Methodik der Porträt-Erzeugung

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

Moderator: Homer J. Simpson

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quintus
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Beitrag von quintus » Fr 18.02.05 12:56

Hallo, ich wollte mal ein paar Punkte nennen die man bei der
Arbeit mit römische Kaiserbildnissen nicht vergessen solle:

Das römische Kaiserbildniss ist ein sehr komplexes Thema und umfasst
insgesamt 400 Jahre (50 v.u.Z. -350 u.Z.), weshalb man keine
pauschalen Auusagen treffen sollte.
Die Blütezeit der Portraitkunst lag in der 2.Hälfte des 2.Jh. u.Z.

In dieser Zeit war es üblich, zu bestimmten Anlässen, offizielle Bildnisse
im Marmor herzustellen. Diese Bildnisse wurden in Rom kopiert und
an Wekstätten im Gesamten Reich verteilt. Von diesen wurde dann
wieder Kopien angefertigt, da man in fast jedem öffentlichen Gebäude
eine Büste oder Statue das Kaisers aufstellen musste. Die ofiziellen
Bildnisse sollten tugendreiche Wesenszüge (energisch, weise, fromm)
vermitteln, stellten aber niemals negative Eigenschaften dar.

Auch die Prägeanstalten hielten sich genau an diese Vorgabe. Gerade in der
Zeit bis 200 kann man die rundplastischen Bildnisse in auf den Münzen
wieder erkennen. Bestimmte Portraitypen lassen sich oft nur durch die
Münzen datieren.

Die Rückseite war Politik! Der Kaiser hatte, genauso wie Heute, Berater bzw. Minister die bei der Darstellung als Berater fungierten. Wie Heute wurde
politische Botschaften weitergegeben, bei denen es sich, auch nur, um Floskeln
handelte, um politische Stimmungen zu erzeugen oder zu lenken.

Über die technische Ausführen muss man nicht sprechen, die antiken
Stempelschneider und Bildhauer waren den heutigen weit überlegen.

Die Bildnisse von Vorgängern wurden nicht übernommen, um Geld zu sparen,
sondern um auszudrücken, wie eng man mit dem tollen Vorgänger
verbunden war. Es ist also auch wieder ein Politikum. Die Darstellung von
Alterserscheinungen war nur von wenigen Kaisern gewünscht. (Vespasian u.A.)
Auch der Bart steht nicht für einen alten Mann sondern für philosophische
Waisheit, die nur indirekt mit einem hohen Alter verbunden wurde.

Alles in Allem ein interessantes Thema :)

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chinamul
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Beitrag von chinamul » Fr 18.02.05 15:52

@quintus

Einige Deiner Feststellungen können nicht unwidersprochen bleiben. So bin ich im Gegensatz zu Dir nicht der Meinung, daß die damaligen Stempelschneider den heutigen weit überlegen waren. Was die modernen Graveure daran hindert, ähnlich ansprechende Münzbilder, insbesondere Porträts, zu schaffen, sind teilweise rigide Beschränkungen, die ihnen bei Wettbewerben auferlegt werden. Da gilt es zunächst einmal, dem Prägeanlaß gerecht zu werden, wobei Av. und Rv. einander stilistisch zu entsprechen haben. Was den künstlerischen Gestaltungsspielraum weiter einengt, ist die Bedingung, daß das Münzrelief den Rand nicht überragen darf, weil sich sonst die Münzen nicht zu stabilen Türmen stapeln ließen und sich außerdem zu schnell abnutzen würden. Und schließlich sind technische Gesichtspunkte für den Prägeprozeß zu beachten. Daß angesichts all dieser Handicaps keine besonders schöne Münze mit einem hohen Relief herauskommen kann, liegt wohl auf der Hand. Was unsere Münzgestalter heute wirklich drauf haben, läßt sich wohl eher an den frei entworfenen Medaillen und Plaketten ablesen als an den Münzen, bei denen Zweckmäßigkeit bei der Herstellung und dann im täglichen Zahlungsverkehr offenbar den Vorrang vor künstlerischen Gesichtspunkten hat.
Die Übernahme von nur leicht modifizierten Bildnissen des Vorgängerkaisers wird in aller Regel (mit Ausnahme vielleicht der Adoptivkaiser) den Grund gehabt haben, daß die Nachricht vom Regierungswechsel sich schneller verbreitete als das korrekte Bildnis. Es darf also unterstellt werden, daß beim Wechsel von Severus Alexander auf den fernab von Rom weilenden Maximinus Thrax man einfach nicht wußte, wie genau der Neue denn nun aussah. Allenfalls mag bekannt gewesen sein, daß er einen gewaltigen Zinken von einer Nase im Gesicht trug. Also verpaßte man dem Alex eine Hakennase und hatte einen provisorischen Max. Ähnlich dürfte man beim Wechsel von Gordian III auf Philippus Arabs verfahren sein. In beiden Fällen war der Wechsel gewaltsam, und deswegen gab es auch keinen Grund anzudeuten, "wie eng man mit dem tollen Vorgänger verbunden war". (s. hierzu die beiden folgenden Threads!)
Augustus trug als Trauerzeichen für Caesar eine Zeitlang einen kurzen Bart. Nero ließ sich zeitweise ein spärliches Gekräusel am Hals wachsen, vielleicht schon als Hinweis auf seine Verbundenheit mit dem Griechentum. Aber erst Hadrian läßt sich einen richtigen Vollbart stehen, mit dem er seiner Affinität zur griechischen Philosophie demonstrativen Ausdruck verleiht. Am Ende des 3. Jahrhunderts wird der Bart dann zum Symbol des Heidentums (eigentlich merkwürdig, wo doch Christus stets mit Vollbart dargestellt wird!), weswegen Constantinus I sich schließlich seinen Bart abnimmt. Nach ihm sind nur noch ganz wenige Kaiser bärtig, unter ihnen Julianus II, für den er eine Demonstration seiner Hinwendung zu vorchristlichen (also heidnischen) Vorstellungen ist.

Gruß

chinamul
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Beitrag von Pscipio » Fr 18.02.05 18:26

Hier noch das Bild von gorostiza.
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Nata vimpi curmi da.

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Beitrag von Peter43 » Sa 19.02.05 00:15

Hallo!
chinamul hat geschrieben:Augustus trug als Trauerzeichen für Caesar eine Zeitlang einen kurzen Bart.
Hier habe ich einen Solidus von Honorius, auf dem er einen Bart trägt. Den soll er aus Trauer um seinen toten Bruder Arcadius getragen haben (RIC).

Das kennt man von Patienten mit Depressionen auch. Die vernachlässigen sich ebenfalls oft und rasieren sich nicht.

Mit freundlichem Gruß
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Beitrag von quintus » Sa 19.02.05 16:39

@chinamul

Die Einwände sind grundsätzlich richtig.

Es ist wahr das die damaligen Künstler nicht unfähiger waren als die
heutigen. Was sich jedoch geändert hat ist der künstlerische Anspruch.
Die antiken Künstler waren deswegen überlegen weil, nicht nur auf
griechischen Münzen, das gesamte Münzbild als einheitliches Kunst-
werk Angesehen wurde. Man passte die Schriftgröße an das Bildniss an
oder füllte frei Stellen durch Beizeichen auf. Ergebniss sind ästhetsich
ansprechende Darstellungen die mit heutigen Münzen, bei denen Photoshop-
dateien auf billiges Abfallmetall geprägt werden, nicht zu vergleichen sind.
Man kann auch keine Münze mit einer Medaille vergleichen: Die antiken
Münzen ware Massenzahlungsmittel die in großen Mengen umliefen und keine
Medaillen.

Die Bildnisse der Soldatenkaiser sind kunsthistorisch schon Vorboten der
Spätantike. Es gibt kaum Portraits, die sich sicher zuordnen lassen.
Es ist also kaum sinnvoll diese Darstellungen mit den Kaiserbildnissen der ersten beiden Jahrhunderte zu vergleichen.
Es ist absolut sicher dass die Darstellungen des Tiberius, aus politischen
Gründen an die des Augustus angeglichen wurde. Augustus wiederum, passte
die Bildnisse von Caesar an seine eigenen an. Das war kein Informationsdefizit
sondern sollte zeigen, wie eng man mit den göttlichen Vorfahren (zu denen auch
Caesar zählte) verwandt ist.

Die Darstellung des Bartes ist sicherlich historisch unterschiedlich zu interpretieren.

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Beitrag von Peter43 » Sa 19.02.05 16:50

@quintus:

Welche anderen historischen Interpretationen für die Darstellung des Bart bei Honorius verheimlichst Du uns?

Mit freundlichem Gruß
Omnes vulnerant, ultima necat.

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Beitrag von chinamul » Sa 19.02.05 20:08

@quintus:

Wenn Du antike Münzen, und hier die zugegebenermaßen besonders schönen Griechen und die Römer des ersten nachchristlichen Jahrhunderts, mit unseren heutigen Münzen vergleichst, dann vergleichst Du Äpfel mit Birnen. Am Aussehen unserer Münzen läßt sich, wie ich mich bemüht habe darzustellen, mitnichten das mangelnde Können heutiger Stempelschneider ablesen. Keinesfalls habe ich behauptet, daß heutige Münzen den aesthetischen Reiz mancher antiker Prägungen haben. Da sind wir also durchaus einer Meinung. Anderenfalls würde ich ja auch nicht seit über fünfzig Jahren antike Münzen sammeln, sondern "BRD" und dann Euros.
Was nun die Bildnisse der Soldatenkaiser angeht, so ist es in aller Regel sehr wohl möglich, den betreffenden Kaiser zu erkennen. Schwierig wird es erst bei den Tetrarchen, und allenfalls bei deren Porträts würde ich angesichts der wohl durch den Dominat einsetzenden Entindividualisierung von "Vorboten der Spätantike" reden wollen.
Eine Angleichung der Porträts des Tiberius an die des Augustus vermag ich ebensowenig zu erkennen wie die des Augustus an die Caesars. Im Gegensatz zu den idealisierten, ewig jugendlichen Augustus-Porträts mit ihrer geraden Griechennase sind die Münzbilder Caesars sehr naturalistisch, ja teilweise schonungslos (Adamsapfel am hageren Schrumpelhals, große Hakennase, Halbglatze). Und schlecht erhaltene Münzen des Tiberius lassen sich bei gleichen Rückseitentypen durch den bei Tiberius zu beobachtenden Knick zwischen Stirn und Nasenrücken und der insgesamt spitzeren Nase leicht von denen des Augustus unterscheiden.
In einem muß ich Dir allerdings recht geben: Selbstverständlich haben die Stempelschneider gewußt, wie Caesar aussah, und das galt auch für Augustus und Tiberius (hier also tatsächlich kein "Informationsdefizit"), aber wohl gerade deshalb sind die Porträts der drei durchaus verschieden.

Gruß

chinamul
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Portraitechnik

Beitrag von Pollio » Di 19.07.05 09:33

Guten Morgen,

ich habe das Forum erst vor kurzem entdeckt, obwohl ich schon eine Weile sammle. Über die kunsthistorische Seite der auf Münzen des 1. bis 3. Jhs. zu findenden Portraits kann ich nichts sagen, aber zur Technik habe ich mir gelegentlich Gedanken gemacht. Folgendes:

Auf zweien meiner Denare aus dem frühen 3. Jh. ist bei genauem Hinsehen und etwas schrägem Lichteinfall um das Profil herum (in knapp 1 mm Abstand) eine feine Linie zu erkennen. Ich interpretiere das als Hinweis darauf, dass die Graveure den Stempel nicht wie eine Gemme geschnitten haben (dass sie also nicht gleich ein Negativ angefertigt haben), sondern dass sie erst Positive der beiden Münzseiten anfertigten (in der Art von Kameen). Bei Gemmen arbeitet man schließlich von innen nach außen, d.h. von der Mitte der Darstellung und den tiefsten Punkten zum Rand hin; eine Linie um ein Profil herum wäre bei dieser Vorgehensweise nicht entstanden. Wenn man ein Positiv anfertigt, ist es aber sinnvoll, das Portrait zunächst grob vorzuschneiden und erst dann die Einzelheiten herauszuarbeiten. Dabei kann es passieren, dass der Rand des Vorschnitts zu erkennen bleibt. Ich nehme an, dass so hergestellte Positiv hat man im nächsten Schritt verwendet, um die eigentlichen Stempel zu gießen.

Zu dieser Frage gibt es sicher Spezialliteratur; die kenne ich aber leider nicht. Ich reime mir die Dinge nur so zusammen. Was haltet Ihr davon?

Gruß Pollio

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