Historisch interessante Münzen

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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Peter43
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Beitrag von Peter43 » Do 07.10.04 14:41

Eine der berühmten Darstellungen des Janustempels. Man sieht auch, warum die Sesterzen des Nero zu Recht zu den größten Kunstwerken gezählt werden, die die Römer geschaffen haben. Man braucht nur die wunderbare Ausgewogenheit des Bildes zu betrachten.
Eine Frage noch: Weiß jemand, warum die Tür des Janustempels bei Krieg offen stand und nur im Frieden geschlossen wurde? Üblicherweise verschließt doch jeder bei Krieg seine Türen!

Mit freundlichen Grüßen
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B.A.
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Beitrag von B.A. » Do 07.10.04 15:43

Janus

Zuständigkeitsbereiche

Janus ist eine der ältesten römischen Gottheiten. Er ist der Gott der Tore, des Ein- und Ausgangs, im übertragenen Sinne jeglicher Art von Anfang. Janus hat zwei Gesichter und kann daher sowohl nach vorne als auch nach hinten blicken.


Gott des Anfangs

Dem Janus waren alle Anfänge heilig. Im Gebet wurde er als erster Gott angerufen: mit ihm musste eben begonnen werden. Im Staatsleben als auch im Privatleben wurde der Anfang wichtiger Unternehmungen und Handlungen unter seinen Schutz gestellt.


Bedeutung des Janus im römischen Kalender

Die Tagesanfänge, der erste Tag im Monat (die sogenannten Kalenden) und der nach ihm benannte Monat Januar waren dem Janus geweiht. Das Hauptfest des Gottes wurde am 1. Januar begangen. An diesem Feiertag ließ man nicht alle Arbeit ruhen, sondern ging seinen Lieblingsbeschäftigungen nach, in denen man im Verlauf des beginnenden Jahres Erfolge erzielen wollte. Man opferte Janus Weihrauch, Wein und Kuchen. Die Menschen tauschten untereinander kleine Geschenke aus wie Lorbeer- und Palmzweige, Datteln, Feigen, Honigkuchen sowie Münzen mit dem Januskopf.

Den Höhepunkt des Tages bildete der Festzug der Konsuln, die an diesem Tag ihre Amtsgeschäfte aufnahmen und in Begleitung der Senatoren und Ritter zum ersten Mal mit den Amtsinsignien auf das Kapitol zogen, um Opfer darzubringen.


Der Janusbogen

Die Kultstätte des Janus befand sich im Norden des Forum Romanum und bestand aus einem heiligen Torbogen, durch den das römischen Heer in den Krieg zu ziehen pflegte. Die Tore des Bogens blieben in Kriegszeiten immer geöffnet und wurden zu Beginn einer Friedenszeit geschlossen. Kaiser Augustus rühmte sich, dass unter seiner Herrschaft die Tore dreimal (!) geschlossen waren, in der ganzen vorangegangenen römischen Geschichte lediglich nur zweimal (!).


Attribute
Stab

Darstellung
doppelköpfig und doppelgesichtig mit Bart
Ich würde vermuten, dass er ein Gutes Ende des Krieges für die Römer einbringen soll. Er ist der Gott des Anfanges und des Endes, somit werden die Tore bei Kriegsbeginn geöffnet um ein Siegreiches Ende herbeizuführen..

Mfg
SCheibe

PS: Weiter so, wirklich sehr interessante Beiträge.
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Beitrag von klaupo » Do 07.10.04 22:15

Ich lese diesen Thread gern, auch wenn ich nichts beizutragen habe. Hier vielleicht eine Ausnahme durch die Zufallslektüre einer alten Münzzeitschrift.

Die Datierung dieses Typs, von dessen Rückseite es zahlreiche Varianten gibt, birgt anscheinend gewisse Probleme und zwar durch die Stellung des IMP am Ende der Legende. Der Verfasser Dr. W. Granner argumentierte so: Wäre der Typ im Jahr 66 geprägt worden, würde IMP nicht am Schluß stehen, sondern den Namen einleiten, denn in diesem Jahr nahm Nero Imperator als Vornamen an. Er folgert daraus, daß der Janustempel schon vor 65 geschlossen gewesen sei. Für die Schließung des Tempels setzt er das Jahr 60 an, zwischen Juli und September, als in Armenien eine unsichere Ruhe herrschte und die Unruhen in Britannien noch nicht ausgebrochen waren. Außerdem wäre die Schließung des Janustempels ein glückliches Signal für den Beginn der Neronischen Spiele gewesen. Auch eine interessante These ... Übrigens war der Janustempel über 700 Jahre hinweg bis in die Zeit Neros hinein nur dreimal geschlossen: unter Numa Pompilius, nach dem ersten punischen Krieg und, wie bereits erwähnt, unter Augustus.

Gruß klaupo

P.S. Ach ja, und noch etwas zum Janus - er galt den Römern als Herr aller menschlichen Schicksale, als Gestalter von Krieg und Frieden. Unter seinem Schutz standen die Türen des römischen Hauses, die ianua - deshalb mag er in Kriegszeiten als Beschützer den freien Blick bei offenen Tempeltüren gehabt haben ... und in Friedenszeiten erübrigte sich dieser Schutz, und die Tempeltüren konnten geschlossen werden?

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Links- oder Rechtsportrait des Kaisers?

Beitrag von numisnumis » Fr 08.10.04 08:44

In der Tat bestechen die Sesterzen des Nero durch die herausragende Beschaffenheit. Wenn man sich vorstellt, unter welchen Bedingungen die Stempelschneider ihr Handwerk ausübten, muss man noch heute neidlos anerkennen, dass es sich hier um unvergleichliche Kunstwerke handelt.

Eine Frage stelle ich gerne zur Diskussion, auf die bis jetzt noch keine schlüssige Antwort gefunden habe:
" War die Wahl der Portraits - nach rechts oder nach links gerichtet - dem Stempelschneider überlassen oder gibt es dazu eine gewisse Systematik?"

Zur Veranschaulichung hier ein Beispiel des gleichen Münztyps, diesmal aber mit nach links gerichtetem Portrait des Kaisers Nero.

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Beitrag von numisnumis » Fr 08.10.04 08:48

Hier nun die Bilder:
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nerosesterzav.jpg
nerosesterzrv.jpg

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Beitrag von chinamul » Fr 08.10.04 10:18

@numisnumis

Die Sesterzen Neros überzeugen nicht nur durch ihre herausragende künstlerische Qualität, sondern sie sind auch handwerklich mit äußerster Sorgfalt hergestellt worden. Die Schrötlinge sind durchweg wohlgerundet, weisen keine Randeinrisse auf, und die Prägungen sind meist exakt zentriert. Man merkt eben doch, daß der Kaiser ein Mann mit einem Sinn für Kunst war, der seine Stempelschneider und Prägearbeiter entsprechend ausgesucht und angewiesen haben dürfte. Offenbar war ihm nicht gleichgültig, wie sein Hauptpropagandamittel, und als solches muß die Münze in der Kaiserzeit wohl gelten, aussah. Und es ist ihm ja auch tatsächlich gelungen, daß sich sein Name für uns noch heute mit der höchsten Blüte der römischen Münzkunst verbindet.
Was nun die Frage nach der Links- oder Rechtsorientierung des Porträts angeht, so scheint da keine von mir nachvollziehbare Systematik vorzuliegen. Außer dem Janussesterz gibt es noch etliche weitere Münzen mit beiden Porträtrichtungen. Auch das Kriterium der Münzstätte ergibt keine Anhaltspunkte, denn beide Varianten kommen sowohl in Rom als auch in Lugdunum vor.
Übrigens: Der von Dir eingestellte Sesterz ist ein absolutes Prachtstück, das hoffentlich Dir gehört!

@klaupo

Der Datierungsversuch des W. Granner und auch Deine These, warum die Tore des Tempels nur in Friedenszeiten geschlossen wurden, entbehren nicht einer gewissen Plausibilität. Aber vielleicht meldet sich ja noch ein weiterer Spezialist zu Wort, der mit den allerneuesten Forschungsergebnissen aufwarten kann.

Gruß

chinamul
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Beitrag von richard55-47 » Fr 08.10.04 11:56

@klaupo
Aus Imperium Romanum.com zitiert:
Der von Numa Pompilius errichtete Ianusbogen auf dem Forum Romanum zeigte dem Römern ob Krieg oder Frieden mit der restlichen Welt herrschte. Begann ein Krieg wurde das Tor geöffnet, das ansonsten verschlossen war. [.......] Innerhalb des Tores stand eine übermannsgrosse Kultstatue des Gottes. Ursprünglich öffnete man die Tore nicht, sondern rüttelte an ihnen um Schutz zu erflehen. Ein ähnliches Ritual wurde mit den heiligen Schilden und der Lanze des Mars vollzogen, die bewegt wurden, wenn um Schutz ersucht wurde. Das Schütteln sollte den Gott an seine Wächterfunktion erinnern. [....]
do ut des.

B.A.
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Beitrag von B.A. » Fr 08.10.04 13:40

Moin Moin,

zur Problematik der Portrait-Seite, müsste man mit bedenken, welche Kaiser sich vorzugsweise in welche Richtung haben portraitieren lassen!!!
Claudius zB. hat sich anscheinend gerne nach links abbilden zu lasse.

Ich versuche schon seit geraumer Zeit etwas darüber zu erfahren, bisher ohne erfolg :(

Mfg
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Peter43
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Beitrag von Peter43 » Fr 08.10.04 17:32

Hallo!

Ich möchte zu der Diskussion re oder li noch folgendes hinzufügen: Heutzutage spielt die Frage re oder li eine große Rolle z.B. in der Werbung. Auf einem Bild oder in einem Film wird eine Bewegung nach rechts allgemein als Bewegung nach vorne angesehen, eine Bewegung nach links eher als Bewegung zurück. Dieser Eindruck auf den Betrachter ist so stark, daß Goebbels als Propagandaminister verfügte, daß in Wochenschauaufnahmen, die im Kino gezeigt wurden, die deutschen Panzer oder Flugzeuge sich immer von links nach rechts zu bewegen hatten, damit immer der Eindruck ihres unwiederstehlichen Vormarsches entstände.
Ob das mit unserer Schreibrichtung zusammenhängt, müßte man einmal untersuchen. Ich sammele zwar Comics, aber keine Mangas. Diese werden üblicherweise von hinten nach vorne gelesen. Dann könnte man sehen, ob die Vorwärtsbewegung in den einzelnen Panels (Bildern einer Seite) der japanischen Schreibrichtung entspricht oder der unseren.

Ob das in der Antike auch so gesehen wurde, weiß ich nicht, möchte es allerdings bezweifeln; denn sonst gäbe es wohl überhaupt keine Köpfe nach li, zumindestens nicht bei Nero. Bei Claudius könnte es vielleicht anders sein!

Dieses Problem 'Kopf nach re oder nach li' war vor einiger Zeit auch das Thema eines Threads im Forum Ancient Coins, das auch zu keiner Lösung kam. Aus dieser Diskussion möchte ich jedoch hier die Meinung von Patricia Lawrence, einer Kunsthistorikerin, anführen:

Nothing to do with meaning, but remember that a huge majority of right-handed persons (repeatedly and in varying circumstances in different countries and at different ages) tend to draw a profile head to l., preferentially. When that is done in intaglio, the struck coin has the head to r. Meanings may have been acquired, all right, but the underlying cause, very likely, is 'handedness'. Needless to say, there are many exceptions, too. I only wish to say that not everything is symbolic.

Und dem letzten Satz, daß nicht immer alles symbolisch sein muß, habe ich mich angeschlossen!

Mit freundlichen Grüßen
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Beitrag von Peter43 » Do 14.10.04 22:12

Hallo!

Nach längerer Pause möchte ich hier wieder eine interessante Münze vorstellen. Sie ist nicht nur eine meiner Lieblingsmünzen, zudem ein Aureus, sondern sie hat eine historisch interessante Pedigree (Vorgeschichte), und dann ist die Symbolik des Revers bedeutsam und wert, sich mit ihr zu beschäftigen.

Es ist ein Aureus des Claudius (41-54 n.Chr.), einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden als Titelheld des berühmten Buches von Ranke-Graves: Ich Claudius - Kaiser und Gott.

AV - Aureus, 7.71g, 18mm, Rom 46/47
Av. TI CLAVD CAESAR AVG PM TRP VI IMP XI
belorbeerter Kopf n.r.
Rv. PACI AVGVSTAE
Pax/Nemesis nach re. gehend, hält in der li. Hand geflügelten
Caduceus und deutet mit ihm auf eine Schlange, die sich vor ihr
auf dem Boden schlängelt. Hält mit der anderen Hand eine Falte ihres
Gewandes vor das Kinn.
Ref. RIC I, 38; C.57; von Kaenel 628 (dieses Exemplar!)
R2 (Selten), SS

Pedigree:
Diese Münze wurde 1929 in London bei Glandining & Co versteigert (Lot 666) und kam in die Sammlung des Berliners Sammlers Moritz Simon. Dann erschien sie im Nov. 1930 in Frankfurt auf einer Auktion von Herbert Cahn (Lot 232). Zuletzt war sie auf einer Auktion von 'Münzen & Medaillen, Basel' zu sehen.
Herbert Cahn besaß ehemals eines der größten Münzhäuser in Deutschland und mußte 1933 vor den Nazis in die Schweiz fliehen. Dort gründete er die bekannte Münzhandlung 'Münzen und Medaillen' in Basel, die inzwischen auch eine Zweigniederlassung in Deutschland hat. Er ist vor einigen Jahren gestorben. Vor kurzem gelang es mir übrigens, den Auktionskatalog dieser Cahn-Auktion vom Nov. 1930 zu erwerben.

Die Darstellung auf der Rückseite ist erst einmal nicht einfach zu verstehen. Offensichtlich zeigt sie eine geflügelte weibliche Figur. Bereits Cohen hat sie als 'Pax mit den Emblemen der Nemesis' beschrieben. Verwandt ist 'Nemesis' etymologisch mit dem griechischen Wort 'Nomos', was Gesetz, Satzung, eigentlich aber 'Zuordnung' bedeutet. So ist Nemesis nicht die Rachegöttin, als die sie oft bezeichnet wird, sondern in Wahrheit die Göttin der gerechten Zuteilung, wozu natürlich auch die Vergeltung, insbesondere des Übermuts, gehört, also der strafenden Gerechtigkeit.

In der einen Hand hält sie einen geflügelten Caduceus. Das ist eigentlich der Heroldstab des Merkur und steht für wirtschaftliches Wohlergehen, aber öfter erscheint er auch als Attribut der Pax und anderer Personifikationen, die Frieden, Stabilität und Eintracht symbolisieren. Und eben auch der Nemesis, die oft mit der Pax zusammen auftritt. Der Sinn ist jetzt klar: Ausgleichende Gerechtigkeit (Nemesis) verspricht Frieden für das Gemeinwohl, die PAX AUGUSTA, und führt zu Wohlstand für alle.

Verstärkt wird dieser Sinn dadurch, daß sie mit dem Caduceus auf die Schlange deutet. Die Schlange steht hier nicht - wie im Christentum - für das Böse, sondern im Gegenteil für das Heil und das Wohlergehen, nicht im persönlichen Sinn, sondern ebenfalls im Sinne der Res Publica. In diesem Sinn erscheint sie regelmäßig auch als Attribut der Salus.

Dies ist eine genaue Beschreibung davon, wie Claudius den Staat sieht, welche Auffassung er von der Staatsführung hat, und wie er ihn zu regieren beabsichtigt!

Jetzt fehlt noch die Erklärung der angehobenen Gewandfalte. Diese Geste steht dafür, daß in den Busen gespuckt wird, was man auf einer Münze natürlich so nicht darstellen kann. Diese Handlung hatte im alten Rom einen 'apotropäischen' Sinn, d.h. sie wehrt Böses ab und bringt Glück und verstärkt hier den Sinn, der bereits dadurch ausgedrückt wird, daß die Pax/Nemesis mit dem Caduceus auf die Schlange zeigt.

Eine Münze mit einer spannenden Pedigree, mit einer komplizierten, aber dann doch zu verstehenden Symbolik, geprägt unter einem der - in seiner Vieldeutigkeit - interessantesten römischen Kaiser, und wert, hier vorgestellt zu werden.

Mit freundlichen Grüßen
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Beitrag von chinamul » Mi 20.10.04 11:21

Hochinteressanter und informativer Beitrag mit einer nur auf den ersten Blick schlichten, wenn auch wunderschön harmonisch gestalteten Münze mit einer sehr subtilen Bildersprache! Besonders die Deutung des Gestus mit dem Schulterträger war mir bisher unbekannt. Ähnliche Darstellungen gibt es auch von Venus und Providentia, letztere allerdings nicht eindeutig als solche zu identifizieren. Dort wirken diese Gesten allerdings ein wenig lasziv und suggestiv. Ich werde gelegentlich einmal einige Beispiele hierunter einstellen.

Gruß

chinamul
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Beitrag von Peter43 » Mi 20.10.04 22:47

@chinamul:

Ich freue mich, daß Dir die Bedeutung dieser Geste neu war! So sind die Beiträge in diesem Thread nicht alle nur in einer Richtung.

Mit freundlichen Grüßen
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Titus auf einer columna rostrata

Beitrag von Peter43 » Do 21.10.04 00:19

Hallo!

Ich finde, es ist wieder Zeit für eine historische Münze. Ausgesucht habe ich eine Münze, an deren Sinn ich lange herumgeknobelt habe, ohne je ganz zufrieden gewesen zu sein. Erst später habe ich dann Informationen erhalten, die den gesuchten Sinn erleuchteten. Dies will ich euch nicht vorenthalten!

Es handelt sich um die folgende Münze:
TITUS 79-81
AR - Denar, 3.49g, 18mm, Rom Juli-Dezember 79
Av. IMP TITVS CAES VESPASIANVS AVG PM
belorbeerter Kopf n.r.
Rv. TRP VIIII IMP XV COS VII PP
Auf einer Säule mit 3 Rostren auf jeder Seite und vorne einem Anker
(sog. columna rostrata) steht eine nackte Figur mit Strahlenkrone
(Titus/Sol?) frontal, hält in der re. Hand einen Speer und in der li.
Parazonium mit Schwertgehänge.
RIC II, 16(b); C.289; BMCR.29
VZ

Die Säule auf dem Rev., die sog. columna rostrata - weil sie mit Rostren, Schiffsschnäbeln, geschmückt ist -, war bei den Römern immer die Anspielung auf einen großen Seesieg, z.B. bei Actium. Zur Zeit von Vespasian und Titus fand der berühmt-berüchtigte Judäische Krieg (66-70) statt, der endlich zur Zerstörung von Jerusalem und der Vertreibung der jüdischen Bevölkerung führte. Dies alles wird beschrieben von Josephus in seinem Buch 'De Bello Judaico'.
Also ran an den Text und eine seeschlacht gesucht! Da ich Josephus nicht zuhause habe, war ich auf das Internet angewiesen. Dort findet er sich online:
http://www.earlyjewishwritings.com/
http://user.aol.com/fljosephus/home.htm
Und schon hatte ich meinen Seesieg! Josephus 'Jewish War' III, 9: Geflohene Juden hatten Joppa wieder aufgebaut und machten von dort aus als Piraten die Küste zwischen Syrien und Ägypten unsicher. Um sie zu bekämpfen schickte Vespasian Truppen nach Joppa und ließ es zerstören. Die Einwohner flohen auf ihren Schiffen aufs Meer. Aber ein großer Sturm warf sie zurück aufs Land, wo die Römer alle ausnahmslos töteten.
Nun gibt es aber einige Argumente gegen die Bedeutung dieses 'Seesieges':
1) War dies nur ein Nebenereignis in dem grausam geführten Krieg,
2) war die römische Flotte an diesem 'Seesieg' nicht beteiligt.

Also ein neuer Seesieg muß her. Und in seinem 'Jewish War' III, 10.9 schildert Josephus einen römischen Sieg auf dem See Genezareth: Auf der Flucht vor den Römer flohen die Überlebenden mit Booten auf den See hinaus. Aber an Land konnten sie nicht mehr, weil die Ufer von Römern besetzt waren. Als Vespasian seine Truppen auf Schiffe lud und sie verfolgen ließ, hatten sie nicht einmal Waffen zum Kämpfen. Sie warfen mit Steinen nach den römischen Schiffen. Es fand ein riesiges Gemetzel statt. 6500 Juden sollen getötet worden sein. Der See war rot von Blut, und die durch die Hitze der Sonne aufgedunsenen Leichen erfüllten das Land mit furchtbarem Gestank.
Nun sind die Argumente gegen diesen Seesieg nicht anders als im ersten Falle. Zudem fanden beide 'Seesiege' 67 n.Chr. statt, die abgebildete Münze stammt aber von 79 n.Chr. Da tut sich eine Lücke von 12 Jahren auf, es muß eine andere Erklärung her!

Nun gibt es eine Augustus-Münze IMP CAESAR mit einer columna rostrata, Sear 1559, und es ist bekannt, daß Vespasian auch andere Typen der Republik und des frühen Kaiserreiches unter Augustus nachahmte. Also kann es gut sein, daß Vespasian lediglich eine Restaurierung dieser Zeit im Sinn hatte, mit dem Ziel, durch die Wiederaufnahme dieser Typen von dem Währungsverfall Neros 64 zu profitieren. So stammen auch andere Typen der Ausgaben von 79 aus der Zeit des Augustus: das Capricorn, Venus an einer Säule lehnend oder die Quadriga der Ceres.
Bei der Münze von Rom, im Gegensatz zu Lyon oder Antiochia, die anders handelten, gehörte die Erinnerung an den Sieg über die Juden unter Vespasian hauptsächlich in die Jahre 70-71, mit nur wenigen seltenen Ausnahmen. Nur Titus belebte die Erinnerung daran in Rom, als er im Juni 79 Kaiser wurde. Da aber der Typ mit der columna bereits zu Beginn des Jahres 79 aufgenommen worden war, und von Titus nur weitergeführt wurde, ist es sehr unwahrscheinlich daß es sich um einen Typ des Jüdischen Krieges handelt. Besteht man jedoch auf einem Seesieg, dann könnte man an den von Actium denken!

Ich wollte hier einmal beschreiben, wie man sich dem Sinn einer Münzdarstellung durch die Methode von Versuch und Irrtum annähern kann.

Mit freundlichen Grüßen
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Beitrag von chinamul » So 24.10.04 11:49

Rom auf dem Höhepunkt seiner Macht

Im Verlauf der Partherkriege erobert Trajanus im Jahr 114 erst Armenien, 115 dann Mesopotamien und 116 schließlich Assyrien und Babylonien (heute Irak). So groß ist das Imperium Romanum bis dahin noch nie gewesen und wird es auch später niemals mehr sein. Der abgebildete Sesterz feiert diesen Gebietszuwachs und die Eingliederung neuer Provinzen in den Reichsverband.
trajan sest mesopot.jpg
AE Sesterz Rom 116/117
Av.: IMP CAES NER TRAIANO OPTIMO AVG GER DAC PARTHICO P M TR P COS VI P P - Belorbeerte und drapierte Büste rechts
Rv.: ARMENIA ET MESOPOTAMIA IN POTESTATEM P R REDACTAE S C - Trajanus nach rechts stehend; die Rechte auf Speer gestützt, in der Linken Parazonium (Kurzschwert); zu seinen Füßen, ihm zugewandt lagernd, links die Armenia, rechts die Personifikationen des Euphrates und des Tigris, die Mesopotamien repräsentieren
RIC 642 var. (dort andere Av.-Legende); C. 39 - 22,31 g
Die Av.-Legende steht im sog. Widmungsdativ und ist folgendermaßen aufzulösen und zu übersetzen: IMP(eratori) CAES(ari) NER(vae) TRAIANO OPTIMO AVG(usto) GER(manico) PARTHICO P(ontifici) M(aximo) TR(ibunicia) P(otestate) CO(n)S(uli) sextum P(atri) P(atriae) = (Gewidmet) dem Imperator und Caesar Nerva Trajanus, dem Sieger über die Germanen und Parther, dem höchsten Priester, dem mit tribunizischer Gewalt Ausgestatteten, dem zum 6. Mal ernannten Konsul und Vater des Vaterlandes.
Die im Nominativ stehende Rv.-Legende wäre so zu übersetzen: Armenien und Mesopotamien unter die Herrschaft des römischen Volkes gebracht.

Gruß

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Beitrag von richard55-47 » So 24.10.04 17:43

Lucius Domitius Aurelianus 270 - 275

Sein Vorvorgänger Gallienus musste es dulden, dass sich im Westen unter Postumus das gallische Sonderreich (Gallien, Britannien, Spanien, Germanien) bildete und im Osten unter Odaenathus, später unter dessen Witwe Xenobia (Zenobia) das an sich abhängige palmyrenische Reich unter Einbeziehung wichtigster Teile des römischen Reiches (Ägypten) verselbständigte. Aurelianus machte dem Spuk ein Ende. Nach Festigung seiner Herrschaft gliederte er mit militärischen Mitteln das palmyrenische Reich - und damit fast den gesamten Osten - wieder ein. Palmyra, ursprünglich gnädig behandelt, erfuhr nach einer weiteren Erhebung das Schicksal Karthagos. Hierfür wurden Antoniniane verschiedener Ausgaben mit der Rv-Legende "RESTITU/T ORIENTIS" geprägt. Danach zog Aurelianus gegen das gallische Sonderreich, mittlerweile beherrscht von den AUGG Tetricus I und dessen gleichnamigen Sohn. Zu einer Schlacht kam es nicht mehr, denn Tetricus I hatte zuvor in Geheimverhandlungen mit Aurelianus eine Kapitulation vereinbart. Angeblich soll als Zeichen der Einhaltung dieser Vereinbarung Tetricus I die Nachricht "Eripe me his miseris" an Aurelianus gesandt haben. So wurde das Reich auch im Westen wieder vereint und es wurden Antoniniane mit der Rv-Legende "RESTITU/T/ORI ORBIS" geprägt. Tetricus I und II zogen zwar - zusammen mit Xenobia - im Triumphzug mit, wurden aber geschont. Xenobia soll einen römischen Senator geheiratet haben, Tetricus I wurde ein angesehener Senator, Tetricus II hat mit Sicherheit auch eine ähnliche Laufbahn eingeschlagen. Man weiß es nicht.
Bilder sind von Wildwinds, ich kann nur schlecht scannen.
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