooks 10 EUR)
Insgesamt ist das Preisniveau für gebrauchte Bücher bei booklooker niedriger, weil es da recht viele Privatanbieter gibt. Abebooks hat ja vor einigen Jahren durch Einführung extrem hoher Monatsgebühren sämtliche Kleinanbieter rausgeworfen und arbeitet nur noch mit professionellen Anbietern zusammen. Da wiederum können sie eigentlich in Deutschland mit
www.zvab.de nicht mithalten...