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von Peter43 » So 28.11.21 12:09
Die Tektosagen
Vor kurzem bekam ich von einem Freund eine kleine Silberdrachme der Volcae Tectosages geschenkt. Dies gibt mir den Anlaß, etwas über dieses keltische Volk zu schreiben. Doch zunächst die Münze
Keltische Stämme in Gallien, Volcae Tectosages, 2.-1. Jh. v.Chr.
AR - Drachme, 3.33g, 12.57mm
Av.: Kopf im kubistischen Stil n.l.
Rv.: Kreuz mit elliptischen Symbolen in 3 Ecken und einer Axt in der vierten.
Ref.: Monnaies XV 241; De La Tour 3132
fast VF
sog. Monnaies a la Croix, Cubist type
Pedigree:
ex Archer M. Huntington Coll., HSA 1001 57.5803 *
Es handelt sich um eine Münze der Tektosagen, einem Stamm der keltischen Volcae aus Südfrankreich, aus dem 1. Jh. v. Chr. Die Münzen sind angelehnt an die Silberdrachmen von Rhoda, einer spanischen Hafen-stadt im Nordosten. Ursprünglich zeigte die Vorderseite ein Porträt der Ceres n. l. und die Rückseite die sog. "Rose von Rhoda". In dem abstrakten Stil, der den Kelten eigen war, wurde daraus ein eher kubistisches Porträt und die Rosenblätter wurden zu Buckeln, bis sich daraus das Kreuz entwickelte mit verschiedenen Gegenständen in den Winkeln.
Die Tektosagen
Schon früh hatte ich mich gewundert, daß die Statue des "Sterbenden Galliers", das sich heute in den Kapitolinischen Museen in Rom befindet, aus den Jahren 230/220 v.Chr. stammt, obwohl Caesar Gallien erst 57-53 v. Chr. erobert hat, also fast 200 Jahre später. Dieser Widerspruch soll hier aufgeklärt werden.
Bereits Eratosthenes kannte die Tektosagen und dann wurden sie von Livius und ausführlich von Caesar erwähnt. Ihr Name stammt nach dem Keltologen Helmut Birkhan vom lateinischen "tecto-sag = nach einem Dach (einer Heimat) suchend)", ist ihnen also von den Römern gegeben worden. Bei den Germanen wurden die Volker (oder Volken) Welsche genannt. Von daher stammt die Bezeichnung Welschland und heute noch die Welschschweiz für die französische Westschweiz oder der Name der Walnuß, die eigentlich Welsche Nuß heißt.
Zug nach Gallien
Die Volcae waren ein wichtiges keltisches Volk und stammten ursprünglich aus dem Gebiet nördlich der Donau und östlich des Rheins, das in der Antike als Hercynischer Wald bezeichnet wurde. Dazu gehörte damals das ganze Gebiet vom Schwarzwald bis zum Thüringer Wald. Zwischen 250 und 230 v. Chr. fielen sie in Gallien ein und wandten sich ins südliche Gallien. Um 215-200 erschienen sie am Ufer der Garonne und besetzten schließlich die Gallia Narbonensis nördlich der Pyrenäen, zwischen Rhone, Garonne und den Cevennen, dem heutigen Languedoc. Sie setzten sich aus verschiedenen Volksstämmen zusam-men, u.a. den Volcae Arecomici, deren Hauptort Nemausus (Nimes) wurde, und den Volcae Tectosages, deren Hauptort Toulouse wurde. Bei ihrer Landnahme zerstörten sie die dortigen iberischen Oppida, übernahmen aber ihre Münzen. Livius beschreibt, wie Hannibal auf seinem Marsch nach Rom ihr Gebiet durchquerte. 121/118 wurden sie von den Römern unterworfen, erhielten aber eine gewisse Autonomie (Strabo). Im römischen Bürgerkrieg standen sie gegen Pompeius, wie wir bei Caesar lesen können. Sie wurden romanisiert, gingen in der kelto-romanischen Kultur auf und verschwanden aus der Geschichte. Das Problem der Kelten war, daß sie niemals in der Lage waren, ein einheitlich-geschlossenes Volk zu bilden. Das widersprach ihrem angeborenenFreiheitsdrang.
Die Wanderungen der Tektosagen (David Descamps, Wikipedia)
Zug nach Griechenland
Die Geschichte der Tektosagen wäre aber unvollständig, ohne den Zug nach Griechenland zu erwähnen, der schließlich in Kleinasien endete. 258(?) brach nämlich ein anderer Teil der Volcae nach Südosten auf. An dieser Wanderung nahmen auch die Tektosagen teil. Durch Thrakien gelangten sie unter Führung des Brennus unter Umgehung der Thermopylen bis nach Delphi, wie erzählt wird, wo sie den Tempel plünderten. Dabei fielen ihnen riesige Schätze in die Hände, das sog. "Gold von Tolosa", weil sie es nach Toulouse brachten und dort in einem See versenkten. Dabei kann es sich aber auch um reine Phantasie handeln. Dieser Brennus ist aber ein anderer als der, der 387 v.Chr. nach der Schlacht an der Allia ("dies ater") Rom plünderte ("Vae victis!"). Deshalb wird heute auch angenommen, daß Brennus keine Person war, sondern ein keltischer Herrschertitel. Schließlich wurden sie 277 von Antigonos Gonatas bei Lysimacheia geschlagen und zogen sich nach Thrakien zurück.
Die Galater
Ein anderer Teil der in Griechenland eingedrungenen Kelten wurde von Nikomedes I. von Bithynien eingeladen, ihm als Söldner gegen seinen Bruder Zipoites zu helfen. Darauf fielen sie in Kleinasien ein. Es waren ungefähr 20000 Menschen, die Hälfte von ihnen Krieger. Nachdem Nikomedes sie entlassen hatte, begannen sie, die Länder Kleinasiens zu verwüsten. So fiel ihnen z.B. der große Tempel des Apollo von Didyma zum Opfer. Die Tektosagen verheerten das Gebiet der Phryger. 268 v.Chr. zog Antiochos I. gegen sie zu Felde. In der sog. "Elefantenschlacht" siegte er gegen die zahlenmäßig überlegenden Galater, wie sie jetzt genannt wurden, indem er Kriegselefanten einsetzte. Danach wies er ihnen feste Wohnsitze zu (Wikipedia).
Die 3 großen Völker, aus denen die Galater (= Gallier!) bestanden, waren die Tolistobogier um Gordion und Pessinus, die Tektosagen mit ihren 3 Teilstämmen Ambitouti, Toutobodiaci und Voturi um Ankyra (dem heutigen Ankara), und die Trokmer um Tavium. Dabei wurden diese Städte von den Galatern wiederholt belagert, aber nicht eingenommen. Nach ihnen wurde
dieses Gebiet Galatien genannt.
Galatien war landwirtschaftlich schwierig, im Sommer zu heiß und in den langen Wintern zu kalt. So lebten die Galater weiterhin von Überfällen und Plünderungen der benachbarten Gebiete und begannen sich auszubreiten. Dabei kamen sie in Konflikt mit dem Reich von Pergamon unter den Attaliden. Unter Attalos I. wurden die Tolistobogier 230, und 228 diese und die Tektosagen besiegt.
Aus dieser Zeit stammen auch die berühmten Skulpturen "Der Sterbende Gallier" in den Kapitolinischen Museen in Rom und "Der Gallier Ludovisi", der sich und seine Frau tötet, heute im Museo Nazionale Romano. Beide Skulpturen waren Teil eines großen Siegesdenkmals, das im Athenatempel in Pergamon errichtet wurde. Bei den in den Ludovisischen Gärten in Rom gefundenen Skulpturen handelt es sich um römische Marmorkopien der griechischen Originalbronzen.
Die Darstellung beider Skulpturen erniedrigt den Feind nicht, sondern stellt ihn als ernst zu nehmenden Krieger dar. Das erhöht natürlich den Ruhm des Siegers.
Nach weiteren Siegen seines Sohnes Eumenes II. über die Galater wurde auf dem Burgberg von Pergamon der berühmte Zeusaltar errichtet, der sich heute im Pergamonmuseum auf der Museumsinsel in Berlin befindet. Der Fries des Altars stellt die Gigantomachia dar, die Schlacht zwischen den Olympischen Göttern und den Giganten. Dieser Fries feiert den Sieg des Eumenes über die Galater - man erkennt einige keltische Waffen, die von Giganten getragen werden - aber es ist gleichzeitig eine Überhöhung und feiert den Sieg der griechischen Zivilisation über die Barbarei.
Nachdem die Tolistobogier 196 Lampsakos überfallen hatten, riefen deren Bewohner die Römer um Hilfe. Antiochos III. aber, ein Feind der Römer, verbündete sich mit den Galatern gegen die Römer. Diesen jedoch gelang es, die Tolistobogier zu zwingen, sich in ihrer Fluchtburg auf dem Olympos, und die Tektosagen, sich auf dem Magaba bei Ankyra zu verschanzen. Dort wurden sie fast gänzlich vernichtet und in die Sklaverei verkauft.
Danach mußte die Galater ihre Raubzüge aufgeben und sich in ihren Grenzen aufhalten. Sie wurden zu treuen Anhängern der Römer. So kämpften sie gegen Mithradates VI., den sie aber nach seinen Siegen als Herrn anerkannten (Pauly), Nach Sullas Sieg 86 ließ Mithradates den gesamten galatischen Adel ermorden, bis auf 3 Tetrarchen. 64/63 ordnete Pompeius die Verhältnisse neu: Anstelle der 4 Tetrarchen für jeden Volksstamm, setzte er einen an die Spitze jedes Volkes und machte Galatien zu einem Klientelstaat Roms. Nach dem Tod Caesars vereinigte Deiotaros die Tektosagen mit den übrigen Galatern und wurde ihr gemeinsamer König. Nach dem Tod ihres letzten Königs Amyntas machte Augustus Galatien 25 v. Chr. zu einer römischen Provinz, die von kaiserlichen Legaten regiert wurde.
Galatien stellte den Römern stets gute Truppen und noch 200 n. Chr. adlige Führungskräfte, z.B. römische Konsuln wie 155 den galatischen Gaius Iulius Severus.
(Fortsetzung folgt)
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Dateianhänge
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- de la Tour 3132
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- Wanderungen der Tektosgen
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- Sterbender Gallier
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- Ludovisischer Gallier
Omnes vulnerant, ultima necat.