Fehlleistungen beim Stempelschneiden und Prägen
Verfasst: Di 07.12.04 16:23
Hallo Freunde!
Im Thread „irregulär, oder... „ hat Pscipio den Vorschlag gemacht, einen neuen Thread zu eröffnen, in dem Fehlleistungen der Stempelschneider oder Prägearbeiter vorgestellt werden, und bat mich, mal den Anfang zu nachen. Dazu war ich gern bereit, denn mir scheint dieses Thema aus mehreren Gründen interessant: Zum einen erhalten wir dadurch einen viel tieferen Einblick in die damaligen Abläufe, wie sie uns die perfekte Münze niemals gewähren würde. Zum anderen bekommen die Forumsmitglieder einen Eindruck davon, welche Fehler vorkamen, so daß sie dann nicht jedes Stück mit einem Mangel dieser Art gleich mit Mißtrauen betrachten. Daß zu diesem Zweck natürlich nur antike Originale taugen, versteht sich dabei wohl von selbst.
Hier sei als erstes ein Sesterz des Philippus I Arabs vorgestellt, der mir seit fast 25 Jahren Rätsel aufgibt. Den folgenden Aufsatz habe ich in ähnlicher Form bereits vor etlichen Jahren im Trierer „Petermännchen“ veröffentlicht.
Zwei stempelgleiche Sesterze mit identischen Hohlschlagspuren
Überlegungen zur Ursache einer Stempelbeschädigung
Gegenstand der Betrachtung sind zwei beidseitig stempelgleiche Exemplare eines Sesterzen des Philippus I, RIC 165, dort allerdings, wohl irrtümlich, „horse pacing r.“ (meine Unterstreichung), in leicht unterschiedlichen Erhaltungsstufen (ss, bzw. ss/vzgl.). Beide Stücke sind in Auktionskatalogen mit Abbildungen publiziert: Firma Heinz-W. Müller, Auktion 27, Nr. 2332, und Firma H. G. Oldenburg, Auktion 2, Nr. 210. Die für das dritte Jahrhundert typischen, eckig-ovalen Schrötlinge unterscheiden sich deutlich, und auch die Stempelstellungen weichen voneinander ab. Auf den Rückseiten weisen beide Stücke einen leichten Doppelschlag auf, und zwar in unterschiedlichen Partien der Umschrift. Auch hinsichtlich leichter Korrosions- und Abnutzungsspuren zeigen die beiden Münzen deutlich erkennbare Unterschiede. Es sind mithin alle Echtheitsmerkmale vorhanden, d. h. die Stücke sind mit Sicherheit geprägt und nicht etwa in ein und derselben Form gegossen.
Bemerkenswert an den Stücken ist nun, daß beide absolut identische Hohlschlagspuren aufweisen: Teile der Kinn- und Halspartie sowie des Paludaments der Vorderseite scheinen bei beiden Münzen an der selben Stelle und mit derselben Intensität als seitenverkehrte Negative im Rückseitenbild durch (z. B. auch die Kranzschleifen; zwischen den Vorderbeinen des Pferdes erkennt man die Rundung des Kinns; die sich daran anschließende Vorderkante des Halses verläuft zwischen dem Fuß des Reiters und dem rechten Hinterhuf des Pferdes, u. a.).
Hohlschläge werden, wenn sie als Einzelerscheinung auftreten, einsehbar damit erklärt, daß nach dem Prägevorgang die fertige Münze irrtümlich entweder auf dem Unterstempel liegen- oder am Oberstempel hängenblieb. Wurde das Prägen dann mit einem neuen, erhitzten Schrötling fortgesetzt, so erhielt dieser zwar auf der einen Seite sein richtiges Bild, auf der anderen Seite jedoch mußte sich durch den liegen- bzw. hängengebliebenen Schrötling der vorausgegangenen Prägung ein mehr oder weniger scharfes Negativbild eindrücken, zumal der alte Schrötling kälter und damit härter war als der erhitzte neue.
Normalerweise finden sich Hohlschläge praktisch ausnahmslos auf der Münzrückseite, was damit zusammenhängen dürfte, daß es der Oberstempel war, der das Rückseitenbild prägte. Blieb nun eine Münze hängen oder liegen, so wurde sie auf dem Unterstempel eher bemerkt, da ja der suppostor den neuen Schrötling auf den Unterstempel legen mußte, wobei er dort kaum je eine fertige Münze übersehen haben dürfte. Anders verhielt es sich, wenn die Münze am Oberstempel hängenblieb. Besonders wenn der Schrötling kleiner war als die Gesamtfläche des Oberstempels, wenn also die fertige Münze nirgendwo über den Stempelrand hinausragte, konnte es geschehen, daß das Hängenbleiben unbemerkt blieb und durch das Vorderseitenbild, das die noch am Oberstempel hängende Münze auf ihrer Unterseite trug, der auf dem Unterstempel liegende neue Schrötling einen Negativabdruck der Münzvorderseite erhielt, der auch bei einer Wiederholung des Prägevorganges durch das richtige Rückseitenbild nicht völlig ausgelöscht wurde. Die oben geäußerte Vermutung über das fast ausschließliche Vorkommen von Hohlprägungen durch hängengebliebene Münzen wird dadurch gestützt, daß sich bei einer Untersuchung der Münzen mit Hohlschlägen in meiner Sammlung zeigte, daß sie sämtlich einen eher knappen Rand haben. Ein ausgesprochen breiter Schrötling ist jedenfalls nicht darunter.
Im vorliegenden Falle weisen nun stempelgleiche Münzen über ihre Stempelgleichheit hinaus identische Hohlschlagspuren auf, so daß, will man nicht die Echtheit der Stücke in Zweifel ziehen, eine andere Erklärung gefunden werden muß als die Vermutung, es handele sich hier wieder einmal nur um das häufiger zu beobachtende Versehen des Schrötlingsauflegers.
Angesichts der absoluten Identität der Prägefehler kann die Ursache sinnvoll nur in einer Beschädigung des Rückseitenstempels vermutet werden, der danach den erlittenen Schaden an alle später mit ihm geschlagenen Münzen „weitervererbte“. Um beim Prägen seinerseits die Negativform der Münzvorderseite hervorrufen zu können, mußte der Rückseitenstempel mit einer sehr harten Negativform der Vorderseite, dem Vorderseitenstempel also, in gewaltsamen Kontakt geraten sein. Das aber konnte leicht geschehen, wenn man versehentlich beide Stempel ohne dazwischenliegenden Schrötling aufeinanderschlug. Daß der Vorderseitenstempel bei einem solchen „Leerschlag“ ohne feststellbare Beschädigung blieb, erklärt sich vielleicht dadurch, daß die Feld-Bild-Kanten des Vorderseitenstempels sehr viel markanter sind als die des Rückseitenstempels und darüber hinaus die prägenden, recht kompakten Feldpartien des Vorderseitenstempels auf relativ fein gegliederte Feldpartien beim Rückseitenstempel trafen. Auch eine unterschiedliche Härtung der Stempel könnte hier eine Rolle gespielt haben. Gerade in der Mitte des dritten Jahrhunderts finden sich ja auffallend viele flaue Rückseitenbilder, die auf eine vorzeitige Ermüdung dieser Stempel infolge ungenügender Härtung oder aus anderen Gründen schließen lassen. Eine letzte Möglichkeit ist, da man den eventuell ebenfalls beschädigten, wichtigeren Vorderseitenstempel durch einen neuen ersetzt oder ihn nachgeschnitten hat. Sollten sich weitere Stücke von den gleichen Stempeln finden, die den beschriebenen Fehler nicht aufweisen, so ließen sich daraus – ähnlich wie bei anderen plötzlich oder allmählich auftretenden Stempelschäden – nicht nur interessante Schlüsse auf die Chronologie der Prägung der einzelnen Exemplare ziehen, sondern sie könnten möglicherweise die hier vorgetragene Hypothese erhärten.
Das unten abgebildete Exemplar aus der Auktion Müller befindet sich in meinem Besitz und hat seinerzeit die Fragestellung ausgelöst. Leider konnte das zweite Exemplar aus der Auktion Oldenburg nicht mehr erworben werden, da die Versteigerung zwischenzeitlich bereits stattgefunden hatte. Vielleicht liest ja der damalige (1980) Erwerber des anderen Stückes diesen Aufsatz und meldet sich, am besten natürlich mit einem bebilderten Posting.
Gruß
chinamul
Im Thread „irregulär, oder... „ hat Pscipio den Vorschlag gemacht, einen neuen Thread zu eröffnen, in dem Fehlleistungen der Stempelschneider oder Prägearbeiter vorgestellt werden, und bat mich, mal den Anfang zu nachen. Dazu war ich gern bereit, denn mir scheint dieses Thema aus mehreren Gründen interessant: Zum einen erhalten wir dadurch einen viel tieferen Einblick in die damaligen Abläufe, wie sie uns die perfekte Münze niemals gewähren würde. Zum anderen bekommen die Forumsmitglieder einen Eindruck davon, welche Fehler vorkamen, so daß sie dann nicht jedes Stück mit einem Mangel dieser Art gleich mit Mißtrauen betrachten. Daß zu diesem Zweck natürlich nur antike Originale taugen, versteht sich dabei wohl von selbst.
Hier sei als erstes ein Sesterz des Philippus I Arabs vorgestellt, der mir seit fast 25 Jahren Rätsel aufgibt. Den folgenden Aufsatz habe ich in ähnlicher Form bereits vor etlichen Jahren im Trierer „Petermännchen“ veröffentlicht.
Zwei stempelgleiche Sesterze mit identischen Hohlschlagspuren
Überlegungen zur Ursache einer Stempelbeschädigung
Gegenstand der Betrachtung sind zwei beidseitig stempelgleiche Exemplare eines Sesterzen des Philippus I, RIC 165, dort allerdings, wohl irrtümlich, „horse pacing r.“ (meine Unterstreichung), in leicht unterschiedlichen Erhaltungsstufen (ss, bzw. ss/vzgl.). Beide Stücke sind in Auktionskatalogen mit Abbildungen publiziert: Firma Heinz-W. Müller, Auktion 27, Nr. 2332, und Firma H. G. Oldenburg, Auktion 2, Nr. 210. Die für das dritte Jahrhundert typischen, eckig-ovalen Schrötlinge unterscheiden sich deutlich, und auch die Stempelstellungen weichen voneinander ab. Auf den Rückseiten weisen beide Stücke einen leichten Doppelschlag auf, und zwar in unterschiedlichen Partien der Umschrift. Auch hinsichtlich leichter Korrosions- und Abnutzungsspuren zeigen die beiden Münzen deutlich erkennbare Unterschiede. Es sind mithin alle Echtheitsmerkmale vorhanden, d. h. die Stücke sind mit Sicherheit geprägt und nicht etwa in ein und derselben Form gegossen.
Bemerkenswert an den Stücken ist nun, daß beide absolut identische Hohlschlagspuren aufweisen: Teile der Kinn- und Halspartie sowie des Paludaments der Vorderseite scheinen bei beiden Münzen an der selben Stelle und mit derselben Intensität als seitenverkehrte Negative im Rückseitenbild durch (z. B. auch die Kranzschleifen; zwischen den Vorderbeinen des Pferdes erkennt man die Rundung des Kinns; die sich daran anschließende Vorderkante des Halses verläuft zwischen dem Fuß des Reiters und dem rechten Hinterhuf des Pferdes, u. a.).
Hohlschläge werden, wenn sie als Einzelerscheinung auftreten, einsehbar damit erklärt, daß nach dem Prägevorgang die fertige Münze irrtümlich entweder auf dem Unterstempel liegen- oder am Oberstempel hängenblieb. Wurde das Prägen dann mit einem neuen, erhitzten Schrötling fortgesetzt, so erhielt dieser zwar auf der einen Seite sein richtiges Bild, auf der anderen Seite jedoch mußte sich durch den liegen- bzw. hängengebliebenen Schrötling der vorausgegangenen Prägung ein mehr oder weniger scharfes Negativbild eindrücken, zumal der alte Schrötling kälter und damit härter war als der erhitzte neue.
Normalerweise finden sich Hohlschläge praktisch ausnahmslos auf der Münzrückseite, was damit zusammenhängen dürfte, daß es der Oberstempel war, der das Rückseitenbild prägte. Blieb nun eine Münze hängen oder liegen, so wurde sie auf dem Unterstempel eher bemerkt, da ja der suppostor den neuen Schrötling auf den Unterstempel legen mußte, wobei er dort kaum je eine fertige Münze übersehen haben dürfte. Anders verhielt es sich, wenn die Münze am Oberstempel hängenblieb. Besonders wenn der Schrötling kleiner war als die Gesamtfläche des Oberstempels, wenn also die fertige Münze nirgendwo über den Stempelrand hinausragte, konnte es geschehen, daß das Hängenbleiben unbemerkt blieb und durch das Vorderseitenbild, das die noch am Oberstempel hängende Münze auf ihrer Unterseite trug, der auf dem Unterstempel liegende neue Schrötling einen Negativabdruck der Münzvorderseite erhielt, der auch bei einer Wiederholung des Prägevorganges durch das richtige Rückseitenbild nicht völlig ausgelöscht wurde. Die oben geäußerte Vermutung über das fast ausschließliche Vorkommen von Hohlprägungen durch hängengebliebene Münzen wird dadurch gestützt, daß sich bei einer Untersuchung der Münzen mit Hohlschlägen in meiner Sammlung zeigte, daß sie sämtlich einen eher knappen Rand haben. Ein ausgesprochen breiter Schrötling ist jedenfalls nicht darunter.
Im vorliegenden Falle weisen nun stempelgleiche Münzen über ihre Stempelgleichheit hinaus identische Hohlschlagspuren auf, so daß, will man nicht die Echtheit der Stücke in Zweifel ziehen, eine andere Erklärung gefunden werden muß als die Vermutung, es handele sich hier wieder einmal nur um das häufiger zu beobachtende Versehen des Schrötlingsauflegers.
Angesichts der absoluten Identität der Prägefehler kann die Ursache sinnvoll nur in einer Beschädigung des Rückseitenstempels vermutet werden, der danach den erlittenen Schaden an alle später mit ihm geschlagenen Münzen „weitervererbte“. Um beim Prägen seinerseits die Negativform der Münzvorderseite hervorrufen zu können, mußte der Rückseitenstempel mit einer sehr harten Negativform der Vorderseite, dem Vorderseitenstempel also, in gewaltsamen Kontakt geraten sein. Das aber konnte leicht geschehen, wenn man versehentlich beide Stempel ohne dazwischenliegenden Schrötling aufeinanderschlug. Daß der Vorderseitenstempel bei einem solchen „Leerschlag“ ohne feststellbare Beschädigung blieb, erklärt sich vielleicht dadurch, daß die Feld-Bild-Kanten des Vorderseitenstempels sehr viel markanter sind als die des Rückseitenstempels und darüber hinaus die prägenden, recht kompakten Feldpartien des Vorderseitenstempels auf relativ fein gegliederte Feldpartien beim Rückseitenstempel trafen. Auch eine unterschiedliche Härtung der Stempel könnte hier eine Rolle gespielt haben. Gerade in der Mitte des dritten Jahrhunderts finden sich ja auffallend viele flaue Rückseitenbilder, die auf eine vorzeitige Ermüdung dieser Stempel infolge ungenügender Härtung oder aus anderen Gründen schließen lassen. Eine letzte Möglichkeit ist, da man den eventuell ebenfalls beschädigten, wichtigeren Vorderseitenstempel durch einen neuen ersetzt oder ihn nachgeschnitten hat. Sollten sich weitere Stücke von den gleichen Stempeln finden, die den beschriebenen Fehler nicht aufweisen, so ließen sich daraus – ähnlich wie bei anderen plötzlich oder allmählich auftretenden Stempelschäden – nicht nur interessante Schlüsse auf die Chronologie der Prägung der einzelnen Exemplare ziehen, sondern sie könnten möglicherweise die hier vorgetragene Hypothese erhärten.
Das unten abgebildete Exemplar aus der Auktion Müller befindet sich in meinem Besitz und hat seinerzeit die Fragestellung ausgelöst. Leider konnte das zweite Exemplar aus der Auktion Oldenburg nicht mehr erworben werden, da die Versteigerung zwischenzeitlich bereits stattgefunden hatte. Vielleicht liest ja der damalige (1980) Erwerber des anderen Stückes diesen Aufsatz und meldet sich, am besten natürlich mit einem bebilderten Posting.
Gruß
chinamul