Keltisches "Ringgeld" ?

Keltische Münzen

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payler
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Keltisches "Ringgeld" ?

Beitrag von payler » Di 18.03.08 17:49

Wie aus der Überschrift schon zu erkennen ist habe ich das Fragezeichen gesetzt.
Da in diesem U-Forum ausgezeichnetes Fachwissen vorhanden ist erlaube ich mir auch diese Frage.
Habe vor Jahren "Keltisches Ringgeld" gekauft. Bis jetzt gibt es meines Wissens nach dieses Ringgeld gar nicht, bzw. hat eine ganz andere Verwendung (Schmuck, Metall als Wert, etc.???)?
Was meint ihr?
Anbei ein Bild des "Ringgeldes"!
Gewicht: 54 Gr. -> Küchenwaage
Durchmesser: Aussen: ca. 4,5 cm - Innen: ca. 2.7 cm
Grüne Patina.

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harald
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Beitrag von harald » Di 18.03.08 18:02

Hallo payler
zitiere aus Castelin BdI, S146:
"Diese Fundstücke aus La-Tene und anderen Fundplätzen haben keinen Münzcharakter, sondern sind als Amulette zu bezeichnen.Sie treten manchmal mit Münzen auf."

Das trifft ebenfalls auf die Rädchen und Noppenringe zu.

Ein Problem bei den Ringen besteht weiters darin, daß deren Funktion vielseitig war.
So können sie Teile des Pferdegeschirrs, von Geräten, der Gürteltracht und vieles mehr gewesen sein.
In meiner Zeit als aktiver Sondengeher zählten diese Ringe verschiedener Größe zu den häufigsten Funden auf römischen und keltischen Siedlungsplätzen.

Viele GRüße
Harald

payler
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Beitrag von payler » Di 18.03.08 18:18

Danke Harald für die ausführliche Erklärung!

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biatec
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Beitrag von biatec » Mi 19.03.08 07:50

Gut das Du das Thema aufwirfst payler,

ich bin ganz der Meinung von Harald - und persönlich ärgere mich über die nicht endenwollenden Anbote von "Ringgeld" bei Händlern, elektronischen und auch bekannten Auktionshäusern.

Ich denke es wird oft gutes Geld mit der Illusion gemacht, das all diese Riemenverteiler-Ringerln, Noppenringe usw. prämonetäre Funktion hatten und somit etwas Besonderes sind.
Und an der Spitze des Reigens stehen die Ringerln dann in Gold, die in 9 von 10 Fällen modern sind.

Leider Nein - die Ringerln sind Legion - die Noppenringe sind häufig (aber wunderschön).

LG

Stephan

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tuzzi
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Beitrag von tuzzi » Mi 19.03.08 08:49

Naja so einfach will ich das hier auch nicht abgetan haben (wiewohl ich dem auch sehr kritisch gegenüberstehe): woher soll denn diese Annahme überhaupt kommen? Warum gibt es Hortfunde dieser Ringe und Räder? Warum ist im NHM in der Vitrine immer noch "keltisches Ringgeld" zu sehen (ein Rad)? Dembsky führt sie glaublich auch in seinem NHM Katalog an, sich jetzt einfach hinzustellen und zu sagen das ist es nicht finde ich ein wenig simpel, ich hätte das gerne an der Wurzel gepackt und ausgerissen oder eben für wahr erkannt. Ich bestreite allerdings nicht dass Bronzeringe immer und überall in mannigfacher Funktion eingesetzt waren. Ich rede hier von den "klassischen" Rädern / Noppendingern die eigentlich unpraktisch zum tragen gewesen wären.

Also mich bitte nicht falsch verstehen, aber ich hätte es so gerne begründet abgelehnt oder eben bestätigt gehabt. Irgendwoher muss das ja kommen.

Beste Grüße,
Clemens

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Beitrag von biatec » Mi 19.03.08 09:15

Das Problem ist lieber Clemens,

dass es Dir niemand von den Altvorderen mehr schriftlich bestätigen kann.

Ich will ja nicht behaupten, dass der Ansatz grundfalsch ist - aber er wird genutzt um aus allem und jedem "Ringgeld" zu machen.
Und dagegen verwehre ich mich.
Dass es prämonetäre Zahlungsmittel gegeben hat - ist plausibel und wahrscheinlich - das war vor dem Münzverkehr nämlich alles

Von der Gans bis zum Beil - bis hin zu eventuell solchen Ringerln/Amuletten.

Und das solche Gegenstände in Horten gefunden werden belegt weder eindeutig rituellen noch prämonetären Hintergrund.

LG

Stephan

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harald
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Beitrag von harald » Mi 19.03.08 11:15

Hallo tuzzi!

Ohne hier jemandem auf den Schlips treten zu wollen sehe ich das Problem darin, daß fast alle Numismatiker, Archäologen, Historiker, etc. voneinander abschreiben ohne lange zu hinterfragen und dabei viele Thesen längst überholt sind.
Einen wissenschaftlichen Beweis einer Geldfunktion von Noppenringen, Rädchen und ähnlichen Objekten hat es bis heute nicht gegeben.

Diese Objekte werden heute und wurden auch früher im Zusammenhang mit Opfergaben in Heiligtümern mit geopferten Münzen und anderen Amuletten, aber auch auf Siedlungen gefunden .
Das führte zur ursprünglichen Annahme, es sei Geldersatz und wurde von Forrer vor über 80(!) Jahren erstmalig publiziert.

Interessant ist, das diese Stücke neben Schuhamuletten und Körbchenanhängern auch in Kaiserzeitlichen Fundzusammenhängen bis in 2.Jh.n.Chr. gefunden werden, wo keine einzige keltische Münze mehr im Fundgut sich befindet.

Möglicherweise ein Weiterleben einer alten Tradition innerhalb der keltischen Restbevölkerung so wie das tragen alten keltischen Schmuckes bei der Frauentracht.
Ein weiteres Argument gegen eine Geldfunktion ist die äußerst fragile Ausführung der Rädchen in Gold.Sie wären als Zahlungsmittel komplett ungeeignet und waren möglicherweise aufgenäht.

Viele Grüße
Harald

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harald
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Beitrag von harald » Mi 19.03.08 11:20

@biatec
Ich bin sogar der Meinung dass von den Goldringen der Prozentsatz an gefälschten Stücken im Handel noch größer ist.
Ich kenne da bei ebay einen speziellen Anbieter, der wahrscheinlich in Indien oder Pakistan fertigen läßt und mit diesen "keltischen" Stücken gutes Geschäft macht.

Zum Glück habe ich meines selbst gefunden.

Gruß
Harald

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Beitrag von taurisker » Mi 19.03.08 11:23

... ich hatte in einem anderen thread zum Thema einige Überlegungen angestellt, plausibel für all die Ringe Rädchen Noppenkränze sind folgende Theorien:

- Votivgaben (das erklärt auch den meist makellosen Zustand bei Potinrädchen und Noppenringen aus bestem Ae)
- Barren (das Auftreten im Hort spricht bei den glatten Ringen dafür, durch die Form konnten sie zudem auch leicht transportiert werden)
- Gebrauchsteile (natürlich wurden m.E. Ae-Ringe auch als Riemenverbinder odgl. verwendet)

An eine praemonetaere Funktion denke ich nicht, Ausnahme: Ae-Ringe als Barren, die konnten zB. sehr wohl als Zahlungs- bzw. Tauschmittel im Einsatz sein.

Salü
taurisker

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Beitrag von harald » Mi 19.03.08 11:39

Einer Funktion als Barren kann ich nur mit Einschränkung zustimmen.

In unserem Gebiet werden viele dieser Rädchen in Potin gefunden.
Für Potin gab es aber bei uns, wo es keine Potinmünzen gab als Rohmaterial kaum eine Verwendung.

Viele dieser Ringe zeigen Spuren des langen Tragens, was eher ein Zeichen für Amulette oder Kettenverbinder ist.

Wären es Barren und würden sie nur nach dem Gewicht gehandelt, dann würden mehr davon in unbearbeitetem Zustand, das heißt als Rohguß gefunden werden.

Kupfer und Bronzebarren wurden in einigen keltischen Siedlungen gefunden und haben eine andere Form.

Aus diesen Gründen nehme ich an, dass der Großteil keine Barrenfunktion hatte.

Viele Grüße
Harald

taurisker
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Beitrag von taurisker » Mi 19.03.08 12:01

Ein weiteres Argument gegen eine Geldfunktion ist die äußerst fragile Ausführung der Rädchen in Gold.Sie wären als Zahlungsmittel komplett ungeeignet und waren möglicherweise aufgenäht.
Genau das denke ich auch ... anbei ein Stück aus meiner Sammlung, Gewand- oder Riemenzier in Form eines Herzens, Lunula in Punktzier, Silber in anspruchsvoller Gusstechnik mit Bronzeringöse an der Rückseite verbunden, 12,7mmx12mm 3,5mm stark 1,42g schwer ... später Latene Stil, Fundort des Stückes ist Süddeutschland, ähnliche Wamszier oder Trachtenknöpfe auf Jacken findet man auf authentischer Tracht noch Heute sehr häufig in den Alpenregionen.

Salü
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Zuletzt geändert von taurisker am So 26.04.09 08:26, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitrag von pixxer » Mi 19.03.08 12:18

Interessante Diskussion mal wieder und ein interessantes Stück Taurisker. Etwas Offtopic: weiß man eigentlich wann sich diese Form als Herzform durchgesetzt hat? Ihr wißt schon, dass es eben allen klar war dass damit das Herz gemeint ist. Unsere Pumpe sieht ja nicht wirklich so aus, also wäre es interessant zu erfahren wann von wem festgelegt wurde, DAS is es jetzt. 8)

kollboy
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Beitrag von kollboy » Mi 19.03.08 12:27

@taurisker:

kommt das stueck wirklich aus einem eindeutigen fundzusammenhang?
ich hielte es naemlich eher fuer einen neuzeitlichen trachtenknopf udn waer mir laut fotos auch nicht sicher, ob ich das material wirklich als silber ansprechen wuerde.

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harald
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Beitrag von harald » Mi 19.03.08 12:35

Also in keltischem Fundzusammenhang ist mr ähnliches noch nie untergekommen, aber wie schon gesagt, die Kelten sind immer für eine Überraschung gut.

Was meiner Meinung dagegen spricht ist:
die Form (unter den keltischen Symbolen kenne ich keine herzform),
das Material(Silber wurde bei den Mittelkelten nur in Ausnahmefällen zu Schmuck verarbeitet),
und die Befestigung.
Ich würde diesen Gegenstand für neuzeitlich halten.

Grüße
Harald

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Beitrag von Ambiorix » Mi 19.03.08 12:43

@taurisker

Der Fundzusammenhang würde mich auch interessieren. Genaue solche Appliken waren Teil der awarischen Gürtelzier oder anderer Steppenvölker aus dem Osten. Diese Stücke kommen eher massenhaft aus den Balkanländern. Meist waren diese kleineren Stücke auf Nebenriemen am Gürtel angebracht.
MfG
Ambiorix

[b]"Doch die Wissenschaft man weiß es,
achtet nicht des Laienfleißes!"[/b]

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