Historische Fehler bei Münzbeschreibungen

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

Moderator: Homer J. Simpson

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Antinoos
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Re: Historische Fehler bei Münzbeschreibungen

Beitrag von Antinoos » Mo 17.10.11 00:30

@Homer: Mea culpa! Ich hatte halt Deine "locker flockigen" Formulierungen zu dem "Konflikt" mit der Grundaussage eines Herrn mit gefühlten (mindestens!) 147 Jahren aktiver Sammlererfahrung (und daraus dann zwangsläufig resultierender "Unfehlbarkeit" ;) ...) im Kontext eigener Erfahrungen mit dem hiesigen Mod-"Team" betrachtet, und dann halt als ausgemachte Ulknudel exemplarisch erstere zitiert gehabt.

Fakt ist: Das Thema ist hier ja erst aus dem Ruder gelaufen, nachdem ich mit meinem mir hier insbesondere von einem Ex-Mod schon vor Jahren wiederholt und bei jeder passenden Gelegenheit vorgeworfenen "falschen" (weil "heidnischen", und nicht wie bei einem guten Deutschen vorausgesetzt: ausschließlich christlichen) Religiosität, sowie "perversen Sexual-Tick" (sorry: seine sexuelle Orientierung KANN sich ein Mensch nunmal beim besten Willen nicht aussuchen...!) auf Invictus' "Wiederbelebung" des Threads mit einem sexualitäts- und antik-kultbezogenen (d.h. in der Tat NICHT "rein numismatischen", und vor allem auch nicht christentumskonformen) Einwand reagiert hatte.

Ich gehöre als Querdenker hier wohl wirklich nicht her.

So einfach ist das. ich bin ja lernfähig.

Tschüß!

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Homer J. Simpson
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Re: Historische Fehler bei Münzbeschreibungen

Beitrag von Homer J. Simpson » Mo 17.10.11 01:05

Siehste, Mensch, im alten Rom hättest Du Kaiser werden können. Du hättest mit Elagabal tauschen sollen - der hätte 'ne Love Parade sicher klasse gefunden.

Gute Nacht (1:05!),

Homer
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Re: Historische Fehler bei Münzbeschreibungen

Beitrag von emieg1 » Mo 17.10.11 09:15

Antinoos hat geschrieben:
Ich gehöre als Querdenker hier wohl wirklich nicht her.


Tschüß!
Ach Plötzinn: Querdenker liegen zu 95 % falsch, zu 5 % beleben sie die Diskussionen, wovon sich dann 1 % als richtig erweist.

Meinen allerhöchsten Respekt vor den Gelehrten hier, und ich meine diejenigen, die Numismatik von der Pieke auf studiert haben. Aber manchmal ist es auch der unvoreingenommene Blick eines Laien, der einen neuen Weg ebnet.

Von daher nicht Tschüß, sondern Aufwiederlesen!

Krengel, Weiser & Co.: Fakt ist, dass niemand durchschlagende Argumente bzw. Beweise vorbringen konnte und das besagte "Horn" weiter im Dunklen liegen wird. Die Thesen, die hier bis aufs Blut verteidigt werden, bleiben nur Spekulationen.

Ich für meinen Teil würde mir wünschen, euch alle mal reallive an einen Tisch zu bringen :D

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chinamul
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Re: Historische Fehler bei Münzbeschreibungen

Beitrag von chinamul » Mo 17.10.11 13:34

nummis durensis hat geschrieben:Krengel, Weiser & Co.: Fakt ist, dass niemand durchschlagende Argumente bzw. Beweise vorbringen konnte und das besagte "Horn" weiter im Dunklen liegen wird. Die Thesen, die hier bis aufs Blut verteidigt werden, bleiben nur Spekulationen.
An diese Aussage möchte ich hiermit anschließen. Eine ähnliche Situation hatte es schon einmal beim Streit um den wahren Ort der Varusschlacht gegeben. Auch dabei hatte die Argumentation der Verfechter der Kalkriese-Version gewisse Schwächen, die sofort gegenteilige Theorien auf den Plan riefen. Meine damalige Position war, daß auch ich aufgrund der vorgelegten Hinweise Kalkriese als möglichen Schlachtort ansah. Die Kritiker gaben mir keine Veranlassung, von dieser Haltung abzurücken, weil mich weder die Qualität der angeführten Argumente noch besonders die Art und Weise, wie sie vorgetragen wurden, zu überzeugen vermochten. Dennoch ist die Kritik an Kalkriese für mich kein Grund, deswegen einen Glaubenskrieg zu entfesseln. Es hat mit einer wissenschaftlichen Herangehensweise nichts zu tun, wenn die Anhänger einer Theorie diese mit Zähnen und Klauen gegen andere Auffassungen verteidigen. Wissenschaft erfordert zwar Leidenschaft und Durchhaltevermögen bei der Auseinandersetzung mit Problemen, aber sobald die erarbeiteten Lösungsvorschläge publik gemacht und damit zur Diskussion gestellt werden, gilt der Grundsatz, sine ira et studio einen kühlen Kopf zu bewahren. Jedes Eifern beeinträchtigt nur die Überzeugungskraft der eigenen Position.
Vollends unwissenschaftlich ist es, bei einer gelehrten Auseinandersetzung dem Andersdenkenden den gebührenden Respekt zu versagen und die Argumentation ins Persönliche abgleiten zu lassen.
Mit diesem Posting habe ich meine Sicht auf den vorangegangenen unschönen Disput dargelegt und werde fortan jede weitere Wortmeldungen dazu unterlassen.

Gruß

chinamul
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Re: Historische Fehler bei Münzbeschreibungen

Beitrag von curtislclay » Mo 17.10.11 19:37

j-u.thormann hat geschrieben:Zu dem Artikel von Wolfram Weiser gibt es noch etwas zu sagen. Wolfram Weiser hatte zunächst den JNG-Band mit dem Aufsatz von Elke Krengel rezensiert. In der Rezension (in der GN) hat er in einem Nebensatz diesen Aufsatz erwähnt, ich glaube, er hat gesagt, er "erheitere". Das war vielleicht nicht sehr sensibel, und mit einer anderen Formulierung wäre die Diskussion vielleicht nicht eskaliert.
Aber wirklich persönlich wurde es in der folgenden Ausgabe der GN, hier ist Wolfram Weiser in den Leserbriefen der Krengel-Fraktion persönlich in sehr unangemessener Weise angegriffen worden. Der hier mehrfach zitierte Aufsatz war eine Antwort auf diese Leserbriefe, und so erklärt sich vielleicht auch die "Färbung" des Artikels (dessen Erscheinen die Krengel-Fraktion dann mit fragwürdigen Methoden verhindern wollte). Ich empfehle, vor Kritik an der "emotional-persönlichen Färbung" des Artikels von W. Weiser die genannten Leserbriefe zu lesen.
In seiner JNG-Rezension hat W. Weiser über Krengels Aufsatz aber folgendes geschrieben:

"Elke Krengel beschert uns eine von skurriler Komik sprühende Groteske voll von ergötzlichen Pseudo-Beweisen, deren Pointe hier nicht verraten werden soll; nur so viel sei gesagt: es geht um einen römischen Kaiser und die schlaffe Spitze eines Stier-Gliedes." (GN 194, Nov. 1999)

Ich bin nicht überrascht, dass die Verfechter Krengels heftig darauf reagiert haben!
Zuletzt geändert von curtislclay am Mo 17.10.11 19:48, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Historische Fehler bei Münzbeschreibungen

Beitrag von j-u.thormann » Mo 17.10.11 20:17

curtislclay hat geschrieben: Ich bin nicht überrascht, dass die Verfechter Krengels heftig darauf reagiert haben!
Richtig. Ich habe heute sowohl die Rezension als auch die Leserbriefe noch einmal gelesen. Ich hatte die Rezension "harmloser" in Erinnerung.
Wodurch allerdings auch die Leserbriefe nicht netter werden (die übrigens im selben Heft wie der Aufsatz von W. Weiser zu finden sind, mit einem Kommentar der Redaktion).
Beide Seiten haben sich hier nicht mit Ruhm bekleckert.

Gruß,

j-u.thormann
Petition für den Erhalt des privaten Sammelns: https://www.openpetition.de/petition/on ... n-sammelns

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Homer J. Simpson
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Re: Historische Fehler bei Münzbeschreibungen

Beitrag von Homer J. Simpson » Mo 17.10.11 21:24

j-u.thormann hat geschrieben:...
Beide Seiten haben sich hier nicht mit Ruhm bekleckert.

Gruß,

j-u.thormann
Kann man wohl sagen! Und sie haben damit der Sache nicht gedient, sondern eher Nebelkerzen gezündet und das Gelände vermint. Wir sollten uns davor hüten, uns noch Jahre später in diese zunächst fachliche Kontroverse, die dann in so eine häßliche persönliche Schlammschlacht ausgeartet ist, hineinziehen zu lassen. So wird Wissenschaft nicht vorangebracht, sondern blockiert!

Homer
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Re: Historische Fehler bei Münzbeschreibungen

Beitrag von antoninus1 » Di 18.10.11 10:09

Ich habe damals bei Erscheinen des JNG den Aufsatz von E. Krengel gelesen und fand ihn sehr interessant und nicht abwegig.

Umso erstaunter war ich als Laie dann, als ich die vollkommen unsachlichen und persönlich beleidigenden Reaktionen gelesen habe. Nicht nur Weisser (dessen Reaktion ich damals nicht kannte) hat in dem Ton geantwortet, auch ein Münchner Historiker, inzwischen Professor an der LMU, hat in der gleichen Weise geantwortet.

Ich war total erstaunt über diese Reaktion, die ich rational denkenden und sachlich argumentierenden (bringen sie einem nicht genau das an der Uni bei?)Wissenschaftlern nicht zugetraut hätte, und sie haben tatsächlich mein Bild über sie getrübt.
Gruß,
antoninus1

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Re: Historische Fehler bei Münzbeschreibungen

Beitrag von Peter43 » Di 18.10.11 11:21

Aber muß man dann über Personen, die nur die Meinung von Weiser reportieren, in ebensolcher Form herfallen? 8O
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Re: Historische Fehler bei Münzbeschreibungen

Beitrag von emieg1 » Di 18.10.11 11:32

curtislclay hat geschrieben:
"Elke Krengel beschert uns eine von skurriler Komik sprühende Groteske voll von ergötzlichen Pseudo-Beweisen, deren Pointe hier nicht verraten werden soll; nur so viel sei gesagt: es geht um einen römischen Kaiser und die schlaffe Spitze eines Stier-Gliedes." (GN 194, Nov. 1999)
Nun ja, wenn sich die Wissenschaft nicht anders helfen kann (d.h.mit eindeutigen Beweisen), driftet sie in eine skurile Komik ab, die es zum Ziel macht, die Thesen anderer ins Lächerliche zu ziehen. Sprich: Wenn gar nichts anderes mehr hilft, gestaltet man einen Satz wortakrobatisch so, dass sie den "Gegner" zu Poden chleuert.

Pfui!

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Re: Historische Fehler bei Münzbeschreibungen

Beitrag von Peter43 » Di 18.10.11 12:09

Nur für Mitglieder gedacht, die über den Dingen stehen!

LEONHARD SCHUMACHER
Think bigger! - Interkulturelle Kontakte zwischen Südäthiopien, Syrien und Rom
(aus: Macellum Culinaria Archaeologica Festschrift Robert Fleischer 2001)

"... und es verfinsterte sich die Sonne" (NT Luk. 23,45; Apg. 2,20). Für die Begutachtung des Mainzer SFB 295 hätte sich wohl kein günstigerer Termin finden lassen. Am Tage danach trat das spektakuläre Ereignis ein: "Der männliche Mond fraß", wie ein Fernsehmoderator symbolträchtig formulierte, "die weibliche Sonne auf." Der Beginn eines Neuen Zeitalters - New Age - war damit eingeleitet (1).
Wie wäre dieser Umbruch zu deuten? Als Sieg des maskulinen Elements über feministische Ansprüche, als Rückkehr zu patriarchalischen Strukturen? Diese journalistische Vorstellung entspräche allenfalls deutschem Sprachgebrauch, vielleicht auch germanischer Mentalität! Humanistische Bildung weist den Weg zum angemessenen Verständnis. Natürlich ist die Sonne - Helios / Sol - eine männliche Chiffre, der Mond - Selene / Luna - Symbol des Weiblichen, so daß in Wirklichkeit die neue Epoche durch einen zumindest temporären Triumph des Femininen über das Maskuline eingeleitet wurde. Sicher kein Sieg der Emotion über den Intellekt, wie unsere 'gender-studies' hinreichend erwiesen haben (2)! Da die 'Totalität' am 11. August 1999 in Mainz bekanntlich nicht gegeben war, wird man das himmlische Zeichen ohnehin relativieren dürfen.
Jedenfalls eröffnete sich damit auch wissenschaftspolitisch eine neue Dimension. Deren Chancen in Mainz interdisziplinär zu nutzen, lautete der zentrale Auftrag einer hochkarätigen Gutachterkommission. Verknüpft, was noch niemals angedacht wurde! Bindet zusammen, was niemand für möglich gehalten hätte! Methodenvielfalt muß schließlich zu neuen Erkenntnissen führen, um die alle Disziplinen gemeinsam ringen.

Die Weichenstellung erfolgte spät, aber noch rechtzeitig. Mit seinem bahnbrechenden Vortrag lenkte Ivo Strecker spontan den Blick auf das Phänomen der Kontaktdyaden in Südäthiopien (3). Im triadischen Referenzsystem interaktiver Wechsel-beziehungen von 'Schankilla', 'Habescha' und 'Ferenji' eröffnet besonders die Dyade 'Schankilla' <-> 'Ferenji' Möglichkeiten einer Raum und Zeit entgrenzenden Analyse. Bahnten sich frühe Kontakte zwischen nordländischen 'Ferenji' und den 'Schankilla'-Ethnien Südäthiopiens (Geleba, Hamar, Gabra, Borana, Guği) tatsächlich erst Ende des 19. Jhs. an? Kann die Altertumswissenschaft diesen Ansatz nicht korrigieren und gleichzeitig eine Brücke zum tieferen Verständnis indigenen Selbstwertgefühls schlagen? Das Potential kann einstweilen nur exemplarisch mit Hilfe der Semiotik konzeptualisiert werden.

Ausdruck kulturellen Selbstwertgefühls der Hamar-Gruppe ist das kalača - ein auf die obere Stirn gesetzter phallischer Kopfschmuck (Abb. 1), dessen Bedeutung sich erst aus antiken Analogien erhellt. Wie Elke Krengel in einem Grundsatzreferat des XII. Internationalen Numismatischen Kongresses in Berlin (08. Sept. 1997) nachweisen konnte4, handelt es sich um die stilisierte Spitze eines getrockneten (?) Bullenpenis. Frühe Bildzeugnisse (Abb. 2/3) reichen bis in die Herrschaft des römischen Kaisers Elagabal (218 - 222 n. Chr.) zurück. Zwar wurde dieser Sproß einer Priesterdynastie aus dem syrischen Emesa, dem heutigen Homs, von seinen Zeitgenossen weniger als 'Europäer' denn als effeminierter 'Orientale' gewertet (Dio 79,1,1; 79,13,1 [Xiph.]; Herod. 5,5,3-5; vgl. HA Elag. 1,4-7) (5), aus Sicht der 'Schankilla' mag er aber als Herrscher des Römischen Reiches unter die 'Ferenji' subsumiert worden sein. Auf diesem Feld könnte die indigene oral history noch wichtige Erkenntnisfortschritte erzielen. Hier sollen zunächst die Rahmenbedingungen kulturellen Transfers skizziert werden.

Die Beziehungen des Mittelmeerraumes zum antiken Äthiopien reichen bis in den Beginn des 3. Jahrtausends zurück (6), doch hilft uns dieser Befund nicht weiter, weil unsere Region im Norden des Rudolf-Sees (Lake Turkana) mehr als 1000 km südlich von Aksum liegt. Trotz erheblicher Anstrengungen gelang es auch den Römern nicht, über den heutigen Sudan zu den Quellen des Nil vorzudringen (Sen. q. n. 6,8,3-5; Mela 3,96f.) (7). Der Tana-See südlich von Gondar mit der Quelle des Blauen Nil blieb ihnen weithin unbekannt, ebenso das Gebiet des Victoria-Sees mit dem Ursprung des Weißen Nil (8). Um so erstaunlicher wirkt daher zunächst ihr Vorstoß zur Nordspitze des Rudolf-Sees, den sie praktisch nur aus östlicher Richtung erreicht haben können: entweder auf der nördlichen Route von Djibouti aus über Addis Abeba zum Oberlauf des Omo oder auf einer südlichen Trasse, die in Höhe des Äquators, südlich von Mogadischu, ihren Ausgangspunkt hatte.
Um 600 v. Chr. hatte bekanntlich ein Kapitän im Auftrag des Pharao Necho II. den afrikanischen Kontinent von Osten nach Westen umsegelt (Hdt. 4,42,2f.), doch führte erst die Entdeckung der Monsunwinde durch Eudoxos von Kyzikos (Strabo 2,3,4) seit dem Ausgang des 2. Jhs. v. Chr. zu einer Intensivierung des Indienhandels, der am 'Horn von Afrika' seinen Start- und Zielpunkt hatte (9). Was lag näher als der Versuch, von dort aus auch das afrikanische Hinterland zu erkunden? Die erstaunlichen Kenntnisse des Claudius Ptolemaeus (geogr. 1,9,1; 4,7,8f.) oder des Heliodor (2,28,1-5) dürften auf Berichte über solche Unternehmungen zurückzuführen sein. Die schematisierte Karte des Cod. Lat. V F. 32 in Neapel (Abb. 4) vermittelt einen Eindruck vom geographischen Kenntnisstand des 2. Jhs. n. Chr., der bis in die Neuzeit Geltung besaß.

Heliodors "Aithiopika. Abenteuer der schönen Charikleia" entziehen sich bislang leider eindeutiger Datierung im 3. (?) Jh. n. Chr. Immerhin stammte er wie Elagabal aus Emesa, so daß wir nun auf unsere eigentliche Fragestellung zurückkommen. Wie ist der phallische Stirnschmuck der 'Schankilla' in Verbindung mit dem Bullenpenis des Kaisers zu deuten? Aufgrund der kurzen Regierungszeit Elagabals und seines gut dokumentierten Itinerars dürfen wir einen persönlichen Aufenthalt in der Omo-Region sicher ausschließen. Als Mediatoren kommen insofern nur Teilnehmer an den antiken Rekognoszierungs-unternehmen in Betracht, wenn wir Handelsbeziehungen ausschließen.
Die Frage der Rezeption läßt sich ebenfalls eindeutig beantworten. Die naturalistische Gestaltung des Stirnschmucks auf Prägungen des Kaisers (s. o. Abb. 2/3) muß einer stilisierten Umformung vorausgegangen sein, so daß nur die 'Schankilla' als Rezipienten in Betracht kommen.
Vermutlich wurde ihnen im Auftrag Elagabals ein echter Bullenpenis überreicht mit einer Anleitung, wie diese Gabe modisch zu nutzen sei. In zutreffender Einschätzung dieser Geste, die gegenseitige Anerkennung zum Ausdruck brachte, haben die 'Schankilla' das Geschenk akzeptiert, fanden aber die naturalistische Gestaltung des Herrschaftszeichens so geschmacklos, daß sie sich zur abstrahierten Umformung entschlossen. Der Vorgang läßt sich somit im Sinne einer 'Strukturkopie' deuten. Offenbar wurde diese modifizierte Version dann von den 'Habescha' usurpiert, wie das Portrait des Kefla Yasous (Abb. 5) zu Beginn des 19. Jhs. zeigt.

Aufgrund fehlender Schriftzeugnisse wird sich das Protokoll der Übergabe des Herrschaftszeichens an die 'Schankilla' im Jahre 221/22 n. Chr. nicht genauer rekonstruieren lassen. Vielleicht finden sich ergänzende Hinweise in der mythologischen Tradition. Damit wirst Du, lieber Robert, Dich kaum befassen müssen. In einer späteren Phase unserer Studien wird sich Dir aber die Aufgabe stellen, weitere Artefakte autochthoner Kulturen mit den Methoden der Klassischen Archäologie zu untersuchen. Gerne werde ich dazu meinen Beitrag aus althistorischer Sicht leisten. Interdisziplinäre Interdependenzforschung (10) ist das Gebot der Stunde: world archaeology and global history sind uns dabei Herausforderung und Verpflichtung! Difficile est saturam non scribere (Iuv. sat. 1,30).

Anmerkungen
1) Vgl. M. Schulz: Ich sehe Richtung Paradies, Spiegel 32 (1999) 164-175.
2) Vgl. B. Röder / J. Hummel / B. Kunz: Göttinnendämmerung. Das Matriarchat aus archäologischer Sicht (München 1996) mit weiterführender Literatur (407-445).
3) I. Strecker: Kontaktdyaden und kulturelles Selbstwertgefühl in Südäthiopien (09. Aug. 1999); vgl. grundlegend A. E. Jensen (Hrsg.): Altvölker Süd-Äthiopiens (Stuttgart 1959) bes. 337ff.; E. Haberland: Galla Süd-Äthiopiens (Stuttgart 1963); ergänzende Literatur in St. Munro-Hay / R. Pankhurst: Ethiopia. World Bibliographical Series 179 (Denver 1995) bes. Nr. 55, 122, 129f., 210, 394, 421.
4) E. Krengel: Das sogenannte "Horn" des Elagabal - eine Umdeutung als Ergebnis fachübergreifender Forschung, in: XII. Internationaler Numismatischer Kongreß. Vortragszusammenfassungen (Berlin 1997) 89, Nr. 121; die mit Spannung erwartete Publikation jetzt in JNG 47 (1997) 53-72, bes. 64-69.
5) Vgl. etwa G. R. Thompson: Elagabalus. Priest-Emperor of Rome (Diss. Univ. of Kansas 1972) bes. 58ff. und 179ff.; M. Frey: Untersuchungen zur Religion und Religionspolitik des Kaisers Elagabal (Stuttgart 1989) bes. 14-44; H. Herter: RAC IV (1959) 620-650, s. v. effeminatus, bes. 626.
6) Vgl. allgemein G. Lanczkowski: RAC Suppl. 1 / 2 (1985) 94-134, s. v. Aethiopia; ergänzend S. Hable Selassi: Beziehungen Äthiopiens zur griechisch-römischen Welt (Bonn 1964).
7) Vgl. E. Mveng: Les sources grecques de l'histoire négro-africaine depuis Homère jusqu'à Strabon (Paris 1972); B. Postl: Die Bedeutung des Nil in der römischen Literatur (Wien 1970).
8) Damit nahmen sie Routen neuzeitlicher Expeditionen vorweg; vgl. etwa G. Brunold (Hrsg.): Nilfieber. Der Wettlauf zu den Quellen (Frankfurt 1994); G. Guadalupi: Der Nil. Die Geschichte seiner Entdeckung und Eroberung (Erlangen 1997).
9) Vgl. Y. Janvier: Pour une meilleure lecture d'Hérodote, LEC 46 (1978) 97-111; R. Böker: RE Suppl. IX (1962) 403-411, s. v. Monsunschiffahrt nach Indien; L. Casson: Rome's Trade with the East: The Sea Voyage to Africa and India, TAPhA 110 (1980) 21-36.
10) Vgl. etwa E. Bodenstein: Das Ernie-Prinzip (Frankfurt 1999) mit lichtvollen Hinweisen zur 'Sequenzanalyse und Bifurkation multiethnischer Migrationspopulationen' (33ff.).

Mit freundlichem Gruß
Dateianhänge
Schumacher1.jpg
Abb. 1: Borana-Mann nach E. Haberland (wie Anm. 3) Taf. 50, Abb. 6.
Schumacher2.gif
Abb. 2: Denar des Elagabal (BMC Emp. V 562, Nr. 211); Original des Instituts für Alte Geschichte, Univ. Mainz: XII F 9 (Vs.).
Schumacher2.gif (3.18 KiB) 1894 mal betrachtet
Schumacher3.gif
Abb. 3: Sesterz des Elagabal (BMC Emp. V 615, Nr. 454); Abb. ebd. Taf. 97, Nr. 9 (Vs.).
Schumacher3.gif (7.1 KiB) 1894 mal betrachtet
Schumacher4.gif
Abb. 4: Karte nach Ptolemäus, Cosmographia (Stuttgart 1990) Taf. XV rechts.
Schumacher5.gif
Abb. 5: Portrait des Kefla Yasous von J. Bruce nach G. Guadalupi (wie Anm. 5) 75, Abb. 75.
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Re: Historische Fehler bei Münzbeschreibungen

Beitrag von antoninus1 » Di 18.10.11 22:24

Peter43 hat geschrieben:Aber muß man dann über Personen, die nur die Meinung von Weiser reportieren, in ebensolcher Form herfallen? 8O
Nein, natürlich nicht.
Ich denke wirklich, das beruhte auf einem Missverständnis.
Gruß,
antoninus1

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Invictus
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Re: Historische Fehler bei Münzbeschreibungen

Beitrag von Invictus » Fr 16.03.12 11:58

Eine Anmerkung zu einem interessanten Sesterz des ANTONINUS PIUS:
Av. ANTONINVS AVG PIVS P P TR P XII - Kopf mit Lorbeerkranz n.r.
Rv. TEMPORVM FELICITAS S C COS IIII (im Abschnitt) - Zwei gekreuzte Füllhörner, aus denen die einander zugewandten Büsten zweier Knaben herausragen
RIC 133, 857

Walter Ameling http://www.uni-koeln.de/phil-fak/ifa/zp ... 090147.pdf (S. 152 ff) hat bereits dargelegt, dass die aus den Füllhörnern schauenden Büsten offensichtlich nicht die vermeintlichen Zwillinge T. Aurelius Antoninus und T. Aelius Aurelianus sein können.
Es stellt sich nun die Frage, um wen es sich bei den in der Literatur immer nur als “zwei Knabenbüsten“ beschriebenen Personen tatsächlich handeln könnte.

Zum Zeitpunkt der Prägung dieses Münztyps (Ende 148-Ende 149 n.Chr.) galt Marcus Aurelius unumstößlich als designierter Nachfolger des Kaisers Antoninus Pius. Aurelius konnte bereits eine beeindruckende Liste an Titeln und Ämtern vorweisen, von denen CAESAR, TRIBVNICIA POTESTATE III, CONSVL II die wichtigsten waren.
Lucius Verus besaß hingegen nur --- die Männertoga. Ja, man hatte ihn im Sommer 138 n.Chr. sogar öffentlich "herabgestuft", als seine Verlobung mit der Augusta-Tochter Faustina minor zugunsten Aurelius annulliert wurde. Seine politische Karriere begann erst 153 n.Chr. mit der Erlangung des niedrigsten Amtes im cursus honorum, der Quästur.
Oberstes Ziel eines jeden herrschenden Kaisers war es offenbar, den Thronanspruch nach seinem Ableben für ein nahe stehendes männliches Familienmitglied (soweit vorhanden) zu sichern. Auch bei den „Adoptivkaisern“ seit Trajan zieht sich dieser Gedanke wie ein roter Faden durch ihr Handeln: nicht der fähigste römische Aristokrat, sondern jemand aus der eigenen Sippschaft (egal ob leiblich oder adoptiert) sollte die Nachfolge antreten.

Stellen die beiden fraglichen Büsten nun Aurelius und Verus dar? Ich denke nicht, da
a) die beiden jungen Männer nicht auf gleicher gesellschaftlicher Höhe standen, auch wenn sie die Adoptivsöhne des Pius waren
b) es bis zum Tod von Antoninus Pius 161 n.Chr. keine einzige bekannte Münze mit dem Konterfei von Verus gibt - im Gegensatz zu Marcus Aurelius, dessen "eigene" vorkaiserliche Prägungen in vielfältiger Zahl kursierten.

Beachtenswert finde ich, dass eine der beiden Büsten gelegentlich ganz klar einen Dutt am Hinterkopf erkennen lässt:
http://www.acsearch.info/ext_image.html?id=46703 (rechte Büste)
http://www.acsearch.info/ext_image.html?id=293179 (rechte Büste)
Es handelt sich wohl offensichtlich um eine männliche und eine weibliche Büste.
Der Hinweis auf die TEMPORVM FELICITAS in Verbindung mit die segensreichen Ausschüttungen der beiden Füllhörner könnte somit den sich abzeichnende Kinderreichtum des jungen Thronfolgerpaares Marcus Aurelius und Faustina minor symbolisieren. Prägegrund war die bereits zweite Geburt eines Kindes im März 149 n.Chr. nach nur 4 Jahren Ehe. Das ließ ohne Zweifel auf "glückliche Zeiten" bezüglich der antoninischen Dynastie hoffen.

Die Portraitbüsten der beiden jungen Eheleuten aus zeitnahen Münzprägungen belegen, dass Aurelius einen recht großen runden Wuschelkopf hatte http://wildwinds.com/coins/ric/marcus_a ... ius%5D.jpg und Faustina minor einen flchen Dutt http://www.moneymuseum.com/moneymuseum/ ... &ix=9&i=39. Das deckt sich m.E. mit den Kopfprofilen auf den oben gezeigten Sesterzen.
www.RÖMISCHE MÜNZEN...

Weisheit beginnt mit der Entlarvung des Scheinwissens (Sokrates)

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Re: Historische Fehler bei Münzbeschreibungen

Beitrag von curtislclay » Sa 17.03.12 02:49

Meiner Meinung nach feiert dieser Typ die Geburt nicht von Zwillingen, sondern bloss vom ersten Sohn von Marcus und Faustina im J. 149, der im Münztyp auf dem Füllhorn links dargestellt wird. Ihm gegenüber mit dem Dutt ist die Büste seiner älteren Schwester, die Ende 147 als erstes Kind des Thronfolgerpaares geboren worden war.

Dasselbe Ereignis wird auch auf selteneren Sesterzen von Marcus und Faustina gefeiert:

Marcus, RIC 1280, PIETAS TR POT III COS II S C, Pietas steht nach l. mit dem nackten, neugeborenen Sohn im Arm, die bekleidete ältere Tochter steht vor ihr, siehe Bild unten.

Faustina, RIC 1382, PVDICITIA S C, Pudicitia sitzt nach l. mit dem nackten, neugeborenen Sohn auf dem Schoss, die bekleidete ältere Tochter steht vor ihr, Strack Taf. XX, 1303.
Dateianhänge
MAurelCaesSestPIETASTRPOTIIITwoKids.jpg

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Re: Historische Fehler bei Münzbeschreibungen

Beitrag von Invictus » Sa 17.03.12 07:49

Herzlichen Dank für deine interessante Darstellung, Curtis. Demnach werden hier also der erstgeborene Sohn (geb. 149, gest. 149) und Domitia Faustina (geb. 30.11.147, gest. vor 159) gezeigt.

Ich hatte mich bei meiner Deutung als Aurelius/Faustina von dieser Gemme http://www.gemmarius-sculptor.de/info6.htm leiten lassen.

In Verbindung mit dem von dir gezeigten PIETAS-Typ RIC 1280 würde dann wohl RIC 1281 http://www.acsearch.info/ext_image.html?id=299859 den potentiellen Thronnachfolger zeigen (obwohl noch ein Baby, hier schon stehend und mit Toga bekleidet)?

Der von Ameling erwähnte Reverstyp aus der Zeit des Claudius müsste somit Britannicus und Claudia zeigen.
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