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- Literaturfragen -

Verfasst: Sa 14.05.22 21:54
von Basti aus Berlin
Servus ihr Lieben =)

Was sagt ihr Experten zu dem Buch? Sear ist doch ein Name. Oder anders: Ist der RIC die einzig ware Quelle? Nach der Übernahme eines Lots neulich habe ich gesehen, dass der vom Kampmann, der von Kankelfitz und eben der von Sear doch auch gut sind. Oder stehe ich da auf dem Schlauch?

Sear, David R.: Roman Coins and Their Values.
London 1981 (3. Auflage).

Bzw. anders gefragt: Habe selbst etliche Hefte und Bücher von Autoren von zB Henri Pottier, Christopher Howgeggo, Manfred Beier, Wolfgang Hahn, M. A. Metlich usw. Die sind doch genauso einerseits informativ, andererseits gehen sie extrem in die Tiefe, dass selbst ich das Handtuch werfe.

Ihr habt schon ein tolles Thema. Sehr schön und stilvoll. Nur sich auf eine Quelle beziehen? Kann ich nicht nachvollziehen.

Klärt mich auf =) Und bitte keine Backpfeifen, wie bei der Bitte um Bestimmung neulich =(

Re: - Literaturfragen -

Verfasst: So 15.05.22 09:49
von antoninus1
Die verschiedenen Werke haben verschiedenen Nutzen für die Sammler und Wissenschaftler.

Der RIC ist ca. 100 Jahre alt, manche der 10 Bände sind jünger oder wurden aktualisiert (Vespasian-Hadrian). Meines Wissens haben die Autoren sehr viele große Sammlungen durchforstet, um "alle" Münztypen der behandelten Periode zu katalogisieren. Die Seltenheitsangaben im RIC beziehen sich also auf das Vorkommen in den Sammlungen, nicht im Handel. Für viele Kaiser und Münztypen sind die nicht mehr aktuell. Bei einem Pescennius Niger passt es noch, bei einer spätrömischen Lagertormünzen-Variante, die vor hundert Jahren nur in einer Sammlung lag (R5), nicht mehr, da inzwischen alleine von dem Typ vielleicht tausende gefunden wurden.

Der RIC dient aber immer noch dazu, Münztypen eindeutig zu definieren, so dass alle wissen, von welchem Typ man redet. Für bestimmte Teilgebiete (z.B. Gallisches Sonderreich) gibt es aber inzwischen viel bessere Spezialwerke, dafür ist der RIC nicht mehr brauchbar.
Ein weiteres sehr gutes und sehr umfassendes Werk ist übrigens der BMC (Münzen im Britischen Museum).
Generell ist diese Fachliteratur aber natürlich notwendig, um überhaupt das Grundlagenwissen über das römische Münzwesen zu bekommen.

Und das Schöne am Sammeln römischer Münzen ist für mich, dass man darüber auch Zugang zu römischer Geschichte, Wirtschaftsgeschichte, Sozialgeschichte, Kunstgeschichte,... bekommt. Oder ist es anders herum? Interesse an diesen Themen ermöglicht den Zugang zu römischer Numismatik?
Ich denke, es gehört alles zusammen. Ich bin über das Interesse an römischer Geschichte und Sprache zum Münzensammeln gekommen.

Sear, Seaby (Roman Silver Coins, Nummerierung der Münzen nach Cohen) und Kampmann (vormals Kankelfitz) sind für mich gute Werke für Anfänger. Da bekommt man eine Einführung in die Münzprägung, einen Überblick, was wichtig ist (z.B. Patina), was es alles so gibt, und einen ungefähren Eindruck von den Preisen. Die Werke sind alle entstanden zu Zeiten, als es noch kein Internet gab und es für Anfänger schwer war, einen Einstieg zu finden. Kankelfitz war das erste Werk auf Deutsch, davor gab es meines Wissens nichts für deutschsprachige Sammler. In D war das Sammeln antiker Münzen eher eine elitäre Angelegenheit. Mein Einstieg vor 30 Jahren war, dass ich zu Hirsch und Lanz ging, um einen Katalog bat (Hirsch hat mir gleich 20 DM abgeknöpft), und dann über die Preise erschrak :)
Zur eindeutigen Bestimmung eines Typs sind die Werke (bis auf den Seaby) aber nicht geeignet. Das muss man mit den anderen Werken (RIC, Spezialwerke) machen.

Heute geht alles leichter Dank Internet. Und bezüglich der Marktpreise darf man die Werke nur als Anhaltspunkt verwenden. Dafür gibt es jetzt die Möglichkeit, gleichzeitig dutzende Auktionen online zu durchforsten.

Re: - Literaturfragen -

Verfasst: So 15.05.22 09:51
von antoninus1
Basti aus Berlin hat geschrieben:
Sa 14.05.22 21:54
...
Ihr habt schon ein tolles Thema. Sehr schön und stilvoll. Nur sich auf eine Quelle beziehen? Kann ich nicht nachvollziehen.
...
Ach ja, das wollte ich noch fragen: wer hat gesagt, dass er sich nur auf eine Quelle bezieht? :)

Re: - Literaturfragen -

Verfasst: So 15.05.22 12:50
von kiko217
Und den Sear gibt es mittlerweile in fünf Bänden. Das ist deutlich ausführlicher als der eine Band von 1981.

Und er ist m.E. auch viel ausführlicher als der Kampmann (besonders bei den Spätrömern) bzw. der Albert (der einige Ungenauigkeiten bei den republikanischen Bronzen aufweist). Dazu beinhaltet er auch alexandrinische Münzen.

Kiko

Re: - Literaturfragen -

Verfasst: So 15.05.22 15:13
von Numis-Student
antoninus1 hat geschrieben:
So 15.05.22 09:49

Kankelfitz war das erste Werk auf Deutsch, davor gab es meines Wissens nichts für deutschsprachige Sammler. In D war das Sammeln antiker Münzen eher eine elitäre Angelegenheit.
Das stimmt nicht ganz: als direkten Vorläufer für Kankelfitz und Kampmann gab es in den 1930ern einen Katalog "Goebels Münzenkatalog" oder so ähnlich, der sehr ähnlich aufgebaut ist und sogar schon Bewertungen enthält.

Nur: Den kennt heute kaum einer, ich habe den auch erst letztens zufällig entdeckt.

Schöne Grüße
MR

Re: - Literaturfragen -

Verfasst: So 15.05.22 16:18
von antoninus1
Numis-Student hat geschrieben:
So 15.05.22 15:13
...
Das stimmt nicht ganz: als direkten Vorläufer für Kankelfitz und Kampmann gab es in den 1930ern einen Katalog "Goebels Münzenkatalog" oder so ähnlich, der sehr ähnlich aufgebaut ist und sogar schon Bewertungen enthält.

Nur: Den kennt heute kaum einer, ich habe den auch erst letztens zufällig entdeckt.
...
Interessant, von dem habe ich noch nie gehört 8O

Re: - Literaturfragen -

Verfasst: So 15.05.22 17:03
von Numis-Student
Ich auch nicht, bis er letztes Jahr in einem Stapel Bücher mit dabei war: https://www.dorotheum.com/de/l/7328605/

Re: - Literaturfragen -

Verfasst: So 15.05.22 17:07
von Numis-Student
Was mich verblüfft hat, das Buch kostete RM 60.
Wenn man in den Bewertungen des Buches nachschaut, welche Münzen damals mit 60 Reichsmark bewertet wurden 8O

Re: - Literaturfragen -

Verfasst: So 15.05.22 17:33
von Zwerg
Kannte ich auch nicht und habe jetzt ein wenig gegoogelt.
Es gibt drei Bände: Mittelmeer-Völker, Hellas, Rom
Laut Prospekt vom Juli 1939
https://www.europeana.eu/de/item/08547/ ... j_s0017449
war das Gesamtwerk nur im Abonnement zu erwerben, je Druckbogen von 16 Seiten zu 1,10 RM, geplant waren 50 Druckbogen = 55 RM

Verfasser war Prof.Ing G.Goebel, Graz, Bergmanngasse 23

Mal sehen, ob ich den auch noch gegoogelt bekomme.

Grüße
Klaus

Re: - Literaturfragen -

Verfasst: So 15.05.22 17:38
von Numis-Student
Also bei dem bei uns versteigerten Exemplar steht der Preis aussen auf dem vorderen Umschlag.

Und wenn ich mich recht erinnere, gab es häufige Aurei in der schlechtesten Erhaltungsstufe auch schon für unter 100 Mark.

Re: - Literaturfragen -

Verfasst: So 15.05.22 17:44
von Numis-Student
https://www.europeana.eu/de/item/08547/ ... j_s0017978

Hier gibt es eine Bestellkarte für die Volksausgabe 1940 broschiert (RM 20), und die Ausgabe 1938 in Ganzleinen für RM 60.

Re: - Literaturfragen -

Verfasst: So 15.05.22 17:53
von Mynter
Numis-Student hat geschrieben:
So 15.05.22 17:07
Was mich verblüfft hat, das Buch kostete RM 60.
Wenn man in den Bewertungen des Buches nachschaut, welche Münzen damals mit 60 Reichsmark bewertet wurden 8O
Auf solche Preise bezog sich Kankelfitz vielleicht, als er in einem in den 70er Jahren erschienen Buch, in dem damals prominente Sammler über die Entstehung ihrer Sammellust berichteten, schrieb, dass Sammler antiker Münzen im Deutschland der 50er Jahre nur ein Angebot an sehr teuren Werken zur Verfügung stand. ( " Wie ich zum Sammeln kam ", Battenberg, 1974 )

Re: - Literaturfragen -

Verfasst: So 15.05.22 18:18
von Zwerg
Meine Suche nach dem Verfasser ergab nur dieses Ergebnis
https://unipub.uni-graz.at/download/pdf/2517156
Screenshot 2022-05-15 181751.jpg
Grüße
Klaus

Re: - Literaturfragen -

Verfasst: So 15.05.22 22:53
von Basti aus Berlin
antoninus1 hat geschrieben:
So 15.05.22 09:49
Die verschiedenen Werke haben verschiedenen Nutzen für die Sammler und Wissenschaftler.
...
Danke der ganzen Worte. Echt cool von dir.

Habe von meinem Schweden ein dreibändigen Spezialkatalog. Wirklich jedes kleine Detail einer Münze X Betreff Form und Ausrichtung der Krone usw. sprengt jeden Rahmen.

Ihr habt ja alle scheinbar den RIC. Ist da auch jede Münze so minimalistisch skizziert? Zeitfenster von 500 Jahren in der Raute Gibraltar, Schottland, Armenien, Sudan? Alter Schalter ... Der Delzanno Schweden erfasst jedes noch so kleine Detail. Punkte der Wikinger-Pfennigebis hin zu allen erdenklichen Proben, Mustern, Stempeln, Abschlägen ... Schlichtweg alles. Die Nebengebiete ab 1632/48 explodieren und es ufert schlichtweg aus ohne Ende.

Und in eurem RIC ist das auch so? Welcher normal sterbliche Menschen kann so eine Fülle erfassen? Und dicksten Respekt, wenn ihr Antikefans das alles beherrscht.

Allein beim Reich treten doch immer noch unbekannte Sachen auf. Wie der 50er 43 Ukraine oder 5er 1939.

Und weil ich das nicht alles auswendig kann, gucke ich häufig in den Delzanno, Tonkin und ergänzend KM.

Re: - Literaturfragen -

Verfasst: Mo 16.05.22 08:54
von Mynter
Der Besitz des RIC ist keine Voraussetzung dafür, römische Münzen sammeln, geniessen und verstehen zu können. Da eine Benennung nach RIC jedoch ein Standard bei der Katalogisierung ist, beziehen sich alle auf ihn.
Welche Kataloge man sich anschafft oder ob man sich überhaupt welche zulegt, bleibt einem selbst überlassen. Ich glaube, der Grossteil der privaten Antikensammler arbeitet ohne oder nur mit einem Teil des RIC , den weiteren von Dir genannten Katalogen, sowie den relevanten Internetquellen. Schau Dir mal wildwinds.com oder ocre an, da findet Otto Normalsammler eigentlich alles.
Dazu kommt Literatur über Münzen, alte Numismatik und Geschichte, wie man sie z. B gratis auf academia.edu finden kann.
Eine Komplettübersicht über " Rom " ist ohnehin nicht möglich. Manchen sind Details wichtig, anderen nicht. Solche Präferenzen werden die Literaturauswahl beeinflussen.