Zu den Marken gehören m.E. auch Belagerungsmünzen. Geldersatzzeichen, die in einer speziellen Situation – häufig zur Bezahlung von Söldnern – hergestellt wurden, i.d.R. mit dem Versprechen Sie nach der Notsituation in Kurantgeld umzutauschen. In der „Systematik der Marken und Zeichen“ von Gustav Schöttle sind Sie in der Kategorie E1 „Private und kommunale allgemeine Geldzeichen“ zu finden.
Aus dem 30 jährigen Krieg möchte ich eine Belagerungsklippe zu 1 Reichstaler des Kardinals Franz Wilhelm Graf von Wartenberg in seiner Funktion als Bischof von Osnabrück (1625-1651), geprägt während der Belagerung durch die schwedischen Truppen vom 14. August bis zum 11. September 1633, vorstellen.
28 x 30 x 3,5 mm, 29,05 g
Brause-Mansfeld Tf. 21, 1 (Vorderseite); Kennepohl 215; Engel/Fabre/Perret/Wattier 4.1.21.1
Die Klippe zeigt den hl. Petrus mit Schlüssel und Buch vor dem vierfeldrigen Wappen (Osnabrück, Wartenberg / Wartenberg, Osnabrück). Die meisten erhaltenen Stücke zeigen wie dieses einen Stempelriss zwischen der Krone des Heiligen und der letzten 3 der Jahreszahl.
Zum historischen Hintergrund:
Nach Beginn des Dreißigjährigen Krieges rüstete Osnabrück seine Befestigungen weiter auf und stellte eigene Soldaten zur Verteidigung der Stadt ein. In den ersten Kriegsjahren schaffte es Osnabrück vor allem durch Diplomatie und Geldzahlungen, Drohungen und Besatzungen der Kriegsparteien abzuwenden und somit offiziell neutral zu bleiben.
Innerhalb der Stadt wuchsen Konflikte des protestantischen Rates und Bürgertums mit dem Domkapitel und dem amtierenden Bischof Franz Wilhelm von Wartenberg, der auf der Seite der Katholischen Liga stand. Nachdem die katholischen Truppen die protestantischen Dänen unter König Christian IV. stark zurückdrängen konnten, war die Neutralität aufgrund der katholischen Übermacht nicht mehr aufrecht zu halten, weshalb sich Osnabrück 1628 kampflos einnehmen ließ. Die Stadt musste anschließend Besatzungstruppen aufnehmen und versorgen, was die Bürger schwer belastete.
Der Bischof nutzte die veränderten Machtverhältnisse, um Osnabrück zu rekatholisieren: er ließ die Klöster wiederaufleben und die evangelischen Prediger mussten ihre Posten und die Stadt verlassen. Die evangelische Ratsschule, die im Nachgang der Reformation als Gegenpol zur katholischen Domschule (Carolinum) gegründet worden war, musste schließen. Kinder durften ausschließlich katholisch getauft werden. Da größere Erfolge bei der Rekatholisierung der Stadtbevölkerung allerdings ausblieben, ließ der Bischof südlich der Stadt die Zitadellenfestung Petersburg errichten, um die Bürger besser überwachen zu können. Bei den Ratswahlen Anfang 1629 intervenierte Franz Wilhelm und sorgte durch Strafandrohung für die Wahl eines mehrheitlich katholischen Stadtrates. Die alten Ratsherren mussten, da sie sich weigerten, die Konfession zu wechseln, ebenfalls die Stadt verlassen.
Mit dem Kriegseintritt der protestantischen Schweden unter Gustav II. Adolf und ihrem Sieg bei Breitenfeld 1631 änderte sich die Kriegslage. Schwedische Truppen unter Befehl von Georg von Braunschweig-Lüneburg besetzten 1633 kurzzeitig das Stift Osnabrück, was die nun offiziell katholische Stadt und ihre Besatzer in den Alarmzustand versetzte.
Um die Widerstandskraft der Soldateska zu erhöhen, lag dem Bischof sehr daran, dass die Soldzahlungen sichergestellt wurden. Sein bereits im Februar 1633 initiierter Versuch Silbermünzen aus dem Stiftsilber zu schlagen misslang. Mit der Absage des Münsterschen Goldschmiedes Hermann Potthoff blieb nichts anderes übrig als Kupfergeld zu schlagen.
3 Schilling (Schreckenberger) 1633, 32 mm, 6,42 g
Weingärtner 290, Kennepohl 213
12 Pfennige 1633, 28 mm, 4,96 g
Weingärtner 291, Kennepohl 214
In 2 Verordnungen vom 19. und 20. Juni 1633 (zu dieser Zeit war das Stift bereits durch die Schweden besetzt) wurde der gesamten Bevölkerung in Stift und Stadt die Annahme des neuen Kupfergeldes schärfstens anbefohlen. Wer dem Befehle nicht nachkommen würde, sollte von Haus und Hof vertrieben werden.
Am 28. Juni 1633 hatten die Kaiserlichen bei Oldendorf eine schwere Niederlage erlitten, sodass die Schweden ungestört zur Belagerung der Stadt Osnabrück schreiten konnten.
Bereits am 20. Juni wurde die Ausgabe von Silbergeld angekündigt auf Befehl von Bischof Franz von Wartenberg, der sich wahrscheinlich bereits am 14. Juli nach Münster bzw. Petersberg flüchtete.
Am 13. August wurde die Stadt eingeschlossen. Inzwischen war die Ausgabe von Silbergeld immer dringender geworden, da nicht nur die Bürgerschaft, sondern auch der Kommandant von Osnabrück im Namen der Besatzung gegen den übermäßigen Umlauf der bischöflichen Kupfermünzen Verwahrung einlegt.
Am 28. Juli und am 14. August beschloß das Domkapitel, dass „des Stiffts Silberwerck zu Bezhalung der Soldaten in schlechten (d.h. schlichten) platen und also ohne große Kosten vermuntzet werden mögte“.
Zu diesem Silber kamen noch die silbernen Geschmeide, Ketten, Becher, Knöpfe u. dergl., die seitens der Bevölkerung bei der Schatzerhebung aus Mangel an barem Geld eingeliefert und von den Einnehmern mit 9 Schillingen für das Loth angerechnet wurden. Auf die beabsichtigten Klippen sollte „ahn der einen seitten Reverendissimi waffen und S. Petri bilt auffgeschlagen werden“. Diese Stücke müssen in der Zeit vom 14. August bis zum 11. September 1633, dem Tage der Übergabe der Stadt an die Schweden, entstanden sein.
Nach rund zweiwöchiger Belagerung, der die Stadtmauern standhielten, stimmten die zahlenmäßig unterlegenen Besatzer Verhandlungen zu. Am 12. September verließ die Führungsriege die Stadt, 600 Mann Fußtruppen zogen sich auf die Petersburg zurück und die Stadt wurde durch die Schweden eingenommen. Die kaiserlichen Soldaten auf der Petersburg wurden noch einige Wochen belagert und beschossen und kapitulierten am 24. September schließlich, da sie keine Hilfe von außerhalb erhielten. Die Schweden zogen ab, nachdem die Stadt ihre finanziellen Forderungen erbrachte, ließen aber auch eine Besatzung zurück.
In der Folgezeit wurden die kirchlichen und politischen Verhältnisse aus der Zeit vor der Rekatholisierung weitgehend wiederhergestellt. Die kaiserlichen Truppen konnten bis 1636 das Stift Osnabrück zurückerobern, ließen von einem Versuch der Rückeroberung der Stadt jedoch ab. Abgesehen von der fortwährenden Besatzung blieb Osnabrück für den Rest des Krieges vom Kriegsgeschehen weitgehend unberührt.
Literatur:
Schöttle, G.: Systematik der Marken alter und neuer Zeit. In. NZ. 13 (1920) S. 1-35
Kennepohl, Karl: Die Münzen von Osnabrück. Die Prägungen des Bistums und des Domkapitels Osnabrück, der Stadt Osnabrück, sowie des Kollegiatstiftes und der Stadt Wiedenbrück. Reprint der Ausgabe 1938. H. Dombrowski, 1967
Wikipedia: Osnabrück,
https://de.wikipedia.org/wiki/Osnabr%C3%BCckm